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Bella von www.bellaswonderworld.de
Wohnort: 
Karlsruhe
Über mich: 
Ich bin 31 Jahre alt und mein größtes Hobby ist das Lesen. Ich verschlinge alle möglichen Titel querbeet durch die verschiedensten Genres. Meine Leseleidenschaft teile ich mit anderen Lesebegeisterten auf meinem Blog www.bellaswonderworld.de

Bewertungen

Insgesamt 1143 Bewertungen
Bewertung vom 30.07.2019
Girlsplaining
Klengel, Katja

Girlsplaining


sehr gut

Meine Meinung

Ich bin so langsam richtig im Comic-Genre angekommen und möchte mich auch hier, ähnlich wie in der Literatur, quer durch alles was das breit gefächerte Comic-Beet hergibt durchstöbern und lesen. Kürzlich erreichten mich gleich mehrere interessante Comics aus dem Reprodukt Verlag, die allesamt eines gemeinsam haben – es geht um starke Geschichten für und mit Frauen. Hier wären wir dann auch schon beim Thema Feminismus angelangt, was mich auch sehr reizt und über das ich zukünftig gerne mehr lesen möchte.

Ein wunderbarer Einstieg in das Thema Feminismus und Sexismus bietet Katja Klengel mit ihrem autobiographischen Comic »Girlsplaining«. Die in zarten Pink-Tönen gehaltene Comic-Ausgabe versammelt unterschiedlichste Alltagsszenarien von der Kindheit bis zum Erwachsenenalter, die bereits von Katja Klengel in ihrer Comic-Kolumne für die Internetseite Broadly veröffentlicht wurden.

Ich konnte mich sofort mit Comic-Katja identifizieren, ob das nun daran liegt, dass wir im gleichen Jahr geboren wurden und mit den gleichen kulturellen Einflüssen aufgewachsen sind, oder dass ich auch eine Faible für Sailor Moon habe, lasse ich jetzt einfach mal so stehen. Fakt ist, dass mir viele der unterschiedlichen Szenen sehr bekannt vorkamen und mir die popkulturellen Einflüsse, sei es Sex and the City, Sailor Moon, Buffy, Harry Potter oder Star Trek, sehr gut gefallen haben. Vor allem die Liebe und Leidenschaft der Autorin zu Sailor Moon spiegelt sich in ihren mangaesken Zeichnungen der Episoden wieder. Die ausdrucksstarken Gesichter führen durch mitreißende Panels in denen Katja Klengel kein Blatt vor den Mund nimmt und einige Dinge anspricht, die sonst nicht thematisiert sondern in unserer Gesellschaft eher tabuisiert werden.

Warum gab es diesen wundervollen Comic nicht schon 18 Jahre früher? Ich bin mir sicher, hätte ich damals eine solche Geschichte gelesen, wären viele Themen leichter gewesen und vor allen Dingen hätten mir die Szenen mit ihrer herrlichen Selbstironie jede Menge Mut mit auf den Weg zum Erwachsen werden mitgegeben. »Girlsplaining« sollte man jedem jungen Mädchen oder Frau, die sich für das Thema Sexismus und Feminismus interessiert an die Hand geben, wobei ich darauf hinweisen möchte, dass es sich hierbei um eine autobiographische Kolumne einer weißen Ü30 cis-gender Frau handelt und daher keine Diversität im Hinblick auf POC oder trans-gender mit einfließt. Außerdem kann es bei jüngeren Leserinnen und Lesern vorkommen, dass ein paar Pointen durch die deutlich bestimmenden popkulturellen Aspekte aus den 90er Jahren flöten gehen. Für mich persönlich hat allerdings genau das perfekt gepasst und ich würde durchaus auch jüngeren Leserinnen und Lesern dazu raten einfach mal einen Blick in den Comic zu werfen.

Besonders gut gefallen hat mir die leichte und lockere Art auf die Katja Klengel mit dem Thema umgeht und die ganze Sache nicht so bitterernst nimmt. Oftmals ist es sogar so, dass die lustigen Pointen der Episoden eine gute Portion Selbstironie in sich bergen und sich die Autorin auch augenzwinkernd selbst auf die Schippe nimmt. Dennoch geht die Botschaft die im Comic steckt nicht in Lachern unter, vielmehr setzt Katja Klengel mit ihren wirkungsvollen Zeichnungen ein Ausrufezeichen für einen freien Umgang von Frauen zu ihrem Geschlecht und kritisiert den gesellschaftlichen Umgang begonnen beim Spielzeug über Blümchenduft-Slipeinlagen und dem verklemmten Umgang mit der Betitelung des weiblichen Geschlechtorgans. Sehr gut kommt das z. B. bei einem Gespräch mit ihrem “Untenrum” – sagt einfach Vulva! – rüber. Also nichts wie ran: Mädels lest diesen Comic! Viva la Vulva!

Fazit

Eine starke Comic-Kolumne die sich für einen offeneren Umgang mit dem weiblichen Geschlecht ausspricht.

Bewertung vom 30.07.2019
Die artgerechte Haltung von Gedanken
Bender, Bella

Die artgerechte Haltung von Gedanken


sehr gut

Meine Meinung

Nachdem ich 2017 die sympathische Autorin Bella Bender kennenlernen durfte und mich ihr Debüt »Tinte in Wasser«, mit lebensnahen Erzählungen überzeugte, erschien dieses Jahr nun ihre zweite Kurzgeschichten-Sammlung »Die artgerechte Haltung von Gedanken« im Periplaneta Verlag.

Bezüglich des Themenbereiches bleibt sich die Autorin auch bei ihren neuen Geschichten treu. Alle Erzählungen spielen sich in ganz normalen Alltagssituationen ab oder werden so gezeichnet, dass man sich als Leser sehr schnell in die jeweilige Situation hineinversetzten kann. Das kontrastreiche Cover, das mit einer gezeichneten Frau in schlichten Schwarz-, Weiß- und Grautönen, deren Gesicht sich wie eine Maske vom Kopf abhebt, sowie einem rot kolorierten Titel besticht, passt sehr gut zu den unterschiedlichen Erzählungen, die sich alle mit Gedankengängen befassen.

Die Erzählungen unterscheiden sich in ihrem Umfang sehr, die ersten Geschichten wie »Der Turm« in dem es über ein Treffen geht, welches nie stattfindet oder »Am Zaun entlang« bei dem es um symbolische Bilder wie Freiheit und die Zäune, die uns daran hindern, vollkommen frei zu sein geht sowie »Der Preis von Zucker« bei der es um das Schamgefühl bei der Erkenntnis, dass es sich bei der Schädlingsbekämpfung letztendlich um einen Akt des Tötens handelt, umfassen lediglich ein paar Seiten. Bella Bender stellt mit diesen Geschichten den ersten Dominostein auf, um eine ganze Kette von eigenen Gedanken zu den Themen auszulösen.

Auch wenn die kurzen Erzählungen durchaus ein starkes Gefühl vermitteln, direkt in der Haut des Erzählenden zu stecken und viel Raum für die eigenen Überlegungen offen lassen, gefallen mir persönlich die etwas mehr ausgearbeiteten Kurzgeschichten besser. In »Wir legen Wert auf Authentizität« lässt uns die Autorin das Gewand eines Künstlers überstreifen, der sich durch den Verlust seiner großen Liebe in keiner guten seelischen Verfassung in einem Lokal wiederfindet um dort am Ende einer Reihe untalentierter Musiker, Zauberer und Kabarettisten aufzutreten. Während sich der Künstler beim Warten immer mehr Wein zuführt, wird ihm der Absturz seines Lebens bewusst.

Besonders gefallen hat mir die Erzählung über »Die Müllsammlerin« welche in ihrer kleinen Wohnung nur alte Gegenstände wegen ihrer Geschichten ansammelt und damit versucht ihre eigene Vergangenheit und deren schmerzhafte Erinnerungen zu ersticken.

Bella Benders Werk »Die artgerechte Haltung von Gedanken« beinhaltet vierzehn Kurzgeschichten der unterschiedlichsten Couleur, so gibt es darunter Erzählungen die mich mehr und andere wiederum die mich weniger in ihren Bann gesogen haben. Alle Geschichten haben allerdings eines gemein, sie sind sehr gut und einfühlsam geschrieben, so dass man die unterschiedlichsten Gefühle durchlebt und sich diverse Gedankenwelten offenbaren.

Fazit

Vierzehn kontrastreiche Kurzgeschichten die zum Nachsinnen und mitfühlen der unterschiedlichsten Gedanken verleiten.

Bewertung vom 30.07.2019
Das wilde Leben der Cheri Matzner
Barone, Tracy

Das wilde Leben der Cheri Matzner


sehr gut

Beschreibung

Das junge Ehepaar, Solomon und seine italienische Frau Carlotta “Cici” Matzner freuen sich unbändig auf ihr erstes gemeinsames Kind. Doch als Cici eine Fehlgeburt erleidet und in eine schwere Depression gleitet, weiß sich Solomon nicht anders zu helfen als schnellstmöglich ein Kind zu adoptieren. Mit der Adoption von Cheri erwacht wieder neuer Lebensmut in Cici, doch die Familie zu der sie zusammenwachsen entspricht nicht mal ansatzweise dem, was sich Solomon und Cici von ihrem Leben erhofft hatten.

Meine Meinung

Der Roman »Das wilde Leben der Cheri Matzner« von Tracy Barone hat mich durch die Coverabbildung einer kessen jungen Frau direkt angesprochen und auch der Klappentext des Diogenes Verlages klang recht vielversprechend. Nach den ersten Kapiteln wurde jedoch ziemlich schnell klar, dass meine Erwartungen, einer frechen und wilden Geschichte, wie es der Buchtitel verspricht, nicht erfüllt werden würden. Anstatt einer wilden Lebensgeschichte bietet Tracy Barone eine mit viel Drama gewürzte Familienhistorie.

Die Geschichte beginnt mit Cheris Geburt als Tochter eines drogenabhängigen Teenager-Mädchens zu Beginn der 1960er Jahre. Von ihrer Mutter im Krankenhaus zurückgelassen landet Cheri durch den Hilfspfleger Billy Beal ganz ohne Behördenwahnsinn bei seiner Familie zur Pflege und schließlich auf nicht ganz legalem Weg bei der Familie Matzner, deren Baby kürzlich durch Komplikationen bei der Geburt verstarb. Cici Matzner ist nach dieser traumatischen Erfahrung und der Gewissheit nie wieder ein eigenes Baby bekommen zu können, in eine schwere Depression gestürzt.

Nach diesem ersten Teil der Geschichte gibt es einen Zeitsprung in das 21. Jahrhundert. Cheris 40. Geburtstag steht vor der Tür, ihre Ehe mit dem älteren Michael steht kurz davor in die Brüche zu gehen und nach ihrer Arbeit bei der Polizei hat sie sich bis zur Professorin der Altorientalistik an der Chicagoer Universität auf der Karriereleiter nach oben gearbeitet.

Trotz meiner unerfüllten Erwartungen ist es Tracy Barone gelungen, mich mit ihrer emotionalen Familiengeschichte um den Finger zu wickeln.

Sie beleuchtet Cheris Leben aus den unterschiedlichsten Blickwinkeln und offenbart häppchenweise anhand diverser Rückblicke die Schlüsselmomente ihrer Kindheit. Dabei werden dem Leser vor allen Dingen schwere Themen wie die Wichtigkeit der Religion in der Familie, Verlust eines Kindes, Adoption, Drogenmissbrauch, Eheprobleme, Ehebruch und der Umgang mit einer Krebserkrankung serviert.

Die Partnerschaft von Cheri und Michaels hat sich im Laufe der Jahre, nicht zuletzt durch Cheris unterdrückten Probleme mit ihrer Identität, in eine Sackgasse manövriert. Als sie kurz vor einer Scheidung stehen erhält Michael die Diagnose Bauchspeicheldrüsenkrebs im Endstadium. Cheri versucht ihren Mann so gut es geht zu unterstützen und fällt danach, ähnlich wie ihre Mutter nach dem Tod ihres Babys, in ein tiefes Loch.
»Das wilde Leben der Chrie Matzner« hat mich durch die unglaublich authentischen Protagonisten, die eindrückliche Schreibkunst von Tracy Barone und jeder Menge Drama (das an manchen Stellen definitiv etwas zu überladen und konstruiert wirkt) an die Seiten gefesselt und mir schlussendlich auch noch ein paar Tränchen abgenötigt. Außerdem fand ich die Frage die der Roman aufwirft, ob man tatsächlich die Menschen, mit denen man täglichen Umgang pflegt, die man liebt, mit denen man verwandt ist, so gut kennt sehr interessant.

Triggerwarnung: Dieses Buch enthält Szenen, in denen sich die Protagonisten in seelisch schwer belastenden Situationen wiederfinden und sich selbst verletzen.

Fazit

Ein mitreißender und berührender Roman, der die großen Fragen des Lebens aufwirft.

Bewertung vom 10.07.2019
Spuk in Hill House
Jackson, Shirley

Spuk in Hill House


ausgezeichnet

Beschreibung

Dr. Montague möchte den mysteriösen Geschichten um die alte Villa Hill House näher untersuchen und die übersinnliche Energie, die dem Haus nachgesagt wird durch eine wissenschaftliche Erkundung belegen. Zu diesem Zweck mietet er Hill House für einige Zeit und lädt ein paar Personen ein, die ihn in seinem Vorhaben unterstützen sollen. Nachdem die beiden Frauen Eleanore Vance, Theodora sowie der spätere Erbe der Villa Hill House, Luke Sanderson, eingetroffen sind, beginnen sich die Eigentümlichkeiten des alten Gebäudes zu offenbaren…

Meine Meinung

Die Erstveröffentlichung 1959 von Shirley Jacksons Roman »Spuk in Hill« House liegt nun bereits einige Jahrzehnte zurück. Anlässlich der gleichnamigen und erfolgreichen Netflix-Serie, die auf den Grundlagen des Schauerromans basiert, wurde das Buch nun vom Festa Verlag in einer Neuausgabe herausgebracht.

Zu Beginn möchte ich allerdings gleich anmerken, dass die Netflix-Serie zwar auf diesem klassischen Schauerroman beruht, aber außer dem Namen des Hauses und ein paar kleinen Gegebenheiten nicht viel mit der Geschichte zwischen den Buchdeckeln gemein hat. Obwohl die Serie mit deutlich schockierenderen Momenten aufwarten kann, steht Shirley Jacksons Romanvorlage dem Grusel, der einem direkt unter die Haut kriecht in nichts nach.

Natürlich merkt man es der Geschichte an, dass es sich hier um einen waschechten Klassiker handelt und genau dieses nostalgische Gefühl, dass sich bei mir beim Lesen solcher Bücher einstellt, liebe ich über alles. Die Worte wirken präzise ausgewählt und erzeugen bereits nach wenigen Sätzen eine unglaublich dichte, umgarnende und furchteinflößende Atmosphäre. Shirley Jackson versteht es, den Leser genau dahin zu bringen, wo sie ihn haben will – in diesem Fall in Hill House und der labilen Psyche von Eleanor.

Einmal mit dem Buch begonnen, konnte ich mich genauso wenig wie Eleanor dem Organismus des Spuk-Hauses entziehen. Dazu sei gesagt, dass Eleanor eine junge, leicht naive Frau mit leicht überschäumender Fantasie ist, die ihr ganzes Leben mit der Pflege ihrer Mutter zubrachte und nun nach deren Tod auf der Suche nach einem erfüllten Leben ganz ohne ihre Schwester ist. Um endlich auf ein selbständiges Leben zu führen, nimmt sie die Chance die ihr Dr. Montague bietet wahr, setzt sich den Wagen ihrer Schwester und stürzt sich in das Abenteuer Hill House.

Wie bereits Theodora zu Eleanor sagte, »Wir können nie wissen, wo wir den Mut hernehmen.« (Seite 68), sinngemäß hält es die vier Wagemutigen auch nach immer mysteriösen Vorfällen in dem eigentümlichen Haus, dass schon alleine durch seine Architektur für einen kalten Schauer sorgt und die Nackenhaare zu Berge stehen lässt.

Ich habe jede Seite dieser fein erzählten Geschichte und vor allen Dingen den subtilen Horror, der sich aus der Dynamik zwischen der erzählenden Eleanor, deren psychische Verfassung durch Hill House immer schlechter wird, und der verschwommenen Wahrnehmung des Lesers ergibt, sehr genossen. Die Grenze zwischen den wahren Vorkommnissen und was sich nur Eleanors Fantasie abspielt, verschwimmt zu einem Kaleidoskop der Eindrücke.

»Spuk in Hill House« ist ein absolutes Lesehighlight das man sich nicht entgehen lassen sollte. Aufgrund der präzisen Komposition von Shirley Jackson eignet sich das Buch auch gut zum mehrmaligen Lesen – ich bin mir sicher, dass man bei erneuter Lektüre des Buches noch einige neue Seiten an der Geschichte entdecken kann.

Fazit

Ein Meisterwerk des subtilen Grusel-Horrors!

Bewertung vom 10.07.2019
Die lebende Tote
Vatine, Olivier

Die lebende Tote


ausgezeichnet

Meine Meinung

Bereits das düstere Erscheinungsbild von Olivier Vatine und Alberto Varandas Graphic Novel »Die lebende Tote« lässt in mir die Verheißung auf einen klassischen Gothic Novel wach werden. Geboten bekommt man eine ansprechende Mischung aus Science-Fiction Endzeitgeschichte und klassischer Schauerliteratur.

Die Geschichte beginnt auf dem verwüsteten Planeten Erde, der bereits von den meisten Menschen verlassen wurde. Nur noch wenige, wie Martha und ihr Team, halten sich noch auf der Erde auf um Güter wie z. B. Bücher zu bergen. Martha verliert bei solch einer Unternehmung ihre kleine Tochter Lise, als diese in einen tiefen Abgrund stürzt, wo übersinnliche Oktopoden-Wesen zu Hause sind.

Danach schwenkt das Setting für einen kurzen Abstecher auf den Planeten Mars, wo der verurteilte Wissenschaftler Joachim rekrutiert wird, zur Erde zu reisen, Lise zu klonen und somit wieder zu neuem Leben zu erwecken. Als Joachim auf der Erde landet und zum Wohnsitz von Martha geleitet wird, taucht man vollkommen in die viktorianische Atmosphäre ein, die nicht nur durch das Schloss Neuschwanstein nachempfundenen Anwesen verströmt wird, sondern auch durch die Mode und die antiquierte Einrichtung verstärkt wird.

Olivier Vatine hat hier eine fesselnde Geschichte zu Papier gebracht, die mich tatsächlich, wie vom Splitter Verlag angepriesen, an die klassische Schauergeschichte »Frankenstein« von Mary Shelley erinnert und dennoch mit einem etwas modernerem Storytelling und speziellen Horrorelementen überzeugt. Der Schauer wird, wie bei Frankenstein, vor allen Dingen durch die Frage aufgeworfen in wieweit der Mensch die Möglichkeiten der Wissenschaft nutzen darf, in die Natur eingreifen darf, oder dies aus moralischen oder ethnischen Gründen verwerfen sollte. In »Die lebende Tote« zeigt der Autor ein gruseliges Szenario auf, wie sich Organismen aus der vom Menschen betriebenen Forschung entwickeln und sich ihre Natur zu nutze machen.

Außerdem lässt der Autor in seiner Geschichte genügend Lücken, die dem Leser Platz für die eigene Fantasie lassen. So werden z. B. nähere Informationen über die Oktopoden und deren Möglichkeit der Vernetzung und Heilung von Menschen nicht näher ausgeführt und auch das Ende ist offen gehalten. Mir persönlich hat dieses mysteriöse Unwissen in mehreren Bereichen nicht sonderlich gestört, da dies die mystische Spannungskurve und den Charme des Comics erst recht ausmacht und die Geschichte noch länger im Kopf nachhallen lässt.

Die detailreichen Zeichnungen von Alberto Varanda sind eine wahre Augenweide und stechen besonders durch die starken Schraffierungen hervor. Mit dieser Technik erzeugt der Künstler die passende Stimmung zur düsteren Schauergeschichte. Passend zum viktorianisch-spacigen Horrorszenario halten sich Olivier Vatine und seine Assistentin Isabelle Rabarot bei der Farbpalette an gedeckte Töne von hellen Erdfarben bis hin zu mystisch-wissenschafltichen Blau- und Grüntönen und düsteren Farbmischungen mit hohem Antrahzitanteil.

Fazit

Ein herrlich düsterer Comic mit offenem Ende, das genügend Spielraum für die eigene Fantasie offen lässt.

Bewertung vom 03.07.2019
Erased
Albers, Jürgen

Erased


sehr gut

Meine Meinung

»Erased« ist der zweite Band aus Jürgen Albers Kriminal-Reihe um den New Scotland Yard Inspektor Charles Norcott. Die Handlung des ersten Buches »Crossroads« trägt sich während der Kriegszeit auf der britischen Kanalinsel Guernsey zu. Doch nun nach dem Krieg ist Charles Norcott wieder zurück nach London gekehrt und nimmt in der Hoffnung auf eine entspannte “Zeit” den Job als Dozent an der Oxford University an.

Der ruhige Einstieg in die Geschichte versucht den Leser, genau wie seinen Hauptprotagonisten Charles Norcott in Sicherheit zu wiegen, bevor sich das Kartenblatt ändert und es eine mitreißende Kriminalgeschichte aufzuklären gilt. Während sich also zu Beginn noch recht wenig ereignet, wird das Setting mit viel Liebe zum Detail gezeichnet, bei dem die auftretenden Charaktere nicht zu kurz kommen. Mir persönlich gefällt es immer besonders gut, wenn nicht nur die Hauptprotagonisten gut ausgearbeitet sind, sondern auch den Nebenrollen genügend Leben eingehaucht wird. Genau das ist Jürgen Albers besonders gut gelungen, als Leser bekommt man eine ganze Palette der unterschiedlichsten Figuren präsentiert. Desmond O’Neill wird zum Beispiel mit viel Augenzwinkern von Albers als »Das kleine, fast kugelrunde Männchen […]« beschrieben und projiziert somit gleich ein herrlich erheiterndes Bild in meinem Kopfkino hinzu.

Der Schreibstil von Jürgen Albers passt hervorragend zur Geschichte, der Atmosphäre, die so very British daherkommt und dem wundervollen Setting, dass einen direkt nach Oxford versetzt. Außerdem hat sich das Buchaufschlagen jedes Mal wie das Öffnen einer Zeitkapsel angefühlt, denn nach wenigen Seiten fühlt man sich entschleunigt und in der Zeit zurückversetzt.

Das Zusammenspiel der einzelnen Komponenten ist wie bei einem guten Rezept schön aufeinander abgestimmt, die Protagonisten bewegen sich spürbar in der noch jungen Nachkriegszeit, es geht um geheime Forschungsprojekte, Atomforschung, Spionage, polizeiliche Zusammenarbeit und natürlich die diversen Geheimdienste wie z. B. MI5 und MI6. Das alles wurde wunderbar vom Autor recherchiert und in einem Nachwort dargelegt, darin geht er auch darauf ein, wobei es sich um historische Fakten und wobei um Fiktion handelt. Das fand ich unheimlich hilfreich, denn zwischendurch verschwimmen die Linien zwischen Realität und Fiktion.

Tatsache ist, dass mir der zweite Kriminalroman aus Jürgen Albers Feder wieder unheimlich gut gefallen hat. Die authentische Geschichte über den britischen Inspektor und seine Freunde hat mir einige vergnügliche Lesestunden bereitet, wobei man auch im Folgeband keine blutrünstige Spannung erwarten darf. Vielmehr baut sich die Spannungskurve erst ziemlich spät auf, da das Augenmerk auf die vielzähligen Verwicklungen gerichtet wird. Schließlich wird man aber mit einem mitreißenden Rätselraten um die Identität des Täters belohnt, wobei mir die unterschiedlichsten Personen verdächtig erschienen, die naheliegenden Optionen wieder verwirft und am Ende von der eigenen Blindheit überrascht wird. Einen kleinen Kritikpunkt möchte ich allerdings noch einbringen: der Autor verknüpft den Kriminalfall mit geheimer Forschungsarbeit an Atombomben und zu Beginn der Geschichte verschwinden wichtige Protokolle. Der Ansatz war super spannend und ich finde hier hätte man noch etwas tiefer in das Spionage-Thema eintauchen können.

Ich freue mich bereits jetzt auf den dritten Norcott Roman, »Black Skin«, welcher bereits für Herbst 2019 geplant ist, denn dann werde ich zusammen mit Charles Norcott eines meiner Lieblingsreiseziele, Kuba, literarisch bereisen dürfen. Außerdem hat der Autor noch eine Anthologie in der Pipeline, zu der ich selbst auch ein kleines Bisschen beitragen durfte ;)

Fazit:

Mitreißende Krimiunterhaltung vor historischem Setting und einer guten Prise britischem Charme.

Bewertung: 4,5

Bewertung vom 03.07.2019
Paper Girls Bd.1
Vaughan, Brian K.

Paper Girls Bd.1


sehr gut

Das leuchtende Cover des ersten Bandes der »Paper Girls« in einer satten pink-orange-gelben Farbgebung mit einer blau colorierten Mädchen-Clique hat mich im Comicladen direkt angelacht. Ein weiterer Ausschlag hier direkt zuzuschlagen, war natürlich Autor Brian K. Vaughan der bereits die erfolgreiche Comic-Reihe »Saga« erschuf.

Die Geschichte der Paper Girls trägt sich in den 1980er Jahren in dem beschaulichen Vorort Stony Steam von Cleveland an einem Morgen nach Halloween zu. Die 80er Jahre spiegeln sich auch überdeutlich in den einzelnen Panels wieder und so fühlt man sich schlagartig in der Zeit zurückversetzt, als wäre man mit Marty McFly und Doc in »Zurück in die Zukunft« unterwegs.

Zuerst lernt man die zwölfjährige Erin Teng kennen, die sich auf den Weg zu ihrem Job als Zeitungsausträgerin macht. Auf ihrer Tour trifft sie auf die einzigen weiteren Zeitungs-Mädchen MacKenzie, die von allen nur Mac genannt wird, Tiffany und KJ. Um sich besser gegen die Gestalten verteidigen zu können, die ihr Unwesen nach der Halloweennacht treiben, schließt sich Erin der Clique kurzentschlossen an.

Gemeinsam schlittern die Mädchen in ein groteskes Abenteuer mit seltsamen Wesen und mysteriösen Außerirdischen, wobei man als Leser genauso wenig erahnen kann wohin die Reise schlussendlich hinführen wird, wie die Mädchen. Neben all der Abgedrehtheit in der bunten Science-Fiction Story á la »Stranger Things« fügen sich aber auch ganz weltliche Dinge in diesen Comic ein, von der alkoholkranken Mutter von Mac über ihre Probleme mit der Polizei und den unterschiedlichen religiösen Zugehörigkeiten. Das alles ergibt einen absolut fesselnden Mix der für junge Mädchen ebenso interessant sein dürfte, als für Erwachsene.

Die Zeichnungen von Cliff Chiang passen sich perfekt der Geschichte an, entführen den Leser modisch und auch mit vielen anderen Details in die 80er Jahre. Besonders gelungen finde ich das harmonische Farschema von Matt Wilson, dass trotz minimierter Farbpalette nicht nur eine wahre Augendweide ist, sondern sich auch wie ein roter Faden durch den ganzen Comic zieht.

Der erste Band der »Paper Girls« stellt die Weichen für eine mitreißende Reihe und überzeugte mich in erster Linie durch die unglaublich starken weiblichen Protagonistinnen, die sich trotz der aussichtslosen Situation durch nichts unterkriegen lassen. Ich bin schon sehr gespannt auf welche Wesen die Mädchen in den nächsten Alben stoßen werden und welche Abenteuer sie dann zu bewältigen haben.

Fazit

Eine glasklare Comic-Empfehlung für alle die auf Science-Fiction, Mystery und die 80er Jahre stehen!