Benutzer
Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Glüxklaus
Wohnort: 
Franken

Bewertungen

Insgesamt 576 Bewertungen
Bewertung vom 08.07.2021
Tiere im Einsatz / Wieso? Weshalb? Warum? Bd.16
Erne, Andrea

Tiere im Einsatz / Wieso? Weshalb? Warum? Bd.16


ausgezeichnet

Wie Tiere Menschen helfen - interessantes und sehr motivierend gestaltetes Sachbuch

Tiere sind unersetzlich für den Menschen. Das Buch „Tiere im Einsatz“ aus der erfolgreichen Ravensburger Reihe „Wieso, weshalb, warum“ stellt anschaulich dar, auf welch unterschiedliche Arten Tiere Menschen unterstützen. Auf der ersten Doppelseite wird die ganz allgemeine Frage „Wie können uns Tiere helfen“ beantwortet. Auf den Bildern sind dabei Spürhunde in Aktion zu sehen. Die nächsten Seiten erklären, was Hunde bei der Polizei machen und wann Polizisten auf Pferden reitet. Anschließend geht es um Hunde an Land als Lebensretter, die folgende Seite befasst sich mit Hunden und Delfinen, die im Wasser Hilfe leisten. Im Anschluss wird geschildert wie tierische Einsatzkräfte trainieren, dann erläutert ein Text, warum Tiere uns gesund und froh machen. Daraufhin gibt es einen kurzen Überblick, welche Tiere Menschen begleiten. Die nächsten Seiten widmen sich der Frage „Welche Tiere passen besonders gut auf?“. Anschließend erzählt ein Abschnitt von Lasttieren wie Rentieren, Eseln, Yaks, Kamelen oder Lamas. Den Abschluss bilden die Themen „Wo sind Tiere noch im Einsatz“ und „Wann haben tierische Helfer frei?“.

Die Sachtexte hat Autorin Andrea Erne in altersgemäßer, klarer Sprache verfasst. Die kurzen und prägnanten Sätze mit wenigen Fremdwörter sind für die kleinen Leser sicher gut zu verstehen.
Das Buch ist ansprechend gestaltet. Die besonderen, bunten, detaillierten Illustrationen motivieren. Es gibt dabei sehr viele Details zu entdecken. Jede Seite enthält einen etwas längeren Fließtext und kleinere Informationen zu diversen speziellen Bildern. Außerdem finden sich Entdeckerklappen auf jeder Seite oder manchmal etwas größere „Verwandelseiten“ am Falz. Es wird z.B die Schutzausrüstung eines Polizeipferdes gezeigt oder ein Rettungshund in Aktion.
Durch das Buch „führt“ ein drolliges Alpaka, das manchmal mit witzigen Sprechblasen kommentiert, auf jeder Seite versteckt ist und immer andere tierische Begleiter dabei hat.
Kinder ab vier Jahren werden beim gemeinsamen Lesen mit Erwachsenen und beim Betrachten der Bilder viel Spaß haben. Erstleser ab sieben Jahre können sich die kurzen Texte vermutlich schon selbst erschließen, auch wenn die Schrift nicht übermäßig groß gedruckt ist.

Hier lernen nicht nur Kinder Interessantes, auch Erwachsenen erfahren noch viel Neues. Von Datenspürhunden oder Ratten, die Sprengstoff erschnüffeln habe ich beispielsweise vorher noch nie gehört und dass Hunde auch gute Rettungsschwimmer abgeben, war mir ebenfalls nicht genau bewusst. Wirklich beeindruckend, was unsere vierbeinigen Freunde alles leisten, wie beruhigend sie auf uns wirken können und dass sie Gefahren oft intuitiv früher wahrnehmen können als Menschen, die dafür technische Hilfsmittel haben.
Das Buch geht am intensivsten auf Hunde ein, weil diese hierzulande am häufigsten im Einsatz sind. Für unseren Geschmack hätte der Blick in andere Länder und Kulturen durchaus noch etwas ausführlicher ausfallen können. Beim Öffnen der Entdeckerklappen sollten die Leser vorsichtig sein, da die dünnen Pappklappen leicht einreißen können.
Insgesamt ein hochinteressantes, motivierendes, abwechslungsreich gestaltetes und überaus informatives Sachbilderbuch für alle Tierfreunde. Mit dieser Reihe liegt man immer richtig, das beweist auch der Band „Tiere im Einsatz“. So macht Wissensvermittlung Spaß.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.07.2021
Sylvia und der Vogel
Koomen, Gemma

Sylvia und der Vogel


ausgezeichnet

Bezaubernd bebildertes Buch mit einfacher, aber starker Botschaft

Am Rande des Waldes steht ein großer Baum. In diesem Baum leben die Baumhüter. „Nähren und pflegen, sammeln und hegen, dafür sind Baumhüter da.“ Die Baumhüter haben zusammen viel Spaß, spielen oft ausgelassen miteinander. Nur Sylvia ist anders, sie ist gerne für sich und zieht sich oft alleine in ihre kleine Höhle zurück. Unerwartet erhält sie Besuch von einem Vogel, Zausel. Nachdem sie sich aneinander gewöhnt haben, werden die beiden Freunde. Sylvia darf auf Zausel reiten und entdeckt mit ihm die Welt. Eines Tages tauchen viele weitere Vögel auf. Zausel fühlt sich in ihrer Gesellschaft wohl und beschließt, Sylvia zu verlassen, um mit seinen Artgenossen wegzufliegen. Sylvia ist traurig, doch dann kullert plötzlich eine Eichel zu Sylvia hinunter...

Die Geschichte ist klar, kindgemäß und gut verständlich formuliert. Es braucht nur wenige Worte, um viel zu erzählen.
Autorin Gemma Koomen hat zur Geschichte wunderschöne, lebendige, ausdrucksstarke, wirklich besondere Bilder gemalt. Die Farben sind recht gedeckt, Grau-, Grün- und Brauntöne dominieren. Die Maltechnik erinnert an Wasserfarben-Bilder, etwas naiv, aber sehr liebevoll, detailliert und zweifellos wunderschön zum Anschauen. Das Buch hat DINA4-Format. Kinder ab vier Jahren werden beim Vorlesen die Geschichte schon erfassen, aber auch ältere Kinder werden sich von den Bildern und der Botschaft noch angesprochen fühlen.

Sylvia ist sehr still und zurückhaltend. Mit ihr können sich schüchterne Kinder bestimmt gut identifizieren. Nicht für alle Kinder ist das unkomplizierte Spiel mit anderen Kindern selbstverständlich. Manche Kinder sind wie Sylvia gerne allein. Zausel der Star ist so ganz anders als Sylvia. Sylvia muss sich an seine Eigenarten - er ist laut, dreckig und immer hungrig - erst einmal gewöhnen. Doch sie lernt schon bald seine Gesellschaft zu schätzen. Sylvia und Zausel sind simple, klar definierte Figuren, grundverschieden, aber dennoch passen sie zusammen, sie tun einander gut.

„Sylvia und der Vogel“ ist eine ganz schlichte Geschichte und doch enthält sie eine wichtige Aussage. Zusammen ist manches schöner als allein. Es lohnt sich, sich auf andere einzulassen, auch wenn das anstrengend sein kann und Geduld und Toleranz verlangt. Das Zusammensein belohnt die Mühe. Ein herausragendes, bezaubernd bebildertes Buch mit einfacher, kleiner, aber starker Botschaft zu immer wieder Anschauen und darin Versinken.

Bewertung vom 29.06.2021
Von allem nur das Beste / Wunderfrauen-Trilogie Bd.2 (eBook, ePUB)
Schuster, Stephanie

Von allem nur das Beste / Wunderfrauen-Trilogie Bd.2 (eBook, ePUB)


sehr gut

Gelungene Fortsetzung, die den Zeitgeist 60er Jahre wunderbar einfängt

„Was Helga alles leistete, dachte Luise. So eine Wunderfrau.“

Die Wunderfrauen sind zurück: Anfang der 1960er Jahre ist Luise Dahlmanns Lebensmittelladen mittlerweile aus Starnberg nicht mehr wegzudenken. Luise bietet ihren Kunden stets besonderen Service, hat zuverlässig raffinierte und praktische Rezepttipps parat. Doch sie muss immer am Ball bleiben, um den Anforderungen ihrer Kundschaft gerecht zu werden, denn die Konkurrenz schläft nicht. Nach einem schlimmen Streit hat Luise mit ihrer ehemaligen Freundin Helga kein Wort mehr gesprochen. Doch plötzlich ist Helga wieder da. Arztgattin Annabel erleidet einen Schicksalsschlag, der die Beziehung zu ihrem Mann Konstantin auf eine harte Probe stellt. Und Luises Schwägerin Marie ist mittlerweile mehrfache Mutter, was die Arbeit auf dem Hof nicht leichter und die Beziehung zu ihrem Mann Martin nicht unkomplizierter macht.

Stefanie Schuster versetzt sich abwechselnd in ihre vier Protagonistinnen hinein und schreibt flüssig, klar und schnörkellos aus deren Sicht. Zwischen den Kapiteln sind Auszüge aus „Luises Ladenkunden-Album“ abgedruckt, ein bunt gemischtes Sammelsurium aus Listen, praktischen Tipps oder Anekdoten. Diese wirken sehr authentisch und sind amüsant zu lesen.

Die „Wunderfrauen“ sind vier grundverschiedene Frauen, die mitten im Leben stehen. Luise lebt für ihren Laden, packt zu, weiß immer Rat. Ihr neues Hobby „Tanzen“ bringt sie nun ganz schön in die Bredouille. Als Helga wieder auftaucht, kommen bei Luise schlimme Erinnerungen an die Vergangenheit wieder hoch. Helga hat es endlich geschafft: Sie ist nun Ärztin. Die Patienten sind ihr sehr wichtig, für sie riskiert sie einiges. Marie ist mit Luises Bruder Martin verheiratet. Sie trägt große Verantwortung für eine große Familie, muss immer funktionieren. Dabei geht sie selbst ein wenig verloren und dann sucht ihr Mann Martin auch immer häufiger Ablenkung im Alkohol. Arztgattin Annabel ist am Ziel ihrer Wünsche, sie wird zum zweiten Mal Mutter, doch es kommt nicht so, wie sie sich das vorgestellt hat. Ihr Mann Konstantin geht auf Distanz und Annabel möchte endlich wieder arbeiten, statt sich nur um die Kinder zu kümmern.
Dass die Charaktere so vielfältig sind, macht ihren Reiz aus. Man erfährt anhand der Figuren, wie Frauen aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten damals lebten. Männer kommen dabei nur mäßig gut weg. Richtige Sympathieträger sind die männlichen Figuren oft nicht, aber es stehen ja auch „Die Wunderfrauen“ im Fokus.

Während die Frauen ihre ganz persönlichen Schicksalsschläge erleiden, erfasst die Autoren auch auf ganz unkomplizierte, unaufgeregte Art den damals herrschenden Zeitgeist. Wichtige Ereignisse wie die Debatte um Abtreibungen, der Contergan-Skandal oder die Entwicklung zur Massentierhaltung werden angesprochen. Heraus kommt dabei ein leichter, unterhaltsamer Roman, der wie ein buntes Farbfoto das Besondere der 60er Jahre einfängt. Ein Stück interessante Zeitgeschichte, kurzweilig verpackt. Nach dem spannenden Cliffhanger von „Die Wunderfrauen- Von allem nur das Beste“ bin ich schon sehr neugierig, was die 70er Jahre für die vier Hauptfiguren bringen werden.

Bewertung vom 29.06.2021
Pension Herzschmerz
Below, Christin-Marie

Pension Herzschmerz


sehr gut

Von falschen Männern und richtigen Entscheidungen

„Was hat das Meer nur an sich, dass es einem sofort besser geht, sobald man es sieht?“

Anna findet heraus, dass ihr Freund sie mit seiner Arbeitskollegin betrügt. Als bei ihrer Freundin Louise unterschlüpft, ist deren Freund Nils überhaupt nicht begeistert. Glück im Unglück, dass sich Kim, Louises andere Freundin, den Fuß bricht und Louise um Hilfe bittet. Kim lebt auf der Insel Norderney und braucht nun einen Chauffeur, der sie zur Arbeit bringt. Kurzentschlossen fahren Anna und Louise auf die Insel, um Kim zu unterstützen. Bei einem gemeinsamen Abend kommt den Freundinnen die Idee, eine Pension für Gäste mit Liebeskummer zu eröffnen. Als die drei dann erfahren, dass Pensionswirtin Swantje tatsächlich bereit ist, ihre Pension zu verpachten, möchten sie ihren Plan von der „Pension Herzschmerz“ in die Tat umsetzen. Doch Swantje fordert von den Frauen „einheimische Fürsprecher“. Also setzen die drei Freundinnen alles daran, die Insulaner von ihrer innovativen Idee zu überzeugen. Gar nicht so einfach.

Autorin Christin Marie Below erzählt klar und gut verständlich in Ich-Form aus Louises Sicht. Ihr Schreibstil ist weniger elegant, als „bodenständig“, schlicht und flüssig. Christin Marie Below hat ihre Geschichte in fünf Abschnitte gegliedert und dieses jeweils mit den einzelnen Phasen von Liebeskummer betitelt: „Phase 1: Schock“, „Phase 2: Begreifen“, „ Phase 3: Wut“, „Phase 4: Trauer und Sehnsucht“ und „Phase 5: Heilung“. Diese originelle Aufteilung passt sehr gut zur Geschichte und ihrem stimmigen Aufbau.

Die drei Freundinnen Louise, Anna und Kim sind recht unterschiedliche Charaktere. Anna verhält sich eher impulsiv, ihr kann es durchaus schon mal passieren, dass sie ihren Freund aus Rache in ein kleines Badezimmer einsperrt. Louise ist wesentlich zurückhaltender und angepasster, sie zeigt sich verletzlich, zieht sich oft in ihr Schneckenhaus zurück. Anders Kim, die vor Energie und Lebenslust sprüht. Gerade wegen ihrer konträren Persönlichkeiten ergänzen sich die Freundinnen ziemlich perfekt.
Prima gefallen hat mir der Charakter Beeke. Beeke ist „Inselälteste“. Sie hat sehr viel Lebenserfahrung und bringt die Dinge weise und differenziert auf den Punkt: „Und wo wir schon mal beim Thema sind: Kein Mann ist einen gebrochenen Fuß wert!“ Aber: „Liebeskummer ist vergänglich, die Liebe hingegen unvergesslich.“ „Es kommt natürlich darauf an, an wen man sein Herz verliert. Es sollte schon der Richtige sein. Dann lohnt es sich, auch wenn es manchmal wehtut.“
Wie der Titel schon vermuten lässt, kommen nicht alle Herren der Schöpfung hier gut weg, manche aber schon.

„Pension Herzschmerz“ ist ein leichter Wohlfühl-Urlaubsroman wie ein romantischer Fernsehfilm, der einen für einen Abend den Alltag vergessen lässt und einfach nur angenehm unterhält. Kurzweilig, mit Momenten zum Lachen und Mitfiebern, stimmigem, wenn auch vorhersehbaren Verlauf und wunderbarem idyllischen Schauplatz. Das hier vorgestellte Norderney, wo die Uhren noch anders gehen, mit seinen landschaftlichen Schönheiten und ganz speziellen, aber liebenswerten Bewohnern macht Lust auf Meer. Und für alle, die das gute Gefühl, das die Geschichte vermittelt, noch intensivieren wollen, gibt es im Anhang ein Rezept für Erdnussbuttercookies, die die Hauptfiguren im Roman selbst in Hochstimmung versetzen.

Bewertung vom 28.06.2021
Die Roseninsel
Reitner, Anna

Die Roseninsel


sehr gut

Eine verwunschene Insel und eine spannende Reise in die Vergangenheit

„Das ist… wunderbar“, sagt sie. „Es ist doch eine merkwürdige Vorstellung - ein Mensch, der vor so langer Zeit das Muster einritzte und hier bin ich und sehe und fühle es genauso.“ Sie sah auf. „Das ist, als würde es uns verbinden.“

Liv Dahl arbeitet als Ärztin an der Berliner Charité. Die Arbeit ist anstrengend und psychisch belastend. Nach einem dramatischen Ereignis braucht Liv eine Pause und übernimmt vertretungsweise die Stelle als Verwalterin auf der Roseninsel im Starnberger See. Dort findet sie das Tagebuch der früheren Bewohnerin Magdalena, Tochter des einst als verrückt geltenden Bayrischen Königs Otto. Liv begibt sich auf Spurensuche und taucht in das Leben der geheimnisvollen Königstochter ein. Schmerzhaft muss sie feststellen, dass sie vor ihren eigenen Problemen allerdings nicht davonlaufen kann. Zum Glück gibt es Segellehrer Johannes, der Liv nicht nur mit Lebensmitteln versorgt, sondern sich auch für sie zu interessieren scheint.

Anna Reitners einfacher, flüssiger Sprachstil macht es ihren Lesern leicht, sich sofort in Livs Geschichte hineinzuversetzen. Auch die Passagen, die sich auf Magdalenas Leben beziehen, sind unkompliziert und gut verständlich formuliert.

Zwei Frauen. Zwei Hauptfiguren, die auf der Roseninsel zeitweise von der Außenwelt abgeschottet sind und mehr als genug Zeit haben, sich mit sich und ihren Gedanken zu beschäftigen. Für Liv ist der Aufenthalt auf der Roseninsel eine Flucht aus ihrem Alltag, doch eigentlich ist ihr eines sehr wohl bewusst: „Wem machte sie etwas vor? Man konnte nicht fliehen vor dem, was man war.“ Die sensible, verletzliche Frau kämpft mit Schuldgefühlen und glaubt, versagt zu haben und Glück nicht zu verdienen. Magdalenas Geschichte wird für sie zum Sog in die Vergangenheit : „Oh, oh Liv“ bemerkt sie „langsam lebst Du wirklich mehr in diesem alten Buch als in der Wirklichkeit.“
Magdalena wünscht sich hingegen nichts mehr als von der Insel, auf der sie von ihrer penetranten Aufpasserin Baronin von Zeiss streng überwacht wird und sich wie eine Gefangene fühlt, und aus ihrem eintönigen Leben fliehen zu können. Beide Frauen warten auf ihre „Erlösung“. Vielleicht in Gestalt des verständnisvollen „Richtigen“?

Eine sehr interessante und spannende Spurensuche erlebt Liv. Die Geschichte des real existierenden Königs Otto und seiner fiktiven Tochter Magdalena fesselt nicht nur Liv, sondern auch mich als Leserin. Magdalena selbst fühlt sich ebenso mit der Vergangenheit verbunden, liest archäologische Bücher, beschäftigt sich mit Heinrich Schliemann und möchte wissen, was in der Vergangenheit auf der Insel geschah.
Unbedingt wollte ich zudem erfahren, welches Trauma Liv selbst zu bewältigen hat. Die beiden Handlungsstränge - Gegenwart und Vergangenheit - sind geschickt miteinander verwoben, lesen sich fast wie von selbst und das Ende sorgt durchaus noch für Überraschungen, zumindest Magdalenas. Ein locker-leichter, kurzweiliger Roman über Neuanfänge und ganz besondere Verbindungen zur Vergangenheit, der Lust macht, die verwunschene „Roseninsel“ mit ihrer faszinierenden Geschichte selbst einmal zu besuchen. Ein Buch ideal für eine Auszeit mit unterhaltsamen Lesestunden zu Hause oder noch besser im Liegestuhl mit Blick auf den Starnberger See.

Bewertung vom 28.06.2021
Der Baum und der Vogel
Bickford-Smith, Coralie

Der Baum und der Vogel


sehr gut

Ein poetisches Buch zum Bestaunen und Nachdenken

Im Dschungel wächst ein hoher Baum. Während der Trockenzeit suchen viele Tiere darin Schutz, auch ein kleiner Vogel, für den der Baum Heimat ist. Als die Regenzeit kommt, verlassen die Tiere den Baum. Der Vogel aber macht sich Sorgen: Wer wird beim Baum bleiben? Er beobachtet, dass sich nachts ganz verschiedene Tiere wie Affen oder Schmetterlinge am Baum aufhalten, die viel von der Welt erzählen können. Allmählich begreift der Vogel, dass es auch für ihn Zeit wird, loszulassen.

Coralie Bickford-Smith schreibt sehr bildhaft, fast poetisch, manchmal klar und direkt, aber mitunter sind die Worte nur im übertragenen Sinne zu verstehen.
Wirklich besonders ist die Gestaltung des Buchs. Äußerlich recht unscheinbar, ein grün-blaues Cover in Leinen gebunden, aber was sich innen verbirgt, ist wirklich beeindruckend: Wunderschöne Bilder, die wie Drucke eines Linolschnitts wirken, auf wenig unterschiedliche Farben pro Seite beschränkt, aber gerade deshalb so intensiv und wirkungsvoll.
Die Geschichte ist auf Anhieb nicht ganz so einfach zu begreifen, selbst für Erwachsene nicht. Kleinere Kinder ab vier, fünf Jahren werden von der Gestaltung des Buchs fasziniert sein und mit Interesse den schön klingenden Sätzen lauschen. Um die Bedeutung des Textes zu erfassen, werden sie aber auf die Erklärung Erwachsener angewiesen sein. „Der Baum und der Vogel“ ist ein „Familienbuch“, die vom Verlag angegebene Altersempfehlung von 3 bis 99 Jahren hat daher durchaus seine Berechtigung.

Ein kleiner Vogel ist die Hauptfigur. Er wirkt wie ein Kind, das nicht viel von der Welt weiß und sich zu Hause geborgen fühlt. Mit dem Vogel können sich Kinder sicher identifizieren. Auch sie haben noch so viel zu lernen und zu entdecken.

„Der Baum und der Vogel“ ist ein poetisches, philosophisches Buch mit einer Botschaft, über die die Leser sicher nachdenken müssen. Der kleine ängstliche Vogel beobachtet genau und erkennt, dass es soviel gibt, das man auf den ersten Blick nicht sieht, wenn man „begrenzt“ und „ängstlich“ denkt. Der Baum ist immer voller Leben, was den Vogel dazu bringt, loszulassen. Es ist fundamental wichtig, Heimat und Wurzeln zu haben. Aber dennoch bietet das Leben soviel mehr. Jeder Leser mag sich seine eigene Botschaft aus der vermeintlich einfachen Geschichte herausziehen, jeder mag den Text ein wenig anders interpretieren. Zweifelsohne werden die besonderen Bilder aber alle Leser gleichermaßen ansprechen. Ein ungewöhnliches Buch zum gemeinsam Lesen, gemeinsam Deuten und Philosophieren und gemeinsam Genießen.

Bewertung vom 24.06.2021
Meine kleine Schwester Kaninchen
Nilsson, Ulf

Meine kleine Schwester Kaninchen


ausgezeichnet

Erfrischende, abenteuerliche Bildergeschichten mit ein bisschen Gefahr und viel Witz

Kleine Schwester Kaninchen stolpert ganz unfreiwillig von einem gefährlichen Abenteuer ins nächste: Sie begegnet dem Fuchs, verirrt sich im Wald oder ertrinkt beinahe im Meer. Zum Glück hat sie einen großen Bruder, auf den sie sich verlassen kann und der immer wieder da ist, wenn sie ihn braucht. Er inspiriert Kleine Schwester Kaninchen sogar zu einer perfekte Lösung für alle Tierkinder, wenn sich diese mal nicht einigen können.

Ulf Nilssons Texte sind klar, gut verständlich und kindgemäß formuliert.
Die Illustrationen von Eva Eriksson stellen die Handlung sehr anschaulich dar, stellenweise ist die Druckqualität der Bilder nicht ganz makellos. Die süßen Illustrationen sind aber generell sehr hübsch anzusehen. Sie sind in dezenten, eher dunklen Farben gehalten und machen einfach Spaß.
Das Buch enthält vier Geschichten und eignet sich zum Vorlesen für unerschrockene drei- bis fünfjährige Kinder.

Keine Schwester Kaninchen ist wie kleine Kinder manchmal so sind: verspielt, neugierig, abenteuerlustig, aufgeweckt, pfiffig, willensstark, manchmal ein bisschen ängstlich und oft ganz schön mutig. Eine Figur, in die sich die Zuhörer sicherlich gut hineinversetzen können. Wie Kleine Schwester Kaninchen in bestimmten Situationen reagiert, ist recht erfrischend und sympathisch.

Manchmal geraten Kinder sehr zum Leidwesen ihrer Eltern in nicht ganz ungefährliche, ungewohnte Situationen. Kleine Schwester Kaninchen zeigt, dass es dabei häufig ganz genau richtig ist, intuitiv zu reagieren. Oft können Kinder viel mehr als man ihnen zutraut, auch wenn das mitunter in Vergessenheit gerät. Und manchmal, wenn man alleine nicht weiterkommt, ist jemand anderes da, der einem hilft, z.B. ein toller großer Bruder. Und vielleicht ist es ganz gut, dass Eltern nicht alles wissen, auch wenn sie das immer gerne täten. Es erspart ihnen auf alle Fälle ein paar Sorgen, wenn sie eben nicht genau mitbekommen, was der Nachwuchs so treibt.
Die letzte Geschichte „Kleine Schwester Kaninchen und alle ihre Freunde“ zeigt auf wunderbare Weise, wie unterschiedlich Kinder und wie vielfältig Bücher sind. Ein Buch kann man immer zusammen lesen, auch wenn nicht jeder Leser an der gleichen Stelle lachen muss. Bücher verbinden.
Meinem dreijähriger Sohn musste ich die vier Geschichten schon mehrmals vorlesen und er hat immer wieder besonders motiviert und aufmerksam zugehört.
„Meine kleine Schwester Kaninchen“ ist eine gelungene Sammlung erfrischender, witziger, mutmachender Geschichten, die zurecht zum 75. Jubiläum des renommierten Oetinger-Verlags neu aufgelegt wurde. Dass es manchmal etwas beängstigend zugeht und zum Beispiel ein Fuchs auftaucht, gehört zu einer richtig guten, spannenden Geschichte einfach dazu. Ganz ohne Gefahren und Herausforderungen wäre das Leben ja irgendwie auch langweilig.

Bewertung vom 23.06.2021
Das Karlgeheimnis
Wilke, Jutta

Das Karlgeheimnis


ausgezeichnet

Familien-, Freundschaftsgeschichte und Krimi in einem - mitreißend und überraschend

Emil ist Krimi-Autor, zumindest schreibt er gerade an einem Krimi, der aber noch nicht so richtig weit fortgeschritten ist. Wie passend, dass er mit Finja eine echte Detektivin kennenlernt. Aber statt sich auf sein Buch zu konzentrieren, muss Emil Ordnung in sein wirkliches Leben bringen: Mama ist immer erschöpft und vermisst Papa, sie braucht dringend Geld für unbezahlte Rechnungen und jetzt möchte Emils Lehrerin, die fiese Bertram, auch noch 200 Euro für die Klassenfahrt einsammeln. Und nicht genug damit: Sie nimmt Emil sein wichtiges, unersetzliches Notizbuch weg. Zum Glück hat Emil in Kioskbesitzer Karl einen verständigen Freund. Doch eines Tages ist der plötzlich spurlos verschwunden. Allerhöchste Zeit für die Detektivin, ihr Können unter Beweis zu stellen.

Autorin Jutta Wilke schreibt gut verständlich, klar und kindgemäß in Ich-Form aus Emils Sicht im Präsens. Fast jedem Kapitel ist der Steckbrief einer mitwirkenden Person vorangestellt. Diese witzigen Steckbriefe sorgen für Abwechslung und lockern auf.
Ulf Ks. Illustrationen habe etwas ganz Eigenes: schwarz-weiß und mit größeren gepunkteten Flächen, ein bisschen „retro“, recht simpel, kantig und großflächig, aber sehr interessant anzuschauen und beeindruckend ausdrucksstark. Sehr gelungen auch die allererste Doppelseite, in grau-weiß sind hier fast alle Mitwirkenden und der Kiosk zu sehen.
Die doch recht umfangreiche Geschichte eignet sich für geübte Leser ab neun Jahren, zum Vorlesen auch schon für jüngere Kinder ab sechs oder sieben Jahren.

Emil ist ein sympathischer, sensibler Junge. Er hat viel Phantasie und weiß ziemlich genau, was richtig und was falsch ist, auch wenn er es wie die meisten Menschen nicht immer schafft, seinen eigenen Grundsätzen treu zu bleiben. Emil ist sehr rücksichtsvoll anderen gegenüber, hilft der alten Frau Janssen beispielsweise mit ihren Einkäufen und sorgt sich immer darum, wie es anderen geht. Weil Emil so nett wirkt, so intensiv und einsichtig fühlt, leidet man als Leser sehr mit ihm und hofft, dass sich all seine Schwierigkeiten auflösen. Emil ist eine liebenswerte Hauptfigur zum Identifizieren und Mitfiebern.
Auch viele andere Charaktere muss man einfach mögen, die aufgeweckte, zupackende Finja, den netten Karl oder die Drei von der Müllabfuhr, die für Emil das Viertel, in dem er noch gar nicht lange wohnt, schon bald zur Heimat machen. Und mit der fiesen Bertram gibt es auch einen ausgewachsen Bösewicht. Jutta Wilkes Figuren sind gelungen, originell, gut gezeichnet und machen Spaß.

Wird Emil aus seiner persönliche Bredouille herausfinden und Mamas Geldproblem lösen? Wo steckt Karl? Und was wollen die mysteriösen Männer an Karls Büdchen?
„Das Karlgeheimnis“ ist eine Familiengeschichte, eine Geschichte über Freundschaft und ein Krimiabenteuer: mitreißend, turbulent, ganz schön spannend und mit einigen unvorhersehbaren Wendungen. Nebenbei wird Verständnis für verschiedene Lebens- und Familiensituationen aufgebaut, die Themen Demenz, Einsamkeit und Armut werden ebenso behandelt. Die Geschichte zeigt, wie schön Zusammenhalt unter Nachbar sein und was er alles bewirken kann.
All meine Mitleser im Alter von fünf bis neun Jahren waren von der unterhaltsamen Geschichte ziemlich gepackt. Für uns ein unerwartetes, absolut lesenswertes Kinderbuchhighlight, eine reichlich gefüllte Wundertütengeschichte für alle, die sich gerne überraschen lassen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 22.06.2021
Sternenwende / Gut Greifenau Bd.6
Caspian, Hanna

Sternenwende / Gut Greifenau Bd.6


ausgezeichnet

Würdiger und stimmiger Abschluss einer rundum gelungenen Familien-Historiensaga

1928 sind die politische Verhältnisse im Deutschen Reich extrem instabil. Die Nationalsozialisten gewinnen immer mehr Einfluss. Auch auf Gut Greifenau geht es alles andere als ruhig zu. Konstantin hofft auf Kredite aus der Osthilfe, denn finanziell steht das Gut nach wie vor nicht gut da. Um Greifenau zu retten, muss er als Gutsherr Entscheidungen treffen und Prioritäten setzen, die in seiner Familie umstritten sind. Konstantins Schwester Katharina hat ihre Ausbildung als Ärztin beendet und könnte sich nun eigentlich mehr auf ihren Beruf konzentrieren, doch dann stellt ein Ereignis ihr Leben komplett auf dem Kopf. Und Alexander versucht nach seinen schweren Verletzungen wieder auf die Füße zu kommen. Bei den Dienstboten reiht sich ebenfalls ein Ereignis ans nächste: Ein ehemaliger Angestellter kehrt nicht allein zurück und bringt Wiebkes Gefühlsleben gehörig durcheinander. Und Albert, der sich langsam von Idas Tod erholt hat, wird Opfer einer Verleumdung.

Autorin Hanna Caspian schreibt wie gewohnt klar, angenehm und sehr flüssig. Abwechselnd erzählt sie aus der Sicht verschiedener Protagonisten. Gutsverwalter Konstantin, seine Schwester Katharina oder sein Bruder der Monarchist Nikolaus bekommen genauso Raum wie die Angestellten der Verwalter Albert Sonntag, Dienstmädchen Wiebke oder Melker Gustav Minkwitz.

Die Stärke der Reihe „Gut Greifenau“ sind die Charaktere. Die sind so vielfältig, so unterschiedlich, stammen aus ganz verschiedenen Teilen der Gesellschaft und sind einem mittlerweile so sehr ans Herz gewachsen, dass es sich beim Lesen fast so anfühlt wie „nach Hause kommen“. Mit den Figuren, sei es der konservative Gutsbesitzer Konstantin, der alles tun würde, um sein Gut zusammenzuhalten, seine sozial engagierte und tatkräftige Frau Rebecca, Verwalter Albert Sonntag, der mit dem Gut mehr verbindet als die anderen Bewohner ahnen oder Dienstmädchen Wiebke, das zu stolz ist, um sein Glück selbst in die Hand zu nehmen, muss man einfach mitfiebern. Hier wird jede Leserin und jeder Leser sicherlich seine persönliche „Herzens-Figur“ finden, deren Schicksal besonders berührt und mit der man sich gut identifizieren kann. Dank der Nähe zu den vielen sympathischen und menschlichen Charakteren mit Ecken und Kanten entwickelte ich einen besonderen emotionalen Bezug zur Handlung. Der „dunkle“ Teil der Familie Auwitz-Aarhayn wie die rücksichtslose Feodora oder Sohn Nikolaus gestalten den Plot mit ihren Intrigen noch raffinierter.

Wenn Geschichte nicht nur aus sachlichen Daten und Fakten besteht, sondern begreiflich, ja „lebendig“ wird, dann ist ein historischer Roman für mich gelungen. „Gut Greifenau“ ist so eine Reihe, in der auch immer die Geschichte eine Hauptrolle einnimmt. Als Leser erfasst man anhand der Figuren, die die Geschichte erleben, was die historischen Entwicklungen eigentlich konkret für die Menschen wirklich bedeuten. Kuno, Sohn von Katharinas Unterstützer Dr. Malchow erklärt: „Ich bin zu arm, um mir eine Gesinnung leisten zu können. Man rennt halt denen hinterher, die einem Brot versprechen“. Mit diesem Satz wird beispielsweise sehr deutlich und einsichtig, wie es in den ärmeren Bevölkerungsschichten zum starken Zulauf der NSDAP kommen konnte.
Autorin Hanna Caspian kennt sich mit Geschichte gut aus, hat gründlich recherchiert, das beweist sie auch im Abschlussband „Sternenwende“. Immer wieder werden in Vergessenheit geratene Aspekte der deutschen Geschichte wie die „Osthilfe“ oder die Rolle des Adels bei Hitlers Machtergreifung thematisiert. Das macht die Reihe, die unbedingt chronologisch gelesen werden sollte, so interessant. „Sternenwende“ ist der würdige Abschluss einer sehr lesenswerten Familiensaga voller Emotionen mit wunderbaren Figuren vor faszinierender historischer Kulisse. Für mich perfekte Unterhaltung.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.