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Wedma

Bewertungen

Insgesamt 549 Bewertungen
Bewertung vom 20.04.2018
Genial beweglich!
Steckel, Hanno

Genial beweglich!


ausgezeichnet

Klappentext beschreibt den Inhalt sehr gut. Das Wichtigste, was man über den Bewegungsapparat wissen muss, wurde in diesem Buch auf eine sehr zugängliche, sehr anschauliche und zuweilen humorvolle Art vermittelt.
Gerade weil es um den ganzen Apparat geht, weil man den Gesamtüberblick bekommt, i.e. die wichtigsten Gelenke, ihre Funktionen und typische Abweichungen von der Norm sind griffig und für jeden Laien verständlich beschrieben worden, kann sich das Buch als gute Hilfe in vielen Lebenssituationen erweisen.
Wenn man es gelesen hat, ist man um einiges schlauer und kann mit dem eigenen Bewegungsapparat viel adäquater umgehen. Man kann auch präventiv vorgehen und das Leben so gestalten, wie auch hier empfohlen, dann kann man sich viele Unannehmlichkeiten und Schmerzen sparen.
Zum Thema Rückenschmerzen schreibt Prof. Dr. Steckel auch viele Dinge, die man vllt gar nicht im Alltag wahrnimmt. Aber wenn man z.B. jeden Tag lange und falsch sitzt, muss man sich nicht wundern, dass man mit der Zeit Probleme in der Hinsicht bekommt. Da sind wunderbare Zeichnungen dabei, die zeigen, wie falsch, und es wird auch erklärt, warum das zu den Rücken- und anderen Schmerzen des Bewegungsapparates führen kann.
Zum Tragen von High Heels und wie desaströs es sich auf die Gesundheit auswirkt, sagt Steckel auch paar klare Worte und führt anschauliche Beispiele dazu, samt den Zeichnungen, die zeigen, wie sich die Füße verformen und warum das so gesundheitsschädlich ist.
Schön auch, dass Steckel oft genug auf das Thema Altern eingeht: Was passiert, was verändert sich im Rückgrat, in den Gelenken, in den Knochen usw., und was kann man ggf. dagegen tun, zumindest wie sinnvoll damit umgehen?
Auch Kinder und Teenies kommen da nicht zu kurz. Steckel schreibt, worauf man hier achten sollte. So oft, sagt er, kommen die Eltern wegen der X-Beine der Tochter, wobei niemand auf den krummen Rücken des Kindes geschaut hat.
Die Inhalte dieses Buches sind auch eine sehr gute Vorbereitung aufs Elternsein und für diejenigen, die ihre Eltern im reiferen Alter haben. Da findet man so einige Erklärungen, warum die Senioren sich so verhalten, wie sie es eben tun. So etwas wie Schaufensterkrankheit uvm. sind hier sehr gut erklärt worden.
Steckel räumt auch mit Vorurteilen auf. So manches ist nicht nur alters- oder geschlechtsbedingt. Osteoporose kommt z.B. nicht nur bei Frauen vor.
Die wichtigsten Übungen fürs Training der Rumpfstabilität und die Verbesserung der Beweglichkeit gibt es im Buch auch. Man muss sie „nur“ regelmäßig tun. Steckel unterstreicht auch immer wieder die hohe Wichtigkeit von Stretching. Damit kann man viele Schmerzen meiden.
Gut auch, dass Steckel auf die hohe Bedeutung des richtigen Essens hinweist, S. 304, und vermittelt einfache Regeln, wie man eigenen Bedarf an Fett, Proteinen und Kohlenhydraten ausrechnet.
Zum Schluss plädiert er für den Skelettpass, was nach seinen Ausführungen, da sie wohl begründet sind, recht sinnvoll erscheint.

Die Zeichnungen von Katrin Fiederling sind große Klasse und bereichern das Werk ungemein.

Fazit: Ein sehr lesenswertes Buch, das prima weiterhelfen kann. Diese Inhalte sollte man kennen, um das eigene Leben erfüllter und schmerzfreier gestalten zu können.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.04.2018
Die Geschichte des Wassers / Klima Quartett Bd.2 (1 MP3-CD)
Lunde, Maja

Die Geschichte des Wassers / Klima Quartett Bd.2 (1 MP3-CD)


sehr gut

Es ist ein Roman, den ich NICHT mithilfe von Maßstäben, die für einen gewöhnlichen Roman ausreichen, beurteilen würde. Er ist sehr eigen, keineswegs etwas von der Stange, ungewöhnlich, im positiven Sinn. Mit eindringlichen Bildern führt er vor Augen, was Wassermangel bedeutet, wie es den Menschen dabei ergeht, wie sich der Wassermangel auf das Leben der Bevölkerung auswirken würde usw.

Der Roman hat mich zum Schluss auch überrascht. In beiden Erzählsträngen. Diese wurden abwechselnd erzählt. Der eine spielt im Jahr 2041. David ist mit seiner Tochter in Südfrankreich aufgrund des Wassermangels auf der Flucht und landet in einem Flüchtlingslager dort.
Im anderen Erzählstrang segelt Signe, eine 70-jährige Naturschutzaktivistin, von Norwegen allein nach Südfrankreich und erzählt aus ihrem Leben: über ihre Kindheit, ihren Vater, der gegen die Vernichtung der Natur zugunsten des wirtschaftlichen Fortschritts protestiert hatte, über ihre große Liebe Magnus und warum nichts daraus geworden war uvm.

Beide Erzählstränge fand ich spannend und bei beiden konnte ich wunderbar mitgehen. Es war keine Spannung, wie man die in Thrillern und Krimis nach Schema F vorfindet, vielmehr war es die subtile Spannung, die u.a. dadurch entsteht, dass man mitdenkt, mitfühlt, miträtselt: Wie es weitergeht, was mit David und seiner Tochter passiert, wo ist seine Frau mit Baby geblieben war, wie das Ganze zum Schluss kommt usw., was mir während des Hörens gar nicht schwerfiel. Auch weil der Roman so gut, so eindringlich, mit so einer Hingabe gelesen wurde.

Die Autorin konzentriert sich auf das, was sie sagen will, den Rest lässt sie einfach weg. So gelingt es ihr, die Aussagen, die ihr wichtig sind, an die Leser sehr direkt und zum Greifen nah heranzutragen.

An expliziten Botschaften mangelt es nicht, aber die versteckten, davon gibt es schon ein paar, gerade die sind es, die diesen Roman so lesenswert und beeindruckend machen, da sie mächtig zum Nachdenken anregen. Insofern ist es ein Appell gegen die neoliberale Gesellschaftsordnung, bei der Raub an der Natur an der Tagesordnung steht, ein Appell gegen diese Unsitte, kurzfristige Erfolge weniger Reicher vor den langfristigen Auswirkungen ihres Handelns auf das Leben der gesamten Gemeinschaft zu stellen. Die Zustände im Jahr 2041 sind geradezu erschreckend. Das ist kein Leben, es ist Dahinvegetieren, was zum Schluss ohne Wasser auch eher schwer zu bewerkstelligen ist.

Der Roman ist auch mMn ein Plädoyer gegen Individualismus, gegen die Gesellschaftsordnung, in der es keine Gemeinschaft gibt, bloß eine bestimme Anzahl an Egoisten, die keine Ahnung haben, was eine Gemeinschaft ist und wozu sie gut sein kann. So viel sollte aber klar sein: Homo Sapiens entstand in der Gemeinschaft. So hat er nicht nur überlebt, er hat sich prächtig entwickelt. Nun treiben einige reiche Egoisten die Menschheit in den Abgrund, an dessen Rand sie sich bereits befindet. Der Rest (der weniger reichen Egoisten) schaut tatenlos zu, höchstens versucht jeder für sich seine eigene Situation irgendwie zu gestalten, was natürlich keine Lösung ist, da es eine gemeinschaftliche Anstrengung bedarf. Deshalb ist das Ende offen, weil man nicht absehen kann, wie es von dort aus weitergeht, ob die Menschheit, wenn man sich die heutigen Tendenzen anschaut, überleben wird.

Beide Erzähler, Christiane Blumhoff und Shenja Lacher, haben sehr gut gelesen. Christiane Blumhoff hat u.a. bewiesen, dass sie viel mehr als „nur“ Mamma Carlotta kann. Ihre Stimme passte zu Signe und ihrer Lebensgeschichte ganz hervorragend. Shenja Lacher kannte ich vorher nicht. Bin auf seine weiteren Einsätze gespannt.

Fazit: Ich finde den Roman spannend, aussagestark und auf jeden Fall lesens-/ bzw. hörenswert. Er ist mit Sicherheit kein 08/15 Ding, keine Schmonzette, daher sollte er nicht nach solchen Maßstäben gemessen werden. Vier gute Sterne gibt es von mir. Den Erstling von Maja Lunde werde ich mir auch bei Gelegenheit anhören.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 16.04.2018
Spur der Schatten / Leander Lost Bd.2
Ribeiro, Gil

Spur der Schatten / Leander Lost Bd.2


sehr gut

Diesen guten Krimi aus Portugal habe ich gern gehört und kann den gut weiterempfehlen.

Schön atmosphärisch ist er, Urlaubfeeling lässt grüßen. All die lokalen Köstlichkeiten werden rauf und runter gekostet. Abends lecker gegrillt, zusammen gegessen, am Pool bei Getränken geredet. usw.

Man ist auch mit dem Ermittlerteam zusammen auf den Spuren der verschwundenen Kollegin. Bald stellt sich heraus, dass sie ermordet wurde. Alle suchen nach dem Mörder und seinen Motiven. Das passiert bis gut über die Hälfte des Geschehens. Etwas zu lang dauerte mir diese Phase.

Umso mehr überrascht war ich von der Wendung, die der Klappentext so beschreibt:
„Die Zeugenbefragungen führen das Trio auf die Spur einer politischen Aktivistin aus Angola, deren Aufenthalt in der ehemaligen Kolonialmacht Portugal sogar das Innenministerium aufschreckt.“

Die Motive reichen also bis zu den höheren politischen Kreisen. Schön raffiniert. Zum Schluss spannend umgesetzt.

Von Portugal als Kolonialmacht und den Auswirkungen, dem Aufrechterhalten dieser Verhältnisse bis heute war gut zu erfahren.

Lost wird in dieser Folge von Frauen verwöhnt. Ihm machen Aufwartungen sowohl die Schwester seiner Kollegin Graciana Rosado als auch die Tochter der Verstorbenen, die, wie die beiden es herausfinden, auch eine Aspergerin ist. Man erfährt noch vielmehr von Menschen mit diesem Syndrom, von ihrer Weltanschauung, ihren Fähigkeiten, die kaum ein normaler Mensch hat.

Bemerkenswert war der Aspekt, dass Lost sein Asperger-Sein stets als einen Nachteil sieht, wogegen seine Kollegen und Freunde ihn vom Gegenteil zu überzeugen suchen. Hier gibt es paar schöne Worte zum Anderssein und wie wertvoll es sich für die Umwelt oft erweisen kann.

Teil 2 stufe ich als reichhaltiger und stärker als Teil 1 ein. Man kann problemlos gleich Teil 2 nehmen, denn das Wesentliche wird wiederholt, die Figuren wieder eingeführt, z. T. wurde erzählt, was im Teil 1 vorgefallen war.

Andreas Pietschmann hat recht gut gelesen. Ich musste mich erst an seine Stimme und seine Art gewöhnen. Die Stimme ist etwas zu hoch, oft hat er gelesen als vorgetragen, was eher eintönig rüberkam, aber insg. ging es ganz gut.
Die 10 Stunden der ungekürzten Ausgabe waren recht schnell vorbei.

Fazit: Ein guter, spannender, atmosphärischer Krimi. Zum Schluss wird alles aufgeklärt, erscheint stimmig und rund insg.

Bewertung vom 11.04.2018
Integration
Abdel-Samad, Hamed

Integration


ausgezeichnet

Es ist das beste Buch zum Thema Integration, das es in der letzten Zeit zu lesen gab. Abdel-Samad (AS) beschäftigt sich mit dem Thema allumfassend, sagt dabei viele goldrichtigen Dinge: kurz, prägnant, just auf den Punkt, für jeden klar und verständlich.
Klappentext beschreibt den Inhalt recht treffend. AS analysiert die gegenwärtige Situation, nennt dabei die Dinge beim Namen, ohne in die Falle der „politischen Korrektheit“ zu tappen, und präsentiert zum Schluss zwei mögliche Entwicklungsszenarien: Utopie und Dystopie.
Man sieht, dass dieses Thema dem Autor sehr am Herzen liegt. Er hat selbst Migrationshintergrund. Über seinen eigenen Weg in Deutschland schreibt er hier auch paar Seiten. Seine Geschichte ist beeindruckend, zudem großartig erzählt. Er wollte vom ganzen Herzen Deutscher werden, sich integrieren, dennoch gestaltete sich dieses Vorhaben schwierig. AS erzählt auch über andere Migranten. Die Schicksale dieser Menschen, die diesen Weg gegangen waren und trotz aller Widrigkeiten, die es nicht wenige und von beachtlichem Schwierigkeitsgrad gab, sich integriert haben und eine Bereicherung für die dt Gesellschaft geworden sind, sind sehr spannend. „Wir haben uns Mühe gegeben, uns zu integrieren. Das war unsere individuelle Leistung, keine strukturelle. Mit anderen Worten: Wir haben uns nicht wegen einer guten Integrationspolitik integriert, sondern trotz einer schlechten oder kaum vorhandenen.“ S. 87.
AS hat etliche Gespräche geführt, auch mit den neu Angekommenen, und teilt seine Erkenntnisse mit den Lesern. Manchmal stehen einem dabei die Haare zu Berge, wenn man hört, dass die Flüchtlingsheime oft Brutstätten des radikalen Islamismus sind: Dort treffen sich sowohl die aus den Kriegsregionen geflohenen Zivilisten, als auch diejenigen, die auf Seiten des IS gekämpft haben und nun in Deutschland ihre „Arbeit“ fortsetzen, indem sie die Mitbewohner im Heim einschüchtern und die ersten Keime, die zaghaften Versuche der Integration zu verhindern suchen.
Aber nicht nur dort sieht AS die Gründe für die heutige unerfreuliche Situation. „Die Integration scheitert an Versäumnissen in den Bereichen Bildung, Erziehung und Wertevermittlung. Sie scheitert an Identitätshygiene, an Ab- und Ausgrenzung. Die rückwärtsgewandten Utopien im Kopf vieler Migranten, aber auch die nationalistischen Vorstellungen des rechten Randes in Deutschland gefährden das Zusammenleben und die innere Sicherheit. Die Integration scheitert an der Politisierung und Institutionalisierung des Islam in Deutschland, an der Naivität der Politiker und an der Passivität der friedlichen Muslime. Sie scheitert an konkurrierenden Wertesystemen und Zukunftsvisionen, an Opferhaltung und Anspruchsmentalität. Sie scheitert an Radikalisierung und Ge- walt, an gegenseitiger Angst und Misstrauen. Sie scheitert an der starken Emotionalisierung der Debatte um Islam und Migration und am Fehlen einer offenen Streitkultur. Sie scheitert am Begriff Integration selbst, der für die einen ein Reizwort ist und für die anderen ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht. Wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir sehr viel ändern müssen. Deutschland schafft sich mit Sicherheit nicht gleich ab, aber dem Land droht eine große Spaltung, die später vielleicht nicht mehr rückgängig zu machen ist. Der Staat und seine Organe, die Zivilgesellschaft, die bislang weitgehend schweigende Masse aus Deutschen und liberalen Muslimen müssen endlich handeln!“ S. 65-66.

Man kann noch viel über dieses Buch schreiben, besser man liest es selbst.

Es ist unterhaltsam und spannend geschrieben. Bis zur letzten Seite mochte ich das Buch nicht aus der Hand legen. AS hat nicht nur das Insiderwissen, er weiß es prima zu vermitteln. Seine Analysen sind scharfsinnig und auf den Punkt.

Fazit: Wer mehr zum heute so akuten Thema Integration erfahren möchte, ist hier an einer sehr guten Adresse. 5 hell leuchtende Sterne und unbedingte Lesepflicht.

7 von 7 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.04.2018
Die Angst der Eliten
Schreyer, Paul

Die Angst der Eliten


ausgezeichnet

Die Angst der Eliten habe ich sehr gern gelesen und empfehle das Buch gern auch weiter, v.a. an die Leser, denen es nicht egal ist, wie der Stand der Dinge in Sachen Demokratie in Deutschland und Europa ist, und wie es weitergehen soll. Auch diejenigen, die sich gefragt haben, warum es die Schere zw. dem Grundgesetz und der gelebten Realität gibt, finden hier gute Erklärungen.

Klappentext passt sehr gut. Auch die Meinung von Prof. Rainer Mausefeld ist sehr treffend: „Paul Schreyer gibt eine kundige und engagierte Einführung in Facetten der gegenwärtigen Zerstörung demokratischer Substanz und stellt in gute lesbarer Form reiches Material zum eigenständigen Nachdenken bereit.“

Rund 170 Seiten des Textes sind in 14 Kapiteln gegliedert. Nach einem kurzen Vorwort geht es gleich gut los mit „Reichtum regiert“, indem Schreyer wohl begründet darlegt, dass genau das der Fall ist, und dass politisches Desinteresse der Armen durchaus seine handfesten Ursachen hat. Kap.2 „Die Wahrheit über den Populismus“ ist auch spannend. Der Autor geht dem Phänomen auf den Grund. Er stellt vier Gründe vor, was daran am häufigsten als störend allg. genannt wird, und bringt eigene Meinung dazu. Zudem überlegt er u.a., warum so eine Partei wie AfD momentan Erfolg hat. Im Kap. 8 gibt er seinen Recherchen preis, wer da an der Spitze steht und wessen Interessen die Herrschaften zu verfolgen suchen. Mit „‘Hate Speech‘ und Meinungsfreiheit“ in Kap. 3 bringt Schreyer auch hier paar gute Dinge zur Sprache, v.a. all das, was man dazu in sog. Leitmedien vergeblich sucht. Im Kap. 4 „Traum von der Gemeinschaft“ spricht er über die Entstehung der EU, anfangend bei den Ursprüngen in der Nachkriegszeit. So dargelegt, sind diese Ausführungen ein Augenöffner, was EU eigentlich ist, kraft welcher Interessen und von welchem Geld diese Idee vorangetrieben wurde. Da wird einem anders bei. Sehr aufschlussreich ist auch das Kap. 7 „Die Angst vor dem Volksentscheid“, in dem Schreyer u.a. darlegt, warum man in Deutschland Volksentschiede nicht so gern durchführt. Im Kap. 13 „Vorsicht, Querfront!“ sagt er u.a. paar klare Worte über die Leitmedien, ihre Funktion und ihr bereitwilliges Einschwenken auf den Kurs der Eliten. „Der Mythos von der ‚neuen Zeit‘“, Kap. 14, ist auch gut. Da schaut Schreyer genauer, wer die neugewählten Jungdynamiker wie Sebastian Kurz, Emmanuelle Macron, etc. sind, v.a. wessen Interessen sie tatsächlich vertreten. Dabei ist Kap. 9 „Milliardäre machen Politik“ eine gute Grundlage dazu.

Wer jetzt denkt, es wären langwierige Abhandlungen, der irrt sich aber gewaltig. Es sind knappe, aussagekräftige Ausführungen, von feiner Ironie durchdrungen, in einer starken, griffigen Sprache. Schon allein deshalb stellte dieses Buch für mich Lesevergnügen dar: dicht erzählt, stets auf den Punkt, nichts Überflüssiges, nur das, was eigene Argumentation begründet und die Ausführungen vorantreibt. So etwas legen heute nur wenige Hochprofies an den Tag. Schreyers Analysen, die oft historische Bezüge haben und einen prima Überblick verschaffen, sind echt stark.

Fazit: Aufschlussreich, spannend und unterhaltsam bis zur letzten Seite. Definitiv kein 08/15 Zeitungszeug. Genau das Gegenteil davon. Paul Schreyer liefert mit seinen Darstellungen und just auf den Punkt gespitzten Fragen den reichhaltigen Boden für eigene Überlegungen zum heutigen Zustand der Demokratie uvm. Man sagt, ein gutes Buch ist gut auf jeder Seite. Hier trifft es voll und ganz zu.
5 Sterne und unbedingte Lesepflicht.

Lesen Sie auch:
„Fassadendemokratie und Tiefer Staat“, Ulrich Mies und Jens Wernicke (Hrsg.)
„Lügen die Medien?“, Jens Wernicke.
„Wir sind die Guten“, Mathias Bröckers, Paul Schreyer.
Werke von Noam Chomsky.

4 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.04.2018
Pfeif drauf!
Brinkmann, Svend

Pfeif drauf!


sehr gut

„Pfeif drauf!“ ist ein kleines Büchlein, hat es aber in sich. Diese Sicht der Dinge, gemäß dem längst vergessenen Stoizismus, hat was. Diese sollte man kennenlernen.

Klappentext auf der Buchrückseite beschreibt den Kern der Ausführungen sehr treffend: „Ständig jagen wir dem Optimum hinterher, um erfolgreicher, besser und schöner zu werden. Doch die Hatz hat ihren Preis: Stress, Haltlosigkeit, Burn-out. Der dänische Psychologe und Philosoph Svend Brinkmann bläst zum Gegenangriff: Mit Witz und Verstand zeigt er, wie wir das zurückgewinnen können, was auf der Strecke geblieben ist: Standhaftigkeit, Zufriedenheit und Glück.

• Hören Sie auf, in sich selbst hineinzublicken
• Fokussieren Sie sich auf das Negative in Ihrem Leben
• Setzen Sie den Nein-Hut auf
• Unterdrücken Sie Ihre Gefühle
• Feuern Sie Ihren Coach
• Lesen Sie einen Roman – kein Selbsthilfebuch und auch keine Biographie
• Besinnen Sie sich auf die Vergangenheit.“

Es ist eine philosophische Auseinandersetzung eines Psychologen mit dem Thema Selbstoptimierungswahn, gewiss nicht ohne gute Prise von Leichtigkeit und Humor.

Spätestens nach 60 Seiten war der Knoten geplatzt und ich musste einfach dem Sog dieses Buches nachgeben.
Gute fragen stellt der Autor, über die man gern nachdenken sollte. Manchen Schmu nennt er beim Namen: „Die Vorstellung, dass dem Menschen heute „alle Möglichkeiten offenstehen“ (eine Idee, die hauptsächlich jungen Menschen vermittelt wird), ist natürlich eine Illusion. S. 17.

Und sagt: „Bei ihr [der Denkweise und Philosophie des Stoizismus, Anm. d. A.] stehen Selbstbeherrschung, innerer Frieden, Würde, Pflichtgefühl und Besinnung auf die Endlichkeit des Lebens im Mittelpunkt. Diese Tugenden können eine viel tiefere Lebensfreude hervorrufen, als eine oberflächliche Konzentration auf konstante Veränderung und Entwicklung ermöglicht.“ S. 21.

Der Autor stellt die Punkte dieser Lebensphilosophie vor, s.o., und schlägt am Ende eines jeden Kapitels vor, wie das im Leben umzusetzen wäre. Z.B.: Die Zornausbrüche kann man, so Brinkmann, prima mit Humor in den Griff bekommen. Die ständige Ja-Sagerei, die einem absolut nicht guttut, kann man mit „Ich muss darüber nachdenken“ erstmal aus dem Weg schaffen.

Manch steile These hört sich vllt im ersten Ansatz als solche an, aber wenn man darüber nachdenkt, da könnte man meinen, dass er doch recht hat, z.B. „Gern wird behauptet, dass Selbstverwirklichung zu erwachsenen, in sich selbst ruhenden Individuen führe, doch tatsächlich werden infantile, abhängige Erwachsene geschaffen, die glauben, die Wahrheit liege in ihnen selbst.“ S. 116. Man muss dazu am besten die Seite in Gänze lesen.

Manch seiner Ausführungen hört sich recht lustig an, aber da ist auch Sinn dahinter: Feiern Sie Ihren Coach und ersetzen Sie ihn durch einen Freund. Da gibt es noch paar sehr gute Gedanken, was Freundschaft ist. S. 109.
Interessant ist auch der nächste Punkt, warum man Romane lesen soll. Er nennt auch seine Lieblinge und erklärt, was ihn da so fasziniert.

Je weiter ich las, desto besser gefiel mir das Ganze. Man muss vllt nicht zu allem Ja und Amen sagen, zumal ist seine Argumentation stellenweise nicht so ganz einwandfrei: etwas tendenziös, einer seltsamen Logik folgend und vllt doch insg. eher weltfremd, aber allemal eine Haltung, die man dem Selbstoptimierungswahn entgegensetzen kann.

Fazit: Spannende Sicht der Dinge, die man gern näher kennenlernen sollte.

Bewertung vom 08.04.2018
Vom Einfachen das Beste
Keller, Franz

Vom Einfachen das Beste


ausgezeichnet

„Vom Einfachen das Beste“ von Franz Keller habe ich sehr gern gelesen und empfehle es auch gern weiter. Für manche wird es ein Augenöffner. Auch für diejenigen, die nicht so ganz in Sachen gutes Essen und Herstellung von Lebensmitteln unbeleckt sind, hält der Autor einige wissenswerte Dinge parat.

Das Buch las sich sehr angenehm, war sowohl voller sehr guter Fragen bezüglich des heutigen Essens, als auch Einsichten, spannenden Geschichten aus dem Leben, wohl gewürzt mit Ironie und klaren Worten, dass ich es kaum aus der Hand legen konnte. Es wirkt auch nach. Paar Tage sind vergangen, als die letzte Seite umgeblättert wurde, ich muss gedanklich oft zurückgreifen, indem ich oft denke: Wie recht er doch hat!

Franz Keller zeigt deutlich, dass die Industrialisierung der Lebensmittelherstellung ein großes Problem ist, das viele unliebsame Konsequenzen wie Umweltprobleme, Artensterben, Krankheiten, uvm. nach sich zieht.

Er ist durchaus Fürs Fleischessen. Wie Frage ist, um welchen Fleisch geht es? Von welcher Qualität, wie hergestellt, und in welchen Mengen? Er räumt mit so manchem neumodischen Schmu auf, er erzählt z.B. ganz klar, wie Dry Aged Beef industriell produziert wird. Er weiß, was es ist und wie es gemacht wird: Er hält Rinder bei sich auf dem Hof, produziert das Fleisch für sein Restaurant selbst. Er ist zudem auf dem Bauernhof aufgewachsen und von Klein auf mit Rinderzucht und Tierhaltung insg. vertraut. Franz Keller schildert, was heute im Bereich Lebensmittelproduktion schiefläuft: Zum übermäßigen Zuckerkonsum, Eier- und Milchproduktion sagt er auch paar klare Worte, nennt die Dinge beim Namen, stellt sehr gute, kritische Fragen und sagt, dass auch die Politik einige gute Dinge gern in Lauf hätte setzen können.

Beim Lesen musste ich oft denken: Von solchen Büchern gibt es wahrlich nicht viele. Mehr davon wäre toll.
Sehr spannend sind auch seine Geschichten aus dem Leben um sein Sternekochdasein, insb. die als Franz Keller beim Grundig (Der mit Fernsehern &Co. mal ein Vermögen gemacht, seine Firma dann aber verkauft hat), als Sternekoch in seinem neu ausgestalteten Hotel gearbeitet hatte. Da wird schnell klar: Mehr Schein als Sein - das kann nicht lange gut gehen, wenn’s nach Franz Keller geht.

Seine Bodenständigkeit, seine Ehrlichkeit, seine klaren Worte haben mich beeindruckt. Dabei war es nicht sein Anliegen, Eindruck zu schinden, vielmehr mit seinen Lesern über die akuten Themen rund ums gutes Essen zu sprechen.
An einer anderen Stelle nennt er Industriefoods nicht Lebens- sondern Sterbemittel. Das gibt zu denken. Ich habe angefangen, die Regale in den Supermärkten von diesem Standpunkt aus zu betrachten. Der nächste Schritt ist klar: lieber zum Bauernmarkt und dort mein Gemüse& Co. holen.

Einige ganz einfache Rezepte gibt der Sternekoch seinen Lesern auch mit auf den Weg: Lauchgratin, Endiviensalat mit Kartoffel, Speck und Ei, Pot-au-feu, Champignonragout, Bratkartoffeln mit Garnelen, usw. Er hat die Rezepte auch ganz toll beschrieben, sodass jeder, auch Anfänger sie nachkochen kann. „Selber kochen und gemeinsam essen stärkt unsere zwischenmenschlichen Beziehungen und es stellt auch unsere Verbindung zu Natur und Umwelt wieder her. Klimawandel, Artensterben, Umweltschutz, Energiewende – für all diese drängenden Probleme werden wir andere und bessere Lösungen finden, wenn wir häufiger kochen.“ S. 193.

Fazit: Ein großartiges Buch. Eine bemerkenswerte Mischung aus persönlicher Geschichte und akuten Fragen rund um die Herstellung von Lebensmitteln. Sehr lesenswert. 5 wohl verdiente Sterne.

gekürzt gem. Anforderung dieser Seite.

7 von 7 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.04.2018
Mein Einmachbuch
Witzigmann, Véronique

Mein Einmachbuch


ausgezeichnet

„Mein Einmachbuch“ von Véronique Witzigmann ist ein rund 112 Seiten Büchlein voller interessanter Rezepte, die nicht nur zum Ausprobieren, sondern auch zum Selbsterfinden spannender Zusammenstellungen inspiriert.

Zu Anfang gibt es paar Seiten kurze Erklärungen und Warenkunde, schon geht es los mit den Rezepten. Folgende „Abteilungen“ findet man im Buch:

„Chutneys“: 12 Rezepte, darunter: Ananas-, Birnen-, Apfel-, Aprikosen-, Zwetschgen-Chutney.
„Eingelegtes“: 12 Rezepte, darunter Kürbis à la Fernost, Karotten in Curry, Apfelspalten in Gewürztraminer, Fenchel in Weißweinessig.
„Essig, Öl, Salz und Zucker“: 8 Rezepte, darunter Rotweinessig mit Feige, Tomatenessig, Aprikosen-Lavendel-Öl.
„Pestos und pikante Soßen“: 13 Rezepte: Süßes Beerenketchup, Tapenade, Würzige Grillsoße, Grüne-Soße-Pesto.
„Kompott“: 9 Rezepte, darunter Quitten-, Rhababer-, Heidelbeerkompott, etc.
„Kuchen im Glas“: 8 Rezepte, z.B. Früchtebrot, Kokosküchlein, Schokoküchlein.
Kleines Register rundet das Ganze ab.

Die Rezepte sind recht einfach, sodass man sie in einer ganz gewöhnlichen Küche zubereiten kann. Von der Beschreibung her hört es sich alles sehr gut und vielversprechend an. Interessante Kombinationen. Fast bei jedem Rezept gibt es noch einen extra Tipp.

Es wird recht intensiv mit diversen Gewürzen gearbeitet wie Sternanis, Nelken, Koriandersamen, etc., die man auch in einem gut sortierten Laden finden kann, falls man sie noch nicht hat.

Kuchen im Glas hat mich etwas überrascht: Der Teig wird im Einmachglas gebacken. Und danach sofort verschlossen.

Das Buch ist nett gemacht: Festeinband, festes, glattes Papier, nette Zeichnungen in Farbe lockern schön auf. Jeder Abteilung geht ein in passender Farbe gestaltetes Blatt voran. Allerdings habe ich die Food-Fotos von den fertigen Kreationen vermisst.

Fazit: Ein schönes Rezeptbuch mit spannenden Rezepten.

Bewertung vom 28.03.2018
Moselland
Steinicke, Bernd

Moselland


ausgezeichnet

Dieses Buch ist eine sehr schöne Reise von der Quelle bis zur Mündung der Mosel durch die malerischen Landschaften und die alten, pittoresken Städte mit ihren Sehenswürdigkeiten und Geschichten.

Klappentext beschreibt den Inhalt sehr gut.

Die Erzählperspektive ist ungewöhnlich und auch ganz toll ausgewählt worden: Die Mosel selbst führt die Leser durch diese Reise. Ihre Geschichte, die Urgeschichte inklusive, und vieles mehr erzählt sie höchstpersönlich. Ihr zur Hand geht Noviomaga, die Quellennymphe, die Moselfreunde mit vielen Tipps versorgt, besonders diejenigen, „die die ausgetretenen Pfade gerne mal verlassen“ und sich gern auf spannende Umwege begeben.

Zunächst erklärt die Mosel kurz, wie ihre schönen Schleifen entstanden sind, dann, nach einem schnellen Umweg zum kulturgeschichtlichen Hintergrund des Mosellandes, wendet sie sich ihrem Ursprung. Schöne Bilder von Bussang, Lothringen, und den umliegenden Landschaften gibt es hier, begleitet durch den am linken Rand der Seiten gezeichneten Flussverlauf, der den gesamten Weg bis hoch nach Koblenz zeigt.
Unterwegs geht man immer mal wieder in die Städte rein: Épinal, Toul, Nancy, Metz. Man besichtigt die blumengeschmückten Straßen, bewundert die bezaubernden Fassaden der Jugendstilarchitektur, die Kirchen, mal innen, mal außen, die Zentralplätze, etc. Die großartigen Bilder begleiten die Leser auch hier, der Flussverlauf ist am Anfang des nächsten Kapitels dabei, sodass man stets prima orientier ist.

Die Quellennymphe weiß nicht nur sehr viel über die Mosel, die anliegenden Landschaften und Städte, sie ist sehr auskunftsfreudig und verrät fast auf jeder Seite, was man Spannendes in der jeweiligen Stadt besichtigen könnte: Werkstätte, Markthallen mit ihren kulinarischen Köstlichkeiten, Pastisserien, usw.
Weiter geht es kurz nach Schengen und schon ist man in Trier, einer der ältesten Städte Deutschlands. Viele Sehenswürdigkeiten warten auf ihre Besucher. Die Bauwerke sind hier mit Bildern und Beschreibungen, samt der Zeitleiste der Stadtentwicklung gut präsent.

Dem „Weinland Mosel“ ist ein extra Kapitel gewidmet. Etwas zur Entstehungsgeschichte samt tollen Bildern gibt es auch hier: Die Moselschleife bei Trittenheim im Sommer und im Winter ist mein persönliches Highlight.

Bernkastel-Kues, „die Fachwerkidylle“, sowie Traben-Trarbach, „Festungsbollwerk“, Beilstein, „das Dornröschen an der Mosel“, Bruttig-Frankel, „Eine typische Gemeinde der Mittelmosel“, und zum Schluss Koblenz sind auch sehr beeindruckend mit Fotos und Wissenswertem dabei.

Da sind kurze Kapitel, die viel Interessantes und Wissenswertes darbieten. Auch für die Kenner halten sie paar gute Tipps parat. Die großartigen, stimmungsvollen Fotos sind ein Fest für die Sinne.

Das Buch ist toll gestaltet: Festeinband in Dunkelblau, Umschlagblatt, hochwertiges, glattes Papier, alle 166 Abbildungen sind in Farbe. Prima als Geschenk.

Fazit: Ein sehr schöner Bildband, der die Faszination dieser malerischen Flusslandschaft den Lesern nahebringt und Lust auf eine ausgedehnte Moselreise weckt.