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Lesendes Federvieh
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München
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Hinter dem Namen Lesendes Federvieh verbirgt sich das Blogger-Duo kathiduck und Zwerghuhn. Wir lesen querbeet alles, was uns zwischen die Finger kommt und veröffentlichen die Rezensionen dazu auf unserem Blog (lesendes-federvieh.de). Dort gibt es übrigens noch viele weitere Beiträge rund ums Thema Buch. :)

Bewertungen

Insgesamt 539 Bewertungen
Bewertung vom 23.08.2019
Die kleine Straße der großen Herzen / Valerie Lane Bd.6
Inusa, Manuela

Die kleine Straße der großen Herzen / Valerie Lane Bd.6


sehr gut

Das Leben in der Valerie Lane geht weiter. Laurie hat zwei süße Kinder, Keira und Ruby haben den Mann fürs Leben gefunden, Orchid ist ihrem Liebsten nach Amerika gefolgt und Susan kämpft noch mit ihrem Glück. All das hat sich in den letzten drei Jahren in der Valerie Lane ereignet. Und die Valerie Lane selbst hat sich ihren Titel als "Die romantischste Straße der Welt" wahrlich verdient. Doch nun müssen die Freundinnen mit einem großen Verlust zurechtkommen. Ihre Herzenswärme und ihr Gespür werden jetzt gebraucht...

Da ist er nun, der letzte Teil aus meiner Lieblingswohlfühlbuchreihe um die Valerie Lane. Manuela Inusa lässt noch einmal alle lieb gewonnenen Charaktere aus den vorangegangenen Teilen auftreten. Wie schon bei den anderen Bänden schafft es die Autorin durch ihren angenehmen, flüssigen und warmherzigen Schreibstil den Leser in diese ganz besondere Welt mitzunehmen.

Diesmal steht noch einmal der Zusammenhalt der sympathischen Freundinnen und anderen Mitgliedern der Valerie Lane im Vordergrund. Obwohl das Buch gerade am Anfang ziemlich traurig ist, ist es doch aufmunternd zu lesen, wie sich alle gemeinsam sorgen und kümmern. Man sieht, dass nun alle angekommen sind, ich konnte zufrieden Band sechs zu den anderen fünf ins Bücherregal stellen.

Ich finde, Manuela Inusa ist ein würdiger Abschluss dieser wunderschönen Buchreihe, die ich immer voller Begeisterung und Freude gelesen habe, gelungen. Es war immer ein Eintauchen in eine heile Welt, die zwar auch nicht vor Schicksalen gefeit ist, aber durch die unerschütterliche Freundschaft der Mädels, deren Wärme und Herzlichkeit einfach schöner ist. So konnte ich in kürzester Zeit aus dem Alltag abtauchen und in der Valerie Lane wieder auftauchen.

Fazit: Valerie Lane - ein Besuch zwischendurch ist die beste Medizin gegen graue Alltage

Bewertung vom 12.08.2019
Honigblütentage
Cramer, Sofie

Honigblütentage


sehr gut

Die Journalistin Valerie ist total überlastet. Zu allem Überfluss schickt sie ihre Redakteurin für einen Artikel auf Pilgerreise. So begibt sich Valerie missmutig auf den Heidschnuckenweg, der südlich von Hamburg liegt. Mit Rückenschmerzen und Blasen an den Füßen macht sie schließlich nach ein paar Tagen des Wanderns Rast in einer kleinen Pension am Rande des Naturschutzgebietes. Dort trifft sie auf die verständnisvolle und tatkräftige Besitzerin Annegret, die ihr hilft den Weg zum Glücklichsein zu finden. Unterstützt wir sie dabei von ihrem attraktiven Nachbarn...

Nachdem ich dieses wundervolle Buch "Honigblütentage" zu Ende gelesen habe, kommt es mir direkt so vor, als ob ich mit Valerie zusammen auf dem Heidschnuckenweg gepilgert wäre. Diese einzigartigen Landschaft war so detailgetreu und bildhaft geschildert, dass ich dem Weg immer vor Augen hatte. Valerie war mir von Anfang an sympathisch und zwar weil sie eben nicht so perfekt ist und sich viel zu viele Gedanken macht. Ich konnte mich gut in ihre Überlegungen und ihre Gefühlswelt hineinversetzen. Gerade wenn man Kinder hat, die langsam flügge werden, ist das Loslassen nicht immer so einfach. Die Beziehung zu ihrer Tochter Frieda und Valeries Verlustängste sind sehr gut beschrieben und ich fand es schön zu lesen, wie Valerie bemüht ist - vor allem durch Annegrets Hilfe - Veränderungen anzugehen und wieder Sonnenschein und Ruhe in ihr Leben einkehren zu lassen.

Durch ihren angenehmen und flotten Schreibstil und die authentischen, liebenswerten Charaktere, die die Geschichte so lebendig werden ließen, war für mich das Pilgern durch die Seiten ein Genuss.

Fazit: Eine Pilgereise ins Lesevergnügen

Bewertung vom 31.07.2019
Hochzeit in der kleinen Sommerküche am Meer / Floras Küche Bd.2
Colgan, Jenny

Hochzeit in der kleinen Sommerküche am Meer / Floras Küche Bd.2


sehr gut

Flora ist wieder glücklich auf Mure zuhause. Ihre kleine Sommerküche schätzen die Einheimischen und Touristen gleichermaßen. Es wäre alles wirklich perfekt, wenn ihr Freund Joel nicht so verschlossen und manchmal auch unnahbar wäre. Wird es ihr gelingen, seinen Panzer zu knacken? Ihrer besten Freundin Lorna geht es im Prinzip nicht anders, denn der syrischen Flüchtling Saif, der als Insel-Arzt arbeitet, lässt ihr Herz höher schlagen. Werden die beiden Freundinnen ein Happy End erleben...

Jenny Colgan schafft es auch diesmal wieder mich von der ersten Seite an zu begeistern. Frisch wie der Wind auf Mure nimmt sie ihre Leser mit auf diese wunderschöne, raue Insel mitsamt ihren knorrigen, aber liebenswerten Bewohnern, die mir schon aus "Die kleine Sommerküche am Meer" und "Begegnungen in der kleinen Sommerküche am Meer" so sympathisch waren.

Mit ihrem lockeren, flotten und angenehmen Schreibstil verpackt sie aktuelle Gesellschaftsthemen unterhaltsam und mitreißend, schafft es aber trotzdem zum Nachdenken anzuregen. Das gefällt mir an dieser Autorin ganz besonders. Ihre authentischen, bodenständigen Charaktere geben diesen Themen ein Gesicht. Sie haben alle Ecken und Kanten und wirken somit "echt", ich hatte alle Protagonisten wie im Film vor Augen. Ich habe mich über die bevorstehende Hochzeit von Fintan und seinem Verlobten Colton richtig gefreut, als ob beide alte Bekannte wären. Ebenso ergreifend war Joels Kampf seinem inneren Panzer ein paar Risse zu verschaffen. Und schließlich Saif mit seinen kleinen, verunsicherten Jungen, die sich langsam von den Schrecken des Krieges in Syrien befreien und versuchen in der Normalität Fuß zu fassen.

Mit ihrem Buch "Hochzeit in der kleinen Sommerküche am Meer" ist Jenny Colgan ein kurzweiliger, gehaltvoller Roman gelungen, der mir schöne Lesestunden beschert hat. Da das Ende ja offen gehalten ist, hoffe ich auf eine baldige Fortsetzung...

Bewertung vom 18.07.2019
Über alle Grenzen
Lind, Hera

Über alle Grenzen


sehr gut

In den späten 1950er Jahre verlässt die Familie Alexander ihre bayrische Heimat, weil Vater Alexander in Thüringen eine vielversprechende Stelle als Direktor des Erfurter Zoos antritt. Die Kinder genießen ihre Freiheiten und leben fortan fast wie im Paradies. Doch die vermeintlich gute Wahl entpuppt sich als fatale Entscheidung, als die Mauer gebaut wird. Bruno, der einzige Sohn der Familie, erträgt die neue Situation irgendwann nicht mehr und flieht in den Westen. Damit wird das Leben der gesamten Familie auf einen Schlag vollkommen auf den Kopf gestellt. Mit dem unbeschwerten Leben ist erst mal Schluss...

In diesem Tatsachenroman verknüpft Hera Lind die Erlebnisse zweier ostdeutscher Protagonistinnen zu einer schicksalshaften Familiengeschichte im geteilten Deutschland. Intensiv und ungeschminkt erzählt sie dabei von den Repressalien, denen sich DDR Bürger ausgesetzt sahen, wenn Familienmitglieder in den Westen flohen bzw. wenn sie es selbst wagten einen Ausreiseantrag zu stellen. Aber nicht nur davon handelt dieser mitreißende Roman, sondern auch von den nicht mehr gut zu machenden Folgen.

Mit ihrem angenehmen, flüssigen und sachlichen Schreibstil schaffte es Hera Lind dieses ernste und aufwühlende Thema authentisch aufzubereiten und so den Leser vollkommen in den Bann der Geschichte zu ziehen. Für einen freiheitsgewohnten "Wessi" wie mich ist es erschreckend zu lesen, wie es im anderen Teil Deutschlands jahrzehntelang zuging. Mich hat dieses Buch sehr nachdenklich gemacht, zumal dies ja keine Einzelfälle waren. Großartig von Hera Lind, dass sie ein so wichtiges Thema auf so interessante und lesenswerte Art und Weise zu Papier gebracht hat.

Bewertung vom 18.07.2019
Sommer in Wien
Hartlieb, Petra

Sommer in Wien


sehr gut

Im Hause des Dichters Arthur Schnitzler herrscht gespannte Urlaubsstimmung. Die ganze Familie reist zur Sommerfrische auf die wunderschöne Adria-Insel Brioni. So bleibt es natürlich nicht aus, dass auch Marie, das Kindermädchen der Schnitzlers mit auf die große Reise geht. Marie freut sich einerseits auf das Abenteuer, aber andererseits ist sie dann von Oskar, dem jungen sympathischen Buchhändler getrennt, mit dem sie so gerne ihre seltene Freizeit verbringt. Vielleicht haben die beiden ja eine gemeinsame Zukunft vor sich...

Petra Hartlieb ist auch mit ihrem dritten Band um das Kindermädchen der Familie Schnitzler eine wunderschöne Geschichte gelungen, die den Leser ins Wien zu Beginn des 20. Jahrhunderts katapultiert. Durch ihren angenehmen, feinen Schreibstil schafft sie es mühelos, die Atmosphäre dieser Zeit einzufangen. Ich fühlte mich richtig in "die gute alte Zeit" hineinversetzt, die ja eigentlich nur für die Oberschicht so gut war. Auch diese Tatsache lässt sie durch ihre wunderbar und liebevoll ausgearbeiteten Charaktere realistisch einfließen. Gerade mit Marie und Oskar, die eine zarte Liebesgeschichte verbindet, erfährt man viel über das Leben der einfachen Bürger. Demgegenüber steht die privilegierte Familie Schnitzler, die eben auch ihre Sorgen und Nöte haben.

Sowohl "Ein Winter in Wien", "Wenn es Frühling wird in Wien" als auch jetzt "Sommer in Wien" sind wunderschöne Kleinode, die für mich in unserer so hektischen Zeit herrlich entschleunigend wirken. Ruhe, ein freundliches Miteinander und auch eine gewisse Gemütlichkeit blitzen immer wieder zwischen den Seiten hervor. Gerade die Szenen in der Buchhandlung, wo ein Buchkauf fast schon zelebriert wird, haben mir besonders gefallen. Für mich war es auch diesmal wieder ein absoluter Lesegenuss.

Bewertung vom 28.06.2019
Anfang Sommer - alles offen
Bloom, Franka

Anfang Sommer - alles offen


ausgezeichnet

20 Jahre Urlaub an der Ostsee sind genug. Der Alltagstrott inklusive ihrem Ehemann gehen Caro immer mehr auf die Nerven. So beschließt sie kurzerhand eine Auszeit zu nehmen und mit ihrer besten Freundin Matti einen Interrail-Trip durch Europa zu wagen. Mit Ende 40 gehört sie schließlich noch nicht zum alten Eisen. Doch Reisen ohne Komfort ist kein Zuckerschlecken und so erleben die beiden Damen turbulente Zeiten. Als Caro in Griechenland auch noch auf ihre Jugendliebe trifft, ist das Abenteuer perfekt.

Was für eine erfrischende und kurzweilige Sommerlektüre! Locker und witzig schildert Franka Bloom die Erlebnisse der beiden so ungleichen Freundinnen Caro und Matti auf ihrem Interrail-Trip durch Europa. Schon mit den lebendigen und absolut spannenden Reisevorbereitungen war ich als blinder Passagier im Reisegepäck dabei und mit dem Interrail-Fieber infiziert. Flott und voller Elan reisen die beiden zunächst von Amsterdam über Paris bis nach Griechenland, wo Caro hofft, ihre Jugendliebe Angelos zu treffen. Neben einer absolut unterhaltsamen Geschichte bekommt man einen wunderbaren Reiseführer quasi mit dazu.

"Anfang Sommer - alles offen" ist ein Buch das "einfach funktioniert", es ist stimmig, witzig, authentisch, aber trotzdem mit Tiefgang. Das liegt aber auch an den wundervoll gezeichneten Charakteren. Matti, die einem Flirt nie abgeneigt und auch sonst sehr aufgeschlossen ist und Caro, die mit Ende vierzig ihr Leben Revue passieren lässt und aus dem Alltagstrott entfliehen möchte, um einfach mal Freiheit zu genießen und nicht immer nur - wie jedes Jahr - mit ihrem Ehemann an die Ostsee zu fahren.

Dieser abenteuerliche Trip ist so mitreißend und flott geschrieben, dass ich das Buch in einem Rutsch gelesen habe, denn ich wollte unbedingt wissen, wie die beiden alles meistern und wie ihre Freundschaft die eine oder andere Belastungsprobe aushält und letztendlich auch, wie Caro ihr Leben neu sortiert.

Mein persönliches i-Tüpfelchen war dabei, dass die Töchter der beiden den Auslöser für diese Reise gegeben haben, da sie sich zum Abitur ein Ticket gewünscht haben. Und wie man sich versieht, kaufen die Mütter nicht zwei sondern gleich vier Fahrkarten - für altersgemäß getrennten Urlaub versteht sich. Durch diese Konstellation blitzen immer wieder die Unterschiede durch, diese Art zu reisen mit 18 Jahren ist doch etwas anderes als mit Ende 40.

Fazit: Rasante Zugfahrt ins absolute Leseglück

Bewertung vom 23.06.2019
hell/dunkel
Rothenburg, Julia

hell/dunkel


sehr gut

Mit der Krankheit der Mutter kehrt auch Valeries zuvor scheinbar spurlos verschwundene Bruder Robert zurück und sitzt ähnlich einer Fata Morgana auf dem Sofa. Äußerlich könnten Valerie und Robert anders nicht sein, die mit den hellen blonden Haaren, er dunkel mit dem italienischen Erbgut des Vaters und doch müssen sich die beiden Halbgeschwister gemeinsam den drängenden Fragen stellen, wie es weitergeht. Wie geht man mit dem näherrückenden Abschied um? Während es der Mutter immer schlechter geht, versuchen Valerie und Robert einander Halt zu geben und die zwischen ihnen entstandene Distanz zu überwinden, doch die Nähe zwischen ihnen hat viele Gesichter, die von zärtlich und tröstlich bis hin zu wild und gefährlich reichen.

Mareike Fallwickls "Dunkelgrün fast schwarz" hat mich mit der überraschenden Intensität und der sprachlichen Wortgewalt vollkommen umgehauen, weshalb ich auf der Leipziger Buchmesse einen genaueren Blick auf den Stand der Frankfurter Verlagsanstalt geworfen habe und prompt einen weiteren vielversprechenden Titel entdeckt habe: "hell/dunkel" von der jungen Autorin Julia Rothenburg, in dessen Mittelpunkt das ungleiche Geschwisterpaar Valerie und Robert steht, das im Zuge des Sterbens ihrer Mutter versucht erneut zueinanderzufinden und das Ungeheuerliche zu verarbeiten. Dabei wird die alles andere als perfekte Mutter-Tochter-Sohn-Beziehung mitsamt ihrer Schattenseiten eindringlich thematisiert, wie auch Valeries Gefühl des Alleingelassenwerdens als Robert auszog, das nun zwischen den beiden steht. Erzählt wird die Geschichte abwechselnd aus den Perspektiven der beiden Halbgeschwister, wobei auf jederlei Kennzeichnung der direkten Rede mittels Anführungsstriche verzichtet wird, was zunächst einen befremdlichen, seltsam distanzierten Eindruck erweckt, im weiteren Verlauf jedoch zu der starken Sogwirkung des Romans beiträgt. Sie hell er dunkel, so werden Valerie und Robert von Außenstehenden beschrieben, was aufgrund ihrer Äußerlichkeiten infolge unterschiedlicher Väter womöglich zutreffen mag, innerlich jedoch ist das Verhältnis umgekehrt bis die beiden sich in ihrer Trauer ob des offensichtlich nahenden Todes ihrer Mutter zunehmend annähern, einander Halt geben und in ihrer ohnmachtsähnlichen Hilflosigkeit zugleich in tiefe Abgründe abrutschen. Es ist ein sprachgewaltiger, intensiver Roman von Abschied, Trauer, Verzweiflung, dessen einziger Schönheitsfehler sich in einem Tabubruch zeigt, der in meinen Augen überflüssig war. Allerdings war diese Entgleisung zugleich jener Wendepunkt an dem ich entsetzt erkennen musste, wie sehr mich die fesselnde Geschichte in ihren Bann gezogen hat, wie sehr ich mich von der Sprache, den Gedanken der beiden und dem Sog aus tiefer Traurigkeit und Verzweiflung habe einlullen und hineinziehen lassen, sodass ich sogar begonnen habe ihre Taten zu verstehen und vor meinem inneren moralisch denkenden Ich zu rechtfertigen. Nur um darauf schockiert festzustellen, was ich da eigentlich gerade tat.

Doch genau wegen dieser aufrichtigen Darstellung der ungewöhnlichen Geschwister-Beziehung in der scharfkantigen Sprache mitsamt der zarten, tröstenden Momente und den wilden, verletzenden bis verstörenden Szenen ist diese Geschichte von Verzweiflung und Trauer so unfassbar authentisch, intensiv und bewegend.

Bewertung vom 23.06.2019
Meistens kommt es anders, wenn man denkt / Hamburg-Reihe Bd.6
Hülsmann, Petra

Meistens kommt es anders, wenn man denkt / Hamburg-Reihe Bd.6


sehr gut

Nach einigen Beziehungspleiten hat Nele nun endgültig die Nase voll und will sich ganz auf ihre neue Arbeit bei der angesagten Hamburger PR-Agentur konzentrieren. Dort betreut sie gemeinsam mit einem der beiden Inhaber die Imagekampagne für den zur Wahl als Politiker kandidierenden Politiker Rüdiger Hofmann-Klasing, dessen Umfragewerte sehr zu wünschen übrig lassen - scheinbar nicht ohne Grund, wie Nele bald erfahren muss. Doch auch in ihrer Familie geht es turbulent zu, ihre Eltern haben großartige Neuigkeiten und ihr jüngerer Bruder Lenny, der das Down-Syndrom hat, möchte selbstständiger sein und in eine eigene Wohnung ziehen, wofür er ausgerechnet Nele als seine Komplizin auswählt, um hinter dem Rücken der Eltern zu recherchieren. Als wäre das nicht schon Chaos genug, stellt Nele fest, dass Claas ihr Herz ordentlich ins Stolpern bringt und bald mehr als nur der nette Chef für sie ist. Aber ihre Karriere steht an erster Stelle und deshalb ist Claas tabu oder etwa nicht?

Es gibt nur wenige Autoren, dessen neuestes Werk man blind kaufen kann ohne zuvor einen Blick auf den Klappentext geworfen zu haben, weil sich bereits beim Lesen des Namens ein vorfreudiges Gefühl einstellt, das großartige Unterhaltung verspricht. Seit ich letztes Jahr "Wenn's einfach wär, würd's jeder machen" gelesen habe, gehört Petra Hülsmann eindeutig dazu, weshalb ich mich riesig auf ihren neuen Roman "Meistens kommt es anders, wenn man denkt" gefreut habe. Es bedurfte nur weniger Worte und schon war ich gänzlich im Geschehen und habe mit einem breiten Grinsen auf den Lippen die amüsante Kennlernszene von Nele, ihrem Chef Claas und dessen Hund Sally gelesen, die allerhand Trubel und Gefühlschaos in Bewegung setzen sollte. Nele - die im vorherigen Buch schon einige Gastauftritte hatte - hat mit ihren 28 Jahren einige schlechte Erfahrungen in der Liebe gemacht, denn ihre bisherigen Partner haben sie betrogen, verlassen oder gleich beides zusammen. Dass dieser Umstand an Neles Selbstbewusstsein kratzt und sie an der Liebe zweifelt, ist natürlich verständlich, auch wenn schon nach den ersten Kapiteln klar wird, was für ein toller, liebenswürdiger und vor allem herzensguter Mensch Nele ist, die sich scheinbar bisher einfach nur die falschen Männer ausgesucht hat, die sie eindeutig nicht zu schätzen wussten. Doch mit Claas tritt nun ein ganz anderes Kaliber von Mann in ihr Leben, der Neles Augen in vielerlei Hinsicht öffnet und sich von der Chef-Angestellten-Sache nicht beirren lässt, was für allerhand herrlich amüsante, romantische und teils auch frustrierend zu lesende Szenen sorgt. Nele beharrt nämlich vehement auf dem Standpunkt, dass ihre Karriere in der Agentur an erster Stelle steht, wovon sie sich nicht einmal von der Liebe abbringen lassen will, die jedoch ihre ganz eigenen Pläne hat. Im Mittelpunkt der Geschichte steht jedoch eigentlich jemand ganz anderes: Neles jüngerer Bruder Lenny, der das Down-Syndrom hat und nach seiner letzten erfolgreichen wenn auch zwischenzeitlich lebensbedrohlichen Operation zur Behebung des seltenen angeborenen Herzfehlers nun mit seinen 20 Jahren all das nachholen möchte, was er verpasst hat. Angefangen damit in eine eigene Wohnung zu ziehen und als Tierpfleger zu arbeiten, wobei er nicht versteht, wieso ihm wegen eines zusätzlichen Chromosoms so viele Steine in den Weg gelegt werden und er nicht einfach wie jeder andere Mensch leben und arbeiten kann. "Mein Vater sagte immer, Lenny würde für viele Dinge in seinem Leben nicht die kürzeste oder praktischste Route nehmen, sondern die landschaftlich schönste, auf der man am meisten zu sehen bekam." Diese treffenden, wunderschönen Worte sind mir noch lange im Kopf herumgegeistert, wie auch die zahlreichen geschickt eingewobenen Denkanstöße zum Thema Umgang mit Menschen mit Behinderung, die der Erzählung neben der unterhaltsamen, mitreißenden Liebesgeschichte eine tiefere, nachdenkliche Komponente verleihen.

Bewertung vom 19.06.2019
Die Mutter
Molloy, Aimee

Die Mutter


sehr gut

Eine Gruppe junger Mütter trifft sich jede Woche, um sich auszutauschen und ihre Sorgen und Nöte zu besprechen. Spontan beschließen sie sich für einen Abend eine kleine Babyauszeit zu nehmen und zusammen in einer Bar zu feiern. Doch was so fröhlich und ausgelassen beginnt, entpuppt sich bald als Katastrophe, denn genau an diesem Abend verschwindet Winnies Baby Midas. Die verzweifelte Suche beginnt...

Als ich den Titel "Die Mutter" gesehen und den Klappentext gelesen hatte, dachte ich "wow, das könnte interessant werden." Genau das wurde es dann auch, denn es ist wohl für jede Mutter die absolute Horrorvorstellung, dass ihr Kind plötzlich verschwindet. Doch genau diesen Albtraum durchlebt Winnie, deren Sohn Midas spurlos verschwindet. Aimee Molloy beschreibt die Suche nach Midas mitreißend und spannend. Sie legt immer neue Spuren, so dass ich mehrere Personen gleichzeitig im Verdacht hatte etwas mit der Sache zu tun zu haben. Doch manchmal waren es fast zu viele Informationen, es wirkte auf mich so als ob es die Autorin besonders gut meinte mit ihren Wendungen. Weniger wäre vielleicht mehr gewesen. Dafür gab es dann ein fulminantes und rasantes Ende.

Große Klasse und zwar ausnahmslos war ihre Gesellschaftskritik zum Thema Mütter allgemein und besonders in Amerika. Ich habe selbst Kinder und kann deshalb sehr gut nachvollziehen, welchen Spagat Mütter zwischen Beruf und Kinderbetreuung bewerkstelligen müssen. Dazu noch der Druck zwischen den Müttern untereinander, welches Kind alles schneller und besser kann, das kann ganz schön stressig werden. All das hat die Autorin lebendig, realitätsnah und durch ihre Protagonistinnen super beschrieben. Die übereifrige Francie, der vor lauter alles richtig machen zu müssen, alles über den Kopf zu wachsen droht und auf der anderen Seite Colette, die nach außen hin einfach perfekt erscheint. Was es bedeutet, viel zu schnell wieder in den beruflichen Alltag einsteigen zu müssen, sieht man bei Nell. Diese Verknüpfung mit dem Entführungsfall Baby Midas verleiht der Geschichte nochmal eine ganz besondere Intensität, die zum Nachdenken anregt. Ich bin jedenfalls sehr froh, in Europa zu leben, wo es Mutterschutz, Erziehungsgeld, Elternzeit usw. gibt.

Insgesamt habe ich dieses Buch sehr gerne gelesen, es ist fesselnd, locker und flüssig geschrieben. Die Autorin spricht das Thema Mutterschaft mit all seinen Facetten an und verpackt es in einen fesselnden Kriminalfall.

Fazit: Mütter - ungeschminkt und echt

Bewertung vom 18.06.2019
Love to share - Liebe ist die halbe Miete
O'Leary, Beth

Love to share - Liebe ist die halbe Miete


sehr gut

Die Idee, die sich hinter "Love to share" verbirgt, finde ich ungeheuer spannend, weshalb ich das Buch unbedingt lesen wollte. Zwei Menschen leben in ein und derselben Wohnung, obwohl sie sich zuvor nie begegnet sind. Die beiden kennen sich nicht und schlafen doch im gleichen Bett, zu unterschiedlichen Uhrzeiten zwar, aber trotzdem. Das erfordert in meinen Augen schon eine große Menge an Vertrauen, einen Mangel an vernünftigen Alternativen und nicht zuletzt eine gesunde Prise Naivität, schließlich könnte man sich den größten Messie oder gar Serienkiller in die Wohnung holen. Doch Tiffy und Leon wagen das Experiment, das beste Beispiel für "Not macht erfinderisch", und sorgen dadurch für jede Menge Lesespaß mit flippigen Charakteren und berührenden Momenten. Tiffys Einzug gleicht der ausgedehnten Explosion einer Farbbombe, denn ihre Vorliebe für bunte Farben äußert sich nicht nur in ihrer immensen Anzahl an Kleidungsstücken, die erst einmal untergebracht werden wollen, sondern setzt sich in zahlreichem knallbunten Interieur fort, das sie über die ganze Wohnung verteilt. Die Essex-Frau, wie Leon sie anfänglich amüsanterweise in Gedanken nennt, ist definitiv nicht zu übersehen und mischt Leons Leben wie ein farbenfroher Wirbelwind gehörig auf. Auf den ersten Seiten mag sie vielleicht einen oberflächlich plumpen Eindruck erwecken, da sie ihrem Exfreund auch zwei Monate nach der Trennung noch hinterhertrauert als wäre es gestern gewesen, und in ihrem schlechtbezahlten Job im Lektorat eines Kreativbuchverlages, den sie jedoch über alles liebt, nicht gerade mit Effizienz glänzt. Der Nacht für Nacht als Palliativpfleger arbeitende Leon, der nebenbei die Anwaltskosten für seinen unschuldig inhaftierten Bruder Richie stämmen muss, scheint dabei das genau Gegenteil zu sein. Mit einer Notiz auf einem Post-it neben einem Teller voller selbstgebackener Haferkekse beginnt jedoch eine ungewöhnliche Freundschaft zwischen ihnen, zweier Menschen, die sich nie zuvor begegnet sind und einander anhand ihrer Lebensgewohnheiten und Marotten sowie ihren zahlreichen Nachrichten auf kleinen gelben Zetteln kennenlernen. Auf amüsante Nachrichten über den seltsamen Nachbar aus Wohnung Nr. 5 oder die Fuchsfamilie folgen ernste, nachdenkliche, in denen Tiffy Leon von ihren Besuchen bei der Psychologin erzählt, die ihr dabei hilft den emotionalen Missbrauch ihres Exfreundes samt der widerkehrenden Flashbacks zu verarbeiten. Im Gegenzug erzählt Leon von seiner Suche nach Johnny, der großen Liebe seines strickenden und häkelnden Patienten Mr. Prior, und seinem Bruder Richie. Angenehmerweise handelt sich hierbei nicht um einen reinen Brief- beziehungsweise Zettelroman, da der Großteil der Handlung normal aus den wechselnden Perspektiven von Tiffy und Leon erzählt wird. Allerdings war der abgehackte, beinahe schon unvollendete Schreibstil von letzterem zunächst etwas gewöhnungsbedürftig zu lesen, was nach einigen Seiten glücklicherweise aber nicht mehr groß auffiel. Neben der herzerwärmenden Geschichte zweier Fremder aus denen Freunde und Vertraute werden, waren besonders die zahlreichen liebevoll ausgearbeiteten charmeversprühenden Nebencharaktere mit ihren eigenen kleinen Handlungssträngen meine persönlichen Highlights. Dazu gehören beispielsweise die schrullige Häkelmodendesignerin Katherin, Tiffys Arbeitskollegin Rachel mit dem losen Mundwerk und ihren genialen Kommentaren und das ungleiche Gespann Tiffys bester Freunde Gerty und Mo, sie hochkarätige Anwältin, er Psychologe wie auch Leons altkluge, schlagfertige Leukämiepatientin Holly und Richie, der sich trotz des ihm widerfahrenen Unrechts nicht aufgibt.

Unter dem hübschen Cover von "Love to share" verbirgt sich eine mitreißende Liebesgeschichte mit Tiefe, die mit einem aberwitzigen aus der Not heraus geborenen Plan und einem Post-it begann und neben dem Handlungsverlauf besonders durch ihre schrulligen, liebenswürdigen Charaktere für tolle Lesestunden sorgt.

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