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Benutzername: 
dorli
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Berlin
Buchflüsterer: 

Bewertungen

Insgesamt 878 Bewertungen
Bewertung vom 03.10.2017
Ich wünsche mir ... einen Prinzen
Hauck, Rachel

Ich wünsche mir ... einen Prinzen


ausgezeichnet

Die 22-jährige Avery Truitt lebt mit ihrer Mutter auf St.Simons Island, einer kleinen Insel im Atlantik vor der Küste Georgias. Für Avery läuft es im Moment nicht wirklich gut - nicht nur, dass ihr Vater vor Kurzem verstorben ist, sie musste auch ihren großen Traum, als Profi-Volleyballspielerin Karriere zu machen, aufgrund einer Verletzung aufgeben.
Da wäre ein Besuch in der Weihnachtszeit bei ihrer Schwester Susanna und deren Ehemann, König Nathaniel von Brighton, eigentlich eine willkommene Abwechslung, wenn Avery dort nicht auch auf Prinz Colin treffen würde – den Mann, den sie vor fünf Jahren kennen und lieben gelernt hatte und der sie nach kurzer Beziehung eiskalt hat fallen lassen …

„Ich wünsche mir ... einen Prinzen“ ist der vierte Band aus Rachel Haucks Royal Wedding-Reihe – obwohl ich die vorhergehenden Bände nicht kenne, war ich schnell mit den Figuren vertraut und hatte nicht das Gefühl, dass mir Informationen aus den bisherigen Episoden rund um das Königreich Brighton zum Verständnis dieser Geschichte gefehlt haben.

Das Königreich Brighton ist ein sehr modernes Land, dennoch ist die Faszination der Bewohner für alte Traditionen ungebrochen. Eine dieser Traditionen besagt, dass es am Weihnachtsmorgen in der Watchman Abbey eine Prinzenhochzeit geben wird, wenn die Glocke der Pembroke Chapel beim Erntefest um Mitternacht geläutet wird. Die Glocke – vor 182 Jahren nach einem tragischen Unfall verstummt – erklingt in diesem Jahr wieder, jedoch ohne dass jemand das Glockenseil auch nur angefasst hat…

Traditionen und Weihnachten – Rachel Hauck wartet hier mit einer richtig schönen, heimeligen Atmosphäre auf. Eine märchenhafte Wohlfühlgeschichte, in der alles zu finden ist, was ein Romantiker-Herz höher schlagen lässt.
Zwischen Avery und Colin knistert es auch nach Jahren noch gewaltig, dennoch wollen sie sich selbst und auch allen anderen weismachen, dass sie nichts mehr füreinander empfinden. Damit nicht genug, die beiden haben zudem mit allerlei Verwicklungen und hinterhältigen Machenschaften zu kämpfen.

Sehr gut gefallen hat mir, dass einige Kapitel mit „Madeline & Hyacinth live!“ beginnen – die beiden quirligen Fernsehmoderatorinnen lockern das Geschehen mit ihren Informationen und Spekulationen rund um die Brightoner Adelswelt auf und geben der romantischen Geschichte mit ihrem schlagfertigen Witz immer wieder neuen Schwung.

„Ich wünsche mir ... einen Prinzen“ hat mir sehr gut gefallen – genau der richtige Schmöker für einen gemütlichen Lesenachmittag in der Vorweihnachtszeit.

Bewertung vom 01.10.2017
Bevor der Morgen dämmert
Pella, Judith

Bevor der Morgen dämmert


ausgezeichnet

„Bevor der Morgen dämmert“ ist der dritte Band der Sturmzeiten-Reihe und schließt nahtlos an den zweiten Teil an. In dieser Etappe der Geschichte rund um Cameron, Blair und Jackie Hayes erlebt man mit den drei Schwestern die letzen Jahre des Zweiten Weltkrieges.

Da auch Sam als amerikanischer Staatsbürger mit japanischer Abstammung nach dem Angriff auf Pearl Harbor von den US-Behörden als Sicherheitsrisiko eingestuft wurde und gemeinsam mit seiner Familie in das kalifornische Internierungslager Manzanar eingewiesen wird, hat die schwangere Jackie beschlossen, ihren Ehemann zu begleiten. Das Leben im Lager ist mit zahlreichen Einschränkungen und Entbehrungen verbunden, Proteste und Unruhen bleiben nicht aus und machen auch Jackie und Sam arg zu schaffen…

Blair und Gary schlagen sich gemeinsam mit einer Gruppe Partisanen durch den philippinischen Dschungel und kämpfen dabei nicht nur gegen japanische Soldaten, sondern müssen vor allen Dingen Hunger und Krankheiten überstehen. Besonders Blair bekommt im Verlauf der Handlung die volle Härte des Krieges zu spüren…

Cameron hat es gegenüber ihren Schwestern vergleichsweise einfach. Die fehlende Pressefreiheit bereitet ihr immer noch Schwierigkeiten und auch, dass sie ihre Liebe zu dem Arzt Alex Rostow nicht öffentlich zeigen darf, weil die Regierung in Moskau eine Beziehung zwischen einer Amerikanerin und einem Russen nicht duldet, macht ihr das Leben schwer…

Judith Pella hat das Schicksal ihrer Protagonistinnen eng mit den tatsächlichen Geschehnissen des Zweiten Weltkriegs verknüpft. Es beeindruckt mich in jedem Kapitel aufs Neue, wie bildhaft die Autorin die Schauplätze beschreibt und wie echt die Szenerie wirkt. Unzählige Details sorgen für Authentizität und machen das damalige Geschehen für den Leser lebendig und nachvollziehbar.

In diesem Band werden die Erlebnisse der Hayes-Schwestern immer dramatischer. Judith Pella konfrontiert die Akteure mit den grausamsten Facetten des Krieges und setzt sie Gewalt und Rassismus aus. Es ist immer wieder erschütternd zu lesen, mit wie viel Hass und Brutalität Menschen einander dabei begegnen.

Judith Pella versteht es ausgezeichnet, den Leser in Atem zu halten – da denkt, man es kann nicht mehr schlimmer für die Akteure kommen, schon ereilt sie der nächste Schlag. Die Figuren wachsen jedoch an den Herausforderungen, zeigen ganz neue Seiten von sich und halten das Geschehen dadurch lebhaft und abwechslungsreich. Man wird dabei von den Ereignissen richtig mitgerissen, es gibt keinen Handlungsstrang, in dem es langweilig ist.

„Bevor der Morgen dämmert“ hat mir genauso wie die beiden vorhergehenden Bände nicht nur äußerst spannende Lesestunden beschert, sondern mir auch interessante Einblicke in die Geschehnisse des Zweiten Weltkriegs ermöglicht. Absolute Leseempfehlung.

Bewertung vom 01.10.2017
Von ferne klingt mein Lied
Pella, Judith

Von ferne klingt mein Lied


ausgezeichnet

„Von ferne klingt ein Lied“ ist der zweite Band der Sturmzeiten-Reihe und schließt nahtlos an den ersten Teil an. Diese Etappe der Geschichte rund um Cameron, Blair und Jackie Hayes beginnt am 7. Dezember 1941, dem Tag, an dem der Angriff der Japaner auf Pearl Harbor erfolgte. Nicht nur ein Wendepunkt für den Verlauf des Zweiten Weltkriegs, auch für die drei Schwestern hat die neue Situation einige Veränderungen im Gepäck.

Cameron ist nach einigen Wochen in Los Angeles wieder zurück in Kuibyschew. Als sie von dem Angriff der Japaner erfährt, fürchtet und wünscht sie eine Versetzung zum Geschehen im Pazifik zugleich. Ihre Beziehung zu dem Arzt Alex Rostow gerät ins Wanken, weil Cameron nicht verstehen kann, warum für Alex sein Glaube an Gott immer der Mittelpunkt seines Lebens sein wird…
Der Zufall spielt Cameron einen Brief und ein Buch von Jakow Luban, dem Vater ihres Halbbruders Semjon, in die Hände – obwohl diese unerwarteten Dokumente neue Hinweise enthalten, hat Cameron plötzlich Bedenken, die Suche nach Semjon fortzusetzen…

Jackies aufkeimende Beziehung zu dem japanisch stämmigen Sam steht unter keinem guten Stern. Die beiden müssen hart für ihre Liebe kämpfen - überall begegnet ihnen Ablehnung und sogar offen zur Schau getragener Hass. Selbst aus ihrem jeweiligen Umfeld bekommen sie kaum Verständnis und Rückhalt. Doch Jackie und Sam sind stark und geben nicht auf…

Blair und Gary befinden sich weiterhin auf den Philippinen und sind von der Invasion der Japaner direkt betroffen. Nahrungsmittelknappheit und Krankheiten, die ständige Bedrohung der Kriegsgegner – jeder Tag wird aufs Neue zu einem Kampf ums Überleben und die vormals verwöhnte, egoistische Blair begreift nach und nach, dass das Leben kein Kinofilm ist…

Auch in diesem Band wartet Judith Pella mit einer Fülle von Eindrücken auf. Die einzelnen Schauplätze werden ausführlich beschrieben und die Vorkommnisse äußerst detailliert geschildert – der Überlebenskampf im philippinischen Dschungel oder auch das belagerte Leningrad werden sehr eindringlich dargestellt und man bekommt als Leser eine recht genaue Vorstellung davon, was die Menschen damals alles durchmachen mussten. Ich habe mich von jeder Szene eingefangen und mitgerissen gefühlt – es ist einfach bemerkenswert, wie die Autorin Fiktion und Realität miteinander verwoben hat.

Judith Pella hat ein ausgesprochen gutes ein Händchen für Figuren. Es gelingt der Autorin ganz ausgezeichnet, ihre Hauptprotagonistinnen immer wieder in Situationen zu bringen, die ganz viel Mut, Kraft und innere Stärke erfordern. Das macht die Geschichte der drei Schwestern lebhaft und sehr spannend, da man nie im Voraus weiß, welchen Weg sie wählen bzw. was als nächstes auf sie zukommen wird.
Obwohl die Akteure ihren grundlegenden Eigenheiten immer treu bleiben, machen alle eine Entwicklung durch und sind durchaus in der Lage, den Leser mit der einen oder anderen überraschenden Handlung zu verblüffen.
Auch die zahlreichen Nebenfiguren bereichern die Handlung außerordentlich, jeder einzelne spielt die ihm zugedachte Rolle hervorragend und selbst kleinste Nebenrollen sind ausdrucksstark gezeichnet.

„Von ferne klingt ein Lied“ hat mich genauso begeistert, wie es schon der erste Band der Sturmzeiten-Saga getan hat. Absolute Leseempfehlung für alle Fans von gründlich recherchierten und spannend erzählten historischen Romanen.

Bewertung vom 20.09.2017
Blutvilla
Gregg, Stefanie;Schenke, Paul

Blutvilla


weniger gut

Kiel/Flintbek. Die 42-jährige Johanna Krogmann wurde in ihrer Villa erschlagen. Hauptkommissar Sven Fricke wird mit den Ermittlungen betraut – keine leichte Aufgabe, denn es gibt in Flintbek kaum jemanden, der kein Motiv hatte, die Millionärin aus dem Weg zu räumen…

„Blutvilla“ hat mir anfangs richtig gut gefallen – man ist ruckzuck mittendrin im Geschehen und sieht einem spannenden Kriminalfall entgegen, denn Fabrikbesitzerin Johanna Krogmann war ein echtes Biest und es gibt zahlreiche Flintbeker, die einen triftigen Grund gehabt haben, der skrupellosen Unternehmerin den Garaus zu machen.

Als jedoch Hauptkommissar Sven Fricke und Staatsanwältin Elena Karinoglous die Bühne betreten, geht es mit dem Kriminalfall bergab. Ich mag es ja, wenn in einem Krimi auch die privaten Angelegenheiten der Ermittler eine Rolle spielen, aber das Geplänkel und Geturtel zwischen dem Hauptkommissar und der Staatsanwältin war mir nicht nur viel zuviel, sondern hat auch meinen Humor nicht getroffen.

Die Krimihandlung hat keine wirklichen Höhen und Tiefen, keine Überraschungen oder unvorhersehbaren Wendungen, dafür aber einen Kommissar, der sich – wenn er denn mal seiner Arbeit nachgeht und sich gedanklich nicht zu sehr mit anderen Dingen beschäftigt – im Umgang mit Befragten und Kollegen äußerst flapsig verhält. Fricke sagt von sich selbst, dass er davon besessen ist, seine Fälle lösen zu wollen – dieser unbedingte Wille ist ihm in dem Fall Krogmann irgendwie abhanden gekommen.

Zu der großen Portion Liebeswirrwarr und der kleinen Prise Krimihandlung gesellt sich dann auch noch der ein oder andere Fehler, so dass ich insgesamt nicht die spannende Unterhaltung bekommen habe, die ich mir aufgrund des Klappentextes erhofft hatte. Schade.

Bewertung vom 12.09.2017
Underground Railroad
Whitehead, Colson

Underground Railroad


ausgezeichnet

Georgia, 19. Jahrhundert. Cora ist Sklavin auf der Baumwollplantage der Randalls. Sie hat sich zu einer Einzelgängerin entwickelt, nachdem ihre Mutter geflohen ist und sie im Alter von elf Jahren zurückgelassen hat. Coras Leben ist geprägt von harter Arbeit unter unmenschlichen Bedingungen, von Intrigen, Gewalt und Misshandlungen. Als der Sklave Caesar davon spricht, gemeinsam zu fliehen, lehnt Cora zunächst ab, überlegt es sich dann jedoch anders – mit Hilfe der Underground Railroad soll die Flucht in den Norden gelingen…

Die Underground Railroad war ein im späten 18. Jahrhundert gegründetes Netzwerk, das Sklaven auf der Flucht unterstützt hat. Seinen Namen hat das Netzwerk zum einen bekommen, weil alle Aktivitäten im Geheimen, sprich im Untergrund durchgeführt wurden und zum anderen, weil man Eisenbahnbegriffe nutze, um verschlüsselt zu beschreiben, wie das System funktionierte.

Colson Whitehead hat die historischen Fakten rund um dieses Helfernetzwerk genommen und daraus etwas Eigenes gemacht – er hat den im übertragenen Sinn genutzten Begriff zu einer realen Untergrundbahn werden lassen, deren Tunnel die Flüchtenden über versteckte Zugänge erreichen konnten, um dann unterirdisch mit ratternden Waggons außer Reichweite der Sklavenjäger zu gelangen.

Schon nach wenigen Seiten hat mich Colson Whitehead in den Bann seiner Geschichte gezogen. Der Autor erzählt sehr anschaulich und eindringlich von Coras Erlebnissen und beschreibt das unsägliche Leid, die Schikanen und Misshandlungen, die die Sklaven ertragen mussten, genauso detailreich und realistisch, wie die waghalsige Flucht und die damit verbundenen Ängste, Gefahren und Rückschläge für Flüchtende und Fluchthelfer.

Der Autor hat Cora mit einer starken Persönlichkeit ausgestattet. Er schildert die Odyssee dieser mutigen jungen Frau mit schnörkelloser, kraftvoller Stimme und lässt den Leser dabei die dramatischen und tragischen Momente wie auch die hoffnungsvollen Augenblicke hautnah miterleben.

„Underground Railroad“ lässt mich tief beeindruckt zurück. Diese mitreißend erzählte Mischung aus Historie und Fiktion hat mich von der ersten bis zur letzen Seite fest im Griff gehabt und mir nicht nur Einblicke in ein dunkles Kapitel amerikanischer Geschichte gewährt, sondern mich vor allen Dingen intensiv an dem Schicksal der einzelnen Akteure teilhaben lassen. Absolute Leseempfehlung!

Bewertung vom 11.09.2017
Aquila
Poznanski, Ursula

Aquila


gut

Siena. Die 19-jährige Studentin Nika Ruland wacht in ihrem Zimmer auf. Ihre Klamotten sind matschverkrustet, sie vermisst ihr Handy, ebenso ihre Schlüssel, ihren Pass und den Akku für ihr Notebook. Damit nicht genug, ihr fehlt zudem jegliche Erinnerung an die vergangenen zwei Tage. Dafür entdeckt sie in ihrer Hosentasche einen Zettel mit rätselhaften Notizen, auf dem Badezimmerspiegel eine mysteriöse Botschaft und ein blutbeflecktes Männershirt vor der Waschmaschine. Ihre Mitbewohnerin kann Nika zu der ganzen Situation nicht befragen, denn Jenny ist spurlos verschwunden…

Die Kurzbeschreibung zu „Aquila“ hat mich sofort neugierig gemacht und mich eine fesselnde, mitreißende Geschichte erwarten lassen; eine spannende Spurensuche, bei der man mitfiebern und miträtseln kann.

Ich mag den Schreibstil von Ursula Poznanski sehr und war bisher immer begeistert von ihren Geschichten, aber mit „Aquila“ hat mich die Autorin nicht gerade vom Hocker gerissen. Dort, wo ich das Besondere erwartet habe, habe ich nur Durchschnitt bekommen und bin entsprechend ein wenig enttäuscht.

Der Start ist eigentlich äußerst vielversprechend, Nika befindet sich in einer vermeintlich ausweglosen Lage, sie weiß nicht, wem sie vertrauen kann und ist demzufolge verzweifelt. Es gelingt der Autorin hier sehr gut, Nikas Gedanken und Gefühle darzustellen und auf den Leser zu übertragen. Ich fiebere mit Nika mit und verfolge gespannt ihre nächsten Schritte. Doch so richtig in Schwung kommt die Handlung nicht.
Die Geschichte wird ziemlich in die Länge gezogen – es passiert zwar immer etwas, so dass man Weiterlesen möchte, aber die wirklich spannenden Passagen gibt es nur häppchenweise, der größte Teil besteht aus den Befindlichkeiten und Unsicherheiten der Protagonistin.
Im letzten Drittel des Buches geht es dann Holterdiepolter, Nika findet Antworten zu den rätselhaften Notizen. Das Geschehen wird dabei jedoch immer unrealistischer, die Akteure handeln kaum noch nachvollziehbar und die Geschichte mündet schließlich in einer verworrenen und unglaubwürdigen Auflösung.

Auch in punkto Lokalkolorit ist Ursula Poznanski hinter meinen Erwartungen zurückgeblieben. Ich konnte mir die Schauplätze zwar vorstellen, aber die besondere Atmosphäre, die eine Stadt wie Siena ausstrahlt, ist bei mir nicht angekommen.

„Aquila“ kann meiner Meinung nach nicht mit anderen Büchern der Autorin mithalten. Dazu fehlt es dieser Geschichte an raffinierteren Verstrickungen, gewitzteren Figuren und einer ausgefeilteren Handlung (2,5/5).

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.09.2017
Die Moortochter (Restexemplar)
Dionne, Karen

Die Moortochter (Restexemplar)


ausgezeichnet

Michigan/Upper Peninsula. Helena ist in primitiver Isolation aufgewachsen. Bis zu ihrem 12. Lebensjahr hat sie zusammen mit ihren Eltern in einer Blockhütte mitten im Moor gelebt und ist schon in jungen Jahren zu einer ausgezeichneten Jägerin und Fährtenleserin geworden. In Helenas Augen war ihr Vater Jacob Holbrook ein Held – bis der Tag kam, an dem sie erfahren musste, dass Jacob in Wahrheit ein gefährlicher Psychopath ist, der ihre Mutter entführt hat…

Es ist mittlerweile 15 Jahre her, dass Helena mit ihrer Mutter fliehen konnte. Während ihr Vater seit damals in einem Hochsicherheitsgefängnis sitzt, hat Helena alle Verbindungen zu ihrer Kindheit gekappt. Sie lebt zufrieden mit ihrem Mann und ihren beiden Töchtern in Sault Ste. Marie und verdient ihren Lebensunterhalt mit dem Kochen von Marmeladen und Gelees. Diese Beschaulichkeit stürzt in sich zusammen, als Jacob aus dem Gefängnis ausbricht - Helena ist sofort klar, dass sich ihre Familie in großer Gefahr befindet. Und sie weiß auch, dass nur sie ihren Vater aufspüren kann. Eine unerbittliche Jagd beginnt…

Karen Dionne versteht es mit ihrem lockeren und angenehm zu lesenden Schreibstil ganz hervorragend, den Leser in den Bann dieser dramatischen Geschichte zu ziehen. Schon nach wenigen Seiten fiebert man mit Helena mit und verfolgt gespannt das mitreißende Geschehen.

Dass die Autorin mit ihrem Mann und ihrer kleinen Tochter ein alternatives Leben in einer Hütte auf der Upper Peninsula geführt hat und damit über einen reichen Erfahrungsschatz bezüglich dem Leben in der Einöde verfügt, spürt man auf fast jeder Seite dieses Buches. Die Beschreibungen der urwüchsigen Natur und des Alltags in der Abgeschiedenheit sind ausführlich, faszinierend und eindringlich.

Während Ich-Erzählerin Helena sich in der aktuellen Handlung auf die Suche nach ihrem entflohenen Vater macht, erzählt sie ausgiebig in zahlreichen Rückblenden von den Erlebnissen während ihrer Kindheit.
Helena wächst in kargen Verhältnissen auf – keine Elektrizität, kein fließend Wasser, keinerlei Kontakt zur Außenwelt. Lesen lernt sie anhand alter National-Geographic-Magazine; ihre Kenntnis über das Leben außerhalb des Moores beschränkt sich auf den Inhalt der Artikel in diesen Zeitschriften. Erzogen wird Helena von einem Vater, der ein ausgesprochener Narzisst und Sadist ist. Doch das bemerkt Helena viele Jahre nicht. Sie blickt bewundernd zu Jacob auf, lernt alles Wissenswerte über die Natur und die Dinge, die für das Überleben in der Wildnis wichtig sind. Derbe Schläge und unmenschliche Strafen nimmt sie hin, weil sie davon überzeugt ist, diese seien rechtens. Erst nach und nach erkennt sie, wie ihr Vater wirklich tickt…

Besonders gut gefallen hat mir Karen Dionnes Fähigkeit, die Gedanken und Gefühle ihrer Protagonistin darzustellen und auf den Leser zu übertragen. Man erlebt alle Höhen und Tiefen, die Helena im Verlauf der Handlung durchmacht, sehr intensiv mit. Als Leser kann man sich dabei nicht nur ein umfassendes Bild von ihrer Entwicklung machen, man bekommt durch Helenas Augen auch hautnah vermittelt, wie selbstverliebt, rücksichtslos und egoistisch ein Mensch mit einer narzisstischen Persönlichkeitsstörung denkt und handelt.

„Die Moortochter“ hat mir äußerst gut gefallen. Ein spannend erzähltes Psychodrama, das den Leser eindringlich an dem Schicksal der einzelnen Akteure teilhaben lässt.

Bewertung vom 04.09.2017
Grado im Dunkeln / Kommissarin Degrassi Bd.2
Nagele, Andrea

Grado im Dunkeln / Kommissarin Degrassi Bd.2


sehr gut

Grado. Die Lehrerin Violetta Capello und ihre Kollegin Olivia Merluzzi haben nach dem Besuch eines Konzertes eine Autopanne. Die beiden warten auf dem Seitenstreifen auf den Abschleppwagen. Als Oliva kurz zum Auto geht, um ihr Handy zu holen, verschwindet Violetta spurlos… Violetta wird einige Zeit später auf einem Parkplatz entdeckt – sie wurde verschleppt und vergewaltigt. Commissaria Maddalena Degrassi nimmt die Ermittlungen auf und stellt schnell fest, dass Violetta nicht das erste Opfer war…

„Grado im Dunkeln“ ist bereits der zweite Fall rund um Maddalena Degrassi, der Krimi ist aber auch ohne Kenntnis des ersten Bandes bestens verständlich.

Andrea Nagele zeigt auch in diesem Krimi, dass sie ein gutes Händchen für psychologisch ausgefeilte Krimis hat – ich war ruckzuck mittendrin im Geschehen und konnte sehr gut nachempfinden, was Violetta durchmachen musste. Die Autorin schildert sehr eindringlich, mit welchen Dämonen die Opfer von Gewaltverbrechen zu kämpfen haben und wie wichtig es ist, dass Betroffene professionelle Hilfe bekommen.

Andrea Nagele versteht es dabei ausgezeichnet, dem Leser die Gedanken und Gefühle, die Ängste, die erdrückenden Erinnerungen und die Albträume, die Violetta nach dem traumatischen Erlebnis den Boden unter den Füßen wegziehen, zu vermitteln.
Auch die Rat- und Hilflosigkeit der Menschen aus dem persönlichen Umfeld der Opfer und deren ganz unterschiedlicher Umgang mit der schwierigen Situation wird beleuchtet.

Maddalena Degrassi ist bewusst, dass sie schnell handeln muss, um den Täter zu stoppen, doch fehlende Spuren und Hinweise lassen die Ermittlungen stocken - Maddalena kann nicht verhindern, dass eine junge Frau ermordet wird…

„Grado im Dunkeln“ hat mir insgesamt gut gefallen. Die Geschichte wird spannend erzählt und ich konnte mit den Akteuren mitfiebern. Der eigentliche Kriminalfall lässt mich jedoch ein wenig unzufrieden zurück, weil Fragen offen bleiben. Es gelingt Maddalena zwar am Ende, einen Täter dingfest zu machen - die Indizien sind erdrückend, der vermeintliche Täter gesteht – und doch bleiben Zweifel, ob der Fall wirklich aufgeklärt wurde.

Bewertung vom 31.08.2017
Bodden-Tod
Kastner, Corinna

Bodden-Tod


ausgezeichnet

Barnstorf/Fischland. Die Schriftstellerin Greta Sievers hat den Auftrag des Galeristen Matthias Röwer angenommen, eine Biographie über dessen Großvater zu schreiben. Nicht nur das Honorar lockte, auch die Aussicht, einige Zeit auf dem malerischen Fischland zu leben und zu arbeiten, hat Greta nicht zögern lassen, Röwer zuzusagen - und damit rauscht die Mittdreißigerin in eine Geschichte, die immer mysteriöser zu werden scheint und schließlich sogar richtig gefährlich wird…

Corinna Kastner hat einen angenehm zu lesenden, sehr fesselnden Schreibstil, so dass ich schnell mittendrin im Geschehen war und schon nach kurzer Zeit das Gefühl hatte, mit allen Akteuren gut vertraut zu sein.

Ganz besonders punkten kann Corinna Kastner mit ihrer Darstellung von Land und Leuten. Die Handlungsorte werden detailreich beschrieben und die Eigenart und Schönheit der Landschaft hervorgehoben - den ganzen Charme, den der Landstrich zu bieten hat, hat die Autorin in ihren Krimi gepackt. Ich konnte mir lebhaft vorstellen, dass Greta begeistert war, für einige Zeit dort zu leben und bin mir sicher, dass ich mich in diesem Idyll auch wohlfühlen würde.

Corinna Kastner hat auch ein gutes Händchen für Figuren. Jeder Einzelne bekommt schnell ein Gesicht und nimmt einen wichtigen Platz in der Geschichte ein. Die Akteure werden dabei allesamt sehr authentisch dargestellt, wirken echt und handeln glaubwürdig und nachvollziehbar.

Auf Greta warten nicht nur ein interessanter Auftrag und ein idyllisches Flecken Erde, sie bekommt es während ihrer Recherchen auch mit einem dunklen Familiengeheimnis und einer skelettierten Leiche zu tun – Ungereimtheiten, Gerüchte und rätselhafte Andeutungen ranken sich um die Familie Röwer und lassen nicht nur Greta, sondern auch den Leser über die Geschehnisse innerhalb der Familie und über das vor Jahren spurlose Verschwinden von Gretas Vorgängerin, der Biographin Wiebke Theunert, grübeln und spekulieren.

„Bodden-Tod“ hat mich durchweg begeistert. Eine herrliche Mischung aus Spannung, Romantik und wunderbarem Lokalkolorit - die abwechslungsreiche Handlung hat mich nicht nur sehr gut unterhalten, sondern hat mir auch viel Platz zum Miträtseln über Täter, Motive, Zusammenhänge und Hintergründe gegeben.

Bewertung vom 30.08.2017
Endstation Neukölln
Roters, Connie

Endstation Neukölln


ausgezeichnet

Berlin-Neukölln. Im Hausflur eines Hauses in der Braunschweiger Straße wird der Drogendealer Johannes Faris Rosenholz erstochen aufgefunden. Die Spur führt in die Wohnung des drogensüchtigen Thomas „Toto“ Tollner. Kurze Zeit später wird der rechtsextreme Daniel Busse erschlagen auf einem Grünstreifen der Schillerpromenade entdeckt – nicht nur die Frage nach einem möglichen Zusammenhang zwischen den Mordfällen gibt den ermittelnden Kommissaren Rätsel auf…

„Endstation Neukölln“ ist bereits der dritte Fall für Breschnow und seine Kollegen, der Krimi ist aber auch ohne Kenntnis der vorherigen Bände bestens verständlich.

In diesem Krimi stellt Connie Roters die Menschen, die in unserer Gesellschaft keinen Halt finden, in den Mittelpunkt und nimmt den Leser mit in eine dunkle Parallelwelt, in der Alkohol und Drogen an der Tagesordnung sind und Gewalt und kriminelle Machenschaften vorherrschen.

Mit ihren detailreichen Beschreibungen und ausführlichen Schilderungen zeichnet Connie Roters ein sehr authentisches Bild des Berliner Bezirkes. Jede Szene wirkt lebendig und ist fesselnd, so dass ich nicht nur ruckzuck mittendrin im Geschehen war, sondern auch durchweg bestens mit den Akteuren mitfiebern und mit den Ermittlern über Hintergründe und Zusammenhänge mitgrübeln und miträtseln konnte.

Die Akteure werden von Connie Roters vielschichtig präsentiert. Jeder Einzelne spielt die ihm zugedachte Rolle ausgezeichnet und belebt mit seinen Eigenarten, Macken und Besonderheiten die Szenerie. Alle sind ausdrucksstark, wirken echt und handeln glaubwürdig. Man lernt ihren Alltag kennen, erfährt etwas über ihre Probleme, ihre Ängste und Sorgen, ihre Träume und Erinnerungen. Man erhält einen Einblick in ihre Gedanken und Beweggründe und erlebt alles, was sie durchmachen, sehr intensiv mit.

Hauptkommissar Stefan Breschnow liebt seine Neuköllner Kieze mit all ihren hellen und dunklen Facetten. Der Hobbylyriker, dem zu seinem Leidwesen im Moment die Worte für seine Gedichte fehlen, wirkt immer ein wenig mürrisch. Er raucht Kette, kann die Finger nicht von Alkohol lassen und begeht diesmal während der Ermittlungen einen folgenschweren Fehler.
Am meisten ans Herz gewachsen ist mir die 18-jährige Kimmie Naumann. Kimmie wird nicht nur von einer Jugendbande drangsaliert und sorgt sich um ihren heroinabhängigen Freund Toto, sie kümmert sich auch um ihre jüngeren Schwestern, weil ihre alkoholabhängige Mutter nicht dazu in der Lage ist. Man bangt um Kimmie und hofft durchweg, dass sie einen Ausweg aus ihrer Misere finden wird.
Auch die Journalistin Cosma Anderson spielt eine wichtige Rolle. Gespannt kann man verfolgen, ob sie ihrem Ziel, als Kriminalreporterin Fuß zu fassen, näher kommt oder ob sie sich in ihrem Eifer doch zu weit vorwagt.

Nicht nur die Charaktere sind interessant, auch der Kriminalfall ist spannend und wird im Verlauf der Handlung immer dramatischer. Breschnow & Co. geraten in einen Strudel aus Lügen, Gewalt und mieser Geschäftemacherei. Zahlreiche offene Fragen und überraschende Wendungen sorgen für ein abwechslungsreiches Geschehen und lassen zu keiner Zeit Langeweile aufkommen.

„Endstation Neukölln“ hat mich durchweg begeistert. Ein fesselnder, gut durchdachter Krimi, der nicht nur von der ersten bis zur letzten Seite kurzweilige, spannende Unterhaltung bietet, sondern aufgrund seiner aufwühlenden Thematik lange nachhallt.