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Bibliomarie

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Insgesamt 1032 Bewertungen
Bewertung vom 06.02.2020
Kälter als der Tod / Der Mongole Bd.2
Manook, Ian

Kälter als der Tod / Der Mongole Bd.2


sehr gut

In der mongolischen Steppe herrscht ein eisiger Schneesturm und meterhohe Schneeverwehungen machen es Inspektorin Oyun fast unmöglich zum Fundort einer Leiche zu kommen. Ein merkwürdiger, fast unwirklicher Anblick wartet auf sie. Sie sieht einen toten Reiter, der unter einem riesigen Yak liegt. Aber es war kein Unfall, es war eindeutig Mord. Kurz danach wird auch ihr Chef Kommissar Yeruldelgger zu einem Totenfund gerufen, auch hier wieder ein seltsamer Fundort.
Erschwert wird die Arbeit der Ermittler, dass bald alle Zeugen sterben und Yeruldellger auch ganz persönlich involviert wird.
Der Krimi „Der Mongole“ ist der mittlere Band einer auf drei Bände angelegten Reihe. Ich kannte den ersten Band nicht, hätte dadurch vielleicht einige Details oder Rückblenden noch besser einordnen können. Was mich an diesem Buch reizte mich besonders der Schauplatz. Die Mongolei mit ihren unermesslich weiten Steppen und Eiswüsten und dem Gegensatz zwischen nomadischen Hirten und westlich orientierten Städten. In diesem Zwiespalt lebt und arbeitet auch Yeruldegger. Er ist ein gradliniger, sturer Ermittler, dem durchaus klar ist, dass die Macht der Politik und des Militärs auch bis in seine Arbeit reichen. Er hat mit seinen Ermittlungen in ein Wespennest gestochen und steht plötzlich zwischen allen Fronten.
Doch er zieht, auch ohne Rücksicht auf persönliche Verluste, seine Ermittlungen durch, die ihn bis nach Frankreich führen, während Oyun in der Mongolei versucht die Stellung zu halten.
Das Buch hat seine faszinierenden Momente. Nämlich immer dann, wenn die großartige Landschaft eine tragende Rolle spielen darf. Diese Beschreibungen haben mir sehr gut gefallen und mir auch ein Gespür für diese lebensunwirtliche Umgebung gegeben. Sehr deutlich wird auch der Gegensatz zwischen Moderne und traditioneller Lebensweise herausgearbeitet, die an den Randgebieten der Städte zu Elendsgebieten und entwurzelten Menschen führte.
Dazwischen agieren Yerduldellger und sein französischer Kollege wie James Bond. Ohne Rücksicht auf Verluste, immer auch am Rand – oder eigentlich schon darüber hinaus – der Legalität. Aber in der postsowjetischen Zeit, in der Oligarchen über unbegrenzte finanzielle und politische Ressourcen verfügen, scheint das die einzige Möglichkeit zu sein, diesem kriminellen Geflecht nahe zu kommen.

Das Buch lässt mich ein wenig gespalten zurück. Ich mich gut unterhalten, aber es hat mich nicht so mitgerissen, dass ich unbedingt den ersten Band unbedingt nachlesen möchte.

Bewertung vom 06.02.2020
Frankenstich
Drüppel, Katharina;Heinlein, Heike

Frankenstich


sehr gut

Georg Neuner ist ein erfolgreicher Autor von Regio-Krimis aus Franken. Seine Lesungen sind Publikumsmagneten und Buchhändlerin Felicitas Reichelsdörfer freut sich über den guten Umsatz. Die Freude währt nicht lange, am nächsten Morgen liegt Neuner erstochen im Hinterzimmer und Kommissar Clemens Satorius scheint Feli gleich zur Hauptverdächtigen zu machen. Klar, dass ihr da nichts anderes übrigbleibt als selbst ein wenig zu stochern und zu forschen.

Das Krimi-Debüt des Autorinnen – Duos Drüppel und Heinlein ist wirklich gelungen. Bonuspunkte gibt es bei mir immer, wenn eine Buchhandlung zum Schauplatz wird, schließlich bin ich ein Bücherwurm. Auch die regionalen Beschreibungen von Erlangen und der Fränkischen Schweiz kommen nicht zu kurz, das hat mir gut gefallen.

An den Kommissar Satorius und seine Marotten musste ich mich erst gewöhnen, aber er gewann im Lauf der Geschichte an Profil und auch meine Sympathie. Ein witziger Kontrapunkt zu den offiziellen Ermittlern sind Felicitas, ein rothaariges Temperamentbündel und ihr Mitarbeiter Bosch, der in der Buchhandlung auch seine Styling- und Modeambitionen ausleben darf. Bei ihren eigenen Ermittlungen kommt Feli immer wieder mal Satorius in die Quere, was den immer mehr in Rage bringt.

Der Krimi ist mit Herz und Humor geschrieben, die Spannung kommt dabei ebenfalls nicht zu kurz. Ihre Figuren sind wirklich liebevoll ausgedacht und beschrieben, auch das ganze private Drumherum sowohl bei Satorius, wie auch bei Feli und ihrer Familie haben mir Spaß gemacht.

Das Ende ist eine echte Überraschung und hat mich lange und geschickt im Unklaren gelassen. Was mich freut: es wird einen zweiten Band geben und darauf bin ich gespannt.

Bewertung vom 05.02.2020
Tiefer Fall / Doggerland Bd.2
Adolfsson, Maria

Tiefer Fall / Doggerland Bd.2


ausgezeichnet

„Tiefer Fall“ ist der zweite Band von Maria Adolfssons Doggerland Krimis. Wieder hat Kommissarin Karen Eiken Hornby einen Fall, der sie persönlich mehr betreffen wird, als sie ahnt.

Am Weihnachtstag findet eine Gertrud Stuub ihren Bruder Frederik, einen emeritierten Hochschullehrer, tot am Rande einer aufgelassenen, inzwischen mit Wasser gefüllten Kohlegrube. Bald stellt sich heraus, es war kein Unfall und Kommissarin Eiken Hornby wird mit den Ermittlungen betraut, obwohl sie immer noch an den Folgen ihrer letzten Einsatzes laboriert. Wem ist der alte Mann zu nahe gekommen? Eine persönliche Herausforderung für die Kommissarin, denn sie selbst hat familiäre Verbindungen zur Insel und es scheint, dass eine Spur zu ihrer Familie führt.

Ich bin leider erst mit dem zweiten Band auf diese Reihe aufmerksam geworden und bedaure sehr, dass ich die Autorin nicht schon früher kennengelernt habe. Zwar hatte ich überhaupt keine Schwierigkeiten in den Krimi einzusteigen, die Vorgeschichte wird am Rand erwähnt und in Rückblenden kurz erklärt, aber ich habe das Gefühl, dass ich einen tollen Einstieg verpasst habe, den ich sicher nachholen werden.

Sehr gut gefallen hat mir das Setting. Die Autorin entwirft mit Doggerland eine Inselgruppe, die es in der Realität nicht mehr gibt, zwischen Dänemark und England breitet sich heute die knapp unter dem Meeresspiegel Sandbank Doggerbank aus. Aber Maria Adolfsson erfüllt die Inseln mit Leben, eine Mischung aus England und Skandinavien, mit einem rauen Menschenschlag der früher von den Kohleminen lebte, während heute die knappen Arbeitsplätze nur noch auf einer Bohrinsel und einer Whiskeybrennerei zu finden sind. Ihre Figuren sind authentisch und vielschichtig angelegt. Bis in die Nebenstränge wurden mir alle Protagonisten lebendig. Ganz besonders Karen Eiken Hornby, sie ist die Figur, die die ganze Handlung trägt, eine sehr gelungen gezeichnete Persönlichkeit mit eisernem Willen und ständigen Selbstzweifeln. Dadurch wird sie sehr menschlich und nah.

Der Roman ist eine gelungene Mischung aus skandinavischem und englischem Krimi, auf der einen Seite mit den typischen sozialpolitischen und gesellschaftlichen Hintergründen und auf der anderen Seite ein spannender Ermittlerkrimi.

Ein klarer, flüssiger Erzählstil und die temporeiche Handlung, die den Spannungsbogen nie abflachen lässt, hat mein Leseerlebnis abgerundet.

Eine klare Leseempfehlung von mir.

Bewertung vom 04.02.2020
Alle Tage, die wir leben
Hansen, Dagmar

Alle Tage, die wir leben


gut

Ihrem Geburtstag sieht Tilda eher mit Schrecken entgegen. Es wird ein neues Lebensjahrzehnt und die 6 davor gefällt ihr gar nicht. Sie hat Angst vor dem älter werden und auch Angst vor der Zukunft. Gerade hat ihr kleines Schreibbüro einen wichtigen Kunden verloren und all das verstärkt ihre Unsicherheit. Ihre Freundinnen machen ihr Mut, die regelmäßigen Kochtreffen sind immer ein Lichtblick für Tina. Um ihren Verdienstausfall zu kompensieren, sucht sie einen Minijob. Eine Anzeige fällt ihr ins Auge, eine betagte Dame sucht eine Privatsekretärin, um nach dem Muster des schwedischen Dödstädning ihre Angelegenheiten zu regeln.

Ruth ist eine bemerkenswerte Frau und wie es scheint, ganz mit sich im Reinen. Aber bald merkt Tilda, Ruth möchte nicht nur angesammelte Dinge loswerden, auch Beziehungen sollen geordnet und abgeschlossen werden. So ist die Beziehung mit ihrer Schwester seit Jahren angespannt und auch ihre Tochter hat sich abgewandt.

Eine ganz hervorragende Idee für ein Buch, dass auch viele Denkanstöße für das eigene Leben vermitteln kann. Ich bin voller Vorfreude an das Buch herangegangen. Dagmar Hansen schreibt recht unterhaltsam, aber ganz besonders im ersten Drittel des Texts fiel mir auf, dass oft ellenlange Beschreibungen das Erzählen ersetzen. Natürlich gehören Beschreibungen dazu, sie sollen die Atmosphäre eines Raums, eines Hauses oder einer Beziehung illustrieren. Wenn es allerdings zu einer Aufzählung gerät, mindert das - zumindest meinen - Lesegenuss.

Mit Ruth hat die Autorin eine sehr eindrucksvolle Persönlichkeit gezeichnet, die sehr lebendig und stimmig wirkt. Im Gegensatz zu Tilda, die seltsam farblos und unentschlossen daher kommt. Obwohl schon viele Jahrzehnte verwitwet, hält sie immer noch Zwiesprache mit dem toten Ehemann, ließ eigentlich auch nie ernsthaft eine neue Beziehung zu und außer ihren drei Freundinnen scheint es keine Vertrauten in ihrem Leben zu geben.

Durch die Begegnung mit Ruth erkennt sie, wie viel mehr Lebensfreude und Energie in der so viel älteren Frau steckt und das auch sie aus ihrem Schneckenhaus kommen muss. Dieser Prozess ist unterhaltsam geschildert und wie ich finde, auch lebensnah.

Ich habe mich ganz gut unterhalten, aber auch immer das Gefühl gehabt, dass die Autorin das Potential der Geschichte nicht ganz ausgeschöpft hat.

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Bewertung vom 28.01.2020
Das Evangelium der Aale
Svensson, Patrik

Das Evangelium der Aale


sehr gut

Am Buch „Das Evangelium der Aale“ hat mich nicht nur der ungewöhnliche Titel angesprochen, auch das Cover hat meinen Blick auf sich gezogen. Blautöne, sich windende Aale in grau-gelblich-weiß, vielleicht war es die faszinierende und gleichzeitig ein wenig abstoßende Assoziation mit Schlangen, die meine Aufmerksamkeit erregten.

Der Text selbst ist ungewöhnlich. Patrik Svensson spürt seinem Vater nach und gleichzeitig dem geheimnisvollen Leben der Aale, der bis heute der Wissenschaft noch Rätsel aufgibt. Dabei spannt er in den Kapiteln, die er dem Fisch widmet einen weiten Bogen von Aristoteles bis hin zu den Fangquoten der EU. Natürlich darf auch die Erwähnung der Blechtrommel von Grass nicht fehlen, denn die Szene des nächtlichen Aalfischens mit dem Pferdekopf hat sich wohl allen Lesern und Kinobesuchern eingeprägt.

Fast hatte ich das Gefühl, dass Svensson in seinem Buch dem Aal mehr Aufmerksamkeit widmet, als seinem Vater. In den Kapiteln, in denen er sich an die gemeinsamen Angelabende erinnert, fühlt man aber viel vom unsichtbaren Band zwischen ihnen. Auch wenn der Junge größer wird und andere Interessen in den Vordergrund rücken, die gemeinsamen Unternehmungen nur noch sporadisch stattfinden – es bleibt eine Verbundenheit mit dem einfachen und wortkargen Mann.

Über das Geheimnis des Aals kommt Svensson auch den Spuren seines Vaters nahe und das beschreibt er einfach wunderbar. Es ist eine poetische und klare Sprache, die mir sehr gut gefallen hat. Natürlich ist es ein leises Buch und durch die Ausflüge in die Geschichte und die Naturwissenschaften vielleicht auch nicht für jeden Leser etwas, mich hat es jedenfalls fasziniert und hatte bisher wirklich keine Neigung zur Ichthyologie.

Es ist schon ein besonderes Buch und man sollte sich darauf einlassen, dann kann man die Mischung aus Kultur- und Naturgeschichte und Roman sicher genießen.

Bewertung vom 27.01.2020
Der Sunday Lunch Club
Ashton, Juliet

Der Sunday Lunch Club


sehr gut

Regelmäßig am Sonntag treffen sich die Geschwister der Familie Piper mit Freunden und Partnern zum Essen. Hier soll die alte Familientradition fortgeführt werden, auch wenn Großmutter Dinkie inzwischen im Heim lebt und die Eltern in Florida leben. Es wird aufgetischt, gelästert, gestritten und doch merkt man die tiefe Verbundenheit der vier Geschwister, die unterschiedlicher nicht sein könnten.

Annie hat an einem Tag auch eine besondere Ankündigung zu machen. Sie ist schwanger, ungewollt nach einem „Ausrutscher“ ausgerechnet bei einem Lunch Club Treffer mit einem Gast ihres Bruders. Und ausgerechnet jetzt verliebt sie sich in Luca, den ihr Bruder zum Treffen mitgebracht hat.

Jedes Kapitel erzählt die Geschichte aus einem anderen Blickwinkel und so lerne ich nach und nach die einzelnen Mitglieder des Sunday Lunch Clubs besser kennen. Den Focus legt die Autorin auf Anna, die zusammen mit ihrem Bruder Neil den viel jüngeren Geschwistern immer eine Art Elternersatz war.

Die episodenhaft angelegte Geschichte ist sehr charmant geschrieben, hat Witz und dabei immer auch Tiefgang. Mancher Charakter erschließt sich erst im Lauf der Handlung, die verhalten beginnt, aber immer mehr an Tempo und Brisanz gewinnt. Die Lebensläufe der Geschwister sind gebrochen und als Klammer gibt es Dinkie, die als stille Patriarchin auch mit einer Lebenslüge lebt.

Ich habe den Roman als wunderbar und warmherzig empfunden, alle Figuren sind mir gleichermaßen ans Herz gewachsen, auch wenn Annas Geschichte den meisten Raum einnimmt. Wichtig war mir die Aussage, dass Familie zusammenhalten muss und egal wie unterschiedlich man ist – es gibt nichts, was die Bindung zwischen Geschwistern trennen sollte. Die Autorin gelingt es ausgezeichnet mich mit ihrem Buch zu unterhalten, ich zum Schmunzeln und zum Lachen zu bringen und gleichzeitig auch nachdenklich zu stimmen, denn alle Geschwistern hat das Schicksal auch herausgefordert.

„Die Seele bleibt immer gleich“, das wird gleich zu anfangs erwähnt und zieht sich als Motto durch das ganze Buch.

Bewertung vom 24.01.2020
Tote trinken keinen Rosé
Bernhard, Emilia

Tote trinken keinen Rosé


gut

Rachel Lewis erfährt aus der Zeitung vom außergewöhnlichen Tod Edgar Bowens. Bei Tisch erlitt er einen Herzanfall und erstickte mit dem Gesicht in der Suppe. Edgar ist kein Unbekannter für Rachel, natürlich kennen sich alle Amerikaner, die in Paris heimisch geworden sind. Aber bei Edgar kommt noch was dazu: Rachel war seine Petite Amie. Als sie frisch in Paris ankam, mit den hochfliegenden Plänen eine bekannte Schriftstellerin zu werden, sich aber den kärglichen Unterhalt mit kellnern verdienen musste, war es Edgar, der sie unterstützte und ermutigte. Zwar hielt die Liebe nicht, inzwischen ist Rachel seit Jahren glücklich verheiratet und tatsächlich Autorin geworden, aber sentimental stimmt sie die Nachricht schon. Als sie allerdings von der Flasche Rosé liest, die neben der Suppe stand, klingeln ihre Alarmglocken. Edgar verabscheute Rosé!

Zusammen mit Magda, ihrer besten Freundin, auch eine Ex-Pat, beginnt sie ihre Nase in den Fall zu stecken. Begünstigt wird das durch ein kleines Vermächtnis. Edgar beauftragte Rachel in seinem Testament, die Bibliothek zu katalogisieren und sich dafür ein Buch der Wahl auszusuchen. Das ist eine wunderbare Gelegenheit täglich in der Wohnung aufzutauchen und die anderen Erben unter die Lupe zu nehmen.

Eine reizende Ausgangsidee, die amüsant und im Plauderton ihren Lauf nimmt. Viel pariserisches Flair breitet sich aus, wenn sich Rachel fast täglich mit Magda in Cafés und Bistros trifft, um ihre Erlebnisse und Vermutungen zu besprechen. Natürlich stochert sie vollkommen im Nebel und Leserinnen die schon einige Krimis gelesen haben, werden sich wundern, wie wenig Rachel Augenscheinliches zur Kenntnis nimmt.

Trotzdem liest sich dieser kleine Krimi sehr angenehm, die Dialoge sind witzig und pointiert und Rachel und Magda zwei liebenswürdige Damen mit zu viel Freizeit, die sich als "Detekteusen" - eine Wortschöpfung Rachels - betätigen. Auf große Spannung ist das Buch auch sicher nicht angelegt, eher auf leichte Unterhaltung, bei der Paris als Hintergrund leuchten kann.

Das drückt auch das Titelbild auf gekonnte Weise aus.

Gute 3,5 Sterne

Bewertung vom 22.01.2020
Jenseits von tot
Flebbe, Lucie

Jenseits von tot


ausgezeichnet

Eddie, die durch ihren Teilzeitvertrag von ihrem Chef Adrian eher als Schreibkraft eingesetzt wird, bekommt eine Chance ihre Fähigkeiten unter Beweis zu stellen. Die ältliche und unscheinbare Mitarbeiterin einer Wohnungsbaugesellschaft wird ermordet aufgefunden. Das Opfer war keine angenehme Person, unbeliebt bei Kollegen und bei den Handwerksfirmen, die auf ihre Aufträge angewiesen waren, direkt verhasst.

Die Wohnungsbaugesellschaft gehört zu den Heuschrecken: möglichst viel Gewinn aus dem Bestand zu ziehen, nur die notwendigsten Sanierungsarbeiten nach monatelangen Missständen auszuführen und bei den Handwerker mit ständigen Reklamationen die Zahlungen hinauszuzögern, so funktioniert das Geschäftsmodell. Und Sigrid Funke war da als stellvertretende Abteilungsleiterin ganz vorne mit dabei.

Aber ein Pflegedienst für Wachkoma-Patienten scheint sich gut damit arrangiert zu haben, hier gehen die Sanierungsarbeiten schnell über die Bühne und auch ein Bauunternehmen taucht bei fast allen Arbeiten auf, ohne dass es hier zu Problemen kommt. Viele Ansatzpunkte also für Eddies Arbeit.

Doch dann kreuzen sich Zombies frühere Verbindungen ins Boxmilieu mit Eddies Ermittlungen und der Fall wird plötzlich sehr persönlich.

Lucie Flebbe hat die Geschichte um Kommissarin Eddie und den Security-Chef Jo-Zombie Reinhardt als Trilogie angelegt und das hat bestens funktioniert. So war ausreichend Raum die Entwicklung der Figuren zu schildern und doch war es kompakt für eine spannende Geschichte. Ich denke, man kann den Band durchaus auch einzeln lesen, aber es ginge für die Leser dabei einiges verloren. Wie eine dysfunktionale Familie (Jo und seine Töchter) mit Eddie und ihrem Kind zu einer Patchworkfamilie werden, ist realistisch und ohne Schönfärberei erzählt. Dem Milieu, in dem Zombie sich bewegt und der Brennpunktsiedlung, in die Eddie nach der Trennung von ihrem Mann auch aus finanziellen Gründen einzieht, ist die manchmal raue Sprache geschuldet. Aber das ist immer authentisch und wirkt nie aufgesetzt.

Die wechselnden Erzählperspektiven mal aus Eddies, mal aus Zombies Sicht, erhöhen das Tempo und die Spannung zusätzlich.

Mit „Jenseits von tot“ findet die Trilogie um Teilzeitkommissarin Eddie Beelitz und ihrem Lebensgefährten Jo Reinhardt, genannt Zombie, ihren gelungenen Abschluss.

Bewertung vom 20.01.2020
Der Attentäter
Schiewe, Ulf

Der Attentäter


ausgezeichnet

Am 28. Juni 1914 in Sarajevo starben der österreichische Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand und seine Frau Sophie bei einem Attentat. Die Kugeln des Mörders trafen sie in einem offenen Automobil, das sie an der neugierigen und jubelnden Menge vorbeiführte.
Dieses geschichtliche Ereignis hat die Welt verändert und jeder hat wohl schon im Geschichtsunterricht von diesem Attentat und seinen Auswirkungen gehört.
Ulf Schiewe hat daraus einen überaus fesselnden Thriller gemacht, der mit hohem Tempo und Spannung auf den Höhepunkt zusteuert.
In den einzelnen Kapiteln, die Datums-und Zeitangabe eine Chronologie des Geschehens bilden, führt er uns in das Leben des Vielvölkerstaats. Es gärt überall, serbische Separatisten, bosnische Muslime – fühlen sich nicht heimisch unter der österreichischen Krone. Zwar brachte die Verwaltung Fortschritt, Straßen wurden gebaut, Eisenbahnlinien durchziehen das Land, aber die Separatisten träumen von der Unabhängigkeit. Ganz besonders junge Menschen sind den Ideen zugewandt. So auch der spätere Mörder Gavrilo Princip, der ein romantisch verklärtes Weltbild hat und von der Revolution träumt. An Schwindsucht erkrankt, hat er nicht viel zu verlieren. Er und seine Mitstreiter sind also leicht zu verführen und sie erinnern mich daran, dass es auch in der Gegenwart genug Beispiele gibt, wie schnell junge Menschen instrumentalisiert werden können.
Aber wie die Politik Österreichs diese Strömungen in den Völkern ignoriert und wie dadurch erst die Pläne für einen Umsturz entstanden sind und wie Geheimdienste und Militär von solchen Plänen erfuhren, aber durch Engstirnigkeit, Überheblichkeit und Hybris, alles als Hirngespinste abtun, wird vom Autor mit minutiöser Genauigkeit erzählt. Dabei bleibt er ganz dicht an den historischen Ereignissen und alles, was er schreibt, ist belegt. Natürlich werden einige fiktive Figuren erdacht um eine Rahmenhandlung zu schaffen, die sich in die Geschehnisse nahtlos einfügen und für zusätzliche Spannung sorgen.
Ich hätte nicht gedacht, dass ein Spannungsroman gleichzeitig eine Geschichtsstunde sein kann und wurde mit Ulf Schiewes Buch eines Besseren belehrt. Toll geschrieben und absolut empfehlenswert.