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Raumzeitreisender
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Ahaus
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Buchwurm, der sich durch den multidimensionalen Wissenschafts- und Literaturkosmos frisst

Bewertungen

Insgesamt 743 Bewertungen
Bewertung vom 02.09.2017
Tschick
Herrndorf, Wolfgang

Tschick


ausgezeichnet

Mit dem Lada in die Walachei

In unserer digitalen Welt, geprägt durch Internet, Computerspiele, Smartphones, Soziale Medien, Blogs und virtuelle Welten, sticht ein Buch, in dem es um reale Abenteuer, Probleme Heranwachsender, gestörte Beziehungen, Sehnsucht, innere Zerissenheit und Anerkennung geht, besonders heraus. Wolfgang Herrndorf ist es gelungen, einen Roman zu schreiben, der nicht dem Zeitgeist entspricht, sondern als Antwort auf die heutige Zeit verstanden werden kann. Die Geschichte ist unterhaltsam, vielschichtig und lehrreich. Mehr kann man von einem guten Buch nicht verlangen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.08.2017
Kontrollverlust
Schulte, Thorsten

Kontrollverlust


ausgezeichnet

Ein Plädoyer für die (finanzielle) Freiheit

Es geht in diesem Buch um unsere Freiheit und wie unsere Politik diese Stück für Stück einschränkt und verspielt. Autor Thorsten Schulte war viele Jahre im Investmentbanking tätig und ist heute Vorsitzender des Vereins „Pro Bargeld – Pro Freiheit e.V.“. Er setzt sich aktiv für die Beibehaltung des Bargelds ein. In seinen Ausführungen belegt er überzeugend den Zusammenhang zwischen Bargeld und Freiheit und die erkennbaren Bestrebungen der Politik, beides einzuschränken.

Wenngleich der Fokus auf Finanzfragen liegt einschließlich Überblick über Anlageformen, analysiert und kritisiert Schulte auch die aktuelle Politik. Institutionen auf Europaebene haben sich verselbstständigt und nicht nur der Einfluss von staatlicher Seite, sondern erst recht der Einfluss der Bürger und Bürgerinnen, schwindet. Letztere könnten ein Gegengewicht aufbauen durch Stärkung von Volksbegehren, was zumindest in Deutschland von den großen Parteien nicht gewünscht ist. In „Kontrollverlust“ behandelt Schulte brisante Themen; es soll ein Weckruf sein, aktiv Bürgerrechte zu verteidigen.

22 von 24 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.08.2017
Die Nächte der langen Messer
Kirst, Hans H

Die Nächte der langen Messer


gut

Aufbau und Machenschaften eines Killerkommandos

Hans Hellmut Kirst beschreibt in diesem Roman den Aufbau und die Machenschaften einer SS-Spezialeinheit, die im Verborgenen tätig und Hitler direkt unterstellt war. Sie wurde 1933 mit dem Ziel gegründet, Gegner des Nationalsozialismus zu eliminieren und Hitlers Macht zu festigen. Befehle wurden nicht hinterfragt, sondern ausgeführt.

Der Autor schildert ausführlich die Auswahl der Kandidaten und die Ausbildung der Gruppe. Dabei liegt der Fokus primär auf der Handlungsebene (Ausbildung an Waffen, Erlernen der verbindlichen Regeln der Gruppe, Training der Disziplin), aber auch die Auseinandersetzung mit anders Denkenden wird geschult.

Die Sprache ist derb, letztlich dem Milieu angepasst, und die Charaktere wirken kantig, wie in Holz geschnitzt. Hier wäre eine stärkere Differenzierung ein Gewinn gewesen. Auch vermisse ich die Vorgeschichten der Protagonisten und Antworten auf die Frage, wie man sein Gewissen ausschalten kann. Mit Führertreue kann nicht alles erklärt werden.

Kirst beschreibt zahlreiche Konflikte zwischen den Protagonisten, wenn es um Frauen geht oder darum, wer der Beste ist. Es mangelt jedoch an der Beschreibung innerer Konflikte. Dass diese vorhanden sind, wird daran deutlich, dass für die Zeit nach dem Dritten Reich Vorkehrungen getroffen werden.

Die Versuche, in Protagonist Norden mehr zu sehen, als in den anderen, wirken verharmlosend und werfen ein falsches Licht auf die Zeit. Er war ein gnadenloser Mörder wie die übrigen Mitglieder der Gruppe. Dass geheime Gruppen dieser Art, die es in jedem totalitären Regime geben dürfte, später abtauchen, dürfte der Realität entsprechen.

Der Roman besteht aus historischen Elementen (Röhm-Putsch) und Fiktionen. Kirst kann erzählen; der Roman ist spannend. Jedoch wirken die Protagonisten kraftstrotzend und ungewollt heldenhaft. Eine Reflexion erfolgt durch die Gespräche mit Professor Breslauer und durch die integrierten Aufzeichnungen und Vernehmungen. Auf diese Weise werden Perspektiven erweitert und Situationen hinterfragt.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.08.2017
Die Kinder unseres Viertels
Machfus, Nagib

Die Kinder unseres Viertels


ausgezeichnet

Parabel auf die Menschheitsgeschichte

Die Geschichte beginnt damit, dass Gabalawi, übermenschlicher Stammvater des Viertels und Stiftungsgründer, zunächst seinen Sohn Idris, der sich ungerecht behandelt fühlt und später auch seinen auserwählten Sohn Adham, nachdem dieser verführt wurde, aus seinem großen Haus mit dem paradiesischen Garten vertreibt. Sie müssen sich künftig in der Wüste, jenseits des großen Hauses, eine neue Existenz aufbauen. Damit beginnt die Menschheitsgeschichte, über die - in Zeitsprüngen - über mehrere Generationen hinweg berichtet wird.

Mit diesem 1959 erschienen Buch hat Nagib Machfus Literaturgeschichte geschrieben. Es enthält zahlreiche religiöse bzw. archaische Bezüge. Biblische Figuren wie Adam, Kain und Abel, Moses, Jesus und Mohammed sind erkennbar. Die weltliche Darstellung des Propheten Mohammed dürfte der Grund dafür sein, dass das Buch erst 2006 in Ägypten erschienen ist. In anderen Ländern war es ein großer Erfolg.

Die Menschen leben außerhalb des Paradieses unter Regime der Gewalt (symbolisiert durch die jeweiligen Verwalter der Stiftung), die ihre Macht mittels der Wächter ausüben und das Volk unterdrücken. Von Zeit zu Zeit tauchen Heilsbringer auf, die eine Revolution zum Guten auslösen. Diese Phasen sind immer kurz. Die Heilsbringer verteilen das Stiftungsvermögen gerecht, haben aber nur Wirkung auf Zeit. Die ursprünglichen Botschaften werden im Laufe der Zeit verfälscht. Stets folgt die erneute Unterdrückung des Volkes. Die Gesellschaft verfällt in alte Muster.

Aufschlussreich ist der Aufbruch in die Neuzeit, für die der Magier Arafa steht. Hier geht es symbolisch um den Konflikt zwischen Wissenschaft und Religion. Kann die Wissenschaft die Menschheitsprobleme lösen? Es entsteht ein teuflischer Pakt. Auch wenn die Leser Einblick in die Denkstrukturen der Macht erhalten, bleibt diese Frage letztlich offen.

Das Paradies erfordert die strenge Einhaltung von Regeln. Gabalawi steht für die Überwachung dieser Regeln. Verfehlungen haben harte Konsequenzen. Der Mensch ist verführbar und für das Paradies nicht geeignet. Seine Selbstverwaltung versagt. Auch wenn sich in den verschiedenen Epochen die Geschichte wiederholt, ist das Buch keineswegs langweilig. Es ist ja gerade dieses Muster im Verhalten der Menschheit, welches Autor Machfus in diesem Roman thematisiert.

Der Mensch steckt voller Hoffnungen und Ideale, aber auch voller Widersprüche. Das große Haus erinnert an das Gaballand in seinem Werk „Die Reise des Ibn Fattuma“. Es entspringt der menschlichen Fähigkeit zu reflektieren und der daraus resultierenden Sehnsucht nach Vollkommenheit. „Die Kinder unseres Viertels“ gehört zu den einflussreichen Werken von Nagib Machfus.

Bewertung vom 03.08.2017
Das Gespräch
Ditfurth, Hoimar von; Zilligen, Dieter

Das Gespräch


ausgezeichnet

Das Vermächtnis eines selbstbestimmten Wissenschaftsautors

Hoimar von Ditfurth war einer der beeindruckendsten Wissenschaftspublizisten der Nachkriegszeit. Er hatte sich die kindliche Neugier bewahrt, die Geheimnisse der Natur und der menschlichen Existenz zu ergründen. Dabei gelang es ihm, isolierte Erkenntnisse der Spezialisten in einem interdisziplinären Zusammenhang darzustellen. Auf diese Weise hatte er stets die Bedeutung neuer Forschungsergebnisse für eine breite Leserschaft herausgearbeitet.

Das Buch besteht aus zwei Teilen und zwar aus der Vorgeschichte zum Interview aus dem Blickwinkel von Dieter Zilligen und aus dem Interview selbst. Das Interview mit Hoimar von Ditfurth entstand wenige Wochen vor dessen Tod. Biografische Elemente fließen in das Interview ein. Auffallend ist die Intensität des Gesprächs.

Von Ditfurth hat sich intensiv mit dem Thema Evolution beschäftigt und dabei bekräftigt, dass der Tod der Preis für die Entwicklung höheren Lebens ist. In diesem Sinne sieht er den Menschen als notwendigen Teil eines Entwicklungsprozesses, dessen Sinn der Mensch nicht verstehen kann. Aber als Teil der Geschichte habe der Mensch Anteil am Sinn dieser Geschichte.

Die Frage nach der Verantwortung des Menschen und die Frage nach dem Sinn des Lebens haben von Ditfurth nie losgelassen, wie auch in dem Interview deutlich wird. Teile des Interviews drehen sich um die Zeit des Nationalsozialismus. Dabei scheut von Ditfurth keine Verantwortung.

Die Frage nach dem Sinn ließ ihn in Konflikt geraten mit der Naturwissenschaft („Geist ohne Gehirn“). Letztlich hat von Ditfurth eine Karriere in der Wirtschaft aufgegeben, um das zu machen, was ihn besonders beschäftigt hat. „Weil ich einfach das Bedürfnis hatte, mich mit bestimmten Dingen geistig auseinanderzusetzen, ...“ (75) Diesem Entschluss verdanken wir zahlreiche populärwissenschaftliche Bücher.

Hoimar von Ditfurth ist gestorben, ohne Antworten auf existenzielle Fragen zu erhalten. Diesen Umstand beschreibt er als Zumutung. Das Buch ist das Vermächtnis eines verantwortungsbewussten, selbstbestimmten Wissenschaftlers, der mehr und mehr zum Mahner und Warner wurde.

Bewertung vom 02.08.2017
Brüder im All. Die Möglichkeiten des Lebens auf fremden Welten
Heinz Haber

Brüder im All. Die Möglichkeiten des Lebens auf fremden Welten


sehr gut

Haben wir Nachbarn im All?

Wer Leben in den Weiten des Universums für wahrscheinlich hält, muss noch längst nicht an fliegende Untertassen bzw. den Besuch Außerirdischer auf der Erde glauben. Professor Heinz Haber, bekannt aus zahlreichen Büchern und Fernsehsendungen der 1960er und 1970er Jahre, untersucht beide Fragen und kommt zu plausiblen Ergebnissen.

Nachdem Haber in seinen früheren Büchern den Aufbau der Erde [1] sowie den Mikro- [2] und den Makrokosmos [3] vorgestellt hat, widmet er sich jetzt der Frage nach kosmischem Leben außerhalb der Erde. Wie man es von ihm gewohnt ist, macht er das auf Basis der etablierten Naturwissenschaften.

Ist das Buch veraltet? Kalendarisch gesehen ja, auf der anderen Seite sind wir hinsichtlich der Frage kosmischen Lebens heute nicht schlauer als vor über 40 Jahren. Und dass es Wasser auf dem Mars gibt, wusste schon Heinz Haber zu berichten. (128) Letztlich sind bei dem zu behandelnden Thema nur Wahrscheinlichkeitsaussagen möglich.

Haber versteht es, Sachverhalte verständlich zu erklären. Er stellt die Entwicklung des Lebens auf der Erde in groben Zügen vor. Dabei überfordert er die Leser nicht. Auf der einen Seite wäre es Verschwendung, wenn nur die Erde bewohnt wäre, auf der anderen Seite sind wir verloren in Raum und Zeit und Kontakte eher unwahrscheinlich.

[1] Heinz Haber: „Unser blauer Planet“ (1965)
[2] Heinz Haber: „Der Stoff der Schöpfung“ (1966)
[3] Heinz Haber: „Der offene Himmel“ (1968)

Bewertung vom 31.07.2017
Der Stoff der Schöpfung
Haber, Heinz

Der Stoff der Schöpfung


sehr gut

Faszinierender Mikrokosmos

Um den Makrokosmos (Weltall) zu verstehen, ist ein Überblick über den Mikrokosmos (Atomaufbau) erforderlich. Professor Heinz Haber, bekannt aus zahlreichen Büchern und Wissenschaftssendungen insbesondere der 1960er und 1970er Jahre, liefert die notwendigen Grundlagen der Chemie und Physik auf verständliche Art und Weise.

Im Fokus stehen die Anfänge der Chemie bis hin zum Aufbau des Periodensystems der Elemente. Der systematische Aufbau der Bausteine der Natur wird erkennbar. Die Werke großer Forscher wie Robert Boyle und John Dalton werden beschrieben. Haber liefert einen historischen Abriss.

Die Übergänge zwischen Chemie und Physik sind fließend und so fehlen auch nicht Ausflüge in die Arbeiten von Max Planck, James Clark Maxwell und Werner Heisenberg. Die Natur macht Sprünge und die Physik muss mit dem Welle-Teilchen-Dualismus leben. Deutlich wird der Unterschied zwischen einem Lichtmikroskop und einem Elektronenmikroskop und auch der radioaktive Zerfall wird beschrieben.

Heinz Haber traf Otto Hahn und Fritz Strassmann im Deutschen Museum in München, wo sie die Apparatur zur Kernspaltung vorgestellt haben. Kaum zu glauben, dass mit so wenigen Geräten Forschung an vorderster Front betrieben wurde. Das Buch liefert einen kleinen aber verständlichen Einblick in die Geheimnisse der Materie und Energie. Wer es genauer wissen will, greift auf Fachliteratur zurück.

Bewertung vom 30.07.2017
Der offene Himmel. Eine moderne Astronomie

Der offene Himmel. Eine moderne Astronomie


sehr gut

Naturwissenschaftliche Grundlagen der Kosmologie

Mit der kopernikanischen Wende, also dem Wechsel vom geozentrischen hin zum heliozentrischen Weltbild, wurde die Neuzeit eingeläutet. „Im Gegensatz zu früher konnte nunmehr das Universum bei einer konsequenten Durchdenkung des kopernikanischen Systems nicht mehr geschlossen sein.“ (28) Die eigentliche Wende bestand in den Folgen für das Selbstverständnis der Menschen.

Heinz Haber, aus zahlreichen Wissenschaftssendungen der 1960er und 1970er Jahre bekannter Professor für Astronomie, beschreibt die historische Entwicklung der Erforschung des Weltraums und den Wandel im Denken der Menschheit auf Grund der naturwissenschaftlichen Erkenntnisse. Seine Ausführungen sind verständlich und für eine breite Leserschaft geeignet.

Im Fokus stehen kosmische Steckbriefe der Sterne und Methoden zur Ermittlung der Basisdaten wie Entfernung, Masse, Größe, Leuchtkraft, Bewegung etc. sowie der Aufbau der Galaxien. Um das Große zu verstehen, ist auch ein Überblick über das Kleine (Atome) erforderlich. Anders ist die Energie, die bei der Kernverschmelzung freigesetzt wird, nicht zu verstehen.

Haber kommt in seinen Ausführungen ohne die Darstellung der Quantenphysik und der Relativitätstheorie aus. Das kann als Mangel interpretiert werden, ist aber letztlich der populärwissenschaftlichen Darstellung geschuldet. Insofern handelt es sich um ein Einstiegsbuch in die Kosmologie, welches wenige Vorkenntnisse erfordert. Die fehlende Aktualität des Buches spielt für die historischen Betrachtungen keine Rolle. Sie wirkt sich am ehesten im letzten Kapitel aus, wo es um grundsätzliche Fragen wie Entstehung, Endlichkeit und Unendlichkeit geht.

Bewertung vom 27.07.2017
Homo Deus
Harari, Yuval Noah

Homo Deus


ausgezeichnet

Ein visionäres Aufklärungsbuch

Mit dem Buch „Eine kurze Geschichte der Menschheit“ servierte Yuval Noah Harari den Lesern eine verständliche Reise durch die Menschheitsgeschichte. Angekommen in der Gegenwart, hisst Harari erneut die Segel und nimmt volle Fahrt auf in Richtung Zukunft. „Homo Deus“ ist die Geschichte der Menschheit von Morgen.

Harari beschreibt in der Agenda das Streben nach Gesundheit, Glück und Macht, linear extrapoliert auf Grundlage der Ideen und Hoffnungen der letzten dreihundert Jahre. In dem Hauptteil des Buches, bestehend aus drei Kapiteln, geht es um Visionen auf Basis neuer Ideen und Hoffnungen des 21. Jahrhunderts. „Die wirkliche Zukunft … könnte eine völlig andere sein.“ (95)

Zu Beginn seiner Ausführungen tritt eine gewisse Ernüchterung ein, wenn der Autor die Menschen mit den Tieren vergleicht. Was macht unsere Spezies so besonders? Der Autor bezeichnet Organismen als Algorithmen, ein Vergleich, der sich durch das gesamte Buch zieht. An dieser Stelle ist die Frage erlaubt, ob der Vergleich gerechtfertigt ist. Jedenfalls arbeitet die Naturwissenschaft auf dieser Grundlage und hat große Erfolge mit dieser Prämisse.

Wenn der Mensch keine Seele hat, wie die Grundprinzipien der Evolution nahe legen, wo liegt dann der prinzipielle Unterschied zur Tierwelt? Wenn Organismen als Algorithmen beschreibbar sind, können dann nicht auch Maschinen gebaut werden, die das gleiche leisten wie Menschen? Menschen zeichnen sich durch Bewusstsein aus. Ist da nicht zu vermuten, dass Tiere ebenfalls eine Form von Bewusstsein haben?

Die Themen Geist und Bewusstsein sind mit vielen Fragezeichen verknüpft und es gilt weiterhin das, was Gerhard Roth in „Das Gehirn und seine Wirklichkeit“ dazu schreibt. Bewusstsein ist das Eigensignal des Gehirns für die Bewältigung eines neuen Problems. Wenn aber Maschinen das gleiche und künftig noch viel mehr leisten als Menschen, wozu werden dann noch Wesen mit Bewusstsein benötigt?

Im zweiten Teil des Buches thematisiert Harari die Welt, die die Menschen geschaffen haben einschließlich der Glaubenssysteme, dabei liegt der Fokus auf dem Humanismus. Deutlich wird die Kraft von Glaubenssystemen, selbst wenn die Grundlage fragwürdig ist. „Die moderne Gesellschaft glaubt an humanistische Dogmen und nutzt die Wissenschaften nicht, um diese Dogmen in Frage zu stellen, sondern um sie zu implementieren.“ (272)

Im dritten Teil erklärt der Autor, warum sich der Pakt zwischen Wissenschaft und Humanismus allmählich auflösen wird und was an seine Stelle treten wird. In diesem pessimistisch klingenden Kapitel werden nach der Seele zunächst der freie Wille und dann das Ich infrage gestellt. Was ist dann der Sinn des Lebens? Die liberale Philosophie gerät ins Wanken.

Harari beschreibt die Auswirkungen der technologischen Entwicklungen auf die Gesellschaft, wenn die technischen Systeme übermächtig werden und sich Intelligenz von Bewusstsein abkoppelt. Die Menschen werden ihren wirtschaftlichen Nutzen verlieren, Individuen werden an Bedeutung verlieren und eine elitäre Gruppe wird entstehen. Bezogen auf den Humanismus heutiger Ausprägung handelt es sich um ein Horrorszenario.

Im Zeitalter vernetzter Datenbestände wissen Computer mehr über den einzelnen Menschen als er selbst. Das ist die Geburtsstunde des Dataismus, einer Datenreligion. Wie Entscheidungen entstehen, kann nicht mehr nachvollzogen werden, Verantwortung kann nicht mehr Individuen zugeordnet werden. Es entsteht eine unkontrollierte Eigendynamik wie Schirrmacher sie in „Ego“ für die Börse beschrieben hat. Statt „Freiheit des Menschen“ heißt das neue Credo „Freiheit der Information“.

Harari schreibt geistreich, denkt selbstständig und das ist heute nicht selbstverständlich. In einer Rezension können nur Facetten dieses visionären Buches angerissen werden. Es ist als Diskussionsgrundlage sehr zu empfehlen.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.07.2017
Der Pfau
Bogdan, Isabel

Der Pfau


gut

Leichte Unterhaltung ohne wirkliche Höhepunkte

Die Geschichte spielt in den schottischen Highlands. Lord und Lady McIntosh betreuen in ihrem abgelegenen Landsitz zusammen mit ihrer Haushaltshilfe Aileen Feriengäste. Da sie Tiere mögen, haben sie sich fünf Pfauen angeschafft, die neben Hund und Gans auf dem weitläufigen Gelände herumstolzieren. Ein Pfau spielt verrückt und reagiert aggressiv auf die Farbe Blau. Damit ist der Rahmen abgesteckt für künftige Ereignisse.

Eines Tages kommt eine Delegation einer Investmentbank zusammen mit einer Köchin und einer Psychologin zu Besuch, um abseits der Zivilisation Seminare über Teambuilding abzuhalten. Sowohl die Umgebung als auch die Art der Veranstaltungen kommen nicht bei allen Teilnehmern an. Für Abwechselung und Unterhaltung sorgen die Tiere. So macht die Leiterin der Delegation bereits bei ihrer Ankunft Bekanntschaft mit der Hausgans.

Die Geschichte ist im Stil einer Komödie aufgebaut. Einen Gesamtüberblick über die Ereignisse haben nur die Leser. Die Protagonisten erkennen nur Bruchstücke der wahren Abläufe und denken sich den Rest. Von der dadurch sich entwickelnden Spannung lebt die ganze Geschichte. Es mangelt jedoch an dramatischen Höhepunkten, wo die Auswirkungen des Unwissens auf die Spitze getrieben werden.

So entsteht der Eindruck, dass andere Autoren aus dem Plot mehr gemacht hätten. Die Geschichte plätschert zu sehr im Gleichklang dahin und enthält zu viele Wiederholungen. Auch wenn der Roman unterhaltsam ist, sind Ähnlichkeiten mit Monty Python nicht erkennbar. Die Beschreibungen der Charaktere sind zu schwach und ehrlich gesagt tat es mir leid, dass der verrückte Pfau so früh sterben musste.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.