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Fornika
Buchflüsterer: 

Bewertungen

Insgesamt 378 Bewertungen
Bewertung vom 24.07.2015
Die drei Leben der Tomomi Ishikawa
Constable, Benjamin

Die drei Leben der Tomomi Ishikawa


sehr gut

Der Hobbyschriftsteller Ben Constable führt ein ganz normales Leben, sieht man mal davon ab, dass er an Prosopagnosie leidet und eine imaginäre Riesenkatze namens Cat hat. Seine tiefgründige und ehrliche Freundschaft zu Tomomi Ishikawa scheint ein plötzliches, trauriges Ende zu finden, denn sie begeht Selbstmord. Zumindest steht das so in ihrem Abschiedsbrief an Ben. Und der begibt sich auf Spurensuche, denn Tomomi hat ihm in Briefen und emails Hinweise hinterlassen, die ihn auf eine Schnitzeljagd quer durch Paris und New York führen. Ben erfährt Dinge über seine Freundin, die er sich nie erträumt hätte und bei dem er immer ein großes Fragezeichen im Hinterkopf behalten muss: Realität oder Fiktion? Denn nichts ist so, wie es zuerst scheint und bald weiß Ben überhaupt nicht mehr was oder wem er glauben und vertrauen soll…
Mir hat Constables Buch wirklich gut gefallen, auch wenn (ohne hier zu spoilern) ich das Ende etwas schwach fand. Eine herrlich skurrile, spannende, manchmal auch verwirrende Reise durch Paris und New York, bei der so mancher Leser ins Schwärmen geraten wird. Der Stil ist gut zu lesen, Briefe, Hinweise etc. sind optisch hervorgehoben, sodass keine Missverständnisse aufkommen können. So manch kleines Detail aus Tomomis Leben (wie z.B. die Uhrzeit Zwanzig nach drei) erscheint plötzlich durch ihre Vergangenheit in einem völlig neuen Licht und auch sonst hält das Buch allerlei Überraschungen und Twists bereit. Cat, als imaginäre Verkörperung von Bens Gewissen und sein Partner in kniffeligen Situationen hat mir ausgesprochen gut gefallen; allerdings hätte der Autor dieses Mittel meiner Meinung nach etwas mehr ausschöpfen können.
Alles in allem ein besonderes Buch, bei dem der Autor mit dem Leser spielt und man auch nach der Lektüre teilweise noch rätselt: Realität oder Fiktion?

Bewertung vom 24.07.2015
Die Unvollendete
Atkinson, Kate

Die Unvollendete


ausgezeichnet

„Die weiche Dunkelheit lockte sie mit dem Versprechen von Schlaf, endlosem Schlaf, und sachte begann der Schnee zu fallen, bis sie ganz davon bedeckt und alles dunkel war.“
So endet das Leben von Ursula Todd. Eines zumindest. Denn jedesmal, wenn sie stirbt, springt die Geschichte zurück, z.B. zum Tag ihrer Geburt. Allein bis sie ihren sechzehnten Geburtstag erlebt, stirbt sie acht Mal um wieder- und wiedergeboren zu werden. Mit der Chance, das Leben anders zu leben und vermeintlich bessere Entscheidungen zu treffen. Doch man darf nicht vergessen, dass auch äußere Umstände und das Verhalten der Mitmenschen eine große Rolle spielen…
Eine großartige Buchidee, ausgezeichnet umgesetzt. Kate Atkinson hat mit Die Unvollendete einen eindringlichen, nachdenklichen, gefühlvollen Roman geschrieben, der sich aber auch nicht scheut, die Grauen und das Elend des zweiten Weltkriegs schonungslos darzustellen, das Ursula so oft hautnah miterlebt.
Die Figur der Ursula ist sehr tiefgründig, sie macht sich Gedanken um das Weltgeschehen, ist außerdem sehr belesen und findet für jede Situation ein entsprechendes Zitat. An ihrem Charakter kann man sehr gut ablesen, dass auch dieser durch Lebensumstände und Mitmenschen geprägt wird, mal ist Ursula eine toughe Frau, in einem anderen Leben völlig eingeschüchtert von ihrem Ehemann. Auch die anderen Protagonisten sind sehr plastisch, mit jedem neuen Leben lernt man auch die Familie und Mitmenschen von Ursula von einer neuen Seite kennen. Das Mutter-Tochter-Verhältnis beispielsweise zeigt alle Facetten von Liebe bis Verachtung und Hass.
Obwohl manche Tage in den verschiedenen Leben von Ursula immer wieder gelebt werden (beispielsweise der Tag ihrer Geburt), ist das keineswegs langweilig; denn jedes Mal wird eine andere Facette des Tages beleuchtet und jedes Mal ist ein Detail anders und man überlegt sich als Leser, welche Auswirkungen einen wohl erwarten werden. Wer ein Buch sucht, um mal schnell ein paar Seiten vor dem Einschlafen zu lesen, für den ist die Unvollendete nicht das Richtige. Um den Überblick über das aktuelle Leben zu behalten, muss man schon aufmerksam lesen, denn sonst geht es einem wie Ursula: „Die Vergangenheit war ein großes Durcheinander in ihrem Kopf“.
Dieses Buch spielt mit der Frage: was wäre wenn? Wenn dieses und jenes anders gelaufen wäre, welche Folgen hätte das? Und man erkennt: manche Zusammenhänge lassen sich nicht vorhersagen; kleine Dinge haben oft Konsequenzen, die man einfach nicht überblicken kann. Und das ist auch gut so.

Bewertung vom 24.07.2015
Die Straße der Geschichtenerzähler
Shamsie, Kamila

Die Straße der Geschichtenerzähler


gut

Vivian Rose Spencer. Jung und aus wohlhabendem englischem Hause, darf zum ersten Mal bei einer archäologischen Ausgrabung in Labraunda mitwirken. Gerade als sie erkennt, dass der alte Familienfreund Tashin vielleicht doch mehr sein könnte als nur ein Freund, bricht der erste Weltkrieg aus und sie muss zurück nach London. Der Türke Tashin bleibt zurück.

Der Krieg verändert auch das Leben des Inders Qayyum Gul. Er kämpft für das britische Empire in Frankreich.

Das „exotische“ Setting in Peschawar macht den großen Pluspunkt dieses Buches aus. Die Autorin entführt den Leser gekonnt und schafft ein gewaltiges und buntes Bild der Stadt. Gleichzeitig zeigt sie die gesellschaftlichen Unterschiede zwischen Engländern und Indern sehr gut auf. Das Unabhängigkeitsstreben Letzterer macht einen großen Teil der Story aus und wird ebenfalls sehr realistisch dargestellt. Auch die Rolle, die indische Soldaten im ersten Weltkrieg gespielt haben, wird zumindest angerissen, da hätte ich mir aber doch etwas mehr Fleisch auf den erzählerischen Rippen gewünscht. Etwas fehlplatziert wirkte das Thema Archäologie, ich habe es Vivian nie so wirklich abgenommen, dass sie sich dafür interessiert. Obwohl die Autorin viel tut um es mich glauben zu lassen. Völlig untergegangen ist die vom Klappentext suggerierte Liebesgeschichte mit Tashin. Das mag jetzt mancher als Spoiler empfinden, wenn aber Inhalt und Klappentext so gar nicht zueinander passen wollen, dann will ich das hier schon auch ansprechen. „Die Straße der Geschichtenerzähler“ ist also auf keinen Fall eine nette kleine Lovestory.

Ich weiß nicht warum, aber die Story kam mir einfach nicht so recht nah. Qayyums Schicksal hat mich immer ein bisschen mehr interessiert als Vivs, doch insgesamt ließen mich ihre Leben doch eher kalt. Auch der Schreibstil war nicht ganz meins, obwohl ich niemand bin, der überall und immer Action und Spannung braucht, habe ich mich doch ab und an gelangweilt. Gerade in der ersten Hälfte des Buches springt der rote Faden doch etwas ziellos hin und her; in der zweiten Hälfte bessert sich das, sodass ich mit etwas mehr Begeisterung weitergelesen habe. Am Ende kann die Story dann noch mal punkten, aber insgesamt bleibt doch etwas Enttäuschung zurück.

Fazit: Interessant sind eigentlich nur die Ausführungen zum indischen Freiheitskampf. Der Rest eher mau.

Bewertung vom 24.07.2015
Um Mitternacht
Cruz, Augusto

Um Mitternacht


weniger gut

Scott McKenzie war der letzte Privatsekretär des legendären J. Edgar Hoover. Lange Jahre nach seinem Karrierehoch wird er von einem privaten Sammler mit Nachforschungen betraut. Es gilt den sagenumwobenen Stummfilm „Um Mitternacht“ aufzuspüren. Ein Film, der seit Jahrzehnten als verschollen gilt. Scott macht sich auf die Suche.

Cruz spinnt hier eine Geschichte, die die Fakten um den tatsächlich als verschollen geltenden Film „Um Mitternacht“ mit einer fiktiven Handlung verknüpft. Leider stellen die Fakten die Fiktion oft in den Schatten, das Buch wirkte häufig auf mich wie ein verkapptes Sachbuch. Cruz weiß den Leser durchaus für das Mysterium dieses Films zu interessieren, doch trägt er diese Informationen oft im unpassendsten Moment und meist recht dröge vor. Da muss man schon großer Cineast sein um diese Informationen zu würdigen zu wissen. Überhaupt scheint dröge oft das Leitmotiv dieses Romans zu sein. Die auf den Klappentext ach so spannend angepriesene „Jagd“ nach dem Film ist – sorry – gähnend langweilig. McKenzie gelangt durchaus in prekäre Situationen, fürchtet um Leib und Leben… und der Leser muss sich zurückhalten, dass ihm dabei kein Gähnen entschlüpft. McKenzie ist an sich kein unsympathischer Zeitgenosse, aber er konnte das Buch für mich nicht retten. Seine Verbindung zu Hoover ist durchaus gut ausgedacht, leider schien der Autor von seiner Idee selbst so begeistert zu sein, dass das Hooverthema wiederum den Film zu verdrängen scheint. Ich war mir oft nicht sicher, ob der Autor hier einfach mehrere Buchideen zu einer verwurstelt hat. Ungeachtet der Tatsache, dass viele Köche (=Themen) eben gerne mal den Brei, respektive das Buch verderben. Nervtötend ist ebenfalls die Marotte des Autors bei der wörtlichen Rede auf jegliche Interpunktion zu verzichten, was zuweilen doch für Verwirrung sorgt. So bleibt aber zumindest der dröge Erzählstil ohne Unterbrechung. Unterm Strich kommen für mich 2,5 Sterne rum und das Vorhaben vom Autor kein weiteres Buch mehr zu lesen.

Fazit: gute Ansätze, im Endergebnis aber leider enttäuschend.

Bewertung vom 23.04.2015
Der Architekt des Sultans
Shafak, Elif

Der Architekt des Sultans


sehr gut

Ein Märchen aus 1001 Nacht

Chota, ein junger weißer Elefant wird dem Sultan des osmanischen Reichs zum Geschenk gemacht. Der Junge Jahan wird sein Mahut und muss sich selbst erst mal mit dem Leben am Hof von Istanbul zurechtfinden. Eine weitere Veränderung steht ihm bevor, als der große königliche Architekt Sinan auf ihn aufmerksam wird und ihn zu einem seiner wenigen handverlesenen Schüler macht.

Elif Shafak baut eine sehr schöne fiktive Geschichte um die Realperson Sinans. Seine Arbeit, seine großartigen Bauwerke und Methoden spielen eine große, aber nicht die Hauptrolle im Buch. Der Fokus bleibt immer auf Jahan. Der mausert sich vom kleinen schüchternen Jungen zum belesenen und intelligenten Architekten. Immer dabei: Chota. Die Beziehung zwischen den beiden wird sehr einfühlsam beschrieben, auch wenn es sich „nur“ um einen Elefanten handelt merkt man Jahan an, dass er ihn wie einen echten Freund betrachtet. Die Autorin schafft ein opulentes Bild der Zeit, sehr detailreich und oft etwas blumig erzählt sie ihre Geschichte. Doch auch die Schrecken der Pest, des Krieges oder der Sklaverei finden ihren Platz, sodass man ein interessantes Rundumbild jener Epoche erhält. Leider werden manchmal kleine Episoden etwas zusammenhangslos aneinandergereiht, da gab es dann doch den einen oder anderen kleinen Bruch. Auch mit dem Ende des Buches war ich nicht ganz so glücklich, insgesamt hat mir dieses Märchen aus 1001 Nacht jedoch sehr gut gefallen.

Fazit: ein interessanter und märchenhafter Ausflug nach Istanbul.

Bewertung vom 23.02.2015
Der Teufel von New York / Timothy Wilde Bd.1
Faye, Lyndsay

Der Teufel von New York / Timothy Wilde Bd.1


ausgezeichnet

Timothy Wilde lebt im New York des Jahres 1845. Er ist Mitglied der frisch gegründeten Polizei, ein "Träger des Kupfersterns" wie er es gerne bezeichnet. Bei einem nächtlichen Kontrollgang findet er ein kleines Mädchen, das nur im Nachthemd bekleidet und mit Blut besudelt durch die Straßen irrt. Auf der Flucht vor - ja vor wem eigentlich? Timothy ermittelt und stößt auf ein fürchterliches Verbrechen, bei dessen Aufklärung er nicht nur gegen die üblichen Widrigkeiten zu kämpfen hat, sondern sich auch mit dem allgegenwärtigen Hass gegen irische Einwanderer und das Papsttum beschäftigen muss.

Lyndsay Faye hat hier einen tollen Serienauftakt abgeliefert, ihre Geschichte ist sehr anschaulich und flüssig geschrieben und ließ sich nur schwer aus den Händen legen. Die New Yorker Szenerie ist sehr bildhaft beschrieben, man sieht Timothy vor dem geistigen Auge durch den städtischen Sumpf waten. Wilde ist ein vielschichtiger Charakter, den man auch durch die Verwendung der erzählerischen Ich-Perspektive sehr gut kennen und schätzen lernt. Zunächst etwas naiv und planlos nimmt er seine Rolle als Polizist immer mehr an und der Leser kann diese Entwicklung gut nachvollziehen.

Neben der Spannung kommt aber auch der historische Aspekt nicht zu kurz. Jedem Kapitel sind kurze Ausschnitte aus Zeitungen, Briefen o.ä. vorangestellt, die die aufgeheizte Stimmung zur damaligen Zeit mehr als deutlich machen. Authentisch ist auch die verwendete Gaunersprache „Flash“, die von zwielichtigen Gestalten gesprochen wurde und deren Übersetzung man im Anhang des Buches finden kann. Die Entstehung des ersten Flash-Wörterbuches wird gekonnt in die Story eingearbeitet.

Mir hat „Der Teufel von New York“ wirklich sehr gut gefallen und ich warte jetzt sehnsüchtig auf den zweiten Teil dieser vielversprechenden Reihe um die ersten Kupfersternträger des Big Apple.

Bewertung vom 23.02.2015
Dreizehn Tage / Kommissarin Alice Madison Bd.1
Giambanco, V. M.

Dreizehn Tage / Kommissarin Alice Madison Bd.1


weniger gut

Alice Madison hat erst vor einigen Wochen ihren Job als Ermittlerin bei der Mordkommission in Seattle angetreten, da wird sie mit einem brutalen Fall betraut: der Anwalt James Sinclair, seine Frau und die beiden Söhne wurden im trauten Heim brutal ermordet. Die Leichen sind grotesk arrangiert und im Türrahmen findet sich eine mysteriöse Nachricht vom Mörder: „Dreizehn Tage“. Kurz darauf erhält ein weiterer Anwalt aus Sinclairs Kanzlei einen Brief. Darin nur zwei Worte: „Dreizehn Tage“. Für Madison und ihr Team beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit…
Dreizehn Tage ist der Auftakt zu einer Serie um Madison und ihr Team. Ich persönlich bin mit diesem ersten Buch auch völlig bedient. Das Buch umfasst knapp 600 Seiten, davon habe ich maximal 100 mit allenfalls geringem Interesse gelesen, der Rest war schlicht und ergreifend langweilig. Eine Straffung um etwa 300 Seiten hätte vielleicht etwas für Spannung gesorgt, aber so schleppt sich die Handlung in einem ewigen blabla dahin und ich musste mich wirklich zum Weiterlesen zwingen.
Die Protagonisten sind allesamt flach und ohne jegliche Tiefe; Madison soll dem Leser wohl durch die Einstreuung von Szenen aus Kindheit und Jugend näher gebracht werden, das ist in meinen Augen völlig misslungen. Die Ermittlungen folgen blind abstrusen Hinweisen, die der durchschnittliche Krimileser besser gedeutet hätte. Das gipfelt dann irgendwann in einem seltsam-lächerlichen Showdown, den ich so allenfalls in einem schlechten Actionstreifen erwartet hätte.
Anhand von Titel und Klappentext erwartet man eine actionreiche und superspannende Jagd nach dem Mörder, die tickende Uhr immer im Hinterkopf. Die dreizehn Tage verstreichen aber irgendwie spurlos, über große Strecken des Buches verliert man dieses nicht allzu ernst gemeinte Ultimatum völlig aus den Augen.
Der Schreibstil ist gerade in der ersten Hälfte recht zäh. Die Geschichte ist größtenteils im Präteritum geschrieben, wechselt zwischendrin aber immer mal wieder ins Präsens. Ich muss ehrlich zugeben, ich konnte nicht enträtseln ob das einen bestimmten Grund hat, mir kam es ziemlich willkürlich vor. Zudem wurde dadurch der gerade in der ersten Hälfte spärlich gesäte Lesefluss unterbrochen. In der zweiten Hälfte lässt sich die Story dann erfreulicherweise flüssiger lesen.
Zwei Dinge kann ich also positiv hervorheben: die Grundidee der Story hat mir ganz gut gefallen, (auch wenn die Ausführung dann mangelhaft war) und gerade die zweite Hälfte des Buches ist halbwegs flüssig geschrieben.
Alles in allem ist für mich Dreizehn Tage echte Zeitverschwendung gewesen und einen eventuellen Nachfolgeband würde ich niemals lesen. Weiterempfehlen kann ich das Buch auch nicht.