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Sikal
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Österreich

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Insgesamt 1155 Bewertungen
Bewertung vom 21.02.2021
Totentanz im Pulverschnee / Ein Fall für Arno Bussi Bd.3
Fischler, Joe

Totentanz im Pulverschnee / Ein Fall für Arno Bussi Bd.3


ausgezeichnet

Unterhaltsames Wiedersehen mit Arno Bussi

„Sein Name ist Bussi. Arno Bussi. Jaja. Immer dieselbe Leier. Denkt sich auch der Arno, wie er unverändert in Wien festsitzt, in der Statistikabteilung des Bundeskriminalamts, und den lieben langen Tag in seinen Computerbildschirm hineinstarrt – seit bald drei Jahren schon.“

Jaja, eigentlich hat sich der Arno nur ein kleines Stelldichein mit der Frau des Innenministers gegönnt (im ersten Band der Reihe) und eigentlich wollte er nur zum BKA nach Wien, weil er der Enge der Tiroler Heimat entfliehen wollte. Tja, und eigentlich ist ihm das nicht so ganz gelungen – Wien ja, BKA ja, aber eben Statistikabteilung. Stopp, nicht ganz: Denn wenn der Herr Innenminister Qualtinger gerade einen Ermittler fürs Tiroler Land benötigt, dann wird auf den Arno zurückgegriffen und er sozusagen dorthin verbannt.

Dieses Mal ist es anders. Denn Arno soll seinen Urlaub abbauen und zeitgleich wird die Mama von ihrem Freund versetzt, der sie doch zum Eisfestival nach Maria Schnee eingeladen hat. Jetzt ist der Arno am (und im) Zug und muss einspringen. Da freut er sich aber, der Bub, dass er mit der Mama ein Wochenende in einem Luxushotel in den Tiroler Alpen verbringen darf. Langeweile lässt grüßen, denkt sich der Arno. Oder doch nicht so ganz? Denn immerhin will die Mama in der ersten Nacht eine Entführung am Hotelgelände beobachtet haben.

Natürlich beginnt Arno in geheimer Mission mit einigen Nachforschungen und natürlich ist das den Wiener Vorgesetzten wieder mal nicht recht. Als dann aber eine Leiche mitten in den Eisschnitzkunstwerken auftaucht, ist auch plötzlich die Innsbrucker Majorin Erna Katz vor Ort, um die Ermittlungen zu leiten und ihr Berlinerisch zu versprühen. Sehr zum Leidwesen vom Arno, dem das ganz schön auf den Keks geht. Doch (anders als bei den Vorgängerbänden) werden die beiden ein Superteam und lösen den Fall in hartnäckiger Manier. Es beginnen zwischen den Beiden sogar die Schmetterlinge ein wenig zu flattern … Ob das Bestand haben wird, lesen wir wohl erst im nächsten Band. Wobei Arno bei seiner Frauen-Wahl kein besonders glückliches Händchen vorweisen kann.

Joe Fischler lässt Arno Bussi nun bereits das dritte Mal ermitteln. Und auch dieses Mal dürfen wir einen locker-leichten Schreibstil genießen, der mit viel Humor gewürzt ist. Die spritzigen Dialoge lassen die Seiten verfliegen und halten den Spannungsbogen hoch. Denn wer hätte ein Interesse daran, die schöne Rezeptionistin zu ermorden? Oder war alles ganz anders? Bis zum Schluss werden alle Rätsel gelöst und der Autor hält mit der Auflösung des Falles auch noch eine Überraschung parat.

Zwischen den Zeilen liest man über den Ausverkauf in den Tourismusgegenden, den Platzhirschen im Dorf und das „Alpen-Leben“, das ein wenig an die „Piefke-Saga“ erinnert.

Auch der dritte Bussi-Fall konnte mich wieder überzeugen. Joe Fischler trifft ganz einfach meinen „Humor-Nerv“ und so muss ich natürlich alle 5 Sterne vergeben.

Bewertung vom 20.02.2021
Die Mitternachtsbibliothek
Haig, Matt

Die Mitternachtsbibliothek


gut

Nette Geschichte, aber nicht herausragend.

Nora will ihr Leben so nicht mehr weiterleben: ohne Job, ohne Familie, dafür mit Antidepressiva im Überfluss. Sie beschließt zu sterben und ist plötzlich in der Mitternachtsbibliothek gefangen, wo sie auf ihre ehemalige Schulbibliothekarin trifft, die ihr unendlich viele Bücher über ihr Leben zeigt. Nora hat nun die Möglichkeit verschiedenste Lebenswege auszuprobieren und das perfekte Leben zu suchen. Doch das ist gar nicht so einfach wie es anfangs scheint.

Der Autor Matt Haig will der depressiven Phase ein Ende setzen und Wege aufzeigen, die wieder Mut machen. Er will zeigen, dass das Leben eben aus guten und schlechten Entscheidungen besteht, dass es aber immer Möglichkeiten gibt, etwas an seinem Leben zu ändern. Gibt es das perfekte Leben überhaupt?

Der Schreibstil ist locker und leicht, bleibt aber oberflächlich. Trotz einiger Lebensweisheiten bleibt die Geschichte vorhersehbar. Trotzdem wird man dazu eingeladen, über eigene getroffene Entscheidungen nachzudenken. Wie wäre das Leben denn so verlaufen, wenn man mal anders abgebogen wäre?

Leider war mir Nora nicht sonderlich sympathisch, sondern ich hatte das Gefühl, dass sie bei Schwierigkeiten sich vom Leben sofort wieder verabschiedet und sich ein neues sucht. So läuft es nun mal nicht, es gibt eben gute und schlechte Momente, doch das macht es ja gerade aus – das Leben.

Die Idee der Mitternachtsbibliothek hat mir gut gefallen, Noras unterschiedliche Leben waren mir zu oberflächlich. Daher gibt es von mir 3 Sterne

Bewertung vom 17.02.2021
Am Götterbaum
Pleschinski, Hans

Am Götterbaum


sehr gut

Ein Münchner Spaziergang

Die Münchner Stadträtin Antonia Silberstein, die Schriftstellerin Ortrud Vandervelt und die Diplom-Bibliothekarin Therese Flößer treffen sich eines Abends, um sich zur Münchner Villa eines großen deutschen Schriftstellers aufzumachen. Dort wollen die Damen auf einen Experten treffen, der mit ihnen Sinnhaftigkeit und Möglichkeiten eines Paul-Heyse-Kulturzentrums prüfen soll. Paul Heyse (1830 – 1914) war der erste echte deutsche Literaturnobelpreisträger und geriet zusehends in Vergessenheit. Dem soll entgegengewirkt werden und nichts würde sich besser anbieten, als Heyses Villa.

Wir begleiten die Damen auf dem Spaziergang durch München, der sich durch das ganze Buch wie ein roter Faden zieht. Auf dem Weg dorthin wird hauptsächlich über Heyse debattiert, aber es werden auch Passanten beobachtet, der Kopf geschüttelt über Gesprächsfetzen aus einem Managementseminar oder über die Münchner Verkehrspolitik hergezogen. Zwischendurch finden sich immer wieder literarische Einschübe. Als kritischer Gegenpol zu den Heyse-Verfechtern tritt Ortrud Vanderbelt auf, die ein ambivalentes Verhältnis zum Schriftstellerkollegen zu haben scheint.

Der Autor Hans Pleschinski ist bereits für seine Romane „Königsallee“ und „Wiesenstein“ bekannt, die ebenso Literaturnobelpreisträgern gewidmet sind. Nun gliedert sich mit „Mein Götterbaum“ auch Paul Heyse in diese Runde ein.

Der Schreibstil des Autors ist gewöhnungsbedürftig – oftmals kurze, prägnante Sätze, dann wieder ausufernde Details. Amüsante Dialoge und ein wenig Gesellschaftskritik gepaart mit intellektuellem Diskurs machen das Lesen zu einem Vergnügen. Die Idee, über die Damenrunde und den Experten Bradfort sowie dessen Begleiter Deng Long über Heyse zu referieren und so in dessen Biografie Einblick zu erhalten, ist genial.

Ein Roman, den ich sehr gerne gelesen habe, auch wenn dieser durchaus meine ganze Aufmerksamkeit forderte. Aber das ist ja sein gutes Recht! Gerne vergebe ich hier 4 Sterne

Bewertung vom 16.02.2021
Orangen für Dostojewskij
Dangl, Michael

Orangen für Dostojewskij


ausgezeichnet

Eine ganz besondere Reise

Der Roman „Orangen für Dostojewskij“ entführt uns in ein Gedankenexperiment – ein fiktives Treffen Dostojewskijs und Rossinis in Venedig. Beide waren zwar zur selben Zeit dort, doch es gibt keine Hinweise, dass beide sich tatsächlich getroffen hätten. Der Autor Michael Dangl lässt uns teilhaben an dieser Reise, den inneren Monologen, den experimentellen Treffen und der Verwandlung Dostojewskijs. Dies alles geschieht mit einer Feinfühligkeit und Treffsicherheit der Charaktere, dass man meinen könnte, direkt dabei gewesen zu sein.

Als Fjodor M. Dostojewskij sich einen Kindheitstraum erfüllt und nach Europa reist, um dieses zu erkunden, ist seine letzte Station Venedig. Dort trifft er durch Zufall auf den weltberühmten Komponisten Gioachino Rossini. Der introvertierte Dostojewskij sucht das Gespräch mit dem älteren Rossini, vertraut auf dessen Lebensweisheiten und lässt sich zu kulinarischen Ausschweifungen hinreißen. Doch immer mit dem Gedanken an seine Frau und seine Geliebte, auch wenn er sich zur verführerischen Victoria hingezogen fühlt. Als er dem einfachen Bauernmädchen hilft und die Tomate während der langen Reise zu schützen sucht, merkt man seine Verbundenheit mit dem Einfachen und Natürlichen.

Sehr gut finde ich hier wie Dostojewskij dargestellt wird – mit Schwermut und in sich gekehrt, ist er auf die finanziellen Zuwendungen seines Bruders angewiesen. Während Rossini das Leben genießt. Dostojewskij wird als ruhiger Mensch dargestellt, der empfindsam ist und sich über den Lärm Italiens mokiert und doch verwandelt er sich während der Tage, die er mit Rossini verbringen darf.

„Ich habe Venedig noch mehr geliebt als Russland.“

Der ruhige Schreibstil des Autors Michael Dangl hat mich sehr begeistert, die seitenweisen Ausuferungen über Kunst und Kultur habe ich genossen – doch das muss man mögen, sonst werden diese detaillierten inneren Monologe langatmig. Die Unterschiede zwischen Russland und Italien sind sehr schön herausgearbeitet.

Man darf sich keinen Roman erwarten, den man mal ganz schnell locker und leicht dahinliest. Im Gegenteil – die Geschichte will erarbeitet werden, nur so kann diese sich voll und ganz erschließen. Dafür wird man belohnt mit großartigen Bildern und beeindruckenden Gesprächen. Gerne gebe ich hier 5 Sterne

Bewertung vom 15.02.2021
Mein Lotta-Leben. Das Kochbuch

Mein Lotta-Leben. Das Kochbuch


ausgezeichnet

Kindgerechtes Kochspektakel

Wer kennt Lotta nicht? Ich denke mal, dass sie all denen ein Begriff ist, die schon mal mit Kindern zu tun hatten. Lotta-Leben-Bücher gibt es mittlerweile zuhauf und nun gibt es auch ein Kochbuch mit kindgerechten Rezepten.

Das Buch enthält nicht nur Rezepte, sondern auch ein wenig Warenkunde und Gesundheitstipps. Alles in einfacher Sprache gehalten, damit für Kinder verständlich. Das Buch ist liebevoll aufbereitet und lockt mit Details, wie beispielsweise das Hervorheben wichtiger Hinweise in Farbe (Backzeit, Vorbereitungszeit, Portionen, …). Bei jedem Rezept findet man zusätzlich ein Foto, was die Sache ungemein erleichtert.

Unter den 60 Rezepten findet sich für jeden etwas (aber Vorsicht – nicht alle sind gesund und sollten somit nicht täglich gegessen werden). Von einfachen Spaghetti mit Tomatensoße oder einem grünen Smoothie kann man sich durchaus mal auch an One-Pot-Hühnchen mit Pilzen und Nudeln oder an eine Schüttelpizza wagen. Eine Pfannkuchentorte oder Vanillekipferl ist vielleicht eher schon für die fortgeschrittenen KöchInnen geeignet. Aber es spricht ja nichts dagegen, wenn man sich von Erwachsenen helfen lässt. Ganz im Gegenteil – so ein Küchenerlebnis kann sehr unterhaltsam sein.

Ein geniales Kochbuch für Kinder mit vielen Ideen zum Ausprobieren und Nachkochen. Gerne vergebe ich dafür 5 Sterne.

Bewertung vom 15.02.2021
Die Macht der Seuche
Reinhardt, Volker

Die Macht der Seuche


sehr gut

Eine Analyse zwischen gestern und heute

Der Historiker Volker Reinhardt gehört zu den führenden Italien-Experten. Ich durfte bereits einige seiner Sachbücher lesen (z.B. Pontifex) und war von seinem Schreibstil begeistert. Ich finde, ein gutes Sachbuch sollte Wissen in einem angenehm zu lesenden Stil vermitteln – ohne hochtrabende und somit für den Laien wenig verständliche Wörter oder Satzstellungen. Das gelingt Reinhardt jedes Mal aufs Neue.

„Die Macht der Seuche“ ist eine Analyse über Ausbreitung und Auswirkungen der Pest in Europa während der Jahre 1347 – 1353 (wobei auch auf die nachfolgenden Ausbrüche noch verwiesen wird). Reinhardt versucht Parallelen zwischen dieser Pest-Epidemie des 14. Jahrhunderts und der derzeitigen COVID-Pandemie herzustellen.

Das Buch ist in drei Teile gegliedert:
Die Pest und die Menschen
Die Menschen und die Pest
Die Menschen nach der Pest

Der Autor verweist auf wenige gesicherte Fakten, weist aber auch darauf hin, dass es kein statistisch auswertbares Material aus dieser Zeit gibt, aus denen sich Opferzahlen genau errechnen ließen. Wir folgen der Ausbreitung von Sizilien über den Norden Italiens, Frankreich, Deutschland bis nach Polen, wobei der Schwerpunkt auf Italien und Avignon (als damalige Papststadt) gelegt wird. Dabei erfahren wir von unterschiedlichen Chronisten, die über Einzelschicksale berichten oder über Regierende, die zu drastischen Maßnahmen greifen, um die Ausbreitung in ihrer Stadt zu unterbinden (oder zumindest zu minimieren). Beispielsweise ließ man in Mailand Infizierte in ihren Häusern einmauern, um diese zu isolieren.

Dass es nicht nur Opfer und Verlierer gegeben hat, versteht sich von selbst. Ebenso durften sich die Überlebenden über bessere Lebensbedingungen erfreuen. Reinhardt erwähnt immer wieder, welche zwischenmenschlichen Konflikte diese Krankheit hervorbrachte – wenig Solidarität oder Hilfestellung für die Erkrankten bzw. deren Familien standen an der Tagesordnung. Auch wurden – wie so oft in der Geschichte – die Juden als Sündenböcke deklariert.

Was uns der Autor mitgeben möchte, ist, dass diese derzeitige Pandemie weder der Weltuntergang noch der Beginn einer neuen Epoche sein wird. Gelassenheit sollte der Schlüssel zum Erfolg sein und die Aussicht auf ein „Danach“.

„So spricht alles dafür, dass nach Überwindung der Corona-Pandemie der Wille zum Vergessen und zur Rückkehr in die vertrauten Bahnen überwältigend sein wird. Das ist keine besonders stimulierende, doch eine einigermaßen beruhigende Perspektive.“

Eine wichtige und spannende Analyse, die für meinen Geschmack ausführlicher hätte sein können. 4 Sterne

Bewertung vom 13.02.2021
Der Tod lässt kein Schwein kalt
Bordoli, Ladina

Der Tod lässt kein Schwein kalt


gut

Ein Mord trotz ländlicher Idylle

Die Schauspielerin Odette Ernestine Montebello (herrlicher Name) hat es gerade nicht so leicht. Immerhin hat ihr Agent ihr mitgeteilt, dass es für sie derzeit keine Verwendung gibt – nicht mal als Leiche. Obwohl sie gerade in diesem Metier auf eine jahrzehntelange Erfahrung zurückblicken kann, wo sie doch immerhin in 250 Tatort-Folgen eine Leiche spielen durfte. Doch sogar für diesen Job gibt es nun eine Jüngere.

Etwas spontan kauft sie ein kleines Chalet in den Schweizer Alpen und versucht dort Fuß zu fassen. Doch auch das scheint nicht ganz so einfach und die Dorfbewohner sind eine eingeschworene Gemeinschaft, in die man als Außenstehende nicht so leicht eindringen kann. Als Odette auch noch in ihrem Vorgarten eine Leiche findet und es so scheint, dass als Tatzeugin nur des Nachbars Wollschwein Persephone in Frage kommt, scheint die ländliche Idylle endgültig passé.

Die Autorin Ladina Bordoli hat einen charmanten Krimi mit Lokalkolorit und Situationskomik geschrieben. Die humorvollen Dialoge haben mich mehrmals zum Schmunzeln gebracht und auch das hochsensible Wollschwein ist eine Wucht. Leider geht mir mit der Zeit Odettes übertriebenes Getue ziemlich auf die Nerven. Ebenso wirken zwischendurch die Witze zu aufgesetzt und gewollt. Der Krimi selbst tritt die meiste Zeit in den Hintergrund, zu sehr sind die Ermittler damit beschäftigt, das Wollschwein aus der depressiven Phase zu holen oder für Odette Arbeit zu finden.

Wer sich hier einen spannungsgeladenen Krimi erwartet, wird enttäuscht sein. Wer sich von humorvollen Dialogen überzeugen lassen will, wird hier gut bedient.

Eine locker-leicht zu lesende Krimikomödie, bei der einem Wollschwein eine besondere Rolle zugedacht wird. 3 Sterne

Bewertung vom 07.02.2021
Japan
Tasker, Peter;Tarshis, Eugene;Brown, Azby

Japan


ausgezeichnet

Wer nicht nach Japan reisen möchte, ist selber schuld …

Spätestens dann, wenn man diesen Bildband in den Händen hält, möchte man unbedingt in dieses Land reisen. Wobei hier „in den Händen halten“ vielleicht nicht ganz korrekt ist, denn man kann dieses 4-Kilogramm-Ungetüm nicht einfach so in den Händen halten und darin schmökern. Hier braucht es schon eine stabile Unterlage, um in diesem Werk blättern zu können.

Japan fasziniert mich schon seit Jahren, doch diese Reise steht mir noch bevor, sobald Reisen wieder uneingeschränkt möglich ist. Bis dahin lohnt es sich, in diesem Buch zu schmökern und gedanklich dorthin zu reisen. Es beeindrucken hier nicht nur die eindrucksvollen Fotos sondern vor allem die Geschichten, die mit den Bildern erzählt werden. Wer sich hier aber einen Reiseband oder Reiseführer erwartet, wird enttäuscht sein (man findet keine Ausflugtipps oder ähnliches). Es ist ein Überblick über ein Land, das viel zu bieten hat.

„Oto Matsuri ist ein Shinto-Fest, bei dem sowohl Wasser als auch Feuer zum Zweck der Reinigung beschworen werden. Der Tag beginnt bei Sonnenaufgang, wenn die Teilnehmer im Lendenschurz ins Meer gehen, um Körper und Geist im Shiogori-Ritual zu reinigen.“

Untermalt mit Bildern werden viele Rituale aufgezeigt, um beispielsweise eine Gottheit zu beschwören oder den Geist zu reinigen, um Unterwerfung zu zeigen oder auch eine höhere Stufe seiner selbst zu erlangen. Doch nicht nur Rituale werden in dem Buch großgeschrieben.

Nach einer Einleitung taucht man in die einzelnen Kapitel: Metropolis, Natur, Kostüm, Ritual, Heiliges und Ästhetik. Und jedes Kapitel für sich hat Unglaubliches zu bieten. Eine solche Vielfalt, wie man in diesem Land findet, sucht man anderswo vergebens.

Begeistert bin ich von den wunderbaren (teils doppelseitigen) Fotos, die man immer wieder gerne ansieht. Kein Buch, das im Bücherschrank verstauben sollte. Leider kann ich hier nur 5 Sterne vergeben, verdient hätte das Buch viel viel mehr…

Bewertung vom 07.02.2021
Bulli
Cortesi, Thomas;Levivier, Michaël

Bulli


ausgezeichnet

Für Bulli-Fans und andere …

Wenn man diesen gewaltigen Bildband mit einem höchstzulässigen Gesamtgewicht von mehr als zwei Kilogramm in den Händen hält, ist man überwältigt: Von der Größe, vom Gewicht, von den ausdrucksstarken Fotos, von der Leidenschaft.

Dieses Werk ist eine Hommage an ein Kultauto. 15 Porträts über den Bulli und die dazugehörigen Fahrer werden hier vorgestellt. Was zeichnet diese aus? Liebe und Leidenschaft für ein Gefühl von Freiheit, das Wiederaufleben der Vergangenheit – für wahre Liebhaber ist alles möglich. Jedenfalls ist der Bulli mehr als ein Teil der VW-Geschichte. Er ist eine Legende.

Die Porträts zeigen wie viel Herzblut die Besitzer in dieses Fahrzeug stecken. Wenn man sieht, wie so manches Auto am Anfang aussieht, denkt man dass dieser Schrotthaufen nur mehr für die Presse sein kann. Doch es gibt Menschen, die in diesen Rostlauben noch etwas erkennen können und mit viel Liebe zum Detail (und unzähligen Stunden Arbeit) nicht nur einen fahrbaren Untersatz schaffen, sondern einen besonderen Schatz.

Man trifft unter anderen auf den Feuerwehr-Bulli, den Maler-Bulli, den Renn-Bulli, den Pritschenwagen-Bulli und den Flower-Power-Bulli. Oder der Barndoor aus 1952, der für Florian ein Lebensprojekt ist – und wenn man den Bildern Glauben schenken darf, hat er noch viel vor. Doch mit diesem Enthusiasmus, den er versprüht, denkt man keine Sekunde, er könne es nicht schaffen.

Der Autor Michael Levivier ist Journalist und Testfahrer. Unterstützt wurde er vom Fotografen Thomas Cortesi, der Bilder vom Feinsten liefert und uns so in eine unglaubliche Welt eintauchen lässt.

Ein ausdrucksstarker Bildband über die Welt der Bullis. Eintauchen, abfahren und ein Stück Freiheit genießen. Gerne vergebe ich hier 5 Sterne

Bewertung vom 07.02.2021
Auf Wiedersehen, Kinder!
Maier, Lilly

Auf Wiedersehen, Kinder!


ausgezeichnet

Ein unglaubliches Porträt

Die Historikerin und Journalistin Lilly Maier beschäftigt sich in ihren Forschungen mit den langfristigen Nachwirkungen der Kindertransporte während des Nazi-Regimes. Mit dem Buch „Auf Wiedersehen, Kinder!“ setzt sie dem Wiener Ernst Papanek ein Denkmal.

Papanek war schon in seiner Jugend politisch aktiv und immer daran interessiert, für die Menschen das Beste zu wollen, obwohl es ihm in den 1930er Jahren als Jude nicht leicht gemacht wird. Während des Februaraufstandes 1934 muss er seine Familie verlassen und fliehen, sonst wäre er verhaftet worden. Doch als unerschütterlicher Optimist und „Stehaufmännchen“ leitet er bei Paris vier Kinderheime mit 283 jüdischen Flüchtlingskindern aus Österreich und Deutschland. Er schafft es, den jungen Menschen wieder eine Perspektive im Leben zu geben und verschreibt sich der Reformpädagogik. Dieser fortschrittliche Ansatz brachte „seinen“ Kindern auf Dauer großartige Erfolge ein – so konnten viele einen Weg als Rechtsanwalt, Arzt, Ingenieur oder auch Uni-Professor beschreiben.

„Bildung ist nicht nur der Erwerb von Wissen und Fähigkeiten, sondern die Entwicklung bestimmter Einstellungen, Eigenschaften und Lebensgewohnheiten.“

Für Papanek waren die Traumata der Kinder durch die Trennung von der Familie kein leeres Geschwätz, sondern er nahm sie ernst und konnte ihnen ein geschütztes Leben in einer Gemeinschaft geben. Dass er sich auch aus dem Exil in den USA um sie kümmerte (und sie letztendlich nach Amerika holte), versteht sich irgendwie von selbst, wenn man seinem Werteverständnis folgt.

Die Autorin legt hier ein akribisch recherchiertes Buch vor und zeigt uns einen unglaublichen Menschen, der dem System trotzte und dem die Menschen am Herz lagen. Der Schreibstil ist sachlich und liest sich flüssig. Viele Fotos und Originaldokumente ergänzen das Buch und geben dem Leben dieses Revolutionärs Authentizität.

Eine Hommage an einen außergewöhnlichen Menschen, der es verdient, nicht in Vergessenheit zu geraten. Gerne vergebe ich 5 Sterne und eine Leseempfehlung.