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⇢ Ich bin: Ex-Buchhändlerin, Leseratte, seit 2012 Buchbloggerin, vielseitig interessiert und chronisch neugierig. Bevorzugt lese ich das Genre Gegenwartsliteratur, bin aber auch in anderen Genres unterwegs. ⇢ 2020 und 2021: Teil der Jury des Buchpreises "Das Debüt" ⇢ 2022: Offizielle Buchpreisbloggerin des Deutschen Buchpreises

Bewertungen

Insgesamt 735 Bewertungen
Bewertung vom 12.12.2015
Nebelsilber
Heitmann, Tanja

Nebelsilber


ausgezeichnet

Die meisten Menschen kennen ihn aus dem Deutschunterricht: den Erl(en)könig, wie er zum Beispiel in Goethes Ballade beschworen wird: :

"Mein Sohn, was birgst du so bang dein Gesicht? -
Siehst, Vater, du den Erlkönig nicht?
Den Erlenkönig mit Kron’ und Schweif? -
Mein Sohn, es ist ein Nebelstreif."

Tanja Heitmann spinnt auf Grundlage dieser alten Legende eine eindringliche, zeitlos märchenhafte und doch moderne Geschichte von düster-poetischer Magie, die auf mich eine unwiderstehliche Sogkraft ausübte. So sollten moderne Märchen in meinen Augen sein: eine Hommage an die alten Geschichten, aber dennoch originell und frisch, mit Charakteren, mit denen auch junge LeserInnen sich identifizieren können. Und das gelingt der Autorin hier wunderbar.

Edie und ihre neuen Freunde sind starke, unverwechselbare Charaktere, die mir sicher noch lange im Gedächtnis bleiben werden!

Edie selber ist sich schon seit frühster Kindheit bewusst, dass sie Dinge sieht, die andere Menschen nicht wahrnehmen, und sie hat jung erkannt, dass sie das besser vor den Erwachsenen versteckt. Ihr Gabe hat sie nachdenklich gemacht, wenig interessiert an Partys, Alkohol oder albernen Mädelsabenden. Auf oberflächliche Schönheit gibt sie wenig, für sie zählen die inneren Werte. Im Laufe der Geschichte entdeckt sie ihren eigenen Mut, ihre Entschlossenheit, und dass wahre Freunde für sie sehr wichtig sind.

Zu ihren besten Freuden zählen der extravagante Addo, der auch in der Schule Anzüge und feine Schuhe trägt und schon bei der Vorstellung Schnappatmung kriegt, sich dreckig zu machen oder sich mit irgendwelchen Viren zu infizieren. Aber so ängstlich und schrullig er auch wirkt, so bedingungslos loyal ist er auch. Dass er für alles doppelt so viel Mut braucht, macht es umso bewundernswerter!

Das zweite Mädchen im Bund ist Marischka, deren bester Freund Silas vor zehn Jahren im Nebel verschwand. Seither sucht sie nach einem Weg in Silas Märchenwelt, sehnt sich danach, wieder durch die Schranken der Realität sehen zu können, wie sie das früher mit ihm konnte. Sie ist kreativ, mutig, denkt nie in geordneten, vorgegebenen Bahnen und schert sich keinen Deut um das Gerede der Leute (solange es nur sie selbst betrifft und nicht ihre Freunde).

Und dann gibt es natürlich noch Silas, das geraubte Kind, den Edies Herzschlag nach über zehn Jahren aus seiner Gefangenschaft befreit. Er kann sich an diese Jahre nicht erinnern und wirkt wie eine Mischung aus dem unschuldigen Kind, das er vor seiner Entführung war, und einem jungen Mann, den seine schrecklichen Erlebnisse, auch wenn er sich nicht bewusst an sie erinnern kann, weit über seine 17 Jahre hinaus haben altern lassen. Wie sagte Nietzsche so schön: Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein?
Ich fand die Geschichte durchweg unheimlich spannend, denn es gibt immer wieder neue Entwicklungen, so dass ich schnell feststellte, dass die Dinge doch weit verwickelter und komplexer sind, als sie erst erscheinen! Die wahre Natur des Erlkönigs und seines Volkes, aber vor allem, wie sich die Berührung mit dieser Welt auf Silas ausgewirkt hat, hat mich immer wieder überrascht, und mit dem Ende hatte ich nun wirklich nicht gerechnet.

Den Schreibstil fand ich großartig, voller dunkler und doch bestechend schöner, atmosphärischer Bilder.

"Die Decke aus Kristallen breitete sich wie von Zauberhand über die Stämme aus und verwandelte die Bäume in etwas, das mehr war als Wurzeln, Rinde, Astwerk und Blatt: Sie wurden zu einem Kunstwerk, dem ein eigenes Leben innewohnte. Die Erlen, begriff Edie. Sie gehören ihm. Er ruft sie, hüllt sie in seinen Zauber ein, Doch wer war er?"

Die Liebesgeschichte fand ich wunderschön und überhaupt nicht kitschig, denn es ist die zaghafte Annäherung zweier ungewöhnlicher Seelen, die von der selben dunklen Macht berührt wurden und nicht so recht wissen, wie seit sie sich selber oder sich gegenseitig vertrauen können.

Bewertung vom 11.12.2015
Windfire
Raven, Lynn

Windfire


sehr gut

Interessant, ansprechend und originell fand ich die fantastischen Wesen, die die Welt von Windfire bevölkern: statt der üblichen Vampire, Dämonen und Engel gibt es hier vier Völker, die aus den Elementen entstanden sind. Aus dem Feuer entstanden die aufbrausenden, hitzköpfigen Djinn, aus dem Wasser die friedfertigen, geheimnisvollen Faye. Erde und Wind verbanden sich mit den Menschen zu Elementarwesen: Erdmagiern und Windhexen.

Die Entstehungsgeschichte wird schlüssig und überzeugend erzählt, und sie bietet auch eine gute Grundlage für einen einfallsreichen Fantasyroman. Besonders Djinn sieht man in der Fantasyliteratur ja noch eher selten, dabei bieten sie so viel interessante Mythologie!

Anderes fand ich weniger originell: im Mittelpunkt der Geschichte stehen ein Mann und eine Frau, die sich erst nicht ausstehen können, sich aber dennoch direkt und sofort voneinander angezogen fühlen. Das ist etwas, was ich schon genau so in (für meinen Geschmack) zu vielen Büchern gelesen habe! Darüber hinaus gehören sie auch noch zu verschiedenen Faktionen, eine Beziehung wäre daher eigentlich verboten oder zumindest verpönt.

Jessie (oder "Madame Zimtzicke"), die Protagonistin, war mir dennoch direkt sympathisch. Sie ist mit ihrem kleinen, todkranken Stiefbruder auf der Flucht vor ihrer Tante Gwen, die sich das gemeinsame Erbe unter den Nagel reißen will - und dabei muss Jessie auch noch drei Jobs gleichzeitig arbeiten, um die horrenden Krankenhausrechnungen bezahlen zu können. Dennoch würde es ihr nie in den Sinn kommen, Danny im Stich zu lassen oder ihn einfach zum Sterben in ein Hospiz einzuweisen!

Mit Shane ("Mr Vollidiot) wurde ich deutlich langsamer warm, er war mir am Anfang zu sehr Testosteron-strotzendes Alphamännchen. Aber im Laufe der Geschichte freundete ich mich mit ihm an, denn er hat doch mehr zu bieten als nur ein heißes Äußeres und ein arrogantes Auftreten - so will er zum Beispiel lieber sein Leben in Kriegsgebieten riskieren, um die Geschehnisse dort zu dokumentieren, als viel einfacher und bequemer mit Modefotografie sein Geld zu verdienen.

Trotzdem hatte es die Liebesgeschichte bei mir lange sehr schwer; erst im letzten Drittel bekam ich das Gefühl, dass die beiden wirklich mehr miteinander verbindet als unerklärliche Instant-Liebe.

Die Geschichte bietet sehr viel Action: Verfolgungsjagden, rasante Wettläufe gegen die Zeit, skrupellose, übermächtige Gegner... Natürlich gibt es auch fatale Missverständnisse und falsche Verbündete. Deswegen bleibt das Tempo meist rasant und die Spannung hoch, wodurch sich das Buch zumindest inhaltlich leicht und unterhaltsam runter liest.

Leider wird dieser Lesefluss in meinen Augen aber empfindlich gestört durch den Schreibstil. Er enthält extrem viele Passagen, die in abgehakten Satzfragmenten erzählt werden. Statt Nebensätze mit Kommata abzutrennen, wird ein Satz einfach stattdessen mit Punkten unterteilt.

Das kann gut funktionieren. In schnellen, atemlosen Szenen. Denen kurze Satzfragmente dann eine Art hypnotische Dringlichkeit verleihen. Aber in meinen Augen wird dieses Stilmittel einfach gnadenlos überstrapaziert. So dass ich schnell das Gefühl hatte, dagegen komplett abzustumpfen. Wodurch genau diese Dringlichkeit wieder verloren ging.

"Nur die menschlichen Elementare konnte man wirklich einsperren. Weil sie eben in erster Linie Menschen waren. Und nicht fleischgewordene Naturgewalten.Trotzdem würde es keiner wagen. Weil es ganz einfach zu viel Aufmerksamkeit erregen würde."

Auch andere Dinge störten für mich den Lesefluss; so werden Personalpronomen oft uneindeutig gesetzt, und gelegentlich wird "..." in meinen Augen etwas zu großzügig verwendet.

Der Schreibstil ist ansonsten meist locker und humorvoll, ohne die Dinge allzu ernst zu nehmen. Dennoch gibt es auch immer mal wieder magisch märchenhafte Szenen mit einer sehr dichten Atmosphäre.

Bewertung vom 06.12.2015
Der Engelsbaum
Riley, Lucinda

Der Engelsbaum


gut

Zwei Dinge vorneweg:

Erstens, ich habe die ersten Kapitel des Buches auf deutsch gelesen, bin danach aber auf das ungekürzte englische Hörbuch umgestiegen. Dennoch denke ich, dass ich anhand der auf deutsch gelesen Kapitel sagen kann, dass die Übersetzung sehr gut gelungen ist und sich sehr ansprechend liest.

Zweitens, ich war der Meinung, bei "Der Engelsbaum" handle es sich um ein aktuelles Buch der Autorin, und ich war überrascht, als ich feststellte, dass das Buch eigentlich schon vor 20 Jahren unter einem anderen Titel und einem Künstlernamen erschienen ist!

Ich habe erst vor kurzem eines der neueren Bücher von Lucinda Riley gelesen, und ich habe tatsächlich den Eindruck, dass man da einen Unterschied bemerkt: zwar ist auch "Der Engelsbaum" eine komplexe, verschachtelte Geschichte, die sich über mehrere Generationen erstreckt und sich dem Leser nur in kleinen Puzzleteilchen enthüllt, aber die Charaktere zeigen in meinen Augen weniger Tiefe. Auch der Schreibstil hat meiner Meinung nach nicht die gleiche detailverliebte Lebendigkeit, nicht ganz die mühelose Sogkraft. Besonders die Dialoge fand ich öfter ein wenig hölzern.

Dazu muss ich aber sagen, dass das Jammern auf hohem Niveau ist: wäre es kein Buch von Lucinda Riley, hätte ich nicht solch hohe Erwartungen zur Lektüre mitgebracht! Die Geschichte hat durchaus ihre glanzvollen Momente, ihre originellen Einfälle... Ich fand sie auch überwiegend unterhaltsam und spannend zu lesen, mit nur gelegentlichen Längen. Der Schreibstil ist beileibe nicht schlecht, nur eben meines Erachtens nicht ganz auf dem Niveau, das Lucinda Riley in ihren neueren Werken vorlegt.

Mein größtes Problem waren allerdings die Protagonistinnen: im Mittelpunkt stehen zwei Frauen, die es mir zunehmend schwer machten, sie zu verstehen - Greta und ihre Tochter Cesca. Greta trifft fatale Entscheidungen, verstrickt sich in Lügen oder benimmt sich einfach selbstsüchtig, und das wuchert nicht nur in ihrem Leben wie ein Krebsgeschwür, sondern setzt sich auch fort ihm Leben ihrer Tochter.

Das fand ich durchaus interessant und auf traurige Art auch realistisch. Beide Frauen sind im Grunde Opfer unglücklicher Umstände, und dazu kommt noch die gravierende psychische Erkrankung einer der beiden. Dennoch fiel es mir wirklich schwer, sie zu mögen und mit ihnen mitzufühlen, und ich habe mir oft gewünscht, dass sie endlich die Verantwortung für ihr eigenes Leben übernehmen.

Das lag zum Teil auch an der Art und Weise, wie sie David behandeln, den Ruhepol in ihrem Leben - David, der über mehrere Jahrzehnte (!!) alles für Greta und Cesca tut, ohne dass er viel von ihnen zurückbekommt. Er ist immer da, wenn sie ihn brauchen, er lässt alles stehen und liegen, wenn sie mit den Fingern schnippen, während sein eigenes Leben in einer Art Limbo verharrt. Das wirkte auf mich eher krankhaft als romantisch!

Überhaupt sind die meisten Liebesbeziehungen in diesem Buch in meinen Augen ungesund - zum Teil obsessiv, zum Teil reine Zweckgemeinschaften, und in einem Fall wird eigentlich nur aus Rache geheiratet. Die Ausnahme von all dem ist Ava, die dritte Generation: die Tochter von Cesca beziehungsweise Enkelin von Greta. Sie steht mit beiden Beinen auf dem Boden und hat auch als einzige der drei Frauen eine liebevolle, gesunde Beziehung.

Aber wie schon gesagt: trotz allem fand ich die Geschichte unterhaltsam und spannend, auch wenn ich mich den Charakteren wenig verbunden fühlte.

Fazit:
1995 erschien "Der Engelsbaum" in der englischen Erstausgabe - unter dem Titel "Not Quite an Angel" und dem Künstlernamen Lucinda Edmonds. Vergleicht man das Buch mit den neueren Werken der Autorin, sieht man in meinen Augen, dass sich ihr Stil in den letzten 20 Jahren deutlich verbessert hat!

Ich hatte deutliche Schwierigkeiten mit den zwei Frauen, die im Mittelpunkt des Geschehens stehen, fand das Buch im Ganzen aber dennoch lohnend und unterhaltsam.

Bewertung vom 02.12.2015
Erkenne dein Gesicht / Ugly - Pretty - Special Bd.2
Westerfeld, Scott

Erkenne dein Gesicht / Ugly - Pretty - Special Bd.2


ausgezeichnet

Tally Youngblood hat das perfekte Leben: sie ist wunderschön und beliebt, und jeder Tag ist eine immerwährende Party. Das größte Problem sind die falschen Klamotten und der fiese Kater am Morgen. Endlich gehört Tally dazu, sie ist mitten drin im Rausch von New Pretty Town - und dennoch, dennoch ist da ein Teil von ihr, der sich seltsam leer fühlt. Aber es ist so schwer, darüber nachzudenken, denn immer, wenn sie versucht, etwas in Gedanken kritisch zu hinterfragen, ist es auf einmal viel zu ermüdend, viel zu... unwichtig... viel zu... Oh, guck mal, sind das nicht total prickelnde Schuhe?!

Nur manchmal wacht sie aus diesem seichten, weichgespülten "Pretty-Denken" auf und fühlt sich wieder lebendig. Prickelnd. Aber dazu braucht es einen gewissen Kick, pures Adrenalin. Eine gefährliche Situation. Einen Kuss. Oder beides.

Eine Begegnung mit jemandem aus ihrer Vergangenheit und ein Brief, denn Tally damals an sich selbst geschrieben hat, erinnern sie daran, warum diese Welt nicht gerecht ist und die Dinge sich ändern müssen. Aber es ist gefährlich, nicht mit dem Strom zu schwimmen... Ach, Pfusch.

Tallys Entwicklung in diesem Band hat mir gut gefallen! Zwar macht sie durch die Operation zur Pretty erst einen Schritt zurück in ihrer Entwicklung und wird wieder zu dem naiven, oberflächlichen Mädchen, das sie zu Beginn des ersten Bandes war - aber dann startet sie richtig durch und kämpft entschlossen, mutig und einfallsreich für ihre Ziele. Sie war mir einfach richtig sympathisch und ich habe sehr mit ihr mitgefiebert! Auch ihr quirliger Humor hat mir in diesem Band wieder gut gefallen.

Tally erinnert sich zunächst nicht mehr an ihre Vergangenheit und daher auch nicht an David. Deswegen denkt sie sich auch nichts dabei, mit Zane zu flirten, dem Anführer der Krims, der angesagtesten Clique.

Der war für mich auch ein sehr interessanter Charakter: ein junger Mann, den viele beneiden, weil er scheinbar alles hat, der aber unendlich bereut, nur aus Angst nicht aus der Stadt geflohen und seinen Freunden nach Smoke gefolgt zu sein. Er leidet sehr darunter, wie gedämpft sein Denken und seine Emotionen sind, aufgrund der Läsionen, die die Pretty-Operation im Gehirn hinterlässt. Im Laufe der Geschichte stellt er sich als selbstlos heraus, und als mutiger, als er sich selber zutraut.

Auch Shay spielt in diesem Band wieder eine größere Rolle. War sie im ersten Band noch die taffe Rebellin, ist sie nun die scheinbar perfekte Pretty. Aber sie fühlt sich ausgegrenzt von Tally und Zane, und auch, wenn sie sich nicht an Tallys Verrat aus dem ersten Band erinnern kann, scheint ein Teil von ihr ganz unbewusst zu spüren, dass da etwas nicht stimmt und Tally ihr irgendetwas angetan hat...

Der zweite Band steht dem ersten in Originalität in nichts nach - im Gegenteil, der Autor baut seine dystopische Welt mit interessanten Ideen und Entwicklungen weiter aus.

Auch, wenn es im ersten Teil der Geschichte hauptsächlich um das tägliche Leben neuer Prettys geht, liest sie sich meiner Meinung nach direkt sehr unterhaltsam, und auch Spannung baut sich rasch auf! Ich fand die Geschehnisse nie vorhersehbar, der Autor konnte mich oft wirklich überraschen.

Ich war wieder sehr beeindruckt von der Sprache, die sich Scott Westerfeld für seine schrecklich schöne neue Welt ausgedacht hat - das sind nicht nur ein paar Slang-Ausdrücke hier und da, ich hatte wirklich den Eindruck, einer Sprache zu lauschen, die sich grundlegend geändert hat, auch in den grammatikalischen Strukturen und im Satzbau. (Allerdings geht das in der deutschen Übersetzung zumindest ein Stück weit verloren - wobei ich sagen muss, die Übersetzerin hat das wirklich gut gemacht, so weit es eben ging! Es war sicher ein Albtraum, das zu übersetzen...)

Bewertung vom 28.11.2015
Süßer Winterweihnachtskuss
Massoth, Anja

Süßer Winterweihnachtskuss


gut

Rosa ist für ihre fast vierzehn Jahre ziemlich kurz geraten, und das hasst sie fast noch mehr als ihren blöden Vornamen - Rosa, also echt! Dabei kann sie Rosa nicht mal als Farbe ausstehen. Da ist ihr ihr Spitzname schon viel lieber: Floh. Nicht nur, weil Flöhe auch klein sind, sondern weil sie trotz ihrer Größe ganz schön fies zubeißen können. Eben so wie Rosa/Floh, die sich nichts gefallen lässt!

In der Geschichte muss sie sich mit einigem rumschlagen, was die Pubertät halt so mit sich bringt: krass unfaire Lehrer, nervige Sitznachbarinnen, Selbstzweifel, eine peinliche verliebte Mutter, aber auch total schöne Dinge, wie Schmetterlinge im Bauch und das Gefühl, ganz sanft über allen Wolken zu schweben... Und das wird ausgerechnet von Julian ausgelöst, den sie zuerst einfach nur ätzend findet.

Die Geschichte spricht viele Dinge an, die sicher auch junge Leserinnen der Altergruppe ab 12 bewegen. Besonders die erste Liebe wird in den 24 Geschichten mit allen Irrungen und Wirrungen wirklich süß und witzig beschrieben, denn natürlich ist das alles nicht so einfach...Floh ist sich oft nicht sicher, was sie fühlen und denken soll, und da hilft es nicht, dass viele blöde Hindernisse ihr und Julian im Weg stehen.

Dennoch fand ich das Buch nicht immer spannend, denn bei vielen Missverständnissen weiß man als Leser eigentlich direkt, wie sie sich aufklären werden! Die Geschichte bietet in meinen Augen auch nicht viel an neuen, originellen Ideen. Andererseits geht es bei dem Buch ja auch eher darum, dass die junge Zielgruppe sich mit ihren Alltagsproblemen verstanden fühlt, sich wiedererkennen kann in der Heldin der Geschichte - und sich vielleicht ein bisschen beruhigt fühlt bei dem Gedanken: »Wenn die das alles hinkriegt, schaffe ich das ja wohl auch!« Und ich denke, das kann das Buch tatsächlich bieten.

Wie gesagt, die Liebesgeschichte fand ich richtig süß. Sie ist romantisch, dabei aber passend für das Alter. Floh ist halt erst 13, da geht es noch nicht um heiße Erotik! Ich fand gut, wie die Autorin mit dem Thema umgeht. Auch der lockere, witzige Schreibstil hat mir meist gut gefallen - nur manchmal waren Flohs kesse Sprüche einfach nicht mein Humor.

Zitat:
»Leonie, du strahlst zwar wie ein Atomkraftwerk. Aber merk dir: Atomkraftwerke sind out, sie werden stillgelegt. Drum fahr endlich runter und schalt ab, du Super-GAU der Liebe.«

Mein kleines, großes Problem mit der Geschichte war Floh selber. Denn die kann eine astreine Zicke sein, eine waschechte Drama Queen. Wegen wirklich jeder Kleinigkeit fühlt sie sich angegriffen und beleidigt, dabei teilt sie selber ganz schön aus! Sie reagiert immer wieder übertrieben patzig und aggressiv, manchmal geradezu beleidigend und unverschämt. Ständig fühlt sie sich wegen ihrer Größe abgestempelt, steckt andere Menschen aber auch immer wieder in Schubladen. Ihre Sitznachbarin Leonie ist für sie zum Beispiel eine langweilige, nervige Oberstreberin. Floh ist richtig, richtig fies zu ihr, dabei tut Leonie wirklich ihr Bestes, um eine gute Freundin für Floh zu sein!

(Gekürztes) Zitat:
»Aber ich mache mir doch nur Sorgen um dich«, stammelt Leonie.
»(...)Das Einzige, was mich krank macht, bist du. Also halt deine Klappe, sonst sorg ich dafür«, sprühe ich Funken und balle dazu noch meine Faust.

Ich muss dazu sagen, dass das in der Geschichte auch angesprochen wird und Floh manchmal sogar zähneknirschend eingestehen muss, dass es einer ihrer Fehler ist. Und eigentlich mag ich es ja, wenn Buchcharaktere keine perfekten Menschen sind. Dennoch fand ich Flohs Art manchmal unheimlich anstrengend... Gegen Ende des Buches habe ich mich dann allerdings doch noch etwas mit ihr versöhnt, gerade weil sie ein bisschen von ihren starren Ansichten abweicht und endlich erkennt, was für eine treue Freundin Leonie ist.

Bewertung vom 27.11.2015
FOXGIRLS
Städing, Sabine

FOXGIRLS


ausgezeichnet

Das originelle, kunterbunte Cover fand ich direkt wunderschön, und auch im Inneren des Buches wird jedes Kapitel von einer hübschen kleinen Illustration eingeleitet. Aber das Buch ist nicht nur schön anzusehen, sondern es macht auch einfach Spaß, es zu lesen! Das liegt vor allem an den beiden Heldinnen, die ich direkt ins Herz geschlossen habe:

Pomposa (Spitzname "Puder") Zucker und Bonnie Vanzetti sind 13 Jahre alt, haben aber schon ganz schön was auf dem Kasten. Sie gehören zu einer Kindergang (ganz harmlos: kein Alkohol, keine Drogen, keine Prügeleien), machen Kickboxen und kennen jeden Winkel von St. Pauli, inklusive der besten Methode, sich heimlich kostenlos ins Musicaltheater zu schleichen, um sich das 25. Mal "Rocky" anzuschauen.

Puders Vater und Bonnies Mutter sind alleinerziehend und berufstätig, und so haben die beiden Mädchen viel Zeit und Gelegenheit, die Stadt unsicher zu machen. Da Puders Vater eine kleine Musikkneipe betreibt, ist er ohnehin ziemlich cool drauf und macht keinen Stress, wenn seine Tochter mal ein bisschen später nachhause kommt oder die Haarfarbe wechselt!

Als die beiden von einem magischen Fuchs gebissen werden, steht ihre Welt plötzlich ziemlich Kopf, denn sie sind jetzt selber "Halblinge" - halb Mensch, halb Fuchsgeist. Und das ist gar nicht so einfach, wenn man noch nicht steuern kann, wann man sich in einen Fuchs verwandelt, zwischendurch aus Versehen unsichtbar wird und beim trotzig mit dem Fuß aufstampfen den Teppich in Brand setzt...

Ich fand alle Charaktere wunderbar beschrieben, und die beiden Mädchen sind in meinen Augen starke Heldinnen für junge Leserinnen. Sie brauchen sich ganz bestimmt von keinem Prinzen retten lassen.

Die Geschichte ist auch sehr spannend, und das völlig ohne Gewalt. Denn die Mädchen stellen schnell fest, dass die Welt eigentlich geradezu wimmelt vor magischen Wesen, und dass mit Hightech ausgestattete Jäger hinter ihnen her sind, um sie an Sammler zu verkaufen!

Die Autorin schreibt zwar über Wesen, die man schon aus anderen Büchern kennt - Einhörner, Werwölfe, Meerjungfrauen, Geister etc. -, aber sie macht daraus trotzdem eine originelle Geschichte mit tollen Einfällen.

Auch der Schreibstil gefiel mir sehr gut. Er ist eher einfach (passend zur jugendlichen Zielgruppe), aber witzig, locker und schön bildlich. Das Buch spielt in Hamburg, und auch, wer die Stadt nicht kennt, kann sie sich danach sicher besser vorstellen, denn die Autorin beschreibt sie in vielen liebevollen Details.

Es gibt auch ein bisschen Romantik, denn Bonnie ist in Mungo verschossen, ein Mitglied einer rivalisierenden Gang, und Puder lernt einen jungen Stadtwolf kennen, der ihr bald nicht mehr aus dem Kopf geht. Das Ganze wird richtig goldig und altersgerecht beschrieben.

Fazit:
"Foxgirls" ist eine einfach zuckersüße, niedliche und dennoch spannende Fantasy für Mädchen ab etwa 10 Jahren - und vielleicht auch den ein oder anderen Jungen, dem es nichts ausmacht, dass die Heldinnen zwei taffe, selbstbewusste Mädchen sind!

Bewertung vom 22.11.2015
Schule des Schweigens
Deaver, Jeffery

Schule des Schweigens


ausgezeichnet

Eigentlich ist das Buch schon ein Oldie, denn es ist 1996 erstmals auf deutsch erschienen! Aber in meinen Augen ist es zeitlos spannend und daher definitiv auch ein Goldie der Thriller-Literatur. Was das Buch für mich so außergewöhnlich und hochinteressant machte war vor allem zweierlei:

Zum einen gibt es dem Leser einen faszinierenden Einblick darin, was bei einer Geiselnahme (in den USA) eigentlich hinter den Kulissen passiert: eine enorme, gut geölte Maschinerie, an der außer dem mit den Geiselnehmern ermittelnden Verhandler viele unterschiedliche Parteien beteiligt sind. Bundespolizei, Staatspolizei, FBI... Leider ergeben sich daraus in dieser Geschichte auch interne Machtkämpfe, denn so mancher Beteiligte will sich mithilfe der Geiselnahme und dem damit einhergehenden Medienspektakel profilieren - oder hat andere Gründe, Sand ins Getriebe zu streuen, was für die Geiseln tödlich enden kann...

Darüber hinaus erfährt man viel über die ganz eigene Kultur und die Gemeinschaft der Gehörlosen. Eine völlig andere Welt mit Hierarchien, Wertvorstellungen und Kunstformen, von denen ich keine Ahnung hatte!

Arthur Potter ist ohne Zweifel ein ungewöhnlicher Romanheld: kurz vom Rentenalter, leicht übergewichtig, nicht unbedingt gut aussehend... Aber er ist ein Verhandler mit immenser Erfahrung, der eine beinahe schon übernatürliche Fähigkeit dazu hat, sich in Geiselnehmer hinein zu versetzen und dadurch genau das zu sagen, was nötig ist, um sie in eine bestimmte Richtung zu lenken.

Erst erschien er mir sehr skrupellos, denn er betrachtet es als seine höchste Priorität, dass die Geiselnehmer gestoppt werden - wenn die Geiseln dabei sterben, dann ist das bedauerlich, aber ein vertretbarer Verlust. Im Laufe des Buches konnte ich ihn aber immer besser verstehen.

Melanie steht in der Hierarchie der Gehörlosen relativ weit unten, denn sie ist erst nach ihrem achten Lebensjahr nach und nach ertaubt. Für sie war das doppelt tragisch, da sie eigentlich immer Musikerin werden wollte. Ihre Eltern betrachten ihr Taubsein als Problem und Makel, und vielleicht ist sie daher so ängstlich, zaudernd und wenig selbstbewusst. Obwohl sie für ihre Schülerinnen verantwortlich ist, schafft sie es kaum, ihnen wenigstens ein bisschen Trost zu spenden. Stattdessen flüchtet sie sich in ihre Traumwelt: ihr "Musikzimmer", in dem sie noch hören kann und Besuch von berühmten Komponisten bekommt.

Aber natürlich macht sie dann doch noch eine große Entwicklung durch, die mich größtenteils auch überzeugt hat. Erst ganz am Schluss stellt sie an sich etwas fest, das ich drastisch, schockierend und nicht mehr komplett glaubwürdig fand. Einer von zwei Kritikpunkten, die ich an dem Buch habe!

Lou Handy (den Melanie und die Kinder "Brutus" nennen) ist hochintelligent und völlig skrupellos. Die Vorstellung, kleine Kinder zu töten, berührt ihn nicht mehr als die Vorstellung, einen Wurm zu zertreten. In seiner verdrehten Vorstellung der Welt ist sein Verhalten dennoch gerechtfertigt, denn er bestraft ja nur, wenn ihm etwas vorenthalten wird, was ihm zusteht...

Es gibt ziemlich viele Charaktere, aber ich hatte keine Schwierigkeiten damit, sie auseinander zu halten, weil sie alle lebendig, detailliert und glaubhaft beschrieben werden. Gut fand ich, dass man auch bei den "Bösen" zumindest nachvollziehen (wenn auch nicht entschuldigen) kann, warum sie handeln, wie sie handeln.

Obwohl ein Großteil es Buches beherrscht wird von den Gesprächen zwischen Arthur und "Brutus", war es für mich immer unglaublich spannend. Ich fand es sehr intelligent geschrieben, mit vielen unerwarteten Wendungen. Besonders gegen Ende passieren dann noch einmal Dinge, die ich überhaupt nicht erwartet hatte, und die Auflösung widersteht den üblichen Klischees.

Der Schreibstil hat mich voll und ganz überzeugt. Der Autor schreibt prägnant und atmosphärisch, mit ungewöhnlichen Formulierungen und viel Gespür dafür, wie Gehörlose die Welt wahrnehmen.

Bewertung vom 15.11.2015
Und morgen du / Fabian Risk Bd.1
Ahnhem, Stefan

Und morgen du / Fabian Risk Bd.1


gut

Am Anfang quittierte ich mit einem tiefen Stoßseufzer, dass Fabian Risk mal wieder ein brillianter Ermittler mit berufsbedingten Eheproblemen ist. Das liest man ja immer wieder, in unzähligen Krimis und Thrillern! Später stellte ich fest, dass er noch ein anderes Klischee bedient: er ist der besessene Einzelkämpfer, der alle Regeln bricht, um den Fall zu lösen, ohne Rücksicht auf die eigene Karriere. Und das macht er oft noch nicht einmal gut.

Ja, ich hatte mit Fabian Risk so meine Probleme. Vor allem, weil ich nicht nachvollziehen konnte, warum er eigentlich alles im Alleingang angeht! Hinter ihm steht ein motiviertes, fähiges Team, und oft hätte er nur kurz mal zum Handy greifen müssen, um seine Chefin wissen zu lassen, was er herausgefunden hat und was er jetzt vorhat. Einmal kostet seine Eigenmächtigkeit sogar eine unschuldige Person das Leben, und das nimmt ihn weit weniger mit, als es sollte.

Sympathisch war er mir ohnehin nicht sonderlich. In seiner Schulzeit fehlte ihm anscheinend jegliche Zivilcourage; er schaute einfach weg, während ein anderer Schüler immer wieder auf brutalste Art und Weise gemobbt und gequält wurde. Und auch als Erwachsener schaut er weg, wenn sein eigener Sohn ganz offensichtlich unglücklich ist, weil er immer zu beschäftigt mit seiner Arbeit ist. (Wenn man mit dem Sohn vier Tage lang alleine ist, sollte man dann nicht wenigstens einmal in sein Zimmer gehen und kurz gucken, ob es ihm gut geht, statt ihm nur SMS zu schreiben?)

Heißt das jetzt, ich fand das Buch schlecht? Jein.

Zum einen gefielen mir viele der anderen Charaktere gut, wie zum Beispiel die schwedische Polizistin Dunja, die sich mit einem sexistischen Ekel von Chef rumschlagen muss, obwohl sie eigentlich eine richtig gute Ermittlerin ist.

Und zum anderen fand ich die Geschichte an sich ziemlich originell. Ein Serienkiller, der seine Opfer ihrer (in seinen Augen) gerechten Strafe zuführt: einem brutalen Schläger amputiert er die Hände, einer Lästerzunge reißt er eben diese heraus... Und die Art und Weise, wie er das tut, ist manchmal auf kranke Art und Weise geradezu genial - sozusagen der MacGyver der Serienmörder. Da ist alles bis ins Kleinste durchdacht und inszeniert.

Die Geschichte wartet auf mit vielen unerwarteten Wendungen. Besonders mit einer ganz bestimmten Sache hat der Autor mich nach Strich und Faden reingelegt - gegen Ende musste ich auf einmal feststellen, dass ich da völlig falsch gelegen hatte! Die Auflösung des Falles war dann auch eine ganz andere, als ich erwartet hatte. Deswegen blieb das Buch für mich auch durchgehend spannend, und ich fieberte, trotz aller Vorbehalte, mit Fabian Risk mit.

Allerdings war ich mir am Ende ziemlich sicher, dass das im realen Leben niemals so hätte passieren können. Nicht nur, dass der Mörder manchmal geradezu unmenschliche Fähigkeiten an den Tag legt und ein Hauptquartier hat wie ein astreiner Superschurke, aber seine Taten beruhen auf etwas, das ich nicht wirklich glauben konnte. Ohne jetzt schon zu viel zu verraten: mein immer wiederkehrender Gedanke war "Wirklich? Niemand? Nicht einer?"

Den Schreibstil würde ich als solide bezeichnen. Er ist klar und gut strukturiert, und er liest sich gut und flüssig runter.

Fazit:
Auch, wenn ich die Hauptfigur nicht mochte und gegen Ende manches unglaubwürdig fand, ist die Geschichte an sich in meinen Augen doch spannend und originell, die Wendungen (überwiegend) völlig unerwartet und der Schreibstil wirklich nicht schlecht.

Das Buch schafft es nicht auf die Liste meiner Lieblingsbücher, ich werde die Reihe aber wohl weiterlesen.

Bewertung vom 09.11.2015
Das Feuerzeichen Bd.1
Haig, Francesca

Das Feuerzeichen Bd.1


ausgezeichnet

Francesca Haig hat etwas geschafft, was inzwischen gar nicht mehr so einfach ist: sie hat eine Dystopie geschrieben, die sich liest wie etwas völlig Neues. Die Grundidee fand ich dermaßen faszinierend, dass das Buch bei mir schon halb gewonnen hatte:

In einer post-nuklearen Zukunft werden ausschließlich Zwillinge geboren, immer ein Junge und ein Mädchen. Aber während das eine Kind grundsätzlich gesund, kräftig und makellos ist, hat das andere irgendeine Form von Behinderung oder Deformierung.

Nach vielen Generationen der Zwillingsgeburten hat sich die Gesellschaft in zwei Gruppen gespalten: die gesunden Alphas, die privilegiert in wohlhabenden, sauberen Städten leben, und die "defekten" Omegas, die schon als Kleinkinder gebrandmarkt und in reine Omega-Siedlungen abgeschoben werden, wo sie nicht halb so viele Rechte genießen wie ihre Zwillinge. Die Omegas werden gefürchtet, da sie als Inbegriff alles Schlechten gesehen werden, und womöglich würde diese Furcht sich in einem Genozid entladen - wäre da nicht die simple Tatsache, dass kein Alpha ohne sein Omega leben kann. Stirbt der eine Zwilling, stirbt auch der andere.

Cass ist eine Omega, weil sie seherische Fähigkeiten besitzt - was von Alphas und Omegas gehasst und gefürchtet wird. Am Anfang hatte ich das Gefühl, keinen rechten Zugang zu ihr zu finden, denn die Geschichte durchläuft in den ersten Kapiteln sozusagen im Zeitraffer mehrere Jahre, wodurch ich Cass' Emotionen einfach nicht unmittelbar spüren konnte. Aber ab dem Punkt, ab dem wir die Geschichte wieder langsamer aus Cass' Sicht miterleben, wuchs sie mir immer mehr ans Herz!

Sie hat eine Schwäche, die eigentlich eine Stärke ist: sie sieht das Gute im Menschen und vertraut lieber einmal zu oft, als einmal zu wenig. Obwohl sie selber allen Grund dazu hätte, die Alphas zu hassen, empfindet sie eine zutiefst verwurzelte Überzeugung, dass nicht Krieg die Lösung für die Unterdrückung der Omegas ist, sondern nur ein friedliches Zusammenleben von Alphas und Omegas.

Ihren Zwillingsbruder Zack, der seine eigene Karriere über Cass' Wohlergehen stellt, konnte ich bis zu einem gewissen Punkt sogar verstehen; in seinen Augen hat seine Schwester ihn um die Kindheit betrogen, die ihm zustand. Vieles von dem, was er tut, wird von einer ganz instinktiven Angst davor motiviert, nicht dazu zu gehören oder gut genug zu sein. Womit ich sein Verhalten nicht entschuldigen will! Aber ich fand es gut, dass die Autorin ihn als Menschen mit nachvollziehbaren Motiven zeigt.

Dann gibt es da noch Kip, den Cass vor einem schrecklichen Schicksal rettet. Er war mir direkt sehr sympathisch! Obwohl er sein Gedächtnis verloren hat und deswegen quasi nochmal ganz von vorne anfangen muss, hat er eine starke Persönlichkeit, die einem im Gedächtnis bleibt. In den unmöglichsten Situationen zeigt er immer wieder einen flapsigen Humor, was das düstere und hochspannende Buch manchmal etwas auflockert.

Über ein paar andere Charaktere hätte ich gerne noch mehr erfahren, wie zum Beispiel Piper, den Anführer des Widerstands, oder die gefürchtete Seherin, die als "Beichtmutter" bekannt ist. Sie tut wirklich schreckliche Dinge und ich hätte gerne besser verstanden, was sie dazu gebracht hat!

Die Liebesgeschichte ist hat mir gut gefallen, obwohl (oder vielleicht gerade weil) sie sich langsam aufbaut und nicht im Mittelpunkt der Handlung steht. Ich fand sie rührend und gut geschrieben!

Obwohl die Handlung manchmal eher bedächtig voranschreitet, passiert in meinen Augen auch in den ruhigeren Passagen immer genug, um das Interesse wach zu halten. Die Grundidee wird schlüssig ausgebaut, und auch die Welt erschien mir stets gut durchdacht und komplex.

Der Schreibstil gefällt mir an sich sehr gut, aber nach meinem Empfinden verliert er in der Übersetzung viel seiner Dringlichkeit und seiner interessanten Sprachmelodie. Manche Stellen sind meines Erachtens auch ein wenig verfälscht übersetzt.