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Buchbesprechung
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Bad Kissingen
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Ich bin freier Journalist und Buchblogger auf vielen Websites. Neben meiner Facebook-Gruppe "Bad Kissinger Bücherkabinett" (seit 2013) und meinem Facebook-Blog "Buchbesprechung" (seit 2018) habe ich eine wöchentliche Rubrik "Lesetipps" in der regionalen Saale-Zeitung (Auflage 12.000).

Bewertungen

Insgesamt 368 Bewertungen
Bewertung vom 03.09.2017
Ermordung des Glücks / Jakob Franck Bd.2
Ani, Friedrich

Ermordung des Glücks / Jakob Franck Bd.2


ausgezeichnet

NACHDENKLICH und ERGRIFFEN bleibt man als Leser zwangsläufig zurück nach der Lektüre des am 11. September im Suhrkamp erscheinenden Romans "Ermordung des Glücks" des preisgekrönten Schriftstellers Friedrich Ani (58). Nach "Der namenslose Tag" (2015) - ausgezeichnet mit dem Deutschen Krimi Preis und dem Stuttgarter Krimipreis - ist dies Anis zweiter Roman um den längst pensionierten Kommissar Jakob Franck. Im Roman geht es um den elfjährigen Lennard, lebensfroh, musikbegeistert, begnadeter Fußballer und umzärtelter Liebling seiner Eltern. Lennard wurde in einer regnerischen Novembernacht ermordet, sein Leichnam erst nach 34 Tagen zufällig entdeckt. Vom Mörder und dessen Motiv fehlt auch nach Wochen jede Spur. Die Sonderkommission tappt völlig im Dunkeln. Exkommissar Franck - geschieden, einsam, in sich selbst verloren - geht mit Zustimmung der Sonderkommission allen Spuren noch einmal nach, befragt Anwohner, mögliche Zeugen, studiert alle Polizeiakten und sucht verzweifelt nach dem "Fossil", dem kleinsten unbedeutenden Hinweis, der vielleicht übersehen worden sein könnte. Er, der den Eltern damals die Todesnachricht überbracht hatte, will ihnen unbedingt den Namen des Mörders nennen. Trotz des Mordfalles und der geschilderten Ermittlungsarbeit ist Anis Buch nicht wirklich ein Krimi, sondern ein den Leser aufwühlender Roman um die "Ermordung des Glücks". Friedrich Ani beschreibt eindringlich die Seelenqual der Hinterbliebenen, der Eltern und Angehörigen, zeigt die seelische Zerstörung der Menschen, die Entfremdung der Ehepartner. Er schildert minutiös, wie die Mutter dem Wahnsinn entgegentreibt, der Vater als Rächer seines Sohnes zum Mörder eines fälschlich Verdächtigen wird. In kürzester Zeit zerbricht die vormals heile Welt der Familie und auch anderer Beteiligter und endet im absoluten Chaos, in tiefstem Schmerz und Unglück. Ani gelingt es auf einfühlsame Weise, sich und seine Leser in die verzweifelte Gefühlswelt seiner Figuren hineinzuversetzen. "Ermordung des Glücks" ist keine leichte, keine Unterhaltungslektüre, auch nicht unbedingt ein Buch für dunkle, regnerische, einsame Herbstabende, keine erholsame Lektüre nach Feierabend. Ani stellt Ansprüche an seine Leser. Man kann sich einer starken emotionalen Befangenheit nicht erwehren. Doch genau dies zeichnet diesen lesenswerten Roman als erneut preiswürdiges Buch aus. Deshalb: Absolut EMPFEHLENSWERT.

Bewertung vom 30.08.2017
Das erste Opfer / Oxen Bd.1 (eBook, ePUB)
Jensen, Jens Henrik

Das erste Opfer / Oxen Bd.1 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Äußerst SPANNEND, voller Tempo und absolut LESENSWERT ist der Thriller "Oxen - Das erste Opfer", der am 8. September als erster Band der dänischen Bestseller-Trilogie von Jens Henrik Jensen (54) im dtv-Verlag. Wir lernen Niels Oxen kennen, den in Balkan- und Afghanistan-Einsätzen hochdekorierten, aber jetzt traumatisierten Ex-Elitesoldaten einer dänischen Spezialeinheit, der sich in den Wald zurückgezogen hat, um von seinen Mitmenschen und Albträumen Abstand zu haben. Doch plötzlich findet er sich mitten in einer brisanten Mordserie wieder, erst unerwartet als vermeintlicher Täter, dann noch erstaunlicher als inoffizieller Mitarbeiter von Polizei und Geheimdienst. Wird er gebraucht oder missbraucht? Die Situation ist unübersichtlich und wird noch unübersichtlicher, je weiter die Handlung voranschreitet. Autor Jens Henrik Jensen versteht es aber ausgezeichnet, die verwirrend scheinenden Fäden der rasant ablaufenden Handlung konsequent zu verfolgen und am Ende eine nachvollziehbare Lösung aller Mordfälle zu präsentieren. Kurze Sätze, kurze Dialoge - mundfaul wie der einsame Kämpfer Niels Oxen - bringen wirklich Tempo in die Geschichte. Am Schluss bleiben allerdings [absichtlich] Fragen offen: Wer sind die Guten, wer die Bösen? Spielt auch Geheimdienstchef Mommsen mit gezinkten Karten? Dieser erste Band der dänischen Trilogie ist wirklich EMPFEHLENSWERT - nicht nur für Thriller-Fans, denn Blut fließt zum Glück kaum: Etwas Krimi, etwas Politthriller, etwas History-Thriller - die Mischung macht's. Man fragt sich nach der letzten Seite: Und? Wie geht's jetzt weiter? Wer sind die Drahtzieher des politischen Komplotts, deren Namen als einziger Niels Oxen kennt, aber keinen Gebrauch davon macht, weil er endlich wieder seine Ruhe haben will? Oxen zieht sich erst einmal wieder in die Einsamkeit zurück. Doch dürfte dies nur für ein paar Monate sein - denn Band 2 "Der dunkle Mann" und Band 3 "Gefrorene Flammen", in Dänemark schon längst veröffentlicht, erscheinen auf Deutsch im März und Juli 2018 bei dtv.

Bewertung vom 28.08.2017
Schloss aus Glas
Walls, Jeannette

Schloss aus Glas


sehr gut

Kein literarisches Großereignis, aber in ihrer Ehrlichkeit und Offenheit durchaus LESENSWERT ist diese 2006 erstmals veröffentlichte und jetzt als "Buch zum Film" im Diana-Verlag neu verausgabte Autobiographie "Schloss aus Glas" der amerikanischen Autorin Jeanette Walls (57). Ich habe dieses Buch schon vor Jahren gelesen und es hat mich doch nachhaltig beeindruckt, so dass ich mich noch heute gern an die Lektüre erinnere. Walls beschreibt ihre Jugend ab 1965 in der kleinbürgerlichen bis ärmlichen US-Provinz sowie ihre Familie, der es trotz individuellen Versagens von Vater und Mutter, von ihnen selbst verschuldeter Armut und zeitweiliger Obdachlosigkeit gelingt, das für viele Mitmenschen unsichtbare Schöne und Positive im einfachen Leben zu entdecken, die Familie trotz aller Widernisse zusammenzuhalten, in unserer materialistischen Welt auch ohne Geld zu überleben und am Ende trotz allem doch irgendwie ein Glücksgefühl und Dankbarkeit zu empfinden - auch und gerade den Eltern gegenüber. In Erinnerung blieb mir die "Weihnachtsgeschichte", als die Familie obdachlos in der Natur lebte und der Vater in Ermangelung richtiger Geschenke seinen Kindern jeweils einen Stern am Himmel schenkte. Die kleine Jeannette war glücklich über dieses besondere Geschenk, denn sie bekam einen echten Stern zu Weihnachten, während andere Kinder sich mit normalem Spielzeug abfinden mussten. Jeannette Walls Autobiographie ist sicher nicht große Literatur, regt aber doch zur Reflektion, zum Nachdenken über Sinn und Inhalt des eigenen Lebens an.

Bewertung vom 27.08.2017
Astrid Lindgren. Ihr Leben
Andersen, Jens

Astrid Lindgren. Ihr Leben


ausgezeichnet

Literarisch INTERESSANT, dabei durchaus UNTERHALTSAM ist die 2015 erstmals auf Deutsch veröffentlichte, jetzt im März 2017 vom Pantheon-Verlag zum 15. Todestag als Taschenbuch neu aufgelegte Biografie "Astrid Lindgren. Ihr Leben" des dänischen Literaturwissenschaftlers Jens Andersen. Anhand von Tagebucheinträgen, unzähligen Briefen und vielen anderen Quellen beschreibt der Autor nicht nur das Leben der ab 1945 durch ihre Pippi-Langstrumpf- und nachfolgenden Bestseller weltbekannten schwedischen Kinderbuch-Autorin. Sondern er macht vor allem deutlich, wie sich Lindgren für die Gleichberechtigung der Kinder im Verhältnis zu den Erwachsenen stark gemacht und die Kinderliteratur gegen den Widerstand konservativer Denker in den ersten Nachkriegsjahren revolutioniert hat: Wurden Kinderbücher früher aus der Sicht eines Erwachsenen geschrieben, kommen in den Lindgren-Büchern erstmals die Kinder selbst als Ich-Erzähler zu Wort. Parallel zur Schriftstellerin lernt man Lindgren als clevere Geschäftsfrau kennen, die es versteht, ihre Geschichten vielfältig zu vermarkten - in Zeitschriften, als Buch, als Hörspiel oder Drehbuch, wobei die Bearbeitungsfolge je Geschichte durchaus unterschiedlich war: mal war erst das Buch da, ein anderes Mal erst die TV-Serie wie bei "Ferien auf Saltkrokan". Trotz aller Detailfreude des Autors bleibt die Biografie dennoch interessant zu lesen. Nur hin und wieder haben mich einzelne Wiederholungen in der Charakterisierung der Person Lindgrens gestört. In jedem Fall macht es Freude, nach Lektüre ihrer Bücher in Kinderjahren, jetzt als Erwachsener die Schriftstellerin, ihre Entwicklung und die vielschichtigen Hintergründe hinter ihren Geschichten zu erfahren, um dadurch - jetzt aus der Sicht des Erwachsnenen - ihre Bücher besser verstehen und deuten zu lernen.

Bewertung vom 22.08.2017
Der Frauenchor von Chilbury
Ryan, Jennifer

Der Frauenchor von Chilbury


weniger gut

STARKE FRAUEN in schwierigen Weltkriegszeiten beschreibt der Anfang September im Kiwi-Verlag erscheinende Debütroman "Der Frauenchor von Chilbury" der britischen Schriftstellerin Jennifer Ryan. Auf recht ungewöhnliche Art, nämlich durch chronologische Reihung von Briefen, Tagebucheinträgen und Journalen ihrer wichtigsten Protagonistinnen, schildert die in England aufgewachsene, aber heute in Washington D.C. lebende Autorin den Alltag an der Heimatfront im kleinen englischen Ort Chilbury sowie die wachsende Emanzipierung der Frauen, die wegen fehlender Männer deren Aufgaben übernehmen müssen. Trotz mancher Intrigen und Ränkespiele halten die Frauen unterschiedlichen Alters und unterschiedlichen Charakters am Ende doch zusammen und bilden eben diese in Kriegszeiten unverzichtbare Heimatfront. Als "Bindemittel" für diesen Zusammenhalt dient der gemeinsame Chorgesang im reinen Frauenchor von Chilbury, zum Erstaunen und Entsetzen der alten Mrs. B. "ganz ohne Bässe und Tenöre". Allein dies zeigt schon: Der Krieg mit seinen Auswirkungen verwandelt die (Dorf-)Gesellschaft. Nichts wird nach dem Krieg so sein wie vor dem Krieg. Noch regiert zwar der Gutsherr, aber auch er ist längst ein Auslaufmodell, der sich nur noch mit der Reitpeitsche bei der Dorfbevölkerung Respekt verschaffen kann. Interessant am Buch ist, dass der Krieg diesmal aus Frauensicht gezeigt wird und die Handlung ganz abseits der Front in der Heimat spielt. Aber: "Der Frauenchor von Chilbury" ist kein historischer Roman, sondern trotz historischer Kulisse von Inhalt und Prägung eher ein typischer Frauenroman, der männliche Leser in manchen Passagen langweilen könnte.Meiner Frau hat dieser Roman jedenfalls sehr gefallen. Meine Meinung als Mann deshalb: Für Frauen sicher EMPFEHLENSWERT.

Bewertung vom 20.08.2017
Schmutziger Schnee / Leo Junker Bd.2
Carlsson, Christoffer

Schmutziger Schnee / Leo Junker Bd.2


weniger gut

FINSTER und allzu VERSTÖREND empfand ich den im Juni 2017 im Penguin-Verlag als Taschenbuch erschienenen zweiten Band "Schmutziger Schnee" der Psychothriller-Reihe des schwedischen Schriftstellers Christoffer Carlsson (31). Nach "Der Turm der toten Seelen" (2015) geht die Geschichte um den Polizisten Leo Junker mit einem neuen Fall weiter, weshalb die Lektüre der Reihe in chronologischer Folge wohl ratsamer ist. Carlsson wird als "der neue Erfolgsgarant Schwedens" und als der "Thriller-Autor einer neuen Generation" von der Kritik hoch gelobt, seine inzwischen schon vier Thriller mit Leo Junker sind Bestseller, die Rezensionen positiv, doch mir war "Schmutziger Schnee" zu düster und abweisend. Es geht - dies unterscheidet den Carlsson-Thriller deutlich von anderen Skandinaviern! - um aktuelle politische Themen wie Rechts- und Linksradikalismus. Er zeigt auf, wie aus verlorenen Jugendlichen gewalttätige Radikale werden. Doch es gibt im Roman eigentlich nur kaputte Typen, selbst Leo Junker ist kaputt und als Folge des im ersten Band geschilderten Falles von Psychopharmaka abhängig. Was mich auch stört: Der Autor springt in mehreren Handlungssträngen und Zeiten hin und her, was ich als irritierend empfunden habe. Zusammenfassend: Durch seine aktuelle politische Thematik setzt sich Carlsson zweifellos und anerkennenswert von anderen Psychothriller-Autoren ab. Doch mir war dieser Thriller allzu destruktiv, als sei die Welt nur schlecht, die Menschen nur kaputt. Ich werde deshalb Band 3 "Der Lügner und sein Henker" (2016) sicher nicht lesen!

Bewertung vom 17.08.2017
Heldenflucht
Kilman, Jan

Heldenflucht


ausgezeichnet

Absolut FESSELND geschrieben und historisch PERFEKT nachempfunden ist der im März 2017 im Heyne-Verlag veröffentlichte Roman "Heldenflucht" von Jan Kilman, Pseudonym eines "deutschen Spannungsautors". Es geht um die ersten Tage nach dem Ersten Weltkrieg in einem fiktiven Dorf in der Eifel. Es ist Dezember 1918, seit November ist Waffenstillstand. Deutschland befindet sich in einem Vakuum zwischen Krieg und Frieden, in einer Zeit des gesellschaftlichen und technischen Umbruchs - im Eifeldorf leuchten erstmals Glühbirnen in den Häusern, Autos gibt es keine im Dorf. Die ersten Kriegsheimkehrer treffen ein. "Die große Kunst des Erzählens liegt darin, auszusparen und fortzulassen", beginnt der Autor sein Nachwort. Trotzdem ist es ihm ausgezeichnet gelungen, die verschiedenen Aspekte des ersten industriellen Krieges mit seinen Vernichtungswaffen und den entsetzlichen Folgen an Leib und Seele der Kriegsheimkehrer in seinem Roman nacherlebbar zu machen. "Heldenflucht" ist in meinen Augen keineswegs ein Kriminalroman, wie es Klappentext und Cover vermuten lassen, sondern ein sehr seriöser Nach-/Kriegsroman - auch wenn Mordfälle eher zufällig aufgedeckt werden. Es geht im Roman nicht um die Morde, sondern um den Weltkrieg und seine Folgen für die Menschen - ganz ausgezeichnet geschilderte Charaktere von der Großbäuerin bis zum jüdischen Händler - in einem kleinen Dorf im deutschen Irgendwo. Dieser Roman ist unbedingt EMPFEHLENSWERT.

Bewertung vom 14.08.2017
Der Anruf kam nach Mitternacht
Gerritsen, Tess

Der Anruf kam nach Mitternacht


sehr gut

Wie wohl alle ihre Romane ebenfalls sehr SPANNEND war der vor einer Woche in Neuauflage(!) bei Harper Collins veröffentlichte Thriller "Der Anruf kam nach Mitternacht" der Bestseller-Autorin Tess Gerritsen, der 2001 im Original und 2007 erstmals auf Deutsch erschien. Von Washington über London und Berlin und Amsterdam wird die anfangs biedere, im Laufe der Handlung immer cleverere US-Forscherin Sarah Fontaine von Agenten der CIA und Killern gehetzt. Vielleicht stören manchmal die doch etwas abgegriffenen Klischees in der Charakterisierung der handelnden Personen. Aber bei einem Unterhaltungsthriller muss/darf man Abstriche machen. Durch einige unerwartete Wendungen in der Handlung (Wem darf sie vertrauen, wem nicht?) wird Sarah immer selbständiger, mutiger, cleverer. Irritierend ist im ersten Moment bei heutigem Lesen die [seit bald 30 Jahren aufgehobene] Teilung Berlins in Ost- und Westsektor, doch ist dies dem Alter des Buches (2001) geschuldet, das in diesem Punkt allerdingsv schon bei seiner Erstveröffentlichung überholt war. Wie gesagt, eine zeitgeschichtliche Marginalie, die der Spannung nicht schadet. Insgesamt ist dieser Thriller gute und wirklich spannende Unterhaltung. Spannende Urlaubslektüre!

Bewertung vom 10.08.2017
ZERO - Sie wissen, was du tust
Elsberg, Marc

ZERO - Sie wissen, was du tust


gut

Etwas ENTTÄUSCHEND, zumindest im Vergleich mit dem Debütroman "Blackout", fand ich den 2014 bei Blanvalet veröffentlichten Science-Roman "Zero" des Österreichers Marc Elsberg (50). Es geht darin um Datenspeicherung, -kontrolle und -missbrauch, dem wir Internet- und Socialmedia-Nutzer täglich wissentlich oder unwissentlich ausgesetzt sind. Es geht um uns "gläserne Menschen". Nicht allein Geheimdienste und Regierungen, vielmehr noch die IT-Konzerne nutzen und missbrauchen unsere persönlichen Daten, die wir im Internet allzu freiwillig und unschuldig naiv preisgeben, für ihre eigenen Zwecke. Im Roman geht es sogar so weit, dass wir User durch den Gebrauch von ActApps manipuliert werden: Pubertierende Jugendliche halten sich statt an [wohlmeinende] Ratschläge ihrer Eltern lieber an Empfehlungen der in sozialen Netzwerken angepriesenen ActApps und lassen sich so von Konzernen unbewusst manipulieren. So weit, so gut - oder schlecht. Im Gegensatz zu "Blackout" hält sich Elsberg bei "Zero" aber leider seitenlang mit Erklärungen technischer Details auf, um den unkundigen Leser über die gefährlichen Folgen seines unbedachten Internet-Gebrauchs zu informieren. Aber wollen wir Leser dies wirklich alles so genau in einem Roman lesen? Für diesen Fall würden wir ein Fachbuch wählen - oder eher im Internet surfen.

Bewertung vom 08.08.2017
Mr. Peardews Sammlung der verlorenen Dinge
Hogan, Ruth

Mr. Peardews Sammlung der verlorenen Dinge


sehr gut

POETISCH und ROMANTISCH, etwas sentimal, durchaus auch lebensweise, dabei absolut unterhaltend ist der im Mai 2017 im List-Verlag veröffentlichte Debütroman "Mr. Peardews Sammlung der verlorenen Dinge" der britischen Autorin Ruth Hogan. Auf der letzten Seite schreibt sie selbst: "Es war eine mitreißende Geschichte über Liebe und Verlust, Leben und Tod, und vor allem Wiedergutmachung. Es war die Geschichte einer großen Leidenschaft, die 40 Jahre gehalten hatte und schließlich ihr Happy End fand." Es geht im Buch um Glück und Unglück, um Verlust und Verlieren. Es geht um den Verlust materieller Dinge, von scheinbar unnützem Kleinigkram - wie z.B. einem verlorenen Puzzle-Stein -, der für andere aber eine große Bedeutung haben kann. Es geht im Roman aber auch um das langsame Verlieren und schließlich dem Verlust nahestehender Menschen, die an Alzheimer leiden, die sich also auch selbst verlieren. Ruth Hogan, die nach schwerer Krankheit, diese ungewöhnliche Geschichte schrieb, versteht es, auch traurige Schicksale dem Leser erträglich zu vermitteln und keine Angst vor dem Tod zu haben. Ihr Roman ist eine sentimentale, tragische, zugleich fröhlich-lustige Geschichte, wechselhaft wie das Leben eben ist. Die Handlung läuft auf zwei Zeitebenen ab, bis die Vergangenheit am Ende die Gegenwart einholt, beide Erzählstränge zusammenfinden und zum glücklichen Ende führen. Hogan schildert liebenswerte Charaktere mit all ihren menschlichen Schwächen bis hin zur fröhlichen, sympathisch ehrlichen Sunshine mit ihrem "Daunendrom" (Down-Syndrom). Man spürt zugleich, dass die Autorin einiges an eigenem Erleben und Lebenserfahrung in ihrer Geschichte verarbeitet hat. Der Roman hat mir recht gut gefallen und ist durchaus LESENSWERT. Er erinnert mich an den im März im Blanvalet-Verlag veröffentlichten, ebenfalls recht netten Roman "Die wundersame Reise eines verlorenen Gegenstands" von Salvatore Basile.