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anette1809 - katzemitbuch.de
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Bewertungen

Insgesamt 957 Bewertungen
Bewertung vom 02.10.2016
Für dich soll's tausend Tode regnen
Pfeffer, Anna

Für dich soll's tausend Tode regnen


sehr gut

Emi ist wahrlich nicht der geborene Sonnenschein, ein Umzug wider Willen von Heidelberg nach Hamburg tut sein Übriges, dass sie ausgiebig ihrem ungewöhnlichen Hobby nachgeht: in Gedanken verpasst sie ihrem Gegenüber einen ungewöhnlichen Tod. Mit dieser Eigenart hat sie angefangen, seit ihre frühere Nachbarin auf kuriose Art und Weise aus dem Leben geschieden ist und sammelt seitdem ungewöhnliche Todesanzeigen und -nachrichten in einem schwarzen Buch. Passend dazu ist auch "Für dich soll's tausend Tode regnen" von Cover und Buchschnitt ganz in schwarz gehalten und lockt mit seinem schrägen Cover das jugendliche Lesepublikum an.
Ihr Vater hat den Tod verdient für den Wohnortwechsel und seine neue Freundin, ihr Bruder sowieso für seine sonnige Art, die ganz im Gegensatz zu Emis steht, die meisten Mitschüler am besten gleich mit, und gar nicht genug Tode ausdenken kann sie sich für den ebenfalls nicht vor Sympathie strotzenden Erik, mit dem sie gemeinsam über mehrere Wochen eine Strafarbeit absitzen muss: Graffitis schrubben, an jedem verdammten Wochenende... Man kann sich denken, dass darauf weder Emi noch Erik Lust haben, zumal keiner von beiden scharf darauf ist außerhalb der Schule noch Zeit mit dem anderen zu verbringen. So brüten sie eine verrückte Challenge aus, bei der jeder dem anderen verrückte bis fiese Aufgaben stellen muss. Derjenige, der zuerst an der Challenge scheitert, muss den Strafdienst alleine weiter leisten...

Das Duo Anna Pfeffer - aka Uli und Carmen, die auch unter ihrem Pseudonym Rose Snow bekannt sind - legt mit diesem Buch sein Debüt als Jugendbuchautorinnen vor und trifft - haha, Wortspiel - voll ins Schwarze! Jeder Jugendliche wird sich in Emi hineinversetzen können, wie schwierig ein Umzug über die Entfernung Heidelberg-Hamburg ist mit dem damit verbundenen Schulwechsel und dem Zurücklassen der alten Freunde. Zudem trifft sie in der neuen Schule neben dem zu Anfang sehr unsympathischen Erik auf eine schreckliche Zicke, die die ganze Klasse im Griff hat und natürlich alles dafür tut Emi den Start dort schwerer als ohnehin schon zu machen. Unterstützung bekommt sie nur von der Quasselstrippe Toni, die einem zwar ordentlich auf die Nerven gehen kann, ansonsten aber eine sehr liebe und treue Freundin wird im Laufe der Zeit.
Die Eigenart sich ungewöhnliche Todesarten für seine Mitmenschen auszudenken ist wunderbar schwarzhumorig und erfrischend, das Thema wirkt auf mich völlig unverbraucht, auch wenn die agierenden Personen teilweise die gängigen Klischees bedienen.
Von Anfang an kommt man leicht in die Geschichte rein, dank des lebendigen Schreibstils der beiden Autorinnen und den authentischen Protagonisten. Zumeist ist der Plot lustig, aber auch ernste Themen finden ihren Platz. Gegen Ende hätten für meinen Geschmack manche Dinge noch ausführlicher erzählt werden können, bis zur Hälfte der Geschichte hatten die Figuren und ihr Handeln mehr Platz sich zu entwickeln.

"Für dich soll's tausend Tode regnen" ist ein skurriles Jugendbuch, dass mit seinen authentischen Protagonisten und dem verrückten Thema, sowie der außergewöhnlichen Gestaltung, voll ins Schwarze trifft!

Bewertung vom 02.10.2016
Mädchen mit Geheimnissen
Howell, Simmone

Mädchen mit Geheimnissen


sehr gut

"Mädchen mit Geheimnissen" spielt in dem australischen Küstenstädchen St. Kilda. Sky lebt dort mit ihrem Bruder Gully und ihrem Vater, der in dem Ort einen altmodisch geführten Plattenladen inne hat. Die Mutter hat die Familie vor Jahren verlassen, der Vater hat Alkoholprobleme und ihr kleiner Bruder nimmt als "Special Agent Gully" die Kundschaft unter die Lupe. Bei den spielerischen Erkundungen ihres Bruders stößt Sky auf die Plakate eines Mädchens und stellt Nachforschungen darüber an, wer die Plakate aufgehängt und was es mit diesem Mädchen auf sich hat. In den australischen Sommer schleicht sich ein geheimnisvolles Rätsel ein, welches Sky mit Hilfe ihrer Freundin Nancy und dem neuen Plattenverkäufer Luke, der sich als Bruder des Plakatmädchens entpuppt, zu lösen versucht.

In erster Linie erzählt "Mädchen mit Geheimnissen" eine interessante Familiengeschichte, die verschiedene Probleme behandelt. Der Vater ist mit seinem Plattenladen in der Vergangenheit verankert, Gully kompensiert den Verlust der Mutter nur schwer, und zwischendrin steckt Sky - ein Mädchen an der Schwelle zum Erwachsenwerden, mit mehr Verantwortung gegenüber ihrer Familie als es für ihr Alter allgemein üblich ist. Spannend wird es im Verlauf der Handlung durch das Geheimnis um das plakatierte Mädchen und die Verbindung, die dieses zu verschiedenen Protagonisten der Geschichte hat.
Leider ist mir der Zugang zu einigen Figuren aus "Mädchen mit Geheimnissen" verwehrt geblieben, so dass ich den Roman zwar interessant zu lesen fand, insbesondere hinsichtlich der Auflösung um das verschwundene Mädchen auf den Plakaten, aber die Familiengeschichte fand ich nicht so packend oder interessant, wie sie es verdient hätte, da ich außer mit Sky, ihrer Freundin Quinn und Luke eher wenig mit den Protagonisten anfangen konnten.

"Mädchen mit Geheimnissen" beinhaltet eine ungewöhnliche Familiengeschichte gespickt mit einigen spannenden Komponenten, allerdings waren für mich einige Figuren recht spröde und schwer zugänglich, so dass mir der Inhalt und die Entwicklung des Plots zwar zugesagt haben, aber insgesamt wird mir das Buch wohl nicht allzu lange in Erinnerung bleiben.

Bewertung vom 02.10.2016
Knoblauch
Linford, Jenny

Knoblauch


ausgezeichnet

Als großer Liebhaber der kleinen gehaltvollen Knolle, fand ich ein Kochbuch, welches sich ausschließlich mit Knoblauchrezepten beschäftigt, natürlich äußerst reizvoll. Zudem habe ich mir gewünscht ein paar Grundlagenrezepte zur Haltbarkeitmachung der Knolle zu finden, wobei mir dieser Wunsch leider nur zum Teil erfüllt wurde:
Beim Exkurs über Zubereitung und Lagerung hätten Rezepte vom geräucherten und eingelegten Knoblauch sehr gut in das Konzept des Buches gepasst, doch diese fehlen leider, dafür findet man immerhin die Zubereitungsweise von geröstetem Knoblauch, sowie das Rezept für Knoblauchöl und die Information, wie man Knoblauch am besten einfriert.

Inhalt:
Vorwort
Exkurs: Die Formenvielfalt des Knoblauchs
Milder Knoblauch
Exkurs: Zubereitung und Lagerung
Die Sonnenseite des Knoblauch
Exkurs: Knoblauch - gut für die Gesundheit
Soul-Food
Exkurs: Der Knoblauch im Volksglauben
Feuriger Knoblauch
Exkurs: Zu Besuch bei den Knoblauchbauern
Wilder Knoblauch: Bärlauch
Exkurs: Knoblauchanbau
Knoblauch zum Fest
Exkurs: Knoblauchfestivals
Register
Dank

Für mich als "Allesesser" bietet das Kochbuch einen sehr guten Rundumschlag von Suppen, über Dips, bis hin zu Fleisch-, Geflügel und Fischgerichten. Die vegetarischen Gerichte machen in etwa ein Drittel bis die Hälfte aller Rezeptvorschläge aus, wobei darunter auch die Beilagen wie Dips fallen. Die Hauptgerichte beinhalten fast alle Fisch oder Fleisch.
Einige Rezepte sind reine Grundlagenrezepte, easy peasy in der Zubereitung - für versierte Köche wahrscheinlich überflüssig, dass sie aufgeführt werden, dafür umso interessanter für Küchenneulinge: zum Beispiel Hummus, gebackene Knoblauchkartoffeln oder Fettunta (geröstetes Bauernbrot).
Da die Rezeptrubriken nicht nach Vorspeisen, Hauptspeisen, oder vegetarisch, Fleisch, Geflügel unterteilt, sondern nach den verwendeten Knoblauchsorten aufgeführt sind, empfiehlt sich eine Rezeptsuche über das Register.
Die Rezepte sind alle sehr ausführlich mit Zutaten, Zubereitungsfolge und Personenanzahl aufgeführt und beinhalten fast alle ein Foodfoto mit den servierfertigen Essen. Das Buch beinhaltet sowohl Rezepte, für die man nur wenige Zutaten braucht, als auch aufwendigere, für die unter anderem frische Kräuter und mehrere Gewürze benötigt werden.
Für mich die perfekte Mischung zwischen einfach und aufwendig, Beilagen und Hauptgerichten, vegetarischen und fleisch- beziehungsweise fischhaltigen Speisen.

"Knoblauch" war für mich eine lohnenswerte Anschaffung, da ich hier viel Wissenswertes rund um die Knolle dazugelernt habe, auch wenn ich leider ein paar Grundzubereitungsarten vermisst habe. Insgesamt sprechen mich jedoch nahezu alle vorgestellten Rezepte in diesem Buch an, auch die Präsentation und die Gesamtgestaltung sind äußerst gelungen.

Bewertung vom 27.09.2016
Hummel und Honig (eBook, ePUB)
H. Christiansen, Pål

Hummel und Honig (eBook, ePUB)


sehr gut

Bislang kannte ich Christiansen nur durch seine humorvolle und skurrile Kinderbuchreihe "Fjodor". Mit "Hummel und Honig" betritt er ein gänzlich anderes Terrain:
"Hummel und Honig" ist eine sehr fantasievolle, stark methaphorisch belegte Novelle über die Beziehung zwischen Mann und Frau, hier verkörpert von Hummel und Honig: vom ersten Verliebtsein über die Entwicklung im Alltag, dem Nebeneinanderherleben, dem Auseinandergehen in den verschiedenen Interessen und Hobbys und dem wieder Zueinanderfinden in den Gemeinsamkeiten und der erotischen Beziehung.
Auch wenn mir die Methaphorik stellenweise zu viel war, fand ich es andererseits doch sehr schön, dass Pål H. Christiansen gerade in solchen Beschreibungen wie der sexuellen Beziehung zwischen Hummel und Honig nie direkt wurde, sondern originelle und wunderschöne beschreibende Bilder dafür gefunden hat.
Christiansen besitzt einen sehr bildhaften Schreibstil. Neben der im Zentrum stehenden Beziehungsgeschichte spielt auch die Natur eine sehr große Rolle, fast lassen sich Wald und Wind, Meer und Luft spüren. Ganz abgesehen vom Thema lohnt sich die Entdeckung von "Hummel und Honig" auf Grund der Sprach- und Beschreibungsgewalt, die Christiansen inne hat, zumal sich ein kurzes Werk geradezu dafür anbietet, in das Werk eines Autors hineinzuschnuppern. Auch wenn "Hummel und Honig" so gänzlich anders ist, als die literarischen Werke, die ich ansonsten lese, so habe ich die Kurzgeschichte doch allein wegen Christiansen Sprache genossen.

Bewertung vom 25.09.2016
Noah will nach Hause
Guskin, Sharon

Noah will nach Hause


sehr gut

Noah ist der vierjährige Sohn der alleinerziehenden Janie, das Ergebnis einer Urlaubsliebelei in Trinidad. Der Leser wird im ersten Kapitel des Buches Zeuge dieser Episode, bevor es im zweiten Kapitel vier Jahre später im Leben von Noah und Janie weitergeht. Janies Sohn leidet unter Albträumen, in diesen jammert er immer wieder, dass er zu seiner Mama will. Aber genau dort ist er doch, oder etwa nicht? Die verzweifelte Janie sucht nach vielen ergebnislosen Besuchen bei Psychologen den Psychologieprofessor Anderson auf, der das Thema Wiedergeburt erforscht und Noahs Fall gerne übernehmen möchte, nicht zuletzt jedoch aus dem eigennützigen Grund, dass er den Fall für die Publikation seines Fachbuches benötigt, zu dessen Fertigstellung ihm nicht mehr viel Zeit bleibt, da er an einer Form der Demenz erkrankt ist.

"Noah will nach Hause" erzählt einerseits die Geschichte von Janie und ihrem Sohn Noah, der in einem vorherigen Leben Tommy war, nach dessen Familie sie gemeinsam mit dem Psychologieprofessor Anderson suchen, anderseits die Geschichte von Professor Anderson, der sich in der Gegenwart mit seiner Erkrankung auseinandersetzen muss, in Rückblenden erfährt der Leser Details über verschiedene Fälle, die er in der Vergangenheit erforscht hat.
Das Buch ist vor allen Dingen für Leser interessant, die sich für das Thema Wiedergeburt interessieren, Leser, die vorherrschend den spannenden Aspekt dieser Geschichte interessant finden, sehen sich durch die Rückblenden aus Professor Andersons Fällen eher in ihrem Lesefluss gestört.
Ich fand die Auseinandersetzung mit Wiedergeburten sehr interessant, aber in Summe war es mir mit den Rückblenden manchmal zu viel. Die gegenwärtige Geschichte von Janie und Noah liest sich insgesamt viel spannender und hätte nicht zwingend den Bezug zu den anderen Fällen gebraucht.
Der Plot ist spannend, nicht zuletzt wegen dem Irrweg, den Janie und der Professor zu Beginn einschlagen, aber auch wenn feststeht, um wen es sich bei der "alten" Familie von Noah handelt, bleibt die Handlung spannend, denn die Erzählstränge entwickeln sich parallel zueinander und lange Zeit steht nicht fest, wie Tommy damals den Tod fand, um später als Noah wiedergeboren zu werden.

"Noah will nach Hause" weckt bei Lesern mit großem Interesse an Wiedergeburten sicher einen noch größeren Sog als bei anderen Lesern, aber auch Lesern mit weniger Interesse an diesem Thema kann ich dieses Buch auf Grund der spannenden Erzählweise ans Herz legen.

Bewertung vom 22.09.2016
Das Mädchen und der Soldat
Sax, Aline

Das Mädchen und der Soldat


ausgezeichnet

Ein von der Größe her unscheinbares Büchlein liegt dem Leser in der Hand, der sich für diese Geschichte entschieden hat. Unter dem Zusatz, dass das Buch von Ann de Bobe illustriert ist, hatte ich mir ein großformatiges Werk vorgestellt, ähnlich einem Bilderbuch. Tatsächlich hat das Werk nur eine Größe von etwa DINA6 und ist damit kleinformatiger als die meisten Romane.

Vorsatzseiten und Bilder sind in Camouflagefarben gehalten. Selbst, wenn das Werk durchaus hoffungsvolle oder schöne Szenen enthält, so lassen uns die Farben - oder vielmehr das Abhandensein der Farben - doch nie vergessen, dass wir uns mit "Das Mädchen und der Soldat" im Krieg befinden. Die Bilder weisen einen leichten Fotorealismus auf, so dass sie einem beim Lesen noch näher gehen. Die verwendeten Farben lassen zum einen Assoziationen zum Krieg aufsteigen, zum anderen verstärken sie die Bindung an das blinde Mädchen, welches ebenfalls nur einen einseitigen Eindruck seiner Umgebung gewinnen kann: durch Ertasten oder ihren Geruchssinn.

Der Inhalt der kurzen, aber gehaltvollen Geschichte ist schnell zusammengefasst: Ein blindes Mädchen lernt einen dunkelhäutigen Soldaten kennen. Da ihr die Sehkraft fehlt, versucht sie bis ins Innere des Soldaten vorzudringen und lernt dort einen Mann kennen, mit dem sie schon bald eine tiefe Freundschaft verbindet. Ihrer Freundschaft verleiht sie Substanz mit einem selbstgebackenen Brot. Sie will ihm damit ein Stück seiner verlorenen Heimat zurückzugeben und ihrer Freundschaft Ausdruck verleihen. Im Gegensatz zu den anderen Menschen in ihrem Land, die in dem Soldaten nur einen Feind sehen und jemanden, der allein schon wegen seiner Hautfarbe anders ist als sie, erkennt das Mädchen in ihrem Gegenüber einfach den Menschen. Einen, der auf Grund des Krieges seine Heimat verlassen musste und sehr schwer darunter leidet. Nur leider sitzt der Soldat am nächsten Tag nicht mehr auf der Bank, wo die beiden sich tagtäglich getroffen haben. Das Mädchen muss dem Soldat jedoch unbedingt das Brot bringen, als letzten Hoffnungsschimmer in einem fremden Land, denn sie hat bemerkt, dass dem Soldaten jeglicher Halt fehlt, um den Krieg weiterhin durchzustehen. Das Mädchen lässt nichts unversucht, um den unbekannten Soldaten wiederzufinden und erfährt dabei Hilfe von unerwarteter Seite.

Der Beginn des kleines Büchleins liest sich etwas störrisch, da ein allwissender Erzähler die Szenen abwechselnd aus der Sicht des blinden Mädchens und aus der Sicht des Soldaten erzählt. Tatsächlich dachte ich nach dem ersten Kapitel spontan an einen Fehldruck. Nachdem sich die Wege der beiden jedoch trennen, verliert sich dieser Eindruck gänzlich.

Das Brot ist ein Symbol für Heimat, Familie und Freundschaft, für Zusammenhalt und Stärke, für einen Notnagel, an dem man sich in der Fremde festhalten kann und der einen zurück ins Leben holt. Weit weg von seiner Familie hätte der Soldat den Mut weiterzuleben verloren, wäre er nicht zur rechten Zeit dem Mädchen und ihrem Brot begegnet.
"Das Mädchen und der Soldat" ist eine kurze, aber sehr intensive Erzählung über den Wert von Familie und Freundschaft und darüber, was einen Menschen tatsächlich ausmacht, wenn man sich nicht von Äußerlichkeiten ablenken lässt, sondern nur tief in sein Innerstes schaut.

Bewertung vom 21.09.2016
Little Miss Florida
DiCamillo, Kate

Little Miss Florida


ausgezeichnet

Drei gänzlich unterschiedliche Mädchen wollen aus völlig verschiedenen Beweggründen den Titel der "Little Miss Florida" erringen. Raymie will mit dem Titel ihren Vater beeindrucken und ihn damit zu ihrer Familie - sprich ihrer Mutter und sich - zurück holen, Louisiana braucht das Wettbewerbspreisgeld als Lebensunterhalt für ihre Großmutter und sich, da die beiden nach dem Tod von Louisianas Eltern in sehr ärmlichen Verhältnissen leben, außerdem möchte Louisiana mit dem Preisgeld ihren Kater Archie aus dem Happy Heimtiercenter auslösen, und Beverly... - nun ja, die will den Wettbewerb sabotieren.

Kate DiCamillo zeichnet einen ungewöhnlichen Weg auf, wie sich zwischen drei ganz unterschiedlichen Mädchen nach und nach eine große Freundschaft entwickelt und sie dabei über ihren eigenen Schatten springen, um ihren Mitstreiterinnen aus jeder Patsche zu helfen. Raymies Schicksal entwickelt sich nach ihrem literarischen Vorbild wider Willen Florence Nightingale, nachdem sie feststellt, dass es ihr viel besser geht, wenn sie jemandem helfen kann und ihre Probleme dadurch in den Schatten gestellt werden. Beverlys Selbsthass legt sich, nachdem sie ihren neuen Freundinnen immer und immer wieder bei ihren Missionen helfen kann. Beverlys Problem lag anscheinend darin, dass sie nicht genug gebraucht wurde. Und Louisiana wächst über sich hinaus, nachdem sie gleich zwei beste Freundinnen hinter sich stehen hat, die zu ihr halten und an sie glauben.

'Vielleicht würde am Ende ja doch noch alles gut.' (S.53)

Vielleicht wird bei Raymie, Beverly und Louisana auch deshalb wieder alles gut, weil sie ihren Glauben an Wunder noch nicht verloren haben. Wenn man Louisana etwas nicht beweisen kann, dann ist es auch nicht geschehen, vielleicht sollte man sich als Erwachsener ein Stück dieser kindlichen Unschuld bewahren, wer weiß, was dann alles in Erfüllung gehen kann?

Das Schriftbild ist großgedruckt, die Kapitel gerade mal zwei Seiten lang, so dass die Geschichte trotz einer Länge von über 200 Seiten blitzschnell gelesen ist, ein Kapitel geht immer noch, und noch eins, und noch ein letztes... Ideal für Leseanfänger oder zum Vorlesen.

Den jugendlichen Hauptfiguren wird verschrobenes erwachsenes Personal an die Seite gestellt, so dass man sich manchmal nur noch mehr wie in einem modernen Märchen vorkommt - einem Märchen aus dem DiCamillo-Universum, in dem am Ende tatsächlich alles gut wird, vielleicht nicht so, wie die Protagonisten sich das ausgemalt haben, aber es wird gut.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.09.2016
Milchmädchen
Gemin, G. R.

Milchmädchen


ausgezeichnet

Durch einen Fahrradunfall kommt Gemma in Kontakt mit Kate, die von allen nur Cowgirl genannt wird. Gemma stammt aus dem schäbigen walisischen Wohngebiet Bryn Mawr, einem Viertel, in dem viel Gewalt herrscht, die Mittelschicht teilweise am Rande der Armut lebt und kein freundschaftlicher nachbarschaftlicher Umgang gepflegt wird. Ihr Vater ist im Knast, die Mutter überarbeitet und gereizt und der kleine Bruder nervt einfach nur. Kate wohnt zwar auf einem Bauernhof mit Milchwirtschaft, aber sie befindet sich in einer ausweglosen Situation: sie hängt mit vollem Herzen an ihren Milchkühen, aber auf Grund der schlechten wirtschaftlichen Lage sieht sich ihr Vater gezwungen die Kühe an einen reichen Milchbauer zu verkaufen, von dem sie die Weideflächen gepachtet haben. Für ihre Vater ist das ein reines Geschäft, da er nie Milchbauer aus Passion war, aber Kate hat die Leidenschaft von ihrem verstorbenen Großvater geerbt und gemeinsam mit Gemmas Großmutter, die damals im Krieg auf dem Milchbauernhof ausgeholfen hat, bringt sie einen Stein ins Rollen, der bald ganz Bryn Mawr auf den Kopf stellt.

"Milchmädchen" ist eine unheimlich intensive Geschichte über das Aufeinandertreffen zweier Außenseiter, die über eine Zweckgemeinschaft nach und nach zu besten Freundinnen werden. Was eine Herde Milchkühe damit zu tun hat, und warum Bryn Mawr am Ende des Buches ein Musterbeispiel für gelebte Nachbarschaft ist, das muss schon jeder für sich selbst entdecken.
Für mich war es ein wunderschönes, modernes Märchen, bei dem es mir fast ein paarmal vor Rührung die Tränen in die Augen getrieben hat, weil man so eine Nachbarschaftshilfe, wie sie im Laufe des Buches in Bryn Mawr gelebt wird, kaum noch findet. Dazu schafft G. R. Gemin ein realistisches und nachfühlbares Bild einer sozial schwachen Mittelschicht, die lernen muss, Hilfe zur Selbsthilfe zu schaffen, da das soziale Netz oftmals zu große Maschen hat, um alle Probleme aufzufangen.
Die Figuren sind teilweise ein bisschen verschroben, aber das macht die ganze Geschichte nur noch liebenswerter und märchenhafter. Ganz besonders ist mir Gemmas Großmutter ans Herz gewachsen, aber auch die schwieriger zugänglichen Charaktere wie beispielsweise Gemmas Vater machen "Milchmädchen" zu einer runden Sache und verleihen der Geschichte ihren ganz besonderen Reiz.
Hier werden viele Einzelschicksale zu einer großen Dorfgemeinschaftsgeschichte verknüpft, die zeigt, dass etwas, das im Kleinen anfängt und nur durch die Hartnäckigkeit weniger Personen verfolgt wird, ganz Großes bewirken kann! "Milchmädchen" ist eine wunderschöne Erzählung über die Kraft von Freundschaft und den Glauben an sich selbst.