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Lesendes Federvieh
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München
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Hinter dem Namen Lesendes Federvieh verbirgt sich das Blogger-Duo kathiduck und Zwerghuhn. Wir lesen querbeet alles, was uns zwischen die Finger kommt und veröffentlichen die Rezensionen dazu auf unserem Blog (lesendes-federvieh.de). Dort gibt es übrigens noch viele weitere Beiträge rund ums Thema Buch. :)

Bewertungen

Insgesamt 539 Bewertungen
Bewertung vom 16.06.2019
Alles still auf einmal
Navin, Rhiannon

Alles still auf einmal


ausgezeichnet

Zach versteckt sich mit seinen Klassenkameraden und der Lehrerin im Wandschrank, wo es heiß, stickig und eng ist. Draußen sind zahlreiche Schüsse zu hören und Zach ahnt, dass diese PLOP-Geräusche nichts Gutes zu bedeuten haben. Als er schließlich von der Polizei gerettet wird, ist nichts mehr wie es vorher war, denn Zachs Bruder Andy hat den Amoklauf nicht überlebt. Jedes Familienmitglied versucht mit der Trauer anders umzugehen und doch droht sie an diesem schrecklichen Verlust zunehmend zu zerbrechen. Der kleine Zach ist es schließlich, der wieder Hoffnung in die Leben der Menschen bringt, die er liebt.

"Alles still auf einmal" gehört zweifelsohne zu den Büchern, die mich dieses Jahr am meisten berührt haben, und wird auch darüber hinaus einen Platz im Regal meiner absoluten Lieblingsbücher finden. Es bedurfte nur weniger Worte dieses einfühlsamen Schreibstils, der gerade wegen der besonderen Erzählperspektive unter die Haut und mitten ins Herz geht, und schon hat mich die eindringliche, aufwühlende Geschichte in ihren Bann gezogen. Erzählt wird sie aus der Sicht des sechsjährigen Zach, der den Amoklauf im Wandschrank des Klassenzimmers hautnah miterlebt und bei dem schrecklichen Unglück nicht nur seinen älteren Bruder Andy, sondern auch ein stückweit seine kindliche Unbeschwertheit verliert. Auf einmal sieht er sich mit einem Strudel an unterschiedlichen für ihn teils unerklärlichen Gefühlen konfrontiert und muss auf schmerzhafte Art und Weise lernen was Verlust, Zurückweisung und Einsamkeit bedeuten. Während der Vater sich in seine Arbeit flüchtet, um den andauernden lautstarken Auseinandersetzungen mit seiner Frau zu entgehen, die nach ihrem Zusammenbruch nur noch darauf fixiert ist die Eltern des Amokschützen für dessen Taten zur Rechenschaft zu ziehen, zieht Zach sich in sein Geheimversteck in Andys Schrank zurück. Es ist der Ort, an dem er sich seinem Bruder Andy, der ihn zeitlebens häufig schlecht behandelt hat, am nächsten fühlt, wo er ihm sagen kann, was er wirklich über die durchwegs positiven Worte auf der Beerdigung denkt, wo er ihm seine Lieblingsbuchreihe vorliest und wo er zunehmend realisiert, dass sich unter Andys Wutausbrüchen etwas ganz anders verbarg. Gerade durch Zachs scharfe Beobachtungsgabe, die Wahrnehmung der leisester Stimmungsschwankungen seines Gegenübers, sein Herz aus Gold und seine kindlich ungefilterte Sichtweise auf die Ereignisse ist die Geschichte schmerzhaft traurig und aufwühlend. Denn als außenstehender Betrachter ist man frustrierend machtlos und kann nichts gegen die Ohnmacht des Vaters oder den Wahnsinn der Mutter unternehmen, die zunehmend für das Auseinanderbrechen der Familie sorgen und über ihre Trauer vollkommen vergessen, wie sehr ihr sechsjähriger Sohn seine Eltern braucht, denn auch er hat seinen Bruder verloren.

"Alles still auf einmal" erzählt die unglaublich aufwühlende und noch lange nachhallende Geschichte einer Familie, die nach dem schrecklichen Todes ihres ältesten Sohns bei einem Amoklauf versucht mit der Trauer umzugehen und mit ihrem Leben weiterzumachen. Gerade durch den Verzicht auf unnötig brutale Szenen und das Fokussieren auf die Gefühle und Gedanken des sechsjährigen Zach gewinnt diese Erzählung an ergreifender Eindringlichkeit und unnachahmlicher Intensität - eines meiner absoluten Lesehighlights 2019.

Bewertung vom 15.06.2019
Up all night Bd.1
Dawson, April

Up all night Bd.1


gut

Taylor Jensen verliert an ein und demselben Tag ihren Traumjob, kann gerade noch dabei zusehen wie sich zwei Diebe mit ihrem heißgeliebten Auto davonmachen und erwischt ihren langjährigen Freund inflagranti mit der Nachbarin. Völlig verzweifelt stürmt sie aus der ehemals gemeinsamen Wohnung uns läuft dabei Daniel Grant, ihrem besten Freund aus Schultagen, in die Arme, der ihr ein eben freigewordenes Zimmer in seiner WG anbietet. Eigentlich hat sie von Männern nun gestrichen die Nase voll, aber als Dan ihr versichert, er stehe auf Männer, nimmt sie das Angebot dankbar an. Doch sie hat nicht mit der Anziehung gerechnet, die sie auf einmal in der Nähe ihres durchtrainierten scheinbar herzensguten besten Freund empfindet.

Wie gefühlt alle aktuell erscheinenden Bücher des LYX-Verlages hat auch dieses hier wieder ein unglaublich schönes Cover, was mit der Grund war, dass ich es unbedingt lesen wollte. Allerdings konnte mich "Up All Night" nicht so begeistern, wie ich es mir erhofft hatte. Bereits zu Beginn der Geschichte waren es mir ein paar Zufälle zu viel. Denn zu einer Kündigung, einem gestohlenen Auto und dem Fremdgeherwischen ihres langjährigen Freundes, der ein aufgehendes Sternchen am Musikhimmel ist, sodass ganz Social-Media die Trennung mitbekommt, gesellt sich das Aufeinandertreffen mit ihrem ehemals besten Freund Daniel aus der Highschool. Der hat sich nicht nur zu einem unverschämt gutaussehenden Muskelpaket entwickelt, sondern auch noch ein Zimmer in der WG frei. Noch dazu versichert er Taylor er sei schwul, von ihm habe sie also nichts zu befürchten. Was das angeht, finde ich den Klappentext etwas unglücklich gewählt, denn Dan ist keineswegs homosexuell, er hat von dieser kleinen Notlüge Gebrauch gemacht, damit die unglückliche Taylor ein Dach über dem Kopf hat und er uneigennützigerweise seine Traumfrau seit Kindheitstagen in seiner Nähe weiß. Selbstredend sieht er mittlerweile unverschämt gut aus, hat beinahe schon den Körper eines Bodybuilders, was eingehend beschrieben wird, sodass in Taylor Gefühle aufkeimen, die sie zuvor nicht für ihren besten Freund empfunden hat. Er selbst liebt sie seit Kindheitstagen mit einer Intensität, die während den zehn Jahren Funkstille nicht abgebbt ist. Somit ist eigentlich schon auf den ersten Seiten klar, dass die beiden füreinander bestimmt sind und zusammengehören, doch war es zu Schulzeiten die Friendzone, so steht nun Dans angebliche Homosexualität einer Beziehung im Wege. Ab einem gewissen Punkt kann somit auch der angenehm leichte und amüsant zu lesende Schreibstil nicht mehr darüber hinwegtäuschen, dass die Geschichte durch das ewige Hin und Her zwischen den beiden unnötigerweise in die Länge gezogen wird. Auf einen Schritt vorwärts folgen immer zwei zurück, weil die beiden einfach nicht ehrlich miteinander reden. Deshalb hat mir dabei oftmals die Tiefe gefehlt, die in meinen Augen verloren geht, weil sich alles um Taylor und ihre Gefühle dreht. Von Beginn an ist es Dan, der zurückstecken muss und Taylor dennoch wie ein treudoofer Hund hinterherläuft. Das zeigt sich auch in der Erzählweise, denn der Großteil der Handlung wird aus der Perspektive von Taylor erzählt, wohingegen man Dans Sichtweise nur in vereinzelt eingestreuten Kapiteln kennenlernt. An einer Stelle ist dabei meiner Meinung nach ein kleines Malheur passiert, denn inmitten eines Absatzes von Kapitel 22 springt die Perspektive von Taylor zu Dan und auf der nächsten Seite wieder zurück, was ein wenig verwirrend war.

Trotz einiger Kritikpunke ist "Up All Night" eine durchaus lesenswerte, kurzweilige Lektüre zum Abschalten, die in meinen Augen jedoch eher zu den aktuell schwächeren Romanen im Genre New Adult gehört.

Bewertung vom 15.06.2019
Das Heinrich-Problem
Holenstein, Alexandra

Das Heinrich-Problem


sehr gut

Berti Fischer fällt aus allen Wolken. Ihr Ehemann Heinrich teilt ihr einfach so mit, dass er ausziehen wolle. Doch nach einigen Nachforschungen entdeckt Berti, dass sie nicht die einzige Frau in seinem Leben ist und war. Sie sinnt auf Rache, doch werden ihr die anderen Frauen helfen? Wenn ja, dann hat Heinrich wirklich ein Problem...

"Das Heinrich-Problem" ist ein herrlich, amüsanter Roman, der mich von der ersten bis zur letzten Seite begeistern konnte. Flott und absolut mitreißend geschrieben erlebt man als Leser zusammen mit Berti, was ihr Ehemann doch für ein besonderes Früchtchen ist.

Alexandra Holenstein hat mit der nicht mehr ganz taufrischen Berti eine sympathische Protagonistin geschaffen, der ich am liebsten sofort geholfen hätte, Heinrich in die Schranken zu weisen. Und genau das macht für mich dieses Buch auch so lesenswert, denn es wirkt so authentisch und real - als ob Berti eine gute Freundin wäre.

Herrlich bis ins kleinste Detail mit all ihren Marotten ausgearbeitete Charaktere, allen voran natürlich das Prachtexemplar Heinrich, lassen die Geschichte lebendig werden. Seite um Seite erschließt sich dem Leser nun auf kurzweilige und absolut humorvolle Art und Weise Heinrichs Problem. Ich musste oft schmunzeln, so witzig war das. Auch konnte ich eine gewisse Schadenfreude nicht ganz vermeiden. Diese leichte, aber feine Lektüre zeichnet sich auch durch eine durchdachte und schlüssige Handlung aus, deren Ende alles perfekt abrundet. Nachdem ich das Buch fertiggelesen hatte, war ich fast ein bisschen traurig, dass ich mich aus Zürich und Ascona wieder verabschieden musste, aber vielleicht gibt es ja noch eine Fortsetzung...

Fazit: Wie Schweizer Schokolade - fluffig und süchtigmachend.

Bewertung vom 02.06.2019
Der Wind nimmt uns mit / Farben des Sommers Bd.3
Herzog, Katharina

Der Wind nimmt uns mit / Farben des Sommers Bd.3


sehr gut

Die erfolgreiche Reisebloggerin Maya hat schon fast die ganze Welt gesehen. Auf einem ihrer Reisen lernt sie Tobi kennen, mit dem sie eine kurze, folgenreiche Affäre hat. Als sie bemerkt, dass sie schwanger ist, ist er bereits weitergereist. Sie setzt alle Hebel und Wege in Bewegung, um ihn zu finden. Doch als sie hört, dass er sich ausgerechnet auf La Gomera aufhält, der Insel auf der ihre Adoptivmutter Karoline lebt, muss sie sich zwingen dorthin zu reisen. Vor ein paar Jahren erfuhr sie durch einen Zufall, dass Karoline gar nicht ihre leibliche Mutter ist. Was nun, wenn sie ihr auf der Insel begegnet...

"Der Wind nimmt uns mit" ist ein erfrischender Roman, der es mir leicht machte aus dem Alltag abzutauchen und mit Maya nach La Gomera zu reisen. Flott und locker geschrieben weht die Geschichte durch die Seiten wie ein angenehmer Sommerwind. Durch die ausführlichen Landschafts- und Ortsbeschreibungen hatte ich die Schönheit der Insel bildhaft vor Augen. Was für eine tolle Kulisse für diese fluffige, kurzweilige Geschichte.

Mayas Erlebnisse auf dieser wunderschönen kanarischen Insel sind witzig, emotional und absolut lebendig geschrieben. Dazu authentisch skizzierte Charaktere, zum Teil herrlich schräge Typen, so wie man sich Aussteiger eben so vorstellt. Liebenswert und zugleich etwas schrullig.
Sehr schön fand ich auch wie Katharina Herzog das Rätsel um die tatsächlichen Eltern Mayas auflöste. Immer wieder springt sie zwischen Maya im heute und Karoline in der Vergangenheit hin und her, bis sich am Ende der Knoten auflöst. Das gibt der Handlung einen gewissen Kick, denn man will ja immer gleich wissen, wie es weitergeht.

Mir hat dieser Feel-Good-Roman sehr gut gefallen, es ist genau die richtige Lektüre für zwischendurch und um einfach die Seele baumeln zu lassen. Am liebsten hätte ich gleich eine Reise nach La Gomera gebucht...

Fazit: Flotter, kurzweiliger Trip nach La Gomera

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.06.2019
Westwall
Gollhardt, Benedikt

Westwall


sehr gut

Julia beginnt eine Ausbildung zur Polizistin. Eines Tages lernt sie den attraktiven Nick kennen. Nach ihrer ersten gemeinsamen Nacht entdeckt sie fassungslos, dass er ein Hakenkreuz-Tatoo auf dem Rücken trägt. Sofort sucht sie nach seinem Ausweis und sieht schwarz auf weiß, was sie schon vermutet hatte, er hat ihr auch noch einen falschen Namen genannt. Sie versucht herauszufinden, warum er das tat. Durch ihre Recherchen gerät sie immer tiefer in ein Geheimnis, das auch ihre eigene Vergangenheit betrifft.

Mit "Westwall" ist Benedikt Gollhardt ein spannender, sehr lesenswerter Thriller gelungen, der aktueller nicht sein könnte. Das Buch beginnt zunächst - abgesehen vom Prolog - relativ ruhig. Man begleitet zunächst Julia bei ihrer Polizeiausbildung und ihren Besuchen bei Wolfgang, ihrem pflegebedürftigen Vater. Doch Seite um Seite nimmt die Geschichte an Fahrt auf. Immer mehr unvorhersehbare Wendungen führen den Leser auf falsche Fährten und lassen die Spannung unaufhaltsam ansteigen. Die gut recherchierten Fakten über den Westwall, einen alten Verteidigungswall aus dem Zweiten Weltkrieg, bilden die ideale Atmosphäre und Kulisse für diesen mitreißenden Thriller. Die Charaktere sind sehr gut und echt ausgearbeitet, ihre Entwicklung und Verstrickungen ins braune Milieu wirken absolut authentisch. Interessant sind dabei auch die Einblicke in den Verfassungsschutz, die Ermittlungsbehörden und in die rechte Szene. Die Handlung ist logisch aufgebaut, plausibel und faszinierend bis zum Schluss. Auch die Informationen und Erläuterungen zum Thema Westwall im Anhang finde ich sehr interessant, sie runden das Buch perfekt ab.

Fazit: Ein anspruchsvolles, sehr gut recherchiertes Thrillerdebüt

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.06.2019
Briefe an Obama
Laskas, Jeanne Marie

Briefe an Obama


sehr gut

"Briefe an Obama" behandelt nun den Aspekt, der mich schon in Michelles Biografie sehr neugierig gemacht hat: Die Briefe, die Barack Obama während seiner Amtszeit jeden Abend gelesen hat, um den Stimmen des Volkes Beachtung zu schenken. Dieses Buch enthält eine nach Jahren und Zeiträumen gestaffelte Briefauswahl, die auf eindrückliche Art und Weise die Lage einer Nation im Wandel widerspiegelt, denn die Briefe sind vielfältig wie die Bevölkerung Amerikas. Es finden sich wortgewaltige, berührende, wütende, Poesie versprühende, witzige, intelligente, ängstliche, mutige, dankbare und erschütternde Briefe, die in ihrer inhaltlichen wie sprachlichen Diversität eins gemeinsam haben: Hinter jedem Brief steht ein Mensch, der von etwas schreibt, das ihn bewegt, das ihm wichtig ist und das er für wichtig erachtet es seinen Präsidenten wissen zu lassen. Indem Barack Obama sich täglich Zeit für zehn ausgewählte Briefe nimmt, verschafft er den Stimmen seiner Bevölkerung Gehör und mehr als einmal gaben diese einen emotionalen Anstoß für politische Entscheidungen, was eindrücklich zeigt, dass auch ein einzelner Mensch inmitten von Millionen etwas bewirken kann wenn er seine Stimme erhebt und für seine Werte, Hoffnungen und Träume einsteht. Zwischendurch sind die Briefauswahlen gespickt mit interessanten Hintergründen, wie etwa zur Entstehung des Briefsystems, den Mitarbeitern in der Korrespondenzabteilung und der geheimen Superkraft, die das "Team Kleine Leute" innehatte oder gar persönlichen Gesprächen mit Briefschreibern, sodass man eine kleine willkommene Verschnaufpause von den teils sehr intensiven Geschichten bekommt und zugleich einen Einblick in den Obama-Mythos bekommt. In der eigens für die Briefe eingerichteten Korrespondenzabteilung waren 50 fest angestellte, 36 Praktikanten und 300 in wechselnden Schichten arbeitende Freiwillige dafür zuständig die Flut von täglich etwa 10.000 eintreffenden Briefen zu bewältigen, sodass jeder Praktikant mindestens 300 Schreiben am Tag lesen und diese thematisch codieren musste, um die Antworten entsprechend anzupassen. Manchmal hätte ich mir jedoch gewünscht, dass man thematisch mehr auf den Inhalt der einzelnen Briefe eingeht, was durch die Gespräche mit den Briefschreibern nur ansatzweise anklang. Obwohl der Patriotismus in diesem Ausmaße uns in Deutschland fremd vorkommen mag, beginnt man mit jedem Brief mehr das starke Nationalitätsgefühl der Amerikaner und ihren Glauben an ihren Präsidenten zu verstehen, die im Wahlkampf für einen vollkommen fremden Menschen Klinkenputzen gehen, weil sie an diese Person und deren Vision glauben, was ich absurd wie beeindruckend zugleich finde. Barack Obama ist eine großartige Persönlichkeit und kämpfte mit unerschüttlichem Einsatz dafür Amerika in vielerlei Hinsicht offener zu gestalten, die Meinungen anderer zu respektieren und für ein breiteres Verständnis füreinander zu sorgen. Umso schmerzhafter war es die letzten Kapitel des Buches zu lesen, die sich unaufhaltsam dem Wahlsieg Donald Trumps nähern und aufzeigen, welchen Verlust Amerika mit dieser Wahlentscheidung tatsächlich erleidet. Auch heute erreichen den ehemaligen Präsidenten noch 5.000 Briefe wöchentlich, denn genau seine natürliche Liebenswürdigkeit und Nahbarkeit, machen ihn zu der Vertrauensperson, an die sich die Menschen Amerikas immer noch in ihren dunkelsten Stunden mit ihren Sorgen und Hilferufen wenden, weil sie wissen, dass sie von ihm gehört werden und ihre Meinungen wichtig sind.

Dieses Buch ist ein eindringliches, bewegendes und aufrüttelndes Portrait einer Nation in der Zeit großen Wandels, das die Stimmen der Bevölkerung ungefiltert widergibt und so einen Einblick in die tatsächlichen Errungenschaften der Präsidentschaft Barack Obamas gibt. Es ist ein gelungener Versuch Obama und seine täglichen zehn Briefe zu entmystifizieren, wobei man einen tiefen Einblick in die Maschinerie der Korrespondenzabteilung, den Menschen dahinter und ein wichtiges Stück Zeitgeschichte.

Bewertung vom 31.05.2019
Sunny / Läufer-Reihe Bd.3
Reynolds, Jason

Sunny / Läufer-Reihe Bd.3


sehr gut

Sunny ist mit Abstand der Schnellste auf der 1600-Meter-Strecke und gewinnt angespornt von seinem Vater somit jedes einzelne Rennen. Er soll den unerfüllten Traum seiner Mutter leben, die bei seiner Geburt verstorben ist und einmal in ihrem Leben als Erste bei einem Marathon über die Ziellinie laufen wollte. Doch Sunny hasst das Laufen, stattdessen möchte er dem Rhythmus seines Körpers folgen und zum Sound der Welt tanzen. An seinem großen Wettkampftag muss er sich entscheiden: Will er weiterhin dem Wunsch seines scheinbar bestimmenden Vaters folgen oder endlich seinen Traum leben?

Nachdem mich der erste Band der Läufer-Reihe, "Ghost - Jede Menge Leben", mit seiner poetischen Sprachgewalt wie ein Tornado überrumpelt hat und in bewunderndem Staunen zurückgelassen hat, habe ich mich unglaublich auf die weiteren Teile gefreut, die alleine wegen ihrer schönen Bucheinbände wahre Schmuckstücke für das Bücherregal sind. "Sunny - Der Sound der Welt" hält genau das, was der Titel bereits verspricht: In Tagebucheinträgen erzählt Sunny sehr anschaulich, vor allem akustisch, von seinem Blickwinkel auf die Welt und wie er diese in all ihren vielfältigen Geräuschen wahrnimmt. Als begnadeter 1600-Meter-Läufer, der bei jedem Lauf die Ziellinie als Erster überquert ist er Teil des unter anderem aus Ghost, Patina und Lu bestehenden Laufteams, das wie eine zweite Familie für ihn ist. Doch das Laufen an sich hasst er und nimmt das Training und die Wettkämpfe nur auf sich, weil sein Vater das Laufen und das Gewinnen von ihm verlangt, damit er den Traum seiner verstorbenen Mutter lebt, die einen Marathon nicht nur laufen, sondern gewinnen wollte. Aber ist es richtig, dass ein Vater blind vor Trauer den Weg seines Sohnes bestimmt, nur damit der Verlust seiner großen Liebe auch nach all den mittlerweile verstrichenen Jahren weniger schmerzhaft ist? Sunny ist keine zwölf Jahre alt und sieht sich mit der schwierigen Herausforderung konfrontiert weiterhin den Wunsch seines Vaters zu erfüllen oder auf sein Herz und seinen inneren Rhythmus zu hören, der ihn dazu drängt zu tanzen. Auf einfühlsame, direkte und eindringliche Art und Weise bekommt man einen Eindruck der tosenden Gedanken, die wie ein Wirbelsturm durch Sunnys Kopf wirbeln. Dabei steht seine kindlich naiv wirkende lautmalerische Schreibweise oftmals in starkem Kontrast zu seinem Weitblick, die fast schon an Weisheit grenzt, und seiner Offenherzigkeit anderen Menschen gegenüber. Gemeinsam mit seiner etwas unkonventionellen Hauslehrerin, die selbst eine berührende Geschichte mit Sunnys Familie verknüpft, besucht er regelmäßig das örtliche Krankenhaus, wo er krebskranken Menschen mit seinem Sound und seinen Tanzmoves ein Lächeln aufs Gesicht zaubert und sie ihren Schmerz und ihre Sorgen für eine gewisse Zeit vergessen lässt. Und dabei ein Stück zu sich selbst und seinen Träumen findet.

In Gestalt der jungen Charaktere verbirgt sich in dieser Geschichte eine unglaubliche Tiefe, die von Zwängen und inneren Konflikten, der Macht von Freundschaft sowie von Hoffnung erzählt und ist somit nicht nur für junge Leser geeignet, sondern auch für all diejenigen, die in den Genuss fesselnder, poetischer Literatur kommen wollen.

Bewertung vom 31.05.2019
Blind / Milla Nova ermittelt Bd.1
Brand, Christine

Blind / Milla Nova ermittelt Bd.1


sehr gut

Nathaniel telefonierte gerade noch über eine anonyme App mit einer Frau, die ihm dabei helfen sollte das richtige Hemd zu wählen, als er einen Schrei gefolgt von einem dumpfen Aufprall vernimmt, worauf die Verbindung abbricht. Nathaniel ist blind und gerade deshalb sind seine anderen Sinne geschärft, weshalb ihm sofort klar ist, dass das kein normaler Schrei war. Er ist sich sicher, dass der Frau am anderen Ende der Leitung etwas zugestoßen ist. Doch bei der Polizei schenkt man ihm aufgrund fehlender Beweise zunächst keinen Glauben, zumal er selbst eine tragische Familiengeschichte vorzuweisen hat. Gemeinsam mit einer Freundin, der gewieften Journalistin Milla, und seinem Blindenhund Alisha macht er sich selbst auf die Suche nach der Wahrheit, wobei er nicht ahnt, dass er für die fremde Frau die einzige Chance oder ihr Todesurteil sein könnte.

Bereits als ich den Klappentext das erste Mal gelesen habe, wusste ich, dass ich dieses Buch unbedingt lesen möchte, da ich die Idee eines Blinden als einziger Zeuge eines womöglichen Verbrechens genial finde. "Blind" ist jedoch nicht nur inhaltlich, sondern auch optisch und haptisch ansprechend, denn neben dem beinahe schon hypnotisierend weiß strahlenden Schriftzug auf dunklem Grund finden sich einige aufgeraute Stellen auf dem Buchcover, die das Buch ungleich ansprechender erscheinen beziehungsweise erfühlen lässt. Von ungezügelter Neugier angetrieben habe ich mich auf die Geschichte gestürzt und diese innerhalb weniger Stunden verschlungen. Gebannt war ich von dem männlichen Protagonisten Nathaniel, der trotz seines Handicaps nicht davor zurückschreckt sich auf der Suche nach der Wahrheit für das Leben einer vollkommen fremden Frau in Gefahr zu bringen. Sein einziger Anhaltspunkt ist ein Schrei, gefolgt von einem dumpfen Aufprall und dennoch ist er felsenfest davon überzeugt, dass dieser ihm unbekannten Person etwas zugestoßen sein muss. Durch seine Blindheit ist er in vielerlei Hinsicht eingeschränkt, was ihn zu unkonventionelleren Ermittlungsmethoden führt, was als Leser natürlich neu und spannend zu verfolgen ist. Gleichzeitig lässt sich die nagende Frage im Hinterkopf nicht ausschalten, ob Nathaniel sich nicht in etwas verrennt, denn alles was er an Beweisen zu haben glaubt sind Geräusche am Telefon. Unterstützung bekommt Nathaniel dabei von der Journalistin Milla, die mir in ihrer Hartnäckigkeit und ihrem Bestreben Ungerechtigkeit aufzudecken und der Öffentlichkeit mitzuteilen sofort sympathisch war, wenngleich sie es als Freundin des leitenden Ermittlers für das Dezernat Leib und Leben nicht einfach hat, da ihre beider gegensätzlicher Berufsleben Auswirkungen auf die Harmonie ihres Privatlebens haben. In dieser Geschichte sind interessanterweise drei Kriminalfälle vielfältiger Themengebiete miteinander verwoben, was für allerhand falsche Fährten, Nervenkitzel und natürlich jede Menge Erzählperspektivenwechselinduzierte Spannung sorgt, wenngleich mir ein Zusammenhang ein Hauch zu viel war.

Diesem fesselnden Kriminalroman liegt eine grandiose Ausgangsidee zugrunde, die nahezu bis zur Perfektion ausgearbeitet wurde und neben allerhand klassischer Zutaten wie beispielsweise jeder Menge Nervenkitzel durch den regelmäßigen Wechsel der Erzählperspektiven mit einem außergewöhnlichen Protagonisten beeindruckt, der auf unkonventionelle Art und Weise eigenmächtig zu ermitteln beginnt.

Bewertung vom 31.05.2019
Alles, was passiert ist
Daley-Ward, Yrsa

Alles, was passiert ist


sehr gut

Yrsa Daley-Ward erzählt ihre eigene Geschichte von ihrer Kindheit bis heute. Alles. Das Gute und das Schlechte...

Sie erzählt wirklich alles, was passiert ist und zwar ehrlich, schonungslos, lebendig und auf den Punkt gebracht. Mit einer klaren, fast poetischen Sprache und einem einzigartigen Erzählstil. Durch kurze, knackige Texte, die teils in Versform, teils in Dialogen verfasst sind, verleiht sie ihrer Geschichte eine unglaubliche Kraft. Gerade die Erlebnisse in der Kindheit, die sie und ihr kleiner Bruder Roo bei ihren strengen und gottesfürchtigen Großeltern verbringen, sind berührend und gleichzeitig schwer verdaulich. Aber auch der weitere Lebensweg der beiden hat es in sich. Mitreißend, interessant, emotional und spannend berichtet Yrsa Daley-Ward wie sie etwa mit dem Erwachsenwerden klarkommt, mit den kleinen, bunten Pillen umgeht und ihr Leben insgesamt meistert. Doch nicht nur ihre Erfahrungen sind toll zu lesen, sondern auch wie sie sie schreibt. Ich habe mich von Seite zu Seite richtig gefreut, auf welche Weise sie dies tut. Kommen ein kleines Gedicht, ein Fließtext oder ein paar Zeilen pro Seite? Diese Art des Schreiben finde ich faszinierend und modern. Ich freue mich schon auf das nächste Buch dieser talentierten Autorin.

Bewertung vom 30.05.2019
Als die Tage ihr Licht verloren
Hayek, Stephanie von

Als die Tage ihr Licht verloren


sehr gut

Berlin, Ende der 1930iger Jahre. Die Schwestern Linda und Gitte genießen ihre Jugend. Doch dann ziehen dunkle Wolken auf, der Zweite Weltkrieg macht auch vor den beiden nicht halt. Als Lindas Ehemann Erich vermisst wird, verfällt sie in eine tiefe Depression und wird in eine Heilanstalt eingewiesen. Das gleicht fast einem Todesurteil...

Stephanie von Heyek ist mit ihrem Roman "Als die Tage ihr Licht verloren" ein starkes Debüt gelungen, das ich nicht mehr aus der Hand legen wollte. Hervorragend recherchiert nimmt sie den Leser mit ins Nazideutschland in den Jahren 1932 bis 1940. Perfekt finde ich den Einstieg ins Buch mit dem Abdruck eines Schreibens an Bereichsleiter Bouler und Dr. med Brandt, denn gleich von Beginn an nimmt das Grauen den Leser an die Hand und begleitet ihn durch das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte. Fulminant geschrieben zeigt sie auf erschreckend deutliche Weise, wie schnell sich das braune Gedankengut in den Bevölkerungsschichten breit machen konnte. Gerade mit Arnold und seiner Frau Lene hat sie Charaktere geschaffen, die die Heuchelei, das Denunziantentum und das Spießertum perfekt verkörpern. Kleingeistige Menschen, die wie Arnold ihre Chance wittern aufzusteigen und wie Lene dumme nichts hinterfragende Mitläufer sind. Eingebettet in solche Verhaltensweisen behandelt sie das Thema psychische Krankheiten im Dritten Reich mit Fingerspitzengefühl aber dennoch offen und präzise. Die Verknüpfung dieser grauenhaften, unmenschlichen historischen Tatsachen und Fakten mit den fiktiven Hoffmann-Schwestern gibt den Betroffenen ein Gesicht. Je weiter man im Buch vorankommt, desto mehr verlieren die Tage wirklich ihr Licht. Die Autorin schafft eine authentische und erschreckend realitätsnahe Atmosphäre, bei der man glaubt Gitte und Linda über die Schulter zu blicken. Durch ihren angenehmen, unaufdringlichen Schreibstil schildert sie den immer angespannter werdenden Alltag dieser beiden Schwestern und ihrer Familie auf eindrucksvolle Weise.

Fazit: Durch dieses Debüt haben die Tage an Licht gewonnen.