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Wedma

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Insgesamt 549 Bewertungen
Bewertung vom 09.03.2018
Fit für Walhalla
Larrington, Carolyne

Fit für Walhalla


sehr gut

Klappentext beschreibt den Inhalt recht treffend.
Zur Autorin: „Carolyne Larrington lehrt englische Literatur des Mittelalters als Fellow am St John’s College in Oxford.“
Die rund 210 Seiten sind in 6 Kapitel aufgeteilt: „Die Götter und Göttinnen“, „Die Welt wird geschaffen und gestaltet“, „Verfeindete Mächte“, „Reif für Valhöll: Menschliche Helden“, „Helden der Wikingerwelt“, „Endzeit- und Neubeginn“. Dazu kommen die Einleitung, Karten, Vorbemerkung zu den Namen und ihrer Aussprache, Anhang.
Beeindruckend wie faszinierend ist diese alte Welt der nordischen Mythen. Nach dem ersten Kapitel, in dem die Götter der Reihe nach vorgestellt wurden, u.a. Odin, Thor, Frigg, Freyja, wer Walküren waren, wozu die Runen dienten, etc., geht es um die Weltschöpfung im Kap.2, die für die Nordländer ausgesprochen männlich ausfiel. Man liest hier auch von mythischen Landschaften, übernatürlichen Frauen, die am Anfang und am Ende des Lebens stehen und auf einen warten, „Warum die Menschen Bäume sind“ uvm.

Fast auf jeder Seite gibt es eine weitere Legende, Mythos und ein Foto, Zeichnung, die das Geschriebene verbildlichen. Diese visuellen Hilfen sind ein fester Bestsandteil des Buches, was sich sehr positiv auf das Leseerlebnis auswirkt. Manchmal sieht man z.B. Fragmente alter Kriegsschlachten auf Bildsteinen, S. 189, oder auch die Schachfiguren, die Berserker darstellen, die Krieger, die auf ihre Schilder beißen, S. 185, oder auch die vier Damen als Schachfiguren aus dem späten 12 Jh., S. 117, uvm.

Diese alten Geschichten sind so anders als all das, was man heute zu lesen bekommt. Sie folgen ihrer eigenen Logik, die mit der heutigen u.a. wenig übereinstimmt. Manchmal ist es dem Umstand verschuldet, dass die Überlieferungen nicht eindeutig sind und erzählen die Geschehnisse mal so, mal anders, was bei solch alten Geschichten kein Wunder ist. Die Versionen werden hier aufgeführt und erklärt. Die Weltanschauung der Nordländer, ihr Verständnis dessen, wie die Welt entstand, wie und was sie ihrer Meinung nach ist, etc. ist so eigen und komplett anders als die von heute. Die Realität der Nordländer war voller mythischer Gestalten und menschlier Helden, die den heutigen Leser mit ihren fantasiereichen, aber auch schaurigen, rauen, gar manchmal brutalen Geschichten: List, Raub, Mord, uvm. standen an der Tagesordnung, recht tief beeindrucken vermögen. Auch die Art zu erzählen ist eine ganz andere.

Wer allerdings glaubt, hier ein Märchenband mit neuen Stories zu finden, dem sei gesagt: Von den Mythen gibt es zwar reichlich, dies ist aber ein populärwissenschaftliches Sachbuch. Die alten Geschichten sind zwar an die Wahrnehmung der modernen Leser gewissermaßen angepasst worden, sie werden aber auch analysiert, z.T. erklärt, z.B. welche Metapher für was da gerade steht, welche Archetypen dort warum verwendet wurden. Die Mythen wurden mit anderen, z.B. mit den ähnlichen aus England, verglichen und in Bezug auf die Gemeinsamkeiten, z.B. der Weltanschauungsmodelle uvm. abgeklopft. Diesem Charme der alten, vergessenen Welt, der sich erst allmählich entwickelt, kann man kaum widerstehen. Das Ganze wirkt auch nach, in den Pausen und erst recht nachdem die letzte Seite umgeblättert worden ist.

Das Buch ist gut gemacht: Festeinband, 100 s/w Illustrationen, in den Text passend integriert, fast auf jeder Seite gibt es eine oder zwei, manchmal nimmt ein Bild 1-2 Seiten ein. Ich habe mir diese Bilder in Farbe gewünscht.

Fazit: Ein sehr interessantes und lesenswertes Buch, das die Leser in die Welt der alten nordischen Mythen entführt und die Nordländer mit ihrer bizarren Weltanschauung aufleben lässt.
Gekürzt gem. Anforderung der Seite.

Bewertung vom 08.03.2018
Wut
Julia Ebner

Wut


ausgezeichnet

„Wut“ von Julia Ebner hat mir ausgezeichnet gefallen, daher empfehle ich das Buch gern auch weiter.

Wie der Klappentext zutreffend sagt: „Mit gezielten Undercover-Recherchen und Gesprächen mit Radikalen beider Seiten zeigt sie, wie sich die Strategien von Islamismus und Rechtsradikalismus wechselseitig ergänzen und verstärken… Die Autorin geht den Ursachen der wechselseitigen Radikalisierung auf den Grund und zeigt, wie Extremisten Angst, Verunsicherung und Wut instrumentalisieren.“

Faszinierend ist nicht nur der Mut, den Julia Ebner bei ihren Recherchen an den Tag gelegt hat, spannend und aufschlussreich sind auch die Ergebnisse, die sie in diesem Buch präsentiert.

Die Erfolgsrezepte, die Extremisten nutzen, „um uns so zu manipulieren, dass wir ihre Geschichten glauben und daher gemäß den Regeln ihrer fiktiven Weltordnung handeln“ hat sie unter die Lupe genommen und die 5 Grundzutaten herausgefiltert, die auch für beide Seiten gelten: Es geht um Einfachheit, Stimmigkeit, Empfänglichkeit, Identifizierung und Inspiration, S. 47-59. Sie erklärt auch anschaulich, wie es gemeint ist.
Viele andere aufschlussreiche Dinge sagt sie vielerorts, führt prima treffende Vergleiche an, den Stoff insg. so gehaltvoll, kurz und prägnant dargelegt, dass er nicht nur jedem verständlich sein wird, sondern auch gleich im Gedächtnis bleibt.

Was noch wichtiger ist: Ebner gibt ihren Lesern die Grundlagen in die Hand, welche Gemeinsamkeiten, davon gibt es recht viele, wie man zusammen mit ihr feststellt, und die Wechselwirkungen, die Rechtsextreme und radikale Islamisten in ihrer Weltsicht und in ihren Aktionen aufweisen, zu erkennen helfen. Die Extremisten beider Lager schauen wie zwei Seiten eines und desselben Phänomens aus, die ohne einander ihre Wirkung nicht vollends entwickeln können, da sie u.U. einander helfen, z.B. mehr an Aufmerksamkeit und an Gewicht im politischen Geschehen zu gewinnen und so das Leben der Mitte der Gesellschaft immer mehr und nachhaltiger zu beeinflussen.

Nach dieser Lektüre wird es dem Leser leichter fallen, die Aktivitäten der Extremisten zu identifizieren, ihre Ursachen zu verstehen und die angepeilten Auswirkungen abzuschätzen.

Ebner bringt auch die Lösungsvorschläge: „Freiheit wäre, nicht zwischen schwarz und weiß zu wählen, sondern aus solcher vorgeschriebenen Wahl herauszutreten… Um diese Freiheit zu erreichen, wird es entscheidend darauf ankommen, junge Menschen mit Kreativität, Mut und der Fähigkeit zu kritischem Denken auszurüsten: der Fähigkeit zum kritischen Denken, um manipulative Sprache und verzerrte Fakten zu erkennen; dem Mut, alles und jeden infrage zu stellen; und der Kreativität, über die eigenen Echokammern und Grenzen der Vorstellungskraft hinauszugehen.“ S. 280.

Die Rolle der Eliten, wie Julia Ebner auch selbst zum Schluss zugibt, wurde in ihren Untersuchungen nicht berücksichtigt. Die Eliten und ihre Handlanger wurden zwar am Anfang als Akteure im Hintergrund angedeutet, dieser Aspekt aber weitestgehend insg. elegant umschifft. Aber auch so wie es dasteht, stellt ihr Werk ein sehr lesenswertes Buch dar, das zu begreifen hilft, wie die Geschichten der Rechtextremen und Islamisten funktionieren, unter welchen Bedingungen ist ihnen Erfolg sicher, wie sie es bisher recht erfolgreich angestellt haben und wie man sinnvollerweise auf ihre Aktivitäten reagieren kann.

Fazit: Ein echtes Highlight in Sachen Politik im Frühling 2018, ein must read, das der Aufklärung und Orientierung der Leser in diesen nicht einfachen Zeiten bestens dient. Sollte jede(r) gelesen haben. 5 leuchtende Sterne und eine klare Leseempfehlung!

Gekürzt gem. Anforderung der Seite.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.03.2018
Breaking News: Die Welt im Ausnahmezustand
Meyen, Michael

Breaking News: Die Welt im Ausnahmezustand


gut

Auf dieses Buch habe ich mich sehr gefreut, leider wurden meine Erwartungen nur zum Teil erfüllt.

Rund 177 Seiten sind in 6 etwa gleich große, ca. 35 Seiten, bis auf das letzte, Kapitel geordnet.
Im Auftakt wurden die Begriffe, die im späteren Verlauf auftauchen, z.B. Resilienz, Medialisierung, etc. erklärt. Auch wie die Medienrealität wirkt, ist hier plausibel beschrieben worden. Weiter gibt es den Überblick, was besprochen wird und zum Schluss: „Dieses Buch hält es eher mit Hanns Joachim Friedrichs und Ulrich Wickert. Aufklären, die Dinge beim Namen nennen und so Orientierung bieten.“ S. 39. Für welche Werte des Qualitätsjournalismus die beiden Herren plädieren, ist auch aufgeführt worden, sodass kaum Missverständnisse entstehen können, wohl auch als Kontrast zu dem, was man heute in den Medien beobachten kann.
Weiter geht es mit Medienlogik. Hier gab es paar spannende Punkte, die man als bloßer Medienkonsument ohne weiteres nicht kennt, die aber heute bei der Mediengestaltung eine große Rolle spielen, z.B. bei der Wahl der Themen, die insb. in online Ausgaben auftauchen, welche Kriterien da zugrundeliegen; bei der Art, wie diese Inhalte an das Publikum herangetragen werden „Polarisieren schon in der Überschrift“ S. 74, usw. Unterkapitel „Wandel der Medienrealität, quantitativ“, in dem die Inhalte der Leitmedien aus dem Jahr 1984 und 2014 verglichen wurden, z.B. „Harte und weiche Themen“, „Selektion und Interpretation bei harten Themen“, „Konflikttypen in der Politik- und Wirtschaftsberichterstattung“, „Präsentationsstil“, etc. S. 75-78, ist sehr aufschlussreich und zum Nachdenken anregend. Richtig gute, aussagestarke Inhalte hier.

Ab Kap. 3 fängt das an, was mir den guten Eindruck, den die beiden ersten Kapitel entstehen lassen haben, doch recht dezimiert hat: Fußball, ferner andere Sportarten, und die damit verbundenen Themen zu „Wie der Spitzensport zur Show wurde“ . Mir war es schade, dass die Darstellung des Themas „Wie uns die Medien regieren“, das in ersten Kapiteln so gut aufgeschlossen wurde, plötzlich die Verflachung erlebte und die Ausführungen auf den eher engeren Rahmen des Sports reduziert wurden. Die Verflachung verstärkte sich im weiteren Verlauf leider auch weiter.

Die Vorschläge ganz zum Schluss, S. 184-185, sind zwar nicht von der Hand zu weisen. Darüber kann man gern nachdenken und in Bekanntenkreisen ausdiskutieren. Aber ob das den gegenwärtigen Trend umkehren kann, der gern mithilfe von großzügigen Etats gepusht wird, was auch im Text erwähnt wurde, bleibt eine große Frage.

Fazit: Ein gutes Buch über die Medien von heute, das man durchaus gern lesen kann, wenn man sich als Einsteiger dem Thema nähern möchte, manches gar kennen sollte. Das Buch ließ sich insg. gut lesen. Die Ausführungen sind verständlich und bildhaft dargelegt worden, wobei sie doch viel Aufmerksamkeit forderten. Der selbst gestellten Aufgabe, s.o., wird es gerecht. Die Verweise auf Werke anderer Autoren zu diesem Thema, die man auch den Quellen entnehmen kann, stellen eine Bereicherung dar.

Insg. fällt das Buch von Meyen aber etwas flach aus. Fußball sowie Banalitäten des Alltäglichen nehmen hier einen zu großen Teil der Ausführungen ein. Die Vorschläge haben zwar ihre gute Seite, sind aber unter den gegenwärtigen Bedingungen eher utopisch.

Wer tiefer in die Materie einsteigen und ein richtig gutes, aufschlussreiches Buch zu dem Thema lesen möchte, der greift zu „Lügen die Medien?“ von Jens Wernicke.

Dieses Werk ist allenfalls eine nette Ergänzung dazu.

Gekürzt gemäß der Anforderung der Seite.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.03.2018
Margaret Stonborough-Wittgenstein
Greiner, Margret

Margaret Stonborough-Wittgenstein


ausgezeichnet

Dieses neue, schöne Werk aus der Feder von Margret Greiner habe ich sehr gern gelesen und empfehle es auch gern weiter.
Schon allein der Name der Autorin war mir Grund genug, zu diesem Buch zu greifen, denn „Auf Freiheit zugeschnitten“, die Lebensgeschichte von Emilie Flöge, der Lebensgefährtin von Gustav Klimt, die ich vor paar Jahren gelesen und genossen habe, ist und bleibt unvergessen. Auch für die Lebensgeschichte von Margaret Stonborough- Wittgenstein das konnte ich mich absolut begeistern. Sie hat mir einige schöne, erfüllte, gespannte Lesestunden geschenkt. Ich fühlte mich sehr wohl dabei und bin insg. mit der Lektüre vollauf zufrieden.
Es lohnt sich, Margaret kennenzulernen: ihre Herzenswärme, ihre Stärke, ihren Wunsch, gute Dinge zu tun, Schönes, Nützliches in die Welt zu setzen, anderen zu helfen, dem unbedingt auch die Taten folgten. Mit ihrem Charme, Menschenkenntnis und der Gabe, mit Menschen umzugehen konnte sie vieles erreichen.
Sie kam aus einer wohlhabenden Familie. Ihr Vater war ein erfolgreicher Unternehmer, auch ihr Mann war vermögend. Geld war kaum ein Problem. So konnte u.a. ein Portrait von der jungen Margaret bei Gustav Klimt in Auftrag gegeben werden, das man auf dem Cover sieht. Es war eine spannende, für beide Seiten bereichernde Begegnung, sehr schön und bildhaft beschrieben.
Margaret hatte ein untrügliches Gefühl für Stil und Harmonie. Sie konnte jede Wohnung gemütlich und geschmackvoll einrichten. Später ließ sie ein Haus im kubistischen Stil nach eigenen und ihres Bruders Ludwig Vorstellungen bauen, das Palais Stonborough, heute Haus Wittgenstein.
Ein glückliches Familienleben war ihr wohl nicht in die Wiege gelegt, weder von ihrem Elternhaus her noch in ihrer eigenen Familie. Zu den zwei Söhnen aus der Ehe mit dem Amerikaner Jerome Stonborough kamen zwei Ziehsöhne dazu. Durch die Ehe wurde sie selbst zu einer Amerikanerin, aber Wien und Gmunden blieben für sie immer ihre Heimat, ein Teil von ihr, die sie im Exil schmerzlich vermisste.
Mit Margarets Leben wurde auch ein Teil der Weltgeschichte erzählt. Nach dem Anschluss Österreichs in 1938 wurde es ungemütlich für die Wittgensteins in ihrer Heimat. Der Krieg hat auch ihre Ziehsöhne gegen einander kämpfen lassen, uvm.
Dieses Werk ist einfach toll geschrieben. Man taucht gleich in das Geschehen ein, es hält einen gefangen bis die letzte Seite umgeblättert ist, was ziemlich schnell geschieht, da man das Buch kaum aus der Hand legen mag, und noch länger darüber hinaus. Oft musste ich denken: so wunderbar schreibt nur Margret Greiner, was an ihrem eigenen Stil, ihre eigenen Art, die Menschen zu beschreiben liegt. Diese Bemerkungen hie und da, die Interpretationen der Ereignisse, die von geschulter Beobachtungsgabe, Lebensweisheit und schriftstellerischem Können zeugen! Ich habe sie in der gesamten Länge genossen.

Das Buch ist schön, passend zum Inhalt gemacht. Festeinband in Violett, Umschlagblatt, auf dem der Namenszug in goldenen Lettern auch haptisch hervorgehoben ist, mehrere s/w Fotos, in den Text integriert, helfen die Ausführungen zu verbildlichen. Zeittafel, Literaturliste runden das Ganze ab.

Fazit: Ein tolles Buch, dem ich viele Leser wünsche. Eine starke Frau, eine spannende Lebensgeschichte, die alles hat, um auch ein anspruchsvolles Leserherz glücklich zu machen. 5 Sterne gibt es von mir und eine klare Leseempfehlung.

Bewertung vom 01.03.2018
Rudi Dutschke. Die Biographie
Chaussy, Ulrich

Rudi Dutschke. Die Biographie


ausgezeichnet

Rudi Dutschke Biographie aus der Feder von Ulrich Chaussy habe ich sehr gern gelesen und empfehle sie gern auch weiter.
Wohl strukturiert, chronologisch geordnet, erzählt diese Biographie die Lebensgeschichte von Rudi Dutschke, „… von der aufbegehrenden Jugend und den revoltierenden Studenten als Vorbild bewundert, von weiten Teilen des westdeutschen Establishments als Störenfried und moskauhöriger Revoluzzer verteufelt.“
Mit seinem klaren, aussagestarken Schreibstil erwies sich Ulrich Chaussy ein vorzüglicher Erzähler, der es versteht, die Leser für seine Inhalte zu gewinnen und sie dabei prima zu unterhalten. Auch deshalb war mir diese Bio ein Lesegenuss.
Rudi Dutschke war ein kluger, belesener Mann, der auch dem heutigen Leser viel Respekt abverlangt.
Seinen Pazifismus hat er bereits in der Schule in Lukenwalde mit Verve verteidigt. Er hat bereits als Schuler die richtigen Fragen gestellt, s. seinen Aufsatz im Anhang. Deutlich liest sich auch heraus, dass er gute Gründe dafür hatte, denn nach paar Jahren der Popularität der Haltung „nie wieder Krieg“, es wieder mit den militärischen Allüren in der dt Politik bergauf ging.
So wie er von Chaussy dargestellt wurde, war er Held seiner Zeit, wobei er vom bekannten Boulevardblatt stets als Terrorist verleumdet wurde. Die verklärende Rolle der Massenmedien in Sachen Volksverdummung liest sich sehr deutlich heraus. Das besagte Haus hat sich auch damals kaum mit Ruhm bekleckert, wenn es um tatsachengerechte Schilderungen ging, ein Meister in Verbreitung der alternativen Fakten und der Hetze. Laut Aussagen von Josef Bachmann wäre er ohne den Gedankengut, den das besagte Blatt an jeder Straßenecke verbreitet hatte, kaum auf die Idee gekommen, auf Dutschke zu schießen.
Wie aber Dutschke mit Bachmann danach umging ist sehr beeindruckend. Jedenfalls zeugen die Briefe Dutschkes von seiner menschlichen Größe und persönlichen Reife.
Rudi Dutschke kam auch sonst sympathisch rüber. Er war für die bessere Welt und hat dies zu seiner Lebensaufgabe gemacht. So einfach war dieser Weg aber nicht. Nach seiner Hirnverletzung musste er neu lesen, schreiben und denken lernen. Die Jahre im Exil als politischer Flüchtling, erst in London, dann in Dänemark, haben auch ihre Spuren hinterlassen. Letztendlich konnte er wieder zurück nach Deutschland, das sich politisch in der Zwischenzeit verändert hatte, die Große Koalition stand nicht mehr zur Debatte. Heute wird sie wieder als alternativlos verkauft. Und hier kommen wir zum nächsten wichtigen Punkt dieses Werkes: Die Aktualität der Aussagen dieser Dutschke Bio ist schon verblüffend. Da sind so viele Botschaften, Ideen zum besseren, selbstbestimmen Leben, etc., die heute immer noch genauso akut und aktuell sind wie zu Dutschkes Lebzeiten.

Zum Schluss stellt Ulrich Chaussy klar: „Die detaillierte Rekonstruktion von Dutschkes im kurzen Jahr der Revolte von 1967/68 proklamierte Aussagen und der von ihm getragenen Aktionen erbringt: Rudi Dutschke hat nie einem Kurs das Wort geredet oder gar danach gehandelt, der als Blaupause für das Konzept der späteren RAF angesehen werden könnte. Er lehnte die Verletzung und Tötung von Menschen ab. Christliche Ethik wie marxistische Analyse haben in ihm diese Position doppelt gefestigt, und diese Ablehnung erstreckte sich auch auf die gleichgültige Hinnahme von Kollateralschaden von Menschen.“ S. 475.

Das Buch ist sehr schön gestaltet: Festeinband in Rot, Umschlagblatt, dessen Rücken auch rot ist, der Name in weißen Buchstaben ist auch haptisch hervorgehoben. Das Lesebändchen in hellgrau, passend zum Umschlagblatt. Perfekt als Geschenk.

Fazit: Eine sehr gut gelungene, toll geschriebene Biographie, die ich sehr gern gelesen habe. Ich habe mich dabei sehr wohl und niveauvoll unterhalten gefühlt. Darin habe ich viel Spannendes und Bereicherndes entdeckt. Freue mich, meine Zeit damit verbracht zu haben. 5 wohl verdiente Sterne und eine klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 01.03.2018
Leistet Widerstand!
Feyder, Jean

Leistet Widerstand!


ausgezeichnet

„Leistet Widerstand!“ von Jean Feyder habe ich sehr gern gelesen und empfehle das Buch auch weiter. Diese Inhalte sollte jeder kennen.

Rund 240 Seiten sind in 4 Kapitel geordnet: „Neoliberalismus und Ausbeutung der Dritten Welt“ (47 S.), „Aushöhlung von Demokratie und Rechtsstaatlichkeit“ (47 S.); Krieg, Unterdrückung und Terror“ (43 S.); Eine andere Welt ist möglich (78 S.); Quellen (4 S.); Vorwort 3 S. von Jean Ziegler.

Viele kleinere Unterkapitel, die man u.U. auch zwischen zwei U-Bahn Stationen lesen kann, sichern die Lesefreundlichkeit. Knapper und griffiger Schreibstil, spannende und aufschlussreiche Inhalte sorgten dafür, dass ich das Buch kaum aus der Hand legen konnte.

Kurz und bündig, aufs Wesentliche konzentriert, erzählt Jean Feyder mitunter schockierende Tatsachen in den o.g. Themenbereichen. Manches ist vllt etwas kurz angesprochen worden, aber der Kern der Sache ist stets dabei. Am Ende steht immer ein Vorschlag, was richtigerweise zu tun wäre, um die Lage zu bessern. Der Ton ist durchwegs sachlich und ruhig.

In jedem Kapitel gibt es Neues und Spannendes zu entdecken, auch wenn man bei diesen Themen kein Neuling ist. Was positiv auffällt: Feyder spricht klare Worte und nennt die Dinge beim Namen. Im ersten Kapitel erzählt er über die Ausbeutung Afrikas, die seit längerer Zeit betrieben wird, u.a. durch europäische Konzerne auf dortigen Märkten, die mit ihren Dumpingpreisen den lokalen Bauern die Lebensgrundlage rauben und somit die wirtschaftliche Lage des Landes ruinieren.

Im Kap. 2 geht es u.a. um Griechenland und wie die von Troika aufgezwungenen Maßnahmen das Land in eine noch tiefere Krise gestürzt haben. Auch um CETA und ähnliche Vereinbarungen liest man hier und warum diese gut für die Konzerne, Initiatoren dieser Maßnahmen, und viel weniger gut für alle anderen sind. Die Erläuterungen der Luxleaks- Skandale sind auch sehr aufschlussreich und erzählen u.a. dass die Whistleblower hart bestraft werden, obwohl ihnen per Gesetz Schutz zusteht.

Im Kap.3 gibt es u.a. aufschlussreiche Ausführungen zu Palästina, sowie solche zur regen Zusammenarbeit zw. Europa und Israel im Militärbereich.

Im Kap.4 liest man über die möglichen Wege, Massenproduktion von Lebensmitteln zu umgehen und langfristig Eigenständigkeit in der Hinsicht zu erlangen, Stichwort Agroökologie, sowie über die Erfahrungen mancher Länder, die dem Neoliberalismus erfolgreich widerstanden haben.

In einigen seiner Ausführungen geht Feyder mit Daniel Ganser („Illegale Kriege“, 2016) oder auch mit Noam Chomsky (z.B. in „Global Discontents“, 2017) konform. Selbst wenn man die Bücher kennt, was auch eine sehr gute Idee wäre, wenn man verstehen will, was in der Welt passiert und v.a. warum, stellt das Werk von Feyder eine willkommene Ergänzung, eine Art Update dar, denn er erzählt wenig bekannte Dinge, die man den sog. Leitmedien kaum entnehmen kann, z.B. über Kuba und Fidel Castro, über Venezuela und Hugo Chávez, etc. und ihrer Rolle im Widerstand gegen den Neoliberalismus, der uns seit einiges Zeit als alternativlos verkauft wird. Über Stéphane Hessel und sein Werk ist auch sehr schön erzählt worden. Auch über Papst Franziskus, der ein „System der Handelbeziehungen und der Besitzverhältnisse, das strukturell pervers ist“ kritisiert hat, und auch der Meinung ist, dass eine andere Welt möglich ist.

Über die Rolle der Leitmedien verliert Feyder hier und dort auch paar klare Worte, wie unzureichend bis komplett verdreht die Dinge dargestellt wurden.

Fazit: Ein Buch, dessen Inhalte man kennen sollte. Es ist ein Werk, das klar und aussagestark die Sachverhalte schildert, dabei aufschlussreich und unterhaltsam ist. Der Autor argumentiert aus seinen beruflichen Erfahrungen heraus. Er genießt mein Vertrauen, auch weil ich dieses Gedankengut aus anderen Quellen, Büchern der von mir tief respektierten Autoren kenne.

Gekürzt, gem. Anforderung.

Bewertung vom 01.03.2018
Einsamkeit - die unerkannte Krankheit
Spitzer, Manfred

Einsamkeit - die unerkannte Krankheit


sehr gut

Rund 230 Seiten des Textes sind in 10 Kapitel geordnet, darunter: „Einsamkeit löst Stress aus“, „Einsamkeit als Krankheitsrisiko“, „Online (gem)einsam?“, usw., in denen der Autor argumentiert, warum Einsamkeit schädlich ist, noch schlimmer als im Allgemeinen angenommen, und warum und wie sie zu meiden wäre.
Spitzer spricht auch von Einsamkeit unter Kindern und Jugendlichen. Sagt auch, dass man sich durchaus in einer Gemeinschaft sehr einsam fühlen kann. Es geht also um das Empfinden der Einsamkeit, was letztendlich zählt, denn laut Kap. 1 sind Menschen im höchsten Grade soziale Wesen, die, laut Kap. 2, mit Schmerzen auf Vereinsamung reagieren.
Die modernen Tendenzen wie Selbstbezogenheit, der Drang, das Geld und die Zeit nur für sich aufzuwenden, nehmen statt geben, Gebrauch von sozialen Medien, Smartphone, PC, etc. sind vom Autor als brandgefährlich eingestuft worden. „Soziale Onlinemedien verursachen Einsamkeit, Angst und Depression. Diese Feststellung ist deswegen so bedeutsam und erschreckend zugleich, weil die sozialen Onlinemedien heute gerade bei jungen Menschen einen wesentlichen Teil der Alltagsgestaltung ausmachen.“ S. 133. „Soziale Medien schaden der seelischen Gesundheit.“ S. 136.
So gesehen, liegt er im Trend und geht mit andern Autoren konform, die auf ihre Art die neoliberale Weltordnung infrage stellen, sie als krankmachend und wenig zukunftweisend erachten und zu einem sozial engagierteren Leben aufrufen.
Spitzer plädiert auf die Notwendigkeit der organisierten Bekämpfung der Einsamkeit auf Gesellschaftsebene, schlägt Maßnahmen vor, wie man mit Einsamkeit nachhaltig fertigwerden könnte.
Die Lösungsvorschläge sind nichts grundsätzlich Neues, was der Autor zum Schluss auch zugibt: Bei der Bewegung in der Natur blüht der Mensch auf. Gemeinsame Unternehmungen wie Tanzabende, das Singen im Chor, Gruppenwanderungen sind in vielerlei Hinsicht eine gute Idee. Je weiter und sicherer das soziale Netzwerk einer Person, desto besser geht es ihr, solche Menschen leben auch länger. Wer lieber gibt als nimmt, der handelt klug und schafft auf diese Weise eine gute Abwehr gegen Einsamkeit.
Spitzer hat viele Daten aus der Forschung aufbereitet und für seine Argumentation verwendet: Anmerkungen und Quellenangaben gehen über 60 Seiten.
Einiges an seiner Argumentation hat mich jedoch nicht so ganz überzeugen können. Spitzer stützt sie oft auf Statistiken, die aus US Quellen stammen und mit US-amerikanischen Probanden durchgeführt wurden. Es wurde schlicht vorausgesetzt, dass diese Ergebnisse auch auf Europäer, auf das deutsche Publikum übertragbar sein sollten. Vllt kann es mal bei grundliegenderen Dingen der Fall ein, aber nicht ohne weiteres und nicht in jeder Hinsicht. Es können auch andere wichtige Unterschiede sein, die für Mr. X stimmen, beim Herrn Y aber kaum anwendbar sind, weil er ganz anders ist, seine Einsamkeit ganz anders lebt oder z.B. auch sein Alter nicht mit dem der Probanden übereinstimmt. Oft wurden die Ergebnisse der Tests/Umfragen unter jungen Onlinemediennutzern in USA hier als Grundlage der Ausführungen verwendet. Diese Ergebnisse für die Menschen im reiferen Alter, bei etwa über sechzig-siebzig Jährigen in Deutschland rein pauschal als ohne weiteres anwendbar zu betrachten, erscheint mir eher problematisch, denn junge Amerikaner ticken in manchen Dingen doch anders als deutsche Rentner.

Das Buch ist gut gemacht: Festeinband in Grau, Umschlagblatt. Einige s/w Fotos, Zeichnungen, Diagramme helfen, die Ausführungen dem Publikum verständlich zu machen.

Fazit: Das Buch ist lesenswert, insb. wenn man sich als Einsteiger mit dem Thema Einsamkeit auseinandersetzen möchte. Es führt vor Augen, was Einsamkeit mit Menschen machen kann, was zu meiden wäre, auch was der psychischen Gesundheit guttut, was erstrebenswert ist. Man sollte aber in der Tat einiges gegen Einsamkeit tun, dann wird man das Nutzen vom Lesen dieses Buches auch auf eigener Haut spüren können.

3 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 28.02.2018
Die Kunst der Liebe
Poeschel, Sabine

Die Kunst der Liebe


ausgezeichnet

Ein sehr schöner Band mit wunderbaren Bildern und Texten. Man kommt mit den Meisterwerken der letzten 2000 Jahre in Berührung, lauscht spannenden Geschichten, lernt etliches dazu und vergisst dabei die Welt um sich. Leserherz, was willst du mehr?

Der Klappentext beschreibt den Inhalt sehr treffend.

Rund 150 Seiten sind in drei in etwa gleich große Kapitel geordnet: „Die Freuden der Liebe“, „Die Macht des Eros“, „Die tragische Liebe“. Über hundert Farbabbildungen, unterschiedlich groß, eine bemerkenswerte Auswahl, dazu die spannenden Beschreibungen und Interpretationen der Meisterwerke. Die Texte sind sehr gut: einladend und aussagestark. Man sieht ihnen die tiefe Kenntnis der Materie und die Liebe zur Kunst insg. auch an. Für kunstinteressierte Anfänger und Fortgeschrittene prima geeignet. Literatur, Register, Bildernachweis runden das Ganze ab.

Der Band fängt mit „Der Kuss“, 1909, von Gustav Klimt an, geht über die Jahrhunderte hinweg rauf und runter rund um Europa, einer bestimmten inneren Logik folgend, und endet mit dem Farbfoto von Boris Mikhailov „Kiss“, 2003.

Zwischen diesen zwei Küssen gibt es viel zu entdecken, z.B. eine „Erotische Szene, 1 Jh. nach Chr., Wandmalerei, Pompeji“ oder auch Franz Kupkas „Der Traum“, 1909, oder auch einige Bilder von Fragonard, Skulpturen von Canova „Amor und Psyche“, von Rodin „Ewiger Frühling“ uvm.

Um in den vollen Genuss des Bandes zu kommen, muss man unbedingt die Texte lesen. Es ist schon an sich spannend zu erfahren, wie ein Profi die Werke sieht, worauf da geachtet wird, etc., man lernt noch viele Dinge dazu. Da staunt man, was so alles aus Details und Kleinigkeiten am Rande herausgelesen werden kann, denn auch diese haben starke Aussagekraft, vervollständigen den Gesamteindruck und verdeutlichen die Botschaften der Werke, z.B. die Farbe der Kleidung des Paares auf Francesco Hayez „Der Kuss“, 1859, weist auf bestimmte politische Ereignisse der damaligen Zeit hin, die in Form von solchen Allegorien an das Publikum herangetragen und begeistert aufgenommen wurden. Man erfährt auch einiges aus dem Leben der Künstler, wie z.B. bei den Bildern von Rembrandt, Rubens oder auch bei Max Beckmann „Der kleine Fisch“, 1933, usw.

Die Übergänge von einem Werk zum nächsten sind nahezu nahtlos, was den Ausführungen den Eindruck eines großen Ganzen verleiht und ungemein an das Buch fesselt. Kaum den Band aufgeschlagen, konnte ich den kaum aus der Hand legen, die Seiten flogen dahin. Da war ich, stundenlang versunken in diese schönen Ausführungen über die Kunst und die Welt der Liebe.

Das Buch ist auch liebevoll gestaltet: Festeinband in Dunkelblau, passend zum Umschlagblatt. Hochwertiges, glattes, weißes Papier. Die Farben sind satt, all die Feinheiten gut sichtbar. Die Nummern der Abbildungen im Text sind in Rot und Blau hervorgehoben, was das Lesen und das Vergleichen der Bilder erleichtert.
Der Band ist 22 x 29 cm, wiegt 915gr. Schon praktischer, eine Ablage dafür zu haben.

Fazit: Ein schönes, sehr gut gelungenes Buch über die Darstellungen der Liebe in den Meisterwerken der Kunst der letzten 2000 Jahre, mit dem man die Welt um sich für mehrere Stunden vergessen kann. Ungemein bereichernd und lesenswert. Perfekt als Geschenk.

Bewertung vom 26.02.2018
Rossini
Campe, Joachim

Rossini


ausgezeichnet

Diese Rossini Biographie aus der Feder von Joachim Campe habe ich gern gelesen und kann sie gern auch weiterempfehlen.
Rund 200 Seiten, in 5 Teile mit je 4-6 Kapiteln geordnet, erzählen die Lebensgeschichte des gefeierten Komponisten, anfangend mit den Eltern und der Geburt im Februar 1792, über die Jugend- und Lehrjahre, zu den ersten und später großen Erfolgen, chronologisch fortschreitend bis zum Ende in 1868.
Es geht nicht nur um das private Leben. Auch die musikalische Seite wurde gebührend beachtet. Rossinis Werke, insb. Opern, sind mit viel Kenntnis der Materie, griffig wie unterhaltsam beschrieben worden. Manchmal liest man etwas zur Entstehung, z.B. von Othello, zur Motivation Rossinis gerade zu diesem Stück eine Oper zu schreiben, obwohl nicht so leicht, da u.a. der Text auf Englisch ist. Oft gibt es Ausführungen zum Aufbau und zu den Kunstgriffen, um z.B. die Charakterisierung der Figuren oder auch die Aussage des Stückes insg. den Lesern nahezubringen. Die Interpretationen dessen, was Rossini an Botschaften in seinen Werken an sein Publikum getragen hatte, sind spannend und aufschlussreich. Auch wie Rossini seine eigenen Gemütszustände, die Lebenserfahrung in seiner Musik verarbeitete, wurde prima vor Augen der Leser geführt.
Der geschichtliche Hintergrund ist wunderbar in den Erzählteppich eingearbeitet worden. Das politische Geschehen spielte für die Arbeit Rossinis eine große Rolle: Welcher Herrscher welche Musik vorzog, welche Stücke das Publikum brauchte, all das war für den Erfolg des berühmten Komponisten von Bedeutung.
In jungen Jahren war Rossini sehr produktiv: zwei Opern im Jahr waren Pflichtprogramm, dazu kamen seine Engagements bei anderen Häusern, wofür er auch gutes Geld verdiente. „Er genoss diese Freiheit und schrieb seine bedeutendsten Werke zunächst für Rom.“ S. 62.
Rossinis Aufenthalten in Wien, Paris und London, seiner Tätigkeit als Intendant ist Teil 3 gewidmet. Er ließ sich auch in den angesagten Salons z.B. in Paris gern blicken. Der junge Mendelssohn hat ihn mal dort erlebt und einen sarkastischen Kommentar in seinen Briefen für die Nachwelt hinterlassen. Von diesen Ansichten, wie Rossini von seinen Zeitgenossen gesehen wurde, findet man einige im Text. Bereichernd.
Bis er etwa vierzig Jahre alt wurde, arbeitete Rossini viel. Dann entdeckte er das süße Nichtstun. Genug Geld war ja da, er hat auch seit einiger Zeit seine Eltern unterhalten, da sie kein eigenes Einkommen mehr hatten. Auch seine Depressionen, die man damals kaum behandeln konnte, haben ihn dazu gezwungen, keine ernsten Verpflichtungen mehr anzunehmen. Mit seiner letzten Frau betrieb er schließlich einen musikalischen Salon, in dem viele Berühmtheiten der Zeit auftauchten: Liszt, Verdi, Meyerbeer, Gounod, Delacroix, Dumas Vater, etc. Auch Wagner war mal da. Spannend, wie dieses Treffen verlaufen war.
Nach Rossinis Tod sollte ein Teil seines Erbes, nach seinem Wunsch, für die Errichtung eines Altersheimes für die Opernsänger in Paris aufgewendet werden, ein weiterer Teil für eine Stiftung. Aus Pariser Pére Lachaise wurde er umgebettet und liegt nun im Dom von Florenz.
Das Buch ist schön und liebevoll gestaltet:
Die s/w Fotos, die in den Text passend zum Inhalt integriert wurden, stellen auch eine Bereicherung dar und zeigen Rossini in jungen wie in reifen Jahren, seine Frauen, seine Eltern, Foto seines Briefes, an dem man seine Handschrift sehen kann, uvm.
Festeinband in Orange, farblich passend zum Namen auf dem Umschlagblatt. Schön als Geschenk.
Fazit: Eine sehr gut gelungene Biographie von Rossini, die das Wesentliche aus seinem Leben und den Werken vor Augen der Leser führt und Lust auf mehr macht. Man lernt Rossini als Menschen kennen und auch etliches über seine Musik.
Diese schöne, reife, lebendige, knappe, aussagekräftige Art zu erzählen hat mir viel Lesevergnügen bereitet. Auf weitere Werke aus der Feder von Joachim Campe bleibe ich gespannt und vergebe gern 5 Sterne und eine Leseempfehlung.
Gekürzt.

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Bewertung vom 21.02.2018
Der symbiotische Planet oder Wie die Evolution wirklich verlief
Margulis, Lynn

Der symbiotische Planet oder Wie die Evolution wirklich verlief


ausgezeichnet

Klappentext beschreibt den Kern dieses Buches sehr gut.

Auf eine sehr persönliche und charmante Art erzählt Lynn Margulis über die Ergebnisse ihrer langjährigen Forschungen und sagt im Wesentlichen, dass sich die früheren Organismen zu komplexeren Individuen nur durch fruchtbare Zusammenarbeit und Symbiose entwickeln konnten. „Wir bleiben symbiontische Wesen auf einem symbiontischen Planeten.“ S 69.

Es ist nicht viel Text: rund 150 Seiten in 8 Kapitel geordnet, plus ca. 5 S. Prolog und Nachwort von ca. 16 S., aber seine Aussagekraft ist beeindruckend wie weitreichend.

Man kann dieses Buch in einigen wenigen Sitzungen durchlesen. Es liest sich sehr angenehm. Die Autorin hat Ihr Bestes gegeben, ihre Sicht auf die Welt der Mikroorganismen, sowie Ihre Version dessen, wie sich das Leben entfaltet hat, den Laien verständlich zu machen.

Auch deshalb kommt Lynn Margulis sehr sympathisch und so lebendig rüber und macht das Buch sehr lesenswert: Sie liefert einen Film, kein statisches Bild der Entstehung des Lebens. Sie schildert diese Vorgänge als etwas sehr Lebendiges, Pulsierendes, v.a. als Kooperation der Individuen, die sich zusammenschließen und so immer neue, komplexere, lebensfähigere Lebensformen erschaffen.

Lynn Margulis erklärt das alles sehr anschaulich, z.T. anhand von Abbildungen/Zeichnungen, die ihre Ausführungen verdeutlichen, und verwendet oft vereinfachende Vergleiche, die ihre Ausführungen sonnenklar erscheinen lassen.

Für wen könnte dieses Buch interessant sein? Vor allem für alle, die gern spannende und erkenntnisreiche Sachbücher lesen, aber auch für Schüler, die sich für das Studium der Mikrobiologie interessieren, vllt gar für Studenten dieses Faches. Über den Tellerrand zu schauen schadet nicht, v.a. wenn es um solche weitreichenden Erkenntnisse geht: Wohltuend zu hören, dass nicht der militante Egoismus die grundliegende Regel des Lebens ist, sondern produktive Zusammenarbeit und Symbiose, die Kooperierende weiter nach vorn bringt.

Das Buch ist schön gestaltet: Festeinband in hellem Blau, Umschlagblatt ist glatt, glänzend mit Farbfoto der Autorin hinten. Jedes Kapitel fängt auf der rechten Seite und mit einem Zitat an. Personen-Sachregister, 8 S., hilft gut beim Navigieren, Anmerkungen/Literatur, 5 S., für diejenigen, die mehr zu den beschriebenen Themen lesen wollen.

Man kann viel über dieses Buch schreiben, aber es ist besser, es selbst zu lesen und zu eigener Meinung darüber zu gelangen.

Zur Autorin: „Lynn Margulis war Professorin für Biologie an der University of Massachusetts in Amherst und Co-Direktorin des Planetary Biology Internship der NASA. Sie gehörte viele Jahre der National Academy of Sciences der USA an und hat zahlreiche wissenschaftliche Auszeichnungen erhalten. Sie ist 2011 verstorben.“

Fazit: Spannend, nett geschrieben, für Laien gut geeignet. Lesenswert! Perfekt als Geschenk.