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Insgesamt 577 Bewertungen
Bewertung vom 01.12.2007
Ghost
Harris, Robert

Ghost


ausgezeichnet

Harris ist mit seiner Geschichte von Adam Lang eine Parabel auf die Zeit Toni Blairs gelungen. Die Nähe zwischen Amerika und Großbritannien mag dabei übertrieben eng gezeichnet worden sein, doch gipfelt sie in Langs Vergleich, wenn er vorschlägt: Demnächst am Flughafen zwei Reihen aufzustellen. In der einen würde die Bürgerrechte zu Gunsten der Sicherheit aufgegeben und in der anderen nicht kontrolliert und die Bürgerrechte gewahrt. In welcher Reihe würden die Kritiker wohl ihre Kinder anstellen? So mag die politische Klasse mittlerweile denken, es zu hören, erschreckt einen trotzdem. Harris schafft es, ein Spiegelbild unseres Lebens, die Veränderungen so zwangläufig darzustellen, daß die Politiker darin vor allem vor einer Kamera bestehen. Die Ereignisse treiben sie mehr, als dass sie sie gestalten. Laufen Sie aus dem Ruder, geschieht ein Mord. Geschickt wählt Harris einen Ich-Erzähler zu seinem Ghost. Mit seinen Augen dringen wir tiefer in die abseitigen Machenschaften diesseits und jenseits des Atlantiks ein. Ein Politthriller, dessen Geheimnis lakonisch am Ende entblättert wird. Leise schleicht sich die Geschichte ein und steigert sich bis zum Ende, wenn sie alle nur noch Verlierer sind. So muß ein Politthriller sein.
Polar aus Aachen

4 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 26.11.2007
Ein verhängnisvolles Versprechen / Myron Bolitar Bd.8
Coben, Harlan

Ein verhängnisvolles Versprechen / Myron Bolitar Bd.8


ausgezeichnet

Wie leicht man sich durch ein Versprechen in die Bredouille bringen kann, beschreibt Harlan Coben, indem er einen alltäglichen Vorfall wie eine Schlinge auslegt, in der sich im Verlauf der Handlung seine Figuren verfangen. Coben hat es nicht nötig, das große Rad zu schwingen, effekthaschende Spannung einzusetzen, seine Geschichte zieht ihren Reiz daraus, dass wir uns selbst darin durchaus vorstellen können. Myron Bolitar will nur eins: helfen. Die Tochter von Freunden soll ihn anrufen, wenn sie in Schwierigkeiten gerät und sich nicht traut, die Eltern zu verständigen, damit die sie abholen. Er kämpft mit seinem Versprechen und entscheidet sich, als der Fall eintritt, den Mund zu halten, obwohl er die Gefahr ahnt. Dadurch wird er zum Schuldigen. Ein Versprechen, das wir leichtherzig alle geben würden. Coben entwickelt den Plot langsam, zeichnet Freundschaften, wie Feindschaften nach. Selbst die Einführung der sadistischen Zwillinge erscheint vor diesem Hintergrund folgerichtig. Der Autor ist ein fulminanter Erzähler, der es nicht nötig hat, seine Protagonisten scherenartig in Gut und Böse zu teilen. Die Schwächen aller treiben die Handlung voran. Die Angst vor verflossenen, wie neuen Lieben, die Furcht vor den eigenen Geheimnissen wie fremden, die sich in Seitensprüngen wie Gewaltausbrüchen äußern. Myron der große Backeballstar muß miterleben, wie er für Aimee das Tor zu ihrer Wunschschule weit aufstößt und erfahren, daß sein Einsatz für den Sohn einer bekannten Familie dazu führt, daß dessen Tor sich schließt. Diese kleinen Geschichten am Rande machen den Unterschied. Und nicht umsonst ist Harlan Coben ein hoch dekorierter Autor. Er weiß in Ein verhängnisvolles Verbrechen zu erzählen und die Spannung so zu steigern, daß wir uns darin verfangen.
Polar aus Aachen

1 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.11.2007
Der siebte Tod
Cleave, Paul

Der siebte Tod


schlecht

Auf dem Papier erscheint manche Idee oft so überzeugend, dass ein Autor der Meinung ist, einen spannenden Plot daraus entwickeln zu können. Leider ist das nicht immer der Fall, und auch Paul Cleave mag beim Schreiben gedacht haben, dass ein Thriller aus der Sicht eines Serienkillers zu schreiben, ein Selbstläufer ist, wenn nur genug Morde und grausame Schilderungen darin vorkommen. Sein Anti-Held überzeugt nicht. Er weiß alles, er kann alles und er stellt sich dumm. Ausgerechnet als Putzkraft im Polizeipräsidium, an der Quelle sozusagen. Natürlich dürfen nicht die hysterische Mutter, die einen Sohn in den Wahn treibt, und auch nicht die abgeschmackte drastische Beschreibung sexueller Abartigkeiten fehlen. Wenn dann auch noch Melissa auftaucht, Joes Folter, sein Verlust eines Hodens minutiös geschildert wird, driftet das Ganze in ein krudes Gespinst ab, das überraschen soll, aber einen nicht zu fesseln versteht. Hitchcock hat einmal behauptet, der Unterschied zwischen seinen Filmen und denen anderer Regisseure bestehe darin, daß er sich nicht auf die Überraschung verlasse, die nur von kurzer Dauer sei. Spannung erzeuge man durch die spärlich verstreute Information, die ein Zuschauer erfährt und die wie eine Saat aufgehen müsse. Zwar wissen wir alles über Joe, aber er langweilt uns. Auch die Arbeitskollegin Sally überzeugt nicht wirklich. Das gesamte Personal ist zu eindimensional der Sicht der Hauptfigur unterworfen. Selbst Melissa nimmt niemand ihre scheinbare Überlegenheit ab. So fließt die Geschichte in einem behäbigen Redestrom dem Showdown zu und hat ihren Leser längst verloren.
Polar aus Aachen

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.11.2007
Der Teufel von Mailand
Suter, Martin

Der Teufel von Mailand


schlecht

Auch einem guten Autor unterlaufen schwächere Bücher. Das mag ihm vorbehalten sein. Als Leser ist man umso enttäuschter, wenn man seine anderen Bücher schätzt. Was Martin Suter geritten hat, sich dieser Geschichte zuzuwenden, muß er niemandem beantworten, doch Sonias Flucht in die Abgeschiedenheit, die Suche nach Frieden, ihre Drogenerfahrung hat wenig mit der poetischen Bewusstseinserweiterung aus Partrick Süßkinds Parfüm oder Robert Schneiders Schlafes Bruder zu tun. Diese hier ist sie lediglich behauptet, weil der Autor es so will. Weniger die Wirklichkeit gerät aus den Fugen, als die Glaubwürdigkeit einer Geschichte, die zu viel will, und sich darüber hinaus auf Biegen und Brechen dem Spannungselement verschreibt. Das kann nicht gut gehen, das geht nicht gut.
Polar aus Aachen

7 von 11 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.11.2007
Liebe usw.
Barnes, Julian

Liebe usw.


sehr gut

Die Frage lautet: Was wird aus der Liebe, wenn zehn Jahre verstrichen sind? Was, wenn sie eigentlich einem anderen gehörte? Und wenn dieser andere noch der beste Freund war. Julian Barnes erweitert das Spektrum der Dreiecksliebe nicht romantisch verklärt wie bei Jules und Jim sondern haftet mit beiden Füßen am Boden. Der eine Freund spannt dem anderen Freund die Ehefrau aus. Soll schon vorgekommen sein. Und man hat auch schon davon gehört, daß Ehen trotz eines guten Starts sich abnutzen. Eigentlich könnte sich Stuart zufrieden zurück lehnen, um sich seinem Leben zu widmen, doch bohrt die Erniedrigung in ihm auch nach zehn Jahren noch, wie in fast allen, die verlassen wurden. Warum dann nicht den Spieß umdrehen, die Frau zurück gewinnen wollen? So wechselt unten nach oben und oben nach unten, sieht der einstige Gewinner Oliver ziemlich verbraucht nach zehn Jahren aus, gewinnt der Verlierer Stuart seine Souveränität zurück, indem er helfend zur Seite springt und den Effekt erzielt, den er sich seit Julian Barnes erster Geschichte über Gillian "Darüber reden" ersehnt hat. Ein Kammerspiel zwischen Komödie und bürgerlicher Tragödie, leicht geschrieben und deswegen umso näher an den Erfahrungen jedes einzelnen Lesers. Barnes at his best, denn so einfach, wie man es sich als Mann vorstellt, ist es im Leben nicht. Nicht bei einer Frau wie Gillian.
Polar aus Aachen

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.11.2007
Schmidt
Begley, Louis

Schmidt


ausgezeichnet

Louis Begley weiß, wovon er schreibt. Er ist selber ein äußerst erfolgreicher Anwalt gewesen und sicher werden ihn die Schreckgespinste der Pensionierung schon lange vor seinem Roman heimgesucht haben. Mit einem Augenzwinkern erzählt er uns die Geschichte des New Yorker Anwalts Albert Schmidt, der nicht loslassen kann, der sich in eine Welt hinausgeschleudert sieht, auf die er nicht vorbereitet ist. Selbst die heiße Liebe zu einer puertoricanischen Kellnerin ist nicht dazu gemacht, ihm seinen Frieden zu geben. Noch will er zu viel. Zum Beispiel seiner Tochter vorschreiben, wen sie zu heiraten hat. Schmidt unterläuft das, was vielen Pensionären unterläuft, sie grenzen sich selbst aus, wollen von Chancen für das Leben nach der Arbeit nichts wissen, sind der Meinung mit allem ausgerüstet zu sein, was sie zum Leben brauchen. Sie sehnen den Moment herbei und werden von ihm erschlagen. So kann das Leben zur Hölle werden, die Verzweiflung überhand nehmen. Gäbe es da nicht Louis Begleys Humor, der den alltäglichen Fallen ein Schmunzeln abringen kann und der seinem Helden Schmidt einen Hauch Überlebenswillen verleiht, so daß selbst die Rente zum Abenteuer wird.
Polar aus Aachen

Bewertung vom 22.11.2007
Schrei nicht so laut / Charlie Resnick Bd.1
Harvey, John

Schrei nicht so laut / Charlie Resnick Bd.1


ausgezeichnet

Man hätte dem Thriller einen weniger reißerischen deutschen Titel gewünscht. Was quält einen Polizeibeamten mehr als ein Fall, den er nicht gelöst hat. Zumal wenn ihn Alpträume verfolgen, weil er der Mutter einer Verschwundenen versprochen hat, die Tochter zu finden. Die eigentliche Mordserie liegt zehn Jahre zurück. Die Täter sitzen im Gefängnis. John Harvey bietet seinem Inspector Elder keinen beschaulichen Lebensabend. Nicht nur, daß das Morden draußen in der Welt weitergeht, neue Fälle an alte erinnern, das eigene Versagen erneut ans Tageslicht gezerrt wird, vielmehr gibt es da noch eine Scheidung von einer Frau zu bewältigen, die ihn lange Zeit hinters Licht geführt hat, und einer Tochter Beiseite zu stehen, die ihren Platz in der Welt sucht, indem sie auf der Kurzstrecke stets die erste sein will. Ausgerechnet zur selben Zeit wird auch noch Shane Donald entlassen, der an der Mordserie vor zehn Jahren beteiligt war, dem nicht nur der Haß eines Vaters entgegenschlägt, für den sich auch die Yellow Press zu interessieren beginnt. Harvey wechselte die Schauplätze, die Personen, richtet den Fokus auf alle möglichen Blickwinkel. Wie Gewalt entsteht, wie sie nicht zur Ruhe kommt, wie einem nichts anderes bleibt, als Täter wegzusperren. Daß ausgerechnet Elders Tochter darin verstrickt wird, ist als Steigerung zwar absehbar, aber so behutsam eingeführt, daß sie wie die logische Folge einer verbrecherischen Manie erscheint. Ein Schuss Hannibal Lecter im Gefängnis, ein Schuss zur Gewalt verdammter Jugend, eine Prise Liebe zwischen Verlorenen steigert die Spannung von Kapitel zu Kapitel. Ein hochgerühmter Thriller mit einem überraschenden Finale. Das Leben birgt nicht nur eine Seite, zumeist läuft man ihm auf vielen Wegen hinterher.
Polar aus Aachen

3 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 20.11.2007
Kurze Geschichte des Traktors auf Ukrainisch
Lewycka, Marina

Kurze Geschichte des Traktors auf Ukrainisch


sehr gut

Natürlich tauchen Klischees in diesem Roman auf: Ein alter Mann verliebt sich in eine junge Frau, die ihn ausnimmt, sich die Einbürgerung zu erschleichen sucht, zwei Schwester sind zerstritten wegen des Erbes und selbst die Geschichte der Ukraine spart schwächere Anspielungen nicht aus. Und was kommt am Ende heraus: man amüsiert sich. Wenn auch der eine oder andere Kritiker behaupten wird: Aber unter seinem Niveau. Marina Lewycka ist mit ihrer verschrobenen Geschichte dieser Familie etwas gelungen, was viele Autoren sich vornehmen, aber nicht einhalten können: Der bitterböse Blick kommt mit einem Lächeln daher. Wie Kinder ihre Eltern im Alter bevormunden wollen, obwohl die ein Recht darauf haben, auch am Ende des Lebens alles falsch zu machen, wie die Hungersnot in der Ukraine dank Stalins Kulaken-Politik verknüpft wird mit der Einführung des Traktors, oder wie das Leben in der Immigration dazu führt, Landsleute selbst als Immigranten zu betrachten, weist daraufhin, daß Lewycka vor allem eins besitzt, eine überbordende Fantasie gepaart mit Sarkasmus, der nicht verletzt. Nichts ist unmöglich, dabei hilft ihr vor allem eine pointierte Dialogführung, die der Geschichte Tempo verleiht. Und wenn der Vater am Ende die Arme hochhebt und tief durchatmet, um die Sonne zu grüßen, hat man eines nicht: sich gelangweilt. Was Unterhaltungsliteratur oft schafft, aber selten wie hier über ihrem Niveau.
Polar aus Aachen

4 von 7 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.11.2007
Der Zirkusbrand
O'Nan, Stewart

Der Zirkusbrand


schlecht

Steward O'Nan ist als Vielschreiber bekannt. Solche Autoren wirft man leichtfertig vor, sie sollten weniger, dafür im Gesamten bessere Bücher publizieren. Bei O'Nan trifft der Vorwurf selten zu. Seine Bücher selbst die umfangreicheren, die in schneller Folge aufeinander erscheinen, bergen zumindest in Teilen immer wieder faszinierende Blicke auf unsere Gesellschaft. In vielen seiner Romane unterstreicht er, was für ein hervorragender Autor er ist. Was ihn dazu getrieben hat, den größten Zirkusbrand der amerikanischen Geschichte auf knapp 500 Seiten zu beschreiben, kann man nur vermuten. Die Faszination für das Thema war sicher intensiver als die Auseinandersetzung mit der Durchführung. Ein Sachbuch, dem es gut getan hätte, wenn es zweihundert, gar dreihundert Seiten kürzer gewesen wäre. Als Leser ist man nicht bereit, O'Nan überallhin in seiner Detailbesessenheit zu folgen. Es taucht zu vieles in seinem Buch auf, was ihm wichtig erschien, einen Leser nach der Einführung aber eher langweilt. Zumal man weiß, daß der Zirkus wirklich brennen wird, die Ursachenforschung überquillt. Wie ein Autor ein Thema in wenigen Sätzen Spannung verleiht, Beschreibungen durch ihre Messerschärfe faszinieren, hat O'Nan bewiesen. Er kann das. Der Zirkusbrand erscheint wie eine Privatangelegenheit, die der Autor hat schreiben müssen.
Polar aus Aachen

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.