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SofieWalden

Bewertungen

Insgesamt 623 Bewertungen
Bewertung vom 14.04.2022
Auf dem Gipfel wachsen Chinanudeln
Tienti, Benjamin;Kiefer, Sebastian

Auf dem Gipfel wachsen Chinanudeln


gut

Da hat jemand immer viel zu tun und auch das ist ein Weg, mit seiner Trauer umzugehen

Elmo ist 11 Jahre alt und lebt in Berlin. Hier in seinem Viertel, seinem Kiez, ist nicht gerade die feine und gutsituierte Gesellschaft zu Hause, aber die Menschen um ihn herum sind schon sehr in Ordnung, verstehen es, mit dem Leben fertig zu werden, mal halt mehr oder auch mal weniger. Im Moment kann Elmo dieses Umfeld gut gebrauchen, denn etwas Schlimmes ist passiert. Sein Bruder ist ums Leben gekommen und seine Mutter, seine große Schwester und er trauern natürlich sehr. Elmo selbst versucht, immer irgendetwas zu tun zu haben und da er ja Detektiv ist,- eine Kiste mit Detektivgeschichten, die er mal geschenkt bekommen hat, hat ihn dazu inspiriert -, findet sich da jede Menge, was man suchen und teilweise auch finden kann. Dadurch hat er auch Idefix kennengelernt, einen Hund, von dem er sich wünschen würde, dass es sein Hund wäre und mit dem er sich richtig gut versteht. Und das kann man durchaus wörtlich nehmen. Außerdem soll Elmo die Tochter vom Idefix's Herrchen finden und dann doch wieder nicht, eine Ampel muss repariert werden, ein Computergame spielt auch noch eine Rolle und dann ist da noch Tuna. Die ist ziemlich cool, hilft Elmo nicht nur bei seinen Recherchen und ist bald eine echte Freundin.
Man sieht, hier ist wirklich etwas los. Es macht Spaß, das alles mitzuerleben und obwohl es schon irgendwie ein Abenteuer ist, bei dem einem auch nie langweilig wird, ist das, was da passiert auch irgendwie einfach ziemlich normal und das bringt viel Nähe herüber. So wirklich einen roten Faden hat die Geschichte allerdings nicht. Man sollte jetzt auch keine klassische Detektivstory erwarten und am Ende bleiben einige Fragen, auf die man eine Antwort erwartet hätte, einfach offen. Da kann man sagen, ok, so freue mich mich noch mehr auf den nächsten Band, denn Elmo soll uns durch eine ganze Buchreihe begleiten. Es könnte aber auch sein, einige fühlen sich hier um ein Ende gebracht.
Also ich finde, Elmo ist ein richtig netter Kerl und zusammen mit seinem Drumherum werden die nächsten Folgen bestimmt eine Menge Lesespaß zu bieten haben. Freuen wir uns auf ein Wiedersehen!

Bewertung vom 12.04.2022
Der Markisenmann
Weiler, Jan

Der Markisenmann


sehr gut

Wenn man aus dem Geldhimmel ins echte Leben geworfen wird, Ruhrpott inklusive

Die 15-jährige Kim lebt mit ihrer Mutter und ihrem Stiefvater, einem erfolgreichen Unternehmer, in Köln. Finanziell mehr wie gut aufgestellt, lotet das Mädchen gerne Grenzen aus und da ihr keiner welche setzt, ufert das aus. In der Schule steht sie kurz vor der zweiten Ehrenrunde und auch sonst folgt eine Regelüberschreitung der nächsten, bis zur Eskalation. Was folgt, ist Jugendpsychiatrie und danach, auf Beschluss der Familie, Sommerferien beim richtigen Vater. Dieser lebt in Duisburg, hatte bisher keinerlei Kontakt zu seiner Tochter und ist in Kims Augen vom ersten Moment an ein 'Looser'. Stimmt ja auch, denn sein Brot verdient er sich 'sehr viel mehr schlecht als recht' mit dem Verkauf von altmodischen, eigentlich unverkäuflichen Markisen. Und leben tut er in der Lagerhalle, in der diese DDR-Restbestände untergebracht sind, gleich noch mit. Also für die ganz anderes gewöhnte Kim ein Schockerlebnis auf allen Ebenen.
Doch irgendwie muss man die Zeit ja herumbekommen und so begibt sich das Mädchen mit ihrem Vater auf Verkaufstour. Und siehe da, das ist recht erfolgreich. Verkaufstechnisch wird aus ihnen ein echtes Team und das wirkt sich natürlich auch auf die persönliche Ebene zwischen den beiden aus. Allmählich lassen sie zu, sich dem jeweils anderen zu öffnen und da kommen die Wahrheiten, von beiden Seiten, auf den Tisch. Außerdem lernt Kim das Umfeld ihres Vaters kennen, alles, was so rumstreicht, ums Gelände. Und die Menschen, auf die sie da trifft, sie sind herzlich, ehrlich und das Leben ist bei allen ziemlich 'verstrickt'. Es ist wahrlich kein Spaziergang und Geld, davon gibt es gerade mal eben genug zum Leben. Aber davon lässt man sich nicht unterkriegen und das ist schon in Ordnung so. Und Kim fühlt sich mit der Zeit wohl hier, mitten im Ruhrpott, so rausgefallen aus der Geldgesellschaft, die ihre Familie in Köln verkörpert.
Eine schöne Geschichte, ein wenig überspitzt und skurril, aber doch erfrischend ehrlich, direkt aus dem Leben, mit richtig sympathischen Typen, Emotionen, die auch durchaus in die Tiefe gehen und zwei Menschen, bei denen eine Menge falsch gelaufen ist, auch wenn einer davon noch gar nicht so viele Jahre hinter sich gebracht hat auf dieser Welt. Dass sich die beiden sozusagen gegenseitig aus ihrem jeweiligen Sumpf ziehen, wäre dann schon eine sehr schöne Sache. Tja, man wird sehen.
Auf jeden Fall, dies alles ist sehr unterhaltsam, gut zu lesen und wer Jan Weiler kennt, hier zumindest, in diesem Buch, ist ordentlich viel von genau diesem drin.

Bewertung vom 10.04.2022
Weltbeste kleine Schwester
Reider, Katja

Weltbeste kleine Schwester


sehr gut

Eine kleine Schwester, die richtig den Durchblick hat

Rosa ist die Jüngste in der Familie, die kleine Schwester eben. Da gibt es Mama, die in einem Buchladen arbeitet, Papa, der bei einer Versicherung beschäftigt ist und dann ihre Geschwister Johanna und Matti. Rosas Eltern sind echt cool, darf man aber natürlich nicht laut sagen, denn das wäre dann ja wieder uncool und Schwester und Bruder sind auch ok, wenn sie nicht gerade die Augen verdrehen und genervt sind. Mutter hat da irgendetwas von Pubertät geflüstert und das ginge auch wieder vorbei, aber so schlimm ist es wirklich nicht. Eigentlich sollte die ganze Familie zu einem großen Verwandtentreffen fahren, aber Johanna und Matti haben gar keine Lust und Rosa hat ja an diesem Wochenende die Sleep-over-Geburtstatgsparty bei ihrer Freundin Bini. Und tatsächlich, sie alle drei dürfen zuhause bleiben. Als sich dann herausstellt, das Rosas Übernachtgeburtstag ins Wasser fällt, sind die Eltern leider schon weg. Und das ist schon echt schlecht, denn Johanna und Matti haben eigentlich schon etwas vor. Matti geht zu einer Filmnacht bei seinem Freund und Johanna schmeißt eine Party, bei ihnen zu Hause, denn es ist ja 'sturmfreie Bude'.Wie das Problem zu lösen ist, so dass es Rosa trotzdem richtig gut geht und jemand auch auf sie aufpasst oder vielleicht auch eher umgekehrt, sie die ist, die den Überblick behält, das wird hier nicht verraten. Aber auf jeden Fall ist das eine ganz tolle Geschichte. Da ist richtig was los. Und eigentlich könnte sie auch jedem von euch passieren und ihr würdet das dann genauso cool hinbekommen, wie Rosa das tut und würdet natürlich die allerbesten Schwestern oder auch Brüder sein.

Bewertung vom 09.04.2022
Die andere Schwester / Karlstad-Krimi Bd.2 (eBook, ePUB)
Mohlin, Peter; Nyström, Peter

Die andere Schwester / Karlstad-Krimi Bd.2 (eBook, ePUB)


sehr gut

Spannender Thriller mit viel Härte und auch auf mentaler Ebene stark

Der FBI-Agent John Adderley ist notgedrungen wieder nach Schweden zurückgekehrt und arbeitet nun in seine Heimatstadt Karlstad unter neuem Namen bei der dortigen Polizei. Seine neue Identität ist einem vorherigen Einsatz als Undercover-Agent geschuldet, bei dem er ein nigerianisches Drogenkartell unterwandert hat und nun ganz oben auf deren Todesliste steht. Sein ständig auf der Hut sein müssen prägt auch seine Ermittlerarbeit, bei der es diesmal um die getötete Inhaberin eines Online-Datingportals geht. Ihre ebenfalls in das Geschäft eingebundende körperlich versehrte Schwester gilt sehr bald als die Hauptverdächtigte. Diese Alicia ist ein getriebender Charakter, schwer belastet durch die eigene Vergangenheit und so der Person des Ermittlers in diesem Fall gar nicht so fern. Das hat durchaus einen gewissen Reiz und den tiefen Einblick in deren Psyche, der einem hier gewährt wird, gibt der Geschichte noch einmal einen zusätzlichen Spannungsschub, über die actionreiche Handlung hinaus. Denn neben dem eigentlichen Fall ist Adderleys Gefühl unmittelbarer Gefahr auch für die eigene Person durchaus begründet. Seine Tarnung ist aufgeflogen und Abteilung tötliche Rache ist ihm erneut auf den Fersen.
Dieser Thriller hat es wirklich in sich. Eine kompakte und auch bzgl. seiner Hauptcharaktere sehr überzeugende spannende Geschichte, in der eine gewisse Härte nicht ausgespart wird und die zu einem Ende führt, das überzeugt. Und die Flucht von John Adderley, der Versuch eines Neuanfangs, es wird weitergehen und ich bin auch beim nächsten Band dieser, inzwischen kann man wohl schon Reihe sagen, gerne wieder dabei.

Bewertung vom 04.04.2022
Die Lügendiebin
Louis, Saskia

Die Lügendiebin


sehr gut

Eine Lügendiebin, die plötzlich sehr wichtig wird und eine gespielte Zweisamkeit, die es in sich hat

Fawn ist 17, lebt in der Hierarchie ihrer Welt ziemlich weit unten und schlägt sich mit einer besonderen Fähigkeit durchs Leben. Sie kann Lügen erkennen, wenn sie jemand ausspricht und je gravierender die Lüge ist, desto mehr bekommt sie dafür bezahlt, wenn sie sie 'stielt'. Bei ihren Beutezügen ist sie oft sehr wagemutig und dringt in Bereiche vor, die eigentlich tabu für sie sind. Eines Tages wird sie dann erwischt, von Caeden, dem Spross einer der einflussreichsten Familien von Mentano. Dieser will herausfinden, wer seinen Vater umgebracht hat und dafür kann er Fawns Fähigkeit gut gebrauchen. Und so zwingt er sie, seine Verlobte zu spielen und sein hochgestelltes Umfeld nach dem Täter 'abzusuchen'.
Dies ist der Anfang eines spannenden sehr vielseitig angelegten Fantasyromans, der den Lesern, auf zwei Bände verteilt, eine absolut packende Geschichte liefert. Genau genommen, gilt dies, sozusagen schwarz auf weiß, bis jetzt nur für diesen, den ersten Teil. Aber der tolle Schreibstil, diese sehr kreativ geschaffene, so andere Welt und die interessanten Protagonisten, ganz vorne weg die impulsive oft unbedacht handelte Fawn auf der einen Seite und als Gegenpol der adelige Caeden, beherrscht, eiskalt? und die Dinge vernünftsmäßig steuernd, da hat die Geschichte, auch in ihrer Gesamtheit, richtig viel zu bieten, davon bin ich überzeugt. Auf jeden Fall sorgt das Ende von Band 1 dafür, dass man gar nicht anders kann als, mit einem kleine Tacken Verärgerung über den so krassen Cliffhanger, wie man ihn bisher nur bei Fernsehserien erlebt hat, ungeduldig auf die Fortsetzung zu warten und den zweiten Teil dann genauso 'zu verschlingen', wie man das letztendlich auch bei diesem Buch getan hat.

Bewertung vom 30.03.2022
Der Koch, der zu Möhren und Sternen sprach
Mattera, Julia

Der Koch, der zu Möhren und Sternen sprach


gut

Hier haben Möhren Namen und das macht, wie alles andere auch, viel Spaß

Ein Gasthaus im Elsass mit sehr leckerem regionalem Essen, hier kehrt man gerne ein, was neben den Künsten des Kochs auch an der freundlichen Bewirtung durch dessen Schwester liegt. Elsa, mit ihren Zwillingen schon reichlich beschäftigt, kümmert sich hier um alles, was für einen florierenden Gasthof so nötig ist. Und dazu gehört, ganz wichtig, natürlich das Zwischenmenschliche, denn ihr Bruder Robert, der Herr der Küche und auch der liebevoll selbst angepflanzten Zutaten, er ist ein totaler Eigenbrödler und Kontakt mit Menschen, das ist überhaupt nicht sein Ding. Er spricht lieber mit seinen Möhren, die alle Namen haben und beim Ernten natürlich nicht am Grün herausgerissen werden, denn wer lässt sich schon gern an den Haaren ziehen. Doch dann stellt Elsa Fatima ein, um ihre ihre zwei Wildfänge den Sommer über betreuen zu lassen und diese bringt ihren Sohn Hassan mit. Der Junge würde sich gerne bei Robert nützlich machen. Bisher hat das noch mit keinem möglichen Gehilfen funktioniert, aber zu Hassan, der ebenfalls sehr in sich gekehrt und eigen ist, findet der Grummler tatsächlich einen Draht und dieser darf bleiben. Und auch seine Mutter, die weiß, was in solchen Menschen vorgeht, darf eintreten in Roberts Reich. Tatsächlich taut Robert sichtlich auf. Und dann trifft Maggie ein, eine buntangezogene immer gut gelaunte energiegeladene Engländerin und Fatimas Freundin. Sie braucht eine kleine Auszeit und dafür ist dieses herrliche ländlich gelegene Anwesen genau richtig. Und wer hätte das gedacht, Robert mag sie, gesteht sich das natürlich nicht ein und wünscht sich genau das Gegenteil von dem, was er sich ersehnt, nämlich, dass sie wieder geht.
Schön, genau das ist diese Geschichte, das herrliche Elsass, darin eingebettet ein paar Menschen, die man sehr schnell lieb gewinnt, leckeres Essen, der sicherlich schon ein wenig skurrile Umgang mit den Gaben der Natur, jede Menge zwischenmenschliche Empathie und ganz viel Gefühl.
Ein Buch, so richtig zum Wohlfühlen und verbunden mit einer delikaten Portion Lesespaß.
Und neben all dem ist da noch etwas, was bleibt. Möhren 'an ihren Haaren ziehen', nie mehr.

Bewertung vom 28.03.2022
Mongo
Darer, Harald

Mongo


gut

Eigentlich ist jeder anders, aber einige eben ein bisschen mehr und 'Glück ist fast immer möglich'

Vorab, Harald Darer hat eine Geschichte über einen jungen Mann geschrieben, der anders ist. Dieser hat Trisomie 21 und daher heißt dieser Roman 'Mongo'. Moment mal, möchte man sagen, das geht doch nicht, denn in unserem Sprachgebrauch wird dieses Wort geringschätzlich, geradezu verächtlich, inzwischen allerdings nicht nur für Menschen mit dieser Einschränkung verwendet. Doch Darer, genau mit dieser Reaktion konfrontiert, er hat diesen Titel bewusst gewählt. Denn seine Intention bei diesem Buch ist genau dies, den Vorurteilen und der Verächtlichkeit, die dieses Wort ausdrückt, entgegen zu wirken.
Harry und Katja werden Eltern. Doch die spontane Freude weicht der tiefen Sorge um eine mögliche Behinderung des ungeborenen Kindes, denn Katjas Bruder Markus ist mit Trisomie 21 auf die Welt gekommen. Da ist für Katja einerseits die große Liebe zu ihrem Bruder, diesem Menschen, der seinen ganz eigenen Weg durchs Leben gefunden hat, der so gerne lebt und den Leuten um sich herum sehr offen, aber auch durchaus fordernd entgegen tritt. Da ist aber auch dieses Gefühl von Schwere, das sie als Kind, durch eben diese familiären Gegebenheiten, empfunden hat.
Aber letztendlich ist es Harry, dessen gedankliche Auseinandersetzung mit diesem Thema wir als Leser begleiten dürfen. In Rückblenden erinnert er sich an das Kennenlernen von Markus, an Erlebnisse mit ihm, die ihn sehr berührt haben und die schön und 'wichtig' waren. Er stellt sich der Möglichkeit, dass auch sein Kind anders sein könnte und geht Wege, die schon 'sehr konsequent' sind, in seiner selbst gewählten Aufarbeitung. Aber das alles ist sehr nachvollziehbar und wirkt auch sehr authentisch, zumal dieser Harry der Person des Autors selbst, so wie ich es verstanden habe, sehr nahe kommt.
Ein Buch mit vielen Facetten zu einem Thema, das der Titel der Geschichte eindeutig auf dem Buchdeckel präsentiert. Ich hätte mir gewünscht, diese unverschnörkelte Fokussierung auch in der Geschichte selbst genauso vorzufinden. Das war, in der erwarteten Intensität, nicht ganz der Fall. 'Mongo' ist gut, man lebt mit und es wird ehrlich um Erkenntnis gekämpft, für sich selbst und natürlich auch für uns, seine Leser.
Ein, mein kleines Aber bleibt. Eine bemerkenswerte Leseerfahrung ist es auf jeden Fall.

Bewertung vom 25.03.2022
Den Wölfen zum Fraß
McGuinness, Patrick

Den Wölfen zum Fraß


gut

Literatur mit Anspruch, sprachlich und darüber hinaus

Tituliert mit dem Genre Kriminalroman wird hier eine Geschichte erzählt, die auf einer wahren Begebenheit beruht, in Großbritannien bekannt als der sogenannten 'Yeates-Jefferies-Affäre'.
Eine junge Frau wird tot aufgefunden, ermordet und erste Ermittlungen führen zu einem Tatverdächtigen, einem ehemaligen Lehrer des Chapelton Colleges. Der pensionierte Mann ist ein eher exzentrischer Einzelgänger, war aber bei den Schülern mit seiner unkonventionellen und diesen durchaus zugewandten Art recht beliebt. Und einer von ihnen war Amber, der nun, 30 Jahre später, seinem ehemaligen Lehrer am Verhörtisch gegenüber sitzt und im Gegensatz zu den Medien, die eine beispiellose Hetzkompagne gegen ihr 'Opfer' starten, nicht an dessen Schuld glauben kann. Und so macht er sich daran, den wirklichen Mörder zu finden.
Dieser Roman ist nicht einfach nur ein Krimi, sondern er beschäftigt sich, neben der medialen Ausuferung bzgl. des mutmaßlichen Täters, auch sehr zeitkritisch mit dem damaligen britischen Schulsystem, deren Starrheit und Härte, gar Grausamkeit, hinter den altehrwürdigen Mauern der Bildung. Und dann geht es hier, als sehr prägentem Element, auch um die Sprache. Schon nach wenigen Sätzen wird man sich bewusst, dieser Schreibstil, diese präzise, bildhafte Wortgestaltung, da kann man unumwunden von Literatur sprechen. Und gerade weil das geschriebene Wort hier von hoher Güte ist, muss man sich als Leser erst einmal 'daran gewöhnen' und die Geschichte zum Fließen bringen. Und genau das ist dann leider auch das Problem. Es bleibt teilweise schon etwas mühsam, das Darüberlesen und das tut auch dem Miterleben der Handlung nicht gut. Hier wäre tatsächlich weniger mehr gewesen, aber wenn man es kann und der Autor kann es definitiv, dann seine sprachlichen Ansprüche an sich selbst herunterzufahren, das ist wohl eher schwierig zu bewerkstelligen.
Aber trotz dieses 'Hakens', das ist ein außergewöhnlicher Kriminalroman mit hoher sprachlicher Qualität. Und man kann sich damit arrangieren und auch ein wenig herausgefordert fühlen.
Also dann, durchaus empfehlenswert.

Bewertung vom 23.03.2022
Man vergisst nicht, wie man schwimmt
Huber, Christian

Man vergisst nicht, wie man schwimmt


sehr gut

Was an einem Tag so alles passieren kann und am Ende ist man ein anderer

Der Sommer neigt sich dem Ende entgegen. Doch heute heißt es noch einmal, die Sonne genießen, ins Schwimmbad gehen und das weibliche Geschlecht in Gedanken und ganz praktisch vor Ort erobern. Doch nicht so für Pascal. Der 15-jährige, den alle nur Krüger nennen, der nicht mehr schwimmen geht und sich auch nicht verlieben darf, er ist sozusagen außen vor, wenn die anderen coolen Socken in seinem Alter sich am Wasser räckeln und den Mädchen beweisen wollen, was für tolle Hechte sie sind. Doch an diesem Morgen, noch fast im Halbschlaf, hat Pascal ein Gefühl. Dieser Tag könnte für seinen Freund Viktor und ihn 'was reißen'. Und tatsächlich, genauso kommt es dann auch. Als die beiden das Zirkusmädchen Jacky treffen, rothaarig und sehr geheimnisvoll, da beginnt er, der tollste ereignisreichste lustigste und schrägste Tag ihres bisherigen Lebens. Und was sie dabei alles erfahren. Das ist echt 'kompakter Stoff', mit jeder Menge Emotionen, die das Universum der Gefühlswelt Jugendlicher jenes Alters schon um einiges übersteigt und so auch irgendwie den Eintritt hin zum Erwachsensein bereitet.
Ein Buch, das einen schon auf den ersten Seiten der Geschichte abholt. Voller Erwartung springt man auf auf diesen Zug, der ordentlich Fahrt aufnimmt und am Ende bekommt man dann auch noch einen Schluss präsentiert, der überrascht, aber sehr stimmig ist.
Daumen hoch für diesen einzigartigen Sommertag, dieses Leseerlebnis mit Wohlfühlgarantie. Und eine ordentliche Portion Nostalgie findet sich auch noch im Gepäck. 15 war schließlich jeder einmal.

Bewertung vom 21.03.2022
Freitag ist ein guter Tag zum Flüchten
Jamalzadeh, Elyas;Hepp, Andreas

Freitag ist ein guter Tag zum Flüchten


ausgezeichnet

Von Geburt Flüchtling und dann doch ankommen

Elyas Jamalzadeh stammt aus einer afghanischstämmigen Familie, die in den Iran flüchten musste. Dort wurde er geboren. Die Zustände in diesem Land, die Perspektivlosigkeit als Flüchtling, sie führte dazu, dass sich die Familie dann erneut auf den Weg machte, mit dem Ziel, in Europa ein selbstbestimmtes freies Leben führen zu können. Es war eine lange von unendlichen Strapazen geprägte Flucht und sie endete letztendlich glücklich in Österreich. Dieses sein Erleben auf der Flucht und später in dem Land, in dem er inzwischen wirklich angekommen ist, davon erzählt Elyas uns in diesem Buch. Er erzählt seine Geschichte, authentisch, ehrlich, auf seine ganz eigene Weise. Beim Lesen braucht man erst einmal etwas Zeit, um sich in seine Art, die Dinge darzulegen, hineinzufinden. Er betont, dass er es genauso sagen bzw. schreiben wollte, wie er es hier tut und sich da auch nicht hat hineinreden lassen. Das bedeutet, ungeschönt und versehen mit einer Art von Humor, die man sicher teilweise als makaber bezeichnen kann, aber wohl einfach abfedern soll, sich selbst und den Lesern eine Pause verschaffen von dem, was nun einmal die tatsächlich erlebte Realität war. Elyas erzählt von den Geschehnissen, wie dies alles tatsächlich abgelaufen ist, stellt sich aber auch sich selbst und nennt das eigene Handeln in der ein oder anderen Situation beim Namen. Und er lässt auch all die Menschen nicht unerwähnt, die ihm engagiert und empathisch zur Seite gestanden und ihm so die Möglichkeit eröffnet haben, seine Freiheit zu leben. Denn eine Schule zu besuchen, zu lernen, einen Beruf ergreifen zu können, sein Leben selbstbestimmt zu gestalten mitsamt der Gründung einer Familie, das ist für Elyas Freiheit.
Dieses Buch, uns so persönlich und offen dargeboten, es berührt, ein beeindruckt, es lässt uns Anteil nehmen und es gibt uns eine zumindest kleine Vorstellung von dem, was 'heutzutage' Flucht bedeutet, mit welchem Erleben diese Menschen bei uns ankommen und wie diese 'neue Welt' ihnen erscheint. 
Ich habe viel mitgenommen aus Elyas Geschichte und das wird mich noch lange begleiten.