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SofieWalden

Bewertungen

Insgesamt 623 Bewertungen
Bewertung vom 06.06.2022
Leichdorf
Rauh, Wolfgang

Leichdorf


sehr gut

Man betritt diesen Ort und der Horror wartet

Leichdorf heißt der Ort, in dem die Handlung spielt und hier nehmen die Dingen ihren Lauf. Einen Serientäter gibt es hier, der seinen Opfern die Haut abzieht, um 'in sie hineinzusehen'. Bisher wurde sein Treiben noch nicht entdeckt. Wäre Aufhören eine Option, wäre jetzt sicherlich der passende Zeitpunkt dafür, dann, wenn es am Schönsten ist und man noch gute Chancen hat, nicht erwischt zu werden, doch die Sucht, es wieder zu tun, ist zu groß. Und irgendwie passt dieser düstere Ort und seine gebeutelten, teilweise in ihrer eigenen Hölle wandelnden Menschen, diese kaputten, traumatisierten Charaktere auch ganz ausgezeichnet zu dem Mörder, der da mit ihnen lebt.
Den Plot für diese Geschichte kann man wohl dem Genre Krimi zuordnen, doch wenn man die Tür erstmal aufgestossen hat und als Leser über die ominöse Schwelle getreten ist, dann ist man mitten drin im Horror der ganz eigenen Art und an dem gibt es wahrlich ganz und gar nichts auszusetzen. Es ist schon grausig, aber nicht zuviel, sehr spannend, genau richtig, würde ich sagen und das Ende, perfekt. Und ein perfektes Ende, das ist ja wohl schon die halbe Miete, denn so oft kommt das nicht vor. Und als Würze obendrauf gibt es dann noch eine nicht unerhebliche Portion Humor dazu.
Mainstream ist das hier nicht, aber irgendwie trotzdem eine echte Entdeckung.
Seid mutig und macht euch ans Werk, ans Lesen meine ich natürlich.

Bewertung vom 06.06.2022
Ferien mit Juli / Juli Bd.3
Eimer, Petra

Ferien mit Juli / Juli Bd.3


ausgezeichnet

Die tierischen Vier machen Urlaub und Juli, das Pferd, gehört natürlich dazu

Die tierischen Vier, das sind Paul, sein Pferd Juli, Max und Anna. Eigentlich nicht so geplant, geht es dann aber doch gemeinsam in den Sommerurlaub, auf eine Insel. Dort gibt es einen Hof, auf dem auch Juli gut untergebracht ist und neben dem vielen Wasser, das das Pferd erstmal gar nicht mag, ist da auch eine ganze Koppel voller Ponys, die Juli gespannt erwarten, was der Dame aber zuerst auch nicht gefällt, denn sie mag es lieber allein. Aber das gibt sich. Außerdem beginnt es ja schon, das neue spannende Abenteuer der vier Freunde. Gleich am ersten Tag finden sie eine Flaschenpost und darin eine Schatzkarte. Der Schatz dazu muss natürlich gefunden werden und so arbeiten sich die vier von Hinweis zu Hinweis, was gar nicht so einfach ist. Zwischendrin sind sie sich auch nicht immer einig und Paul reitet mit Juli alleine los, um den Schatz zu finden. Aber ohne seine Freunde, mit Max, der, wenn es schwierig wird, und es wird schwierig, immer eine Lösung findet und Anna, die den besten Orientierungssinn von allen hat, endet das in einer brezeligen Situation und der Erkenntnis, nur als Team bekommen wir das hin. Wie ihr Abenteuer endet, das wird natürlich nicht verraten, aber einen tollen Urlaub erleben sie allemal, auch weil es da richtig klasse Erwachsene gibt. Einer davon ist zwar ein grummeliger Pirat, aber nur so lange, bis sie ihn näher kennengelernt haben. Und sie sagen dem dann auch mal, dass er da bei etwas sehr falsch liegt und das ändern muss. Also man sieht, hier beruht das Helfen auf Gegenseitigkeit.
Ein Buch, das richtig Spaß macht und damit meine ich nicht nur das Lesen. Es ist so toll gestaltet, die vielen Zeichnungen, die an der jeweiligen Stelle immer genau zur Handlung passen, so variabel und bunt, genau wie der Text selbst. Die Wörter, die einzelnen Buchstaben, mal größer, mal kleiner, mal farbig, mal schräg, wunderbar lebendig und mit so viel Liebe zu einem passenden Ganzen zusammengefügt, da macht das gemeinsame Abenteuer von Leserseite aus noch mal so viel Freude.
Übrigens, Juli gibt es wirklich und Paul auch. Er ist der Sohn der Frau, die dieses Buch geschaffen hat, die Geschichte und die Bilder dazu. Und ich bin mir sicher, sie wird uns bald wieder mit einem neuen Juli-Band beglücken.

Bewertung vom 05.06.2022
Ein unendlich kurzer Sommer
Pfister, Kristina

Ein unendlich kurzer Sommer


sehr gut

Ein alter Campingplatz als Zufluchtsort und ein paar Menschen, die sich neu sortieren müssen

Ein heißer Sommer und ein alter heruntergekommener Campingplatz irgendwo im Nirgendwo, hier treffen sie zusammen, die Menschen, zufällig gestrandet oder auch bewusst an diesen Ort gereist, alle auf der Suche nach sich selbst, einem Anderen, nach dem man sich sehnt, dem Warum und Wohin oder dem Bestreben nach einem ordentlich hinterlassenen friedlichen Ende. Der, der denkt, die Welt schon hinter sich gelassen zu haben, das ist Gustav, der alte und kranke Besitzer des schon leicht verrotteten Geländes. Mit Menschen hat er es nicht (mehr) so und es braucht schon viel Beharrlichkeit von Seiten Lales, der aus ihrem eigenen Leben davongelaufenen jungen Frau, damit Gustav zustimmt und sie bleiben darf. Um ihre Gedanken zu ordnen oder vielleicht auch erst einmal davor wegzurennen, packt sie mit an und verleiht dem vor sich hin gammelnden Platz wieder so etwas wie Lebendigkeit und dazu auch neue Besucher. Ein sehr weit angereister Gast aus La Reunion, Christophe, er hat sich tatsächlich ganz bewusst hier einquartiert. Aus dem Warum macht er erst einmal ein großes Geheimnis. Später dann, wenn alle auch im übertragenen Sinne warmgeworden sind miteinander, dann öffnet er sich und erzählt von seiner verstorbenen Mutter und einem Brief. Aber das wird dauern. Doch es wird reichen für einen 'unendlich kurzen Sommer' und für eine Menge mehr, an Gefühlen, an Annäherung, an vielleicht ja Liebe. Eine abgeschottete Blase, die die Welt da draußen für kurze Zeit ausschließt, das haben sie und auch das schräge Völkchen drumherum, das sich hier kurzzeitig ansiedelt, gebraucht und es ist schön, diesen Menschen, vielleicht selbst in einem Liegestuhl unter einem schattigen Baum den Sommer genießend, in diesem Buch so nahe zu kommen und zu sehen, sie machen was daraus. Auch über diese Zeit hinaus, das wird man sehen.
Das träge, manchmal auch ein wenig erdrückende Sommeflair, eingefangen in einer leichten flüssigen Sprache und dazu eine Geschichte, die einen schon nach kurzer Zeit nicht mehr los lässt, ruhig, schräg, humorvoll, manchmal auch ein wenig tragisch und durchaus mit Tiefgang, das wird hier geboten und wenn man es annimmt, es lohnt sich sehr.

Bewertung vom 03.06.2022
Im Dschungel um acht, bis einer lacht
Henry, Katie

Im Dschungel um acht, bis einer lacht


ausgezeichnet

Wenn man alles nur in Gedanken sagt und dann doch die große Chance nutzt

Isabel ist die Jüngste von Dreien. Ihre älteren Geschwister stellen sich gerne in den Vordergrund und ihre Eltern sind meist mit ihrer Arbeit beschäftigt. Da wird man schnell ganz leise. Aufbegehren findet nur im Kopf statt und nein sagen, z.B. wenn der tolle Freund bestimmt, was gemacht wird, auch. Doch eines Tages gerät Isabel zufällig in einen Comedy-Club. Und ehe sie sich versieht, steht sie oben auf der Bühne und es wird tatsächlich gelacht. Irgendwie ist es schön, beachtet zu werden und anscheinend hat sie Talent. Fortan macht sie das öfters, genau wie der Titel sagt, 'Im Dschungel um acht, bis einer lacht', heimlich natürlich Dieses neue Leben verändert Isabel. Sie beginnt, die Dinge anders zu sehen, die Schuld nicht immer bei sich zu suchen und tatsächlich, auch laut, nein zu sagen, was für ihren manipulativen Freund ein wirkliches Aha-Erlebnis ist und ihm gar nicht gefällt. Diese Entwicklung ist schon eine ziemlich gute Sache, aber auf Dauer zwei Leben, kann Isabel das stemmen oder kommt alles dann doch ganz anders.
Ein tolles Buch mit Themen, so richtig auf Augenhöhe zum jugendlichen Lesepublikum und dazu so leicht, humorvoll und gleichzeitig ernsthaft angegangen, dass auch Ältere sich hier durchaus angesprochen fühlen. Dazu eine sehr sympathische Hauptperson, bei der es Freude macht, zuzusehen, wie sie ihren Weg geht und wenn dann mal eine falsche Entscheidung dabei ist, gehört das auch dazu und man lernt daraus.
Und nebenbei, keine Angst vor der Comedy, die ist hier wirklich lustig.

Bewertung vom 03.06.2022
Rosies Wunderkind
Wünsch, Lydia

Rosies Wunderkind


ausgezeichnet

Eine Mutter kämpft für ihr Kind und Hilfe gibt es wenig

Als Rosie und ihr Partner Eltern werden, sind beide noch sehr jung. Almanzo wird ihr Junge heißen und alles scheint gut, seinen normalen Gang zu gehen. Doch mit der Zeit zeigt Rosies Sohn ein ungewöhnliches, auffälliges Verhalten. Die besorgte Mutter konsultiert verschiedene Ärzte, doch anfangs wird sie kaum ernstgenommen und ihre Sorge wird als mütterlich überspannt abgetan. Doch dann die Diagnose, ihr Kind ist Autist. Eine Erkrankung, die zu sehr verschiedenen Verhaltensweisen führt. Almanzos Form wird von der 'normalen' Bevölkerung in den entsprechenden Einrichtungen wie z.B. dem Kindergarten abwehrend und ohne Verständnis wahrgenommen und und, wie erschreckend, auch von Seiten von Menschen, die es besser wissen müssten, fachlich ausgebildeten Menschen, ist der Wille um zumindest Kooperation, zum Wohle des Kindes, nur sehr eingeschränkt vorhanden. Rosies Verzweiflung wird immer größer. Ihr Mann hat sich schon sehr bald aus dem allem herausgenommen und die meisten Türen, an denen sie, bildlich gesprochen, um Hilfe bittet, schließen sich. Und irgendwann kann diese Mutter nicht mehr und trifft eine folgenschwere Entscheidung.
Diese Buch, es beruht auf wahren Begebenheiten, und das erlebt, fühlt man auf jeder Seite dieser Geschichte. Eine Mutter kämpft um und für ihren Sohn. Eine rein körperliche Krankheit, damit kann die Gesellschaft umgehen, da kommt Mitgefühl, Unterstützung, aber Autismus in dieser Form, das ist befremdlich,oft nicht kontrollierbar und macht Angst.
Hier ist man ganz nach dran, ganz nah an der Mutter und der Stärke, die sie aufbringt für ihren Sohn, aber dann auch dabei, wenn ihre eigene soziale Welt allmählich zerbricht und sie einfach nicht mehr weiter weiß.
Zutiefst berührend und mit langem Nachhall für sich selbst.

Bewertung vom 02.06.2022
Kunst in Gefahr
Wallenborn, Benjamin

Kunst in Gefahr


sehr gut

Ganz viel Frankreich und ein Abenteuer dazu

Schon das vierte Mal sind B-OB Coddiwomple, ein superfreundliches schon sehr viel herumgereistes Wohnmobil, Line, ein total abenteuerlustiges Mädchen und Benni, eher von der ruhigeren Sorte, aber bei Reisen in andere Länder immer sofort dabei, unterwegs, um ein neues Land kennenzulernen. Diesmal ist es Frankreich. B-OB wollte unbedingt mal wieder seine Freundin Claire besuchen und so machen sich die drei Abenteurer auf den Weg bzw. B-OB fliegt sie, ja, er kann auch fliegen, als erstes in die Hauptstadt von Frankreich, Paris. Hier gibt es vieles zu entdecken, z.B. den Eiffelturm. Aber dann lernen sie einen Künstler kennen, der ziemlich in Not ist. Und sie wollen natürlich helfen. Aber dafür brauchen sie Claire und die ist schon weiter gereist, an einen anderen schönen Ort in La France. Bis sie sie dann finden, haben B-OB und die Kinder schon eine Menge bekannter Sehenswürdigkeiten gesehen und dann gibt es da ja auch noch ein großes Abenteuer zu bestehen, mit hoffentlich gutem Ausgang.
Ein tolles Lese- und vor allem Vorlesebuch ist das hier. Man erfährt jede Menge über Frankreich und wenn dann der Vorlesende mit seinen Zuhörern französiche Worte übt, mit Nase zu als Tipp, denn dann ist vieles leichter auszusprechen, dazu kommt natürlich deren deutsche Bedeutung und die Bilder zur Handlung sind sowieso superschön, dann macht das einen Riesenspaß und es gibt ganz viel zu lachen. So lernt man ein Land gerne kennen.
Und bald sollen sich B-OB und die Weltenbummler Kids ja schon wieder auf den Weg machen, in ein anderes Land, nach Amerika, dann nach Botswana und dann immer weiter, bis sie und damit auch ihr als Leser die ganze Welt kennengerlernt haben.

Bewertung vom 25.05.2022
Papyrus
Vallejo, Irene

Papyrus


ausgezeichnet

Wie einst aus Gedanken Bücher wurden

Wenn man in einer Bibliothek steht und die Regalwände sind bis unter die Decke mit Büchern gefüllt, so ist das ein erhabenes, andächtiges Gefühl, hier so viele in Schrift eingefangende Gedanken an einem Ort versammelt zu sehen. Doch einst, vor langer Zeit, da gab es nichts von all dem, keine Buchstaben, keine Schrift, kein Medium, um Dinge darauf zu verewigen und so natürlich auch keine Bücher. Die Geschichte, wie unsere Welt es gemacht hat, das 'Wunder der Bücher' zu erschaffen, Schritt für Schritt, das erzählt uns Irene Vallejo in ihrem unvergleichlichen, als Sachbuch titulierten Werk 'Papyrus – Die Geschichte der Welt in Büchern'. Angefangen im antiken Griechenland mit der von Alexander dem Großen erschaffenen Vision von einer Bibliothek, die alle Bücher dieser Welt enthält, bis hin zum Untergang des römischen Reichs, vor allem in dieser Zeit verweilt die Autorin und erzählt, mit ganz viel Begeisterung und Liebe, von dem, was nötig war, um die eigenen Erkenntnisse zu verewigen, seine Gedanken für die Nachwelt zu bewahren. Sie macht dies nicht im Stil eines akribisch detaillierten Sachbuchs mit chronologischen Verlauf, wie wir das hier vielleicht erwartet haben, nein, ganz und gar nicht. Sie, die so viel weiß über diese Zeit, über die Menschen, denen das Buch schon damals so außerordentlich wichtig war, die jedes noch so kleinste Detail, jeden Nebenstrang und alles weit darüber hinaus, genauestens recherchiert hat, sie wählt einen anderen Weg. Dieser ist von Anekdoten durchspickt, mit Sprüngen vor und zurück in der Zeit versehen, mit Bezügen auch zur Gegenwart und auch für das Innehalten und Sinnieren in eigenen Gedanken schafft sie Raum.
Dies alles, ja es ist viel, aber so spannend, interessant und humorvoll und das, was aus Büchern entsteht, Theater, Film, auch diese Dinge werden geschätzt und elegant und unterhaltsam eingebunden in 'das große Ganze'.
Wer Bücher liebt, muss dieses Werk lesen. Er wird es auf ewig in Ehren halten. Eine größere Hommage an das Buch, ganz ohne Podest, aber dafür mit ganz viel Wertschätzung und Bewusstsein für seine Bedeutung, damals und heute, wird er nicht finden.

Bewertung vom 24.05.2022
Skandar und der Zorn der Einhörner / Skandar Bd.1
Steadman, A. F.

Skandar und der Zorn der Einhörner / Skandar Bd.1


schlecht

Das jährliche Einhornrennen und daraus wird ein großes Abenteuer

Es gibt Einhörner und Einhörner. Hier in dieser Geschichte sind es letzteren, die das große Abenteuer rund um den jungen Skandar und seine neu gewonnenen Freunde vorantreiben. Es sind kaum zu bändigende düstere und nicht nur in ihrer Seele dunkle Einhornwesen, die wild und sehr zornig das jährliche Einhornrennen, das Ereignis des Jahres, nutzen, um Tumult und Chaos zu verbreiten und den Sieger mit sich fortzureißen. Und es ist der junge Skandar, der gerade 'seinen Traum lebt' und tatsächlich zum Einhornreiter ausgebildet wird, der zum Held wird in dieser Geschichte. Zusammen mit seinen Freunden muss er alles geben, um das Abenteuer, in das er so plötzlich hineingeraten ist, zu bestehen. Und dieses Abenteuer hat es wirklich in sich. Ob am Schluss alles zu einem guten Ende führt, das soll natürlich nicht verraten werden. Aber, wenn man sich wünscht, dass es bald einen zweiten Band mit einer neuen aufregenden Geschichte mit Skandar und seinen Freunden geben wird, ja dann kann man ja zumindest hoffen.
Ein tolles sehr besonderes Buch mit genau der richtigen Menge Fantasie und Magie, einem tollen Abenteuer, bei dem man, egal ob Junge oder Mädchen, einfach sehr gerne dabei sein würde und Einhörnern, von denen man nur hoffen kann, dass sie sich nicht bei euch zuhause eingeschlichen haben. Aber ich bin mir sicher, da sitzen nur die Guten.

Bewertung vom 22.05.2022
Der Riese am Horizont
Stroh, Alexander

Der Riese am Horizont


ausgezeichnet

Ein wahrhaftig bildhaftes Buch mit feinsinniger Geschichte

Es war einmal ein kleines Dorf, in dem ging alles seinen unaufgeregten Gang. Und dann, eines Tages, war er plötztlich da. Ein Riese, so groß, dass man nur seine Beine sehen konnnte, alles andere von ihm befand sich jenseits der Wolken. Er tat nichts böses. Er sprach auch nicht. Er stand einfach ganz still da. Und die Leute im Dorf regten sich über dieses unbekannte Wesen riesig auf. Nur der Ich-Erzähler dieser Geschichte, ein Junge, er hatte zwar ein wenig Angst vor dem Unbekannten, aber er glaubte, dass der Riese bestimmt nett ist und er hätte auch gerne mit ihm geredet, aber seine Eltern erlaubten es ihm nicht. Viele Wochen zogen ins Land und der Riese stand einfach da und nichts geschah. Und dann fasste sich der Junge ein Herz und ging den Riesen besuchen, kuschelte sich an sein leicht zitterndes warmes Bein und fühlte sich richtig gut.
Das ist dann fast schon das Ende der Geschichte und sie ist sanft, macht nicht viele Worte, hat einen feinen Sinn hinter dem Sinn und ist wunderschön. Und dann ist da noch etwas, etwas Wunderbares, Gewaltiges, die Bildgestaltung dieses Buches. Hier wird nicht illustriert, hier wird gemalt, sehr kunstvoll und leicht abstrakt. Seite um Seite umhüllen die Zeichungen das geschriebene Wort und auch das ist wunderschön. Hier war jemand mit sehr viel Liebe am Werk, zu dem, was er erschaffen wollte. Und das hat richtig gut funktioniert.
Ein Buch, vielleicht für Kinder gedacht, aber auch sehr für Erwachsene gemacht. Zumindest kommt es so bei einem an.

Bewertung vom 22.05.2022
Über Carl reden wir morgen
Taschler, Judith W.

Über Carl reden wir morgen


sehr gut

Ein mitreißendes Familienepos über drei Generationen hinweg

Die Brugger-Familie, sie betreibt eine Hofmühle in einem kleinen Dorf, irgendwo im Österreichischen, schon seit langer Zeit. Carl, der Namesgeber dieses Familienepos, er steht für die jüngste Generation in dieser Geschichte. Aber es ist sein Großvater Anton, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts den Anfang macht. Er hat die Mühle gerade übergeben bekommen und setzt so die Brugger Tradition fort. Seine Schwester Rosa hingegen sucht ihr Glück als Hausangestellte in der Stadt. Sie träumt von Freiheit und bekommt schlechte Behandlung und Demütigung, bis hin zum Missbrauch. Als Antons Frau stirbt, kehrt sie, von ihrem Bruder zur Hilfe gerufen, in die Enge ihres Heimatdorfes zurück und kümmert sich fortan um die nächste Brugger-Generation, Antons nun mutterlosen Kinder. Und das Leben geht weiter. Irgendwann übernimmt der Sohn Albert die Familienmühle und startet zudem den Versuch, ein Kaufhaus in dem kleinen Ort zu etablieren, was auch, trotz Zweifel aus der eigenen Familie, gelingt. Als seine Frau wählt er Anna, eine Zugereiste aus der Stadt, für die das Dazugehören zu einer in mehr wie einer Hinsicht schwierigen Angelegenheit wird. Und dann sind wir endlich angekommen, bei Carl, über den dann wirklich noch viel zu sagen ist, morgen. Er bildet zusammen mit seinem Zwillingsbruder Eugen, der später nach Amerika auswandert und den Geschwistern Gustav und Elisabeth die nächste Generation der Bruggers.
Wenn man diesen Stammbaum vor Augen hat, kann man sich vorstellen, welcher Berg an Geschichten, eingebetet in die tatsächliche Geschichte zu der jeweiligen Zeit, hier auf die Leser wartet. Dramatisch ist schon ein sehr präsenter Begriff, über alle Generationen hinweg. Hier nehmen Schicksale ihren Lauf. Personen handeln und die Geheimnisse dahinter, man erfährt erst sehr viel später das Warum. Und das ist nicht ohne. Was gerade gegen Ende dieses, doch wahrscheinlich auf Fortsetzung angelegten Buches ans Licht kommt, das kann einem schon ein wenig den Atem nehmen, so dass man sich am liebsten wegdrehen würde. Aber das funktioniert natürlich nicht, denn dieses so packend geschriebene Werk, auch literarisch sehr vorzeigbar, es umgibt jede einzelne Person mit einer solchen Präsenz und einer Intensität der Gefühle, dass es unmöglich ist, sich dem zu entziehen. Und dazu kommt, die Autorin, sie wertet nicht über ihre Protagonisten. Sie erzählt einfach, wie es ist, die Zeit, die Menschen, das Leben.
Ein tolles Buch, das alles hat, was es braucht, um zu Recht herausgehoben zu werden aus dem 'Alltäglichen'. Und das nicht ganz abgeschlossene Ende, es ist als Einladung zu verstehen, auch einer Fortsetzung wieder die Tür zu öffenen. Ich bin auf jeden Fall erneut dabei.