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sleepwalker

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Insgesamt 501 Bewertungen
Bewertung vom 18.06.2020
Die Taten der Toten / Ingrid Nyström & Stina Forss Bd.8
Voosen, Roman;Danielsson, Kerstin Signe

Die Taten der Toten / Ingrid Nyström & Stina Forss Bd.8


ausgezeichnet

Schwedens großes Trauma als Krimi.
34 Jahre ist der Mord an Olof Palme her, Verdächtige gab es seinerzeit einige, einer wurde verurteilt und später wieder freigelassen. Der Krimi „Die Taten der Toten“ ist aber aktueller denn je, denn im Juni 2020 veröffentlichte die Schwedische Polizei neue Ermittlungsergebnisse. Allerdings ist auch der neue Hauptverdächtige (und vermutliche Täter) inzwischen verstorben, wodurch der Fall vermutlich nie 100%ig aufgeklärt werden wird. „Der Palme-Mord war offensichtlich so ein hoffnungsloser Fall. Wie ein unheilbarer Patient, durch und durch vom Krebs zerfressen, dachte sie, kein Arzt der Welt kann ihn mehr retten.“ – trotzdem macht sich das Team um die Kommissarinen Stina Forss und Ingrid Nyström daran, den Fall nach all den Jahren doch noch aufzuklären.
Zwischen den beiden Kommissarinnen besteht aus den Vorgänger-Büchern eine tiefere Verbindung, die oberflächlich erklärt wird. Gerade so viel, um es zu verstehen, aber wenig genug, um dem Leser Lust auf die andern Bände zu machen und seine Neugier zu wecken. Ebenso die Anschläge auf Stinas Leben, die natürlich auch im achten Teil eine Rolle spielen. Nach dem letzten Anschlag beginnt sie, getrennt vom Rest des Teams, in ihrer eigenen Vergangenheit zu ermitteln. So sichtet sie beispielsweise kistenweise alte Unterlagen, die ihr Vater ihr hinterlassen hat. Hat der ehemalige Berufssoldat etwas mit dem Mord zu tun?
In dem Buch spielen die beiden Autoren Roman Voosen und Kerstin Signe Danielsson eine neue Variante der Ereignisse durch. Spannend von der ersten bis zur letzten Seite hinterlässt das Buch beim Leser ein „so könnte es gewesen sein“ – Gefühl. Vermutlich jede irgendwann einmal angedachte Spur wird in dem Buch erwähnt, die Verfehlungen der damaligen Ermittlungskommission ebenso und auch tatsächliche Ermittlungsergebnisse finden ihren Platz. Das alles macht den Krimi zu einer gekonnten Mischung aus Fakt und Fiktion. Das Buch ist schon der achte Band der Reihe, ich kenne keinen der Vorgänger, konnte aber problemlos der Geschichte folgen. Nur ein paarmal gibt es Rückblicke auf Geschehnisse in anderen Bänden, welche aber erklärt werden, sodass man nie Schwierigkeiten hat, alles zu verstehen.
Das Buch ist rasant erzählt und lässt sich flüssig lesen. Der Spannungsbogen ist konstant hoch, allenfalls die (kursiv abgesetzten) Hintergrundgeschichten aus der Zeit vor dem Tag der Tat (Tag X) vor 34 Jahren, erlauben dem Leser kurze Verschnaufpausen. Der Schluss überrascht, ist aber stimmig. Die Charaktere sind klar gezeichnet und gut beschrieben, Eigenheiten und Eigenarten deutlich herausgearbeitet – obwohl es schon der achte Band ist, gehen die Autoren da sehr sorgfältig vor. Die Übersetzung ist manchmal holprig („Der Ministerpräsident befand sich gemeinsam mit seiner Frau auf dem Rückweg eines gemeinsamen Kinobesuchs.“) aber alles in allem ist das Buch ein hochspannender und hochkarätiger Krimi über ein immer noch hochbrisantes Thema. Von mir eine klare Lese-Empfehlung und 5 Punkte.

Bewertung vom 18.06.2020
Solange du noch lebst
Belle, Kimberly

Solange du noch lebst


gut

Der achtjährige Ethan Jenkins verschwindet während einer Klassenfahrt. Hat er sich verlaufen? Wurde er entführt? Und wenn ja, hat ihn eventuell sein von der Familie getrennt lebender Vater Andrew entführt? Parallel zur Geschichte von Ethan und Kat erzählt die Autorin Kimberly Belle in „Solange du noch lebst“ die Geschichte von Stef Huntington und ihrer Familie. Auch ihr Sohn Sammy ist mit auf Klassenfahrt, aber im Vergleich zu Kat und Ethan ist ihre Familie reich und einflussreich, ihre Welt besteht aus ihrem Mann, dem Bürgermeister und teuren Marken (Lexus, Bang&Olufsen, IPhone usw). Und schnell wird klar: das eigentliche Entführungsopfer sollte Sammy sein. Welten prallen aufeinander, was das Buch aber nicht spannender macht, aber mehr kann ich dazu nicht sagen, ohne zu spoilern.
Den Einstieg in das Buch fand ich sehr schwierig und eher schleppend und mehr als einmal habe ich mit dem Gedanken gespielt, das Buch ungelesen beiseite zu legen. Nach und nach schaffte die Geschichte es dann aber doch, mich zu packen. Die Handlung wird alternierend aus Kats und Stefs Sicht in Ich-Form geschildert, was der Geschichte eine interessante Dreidimensionalität gibt. Vor allem die wohlhabende Stef, die ich aufgrund ihrer Rolle als „Frau des Bürgermeisters“ anfangs als eher oberflächlich und versnobt eingeschätzt hatte, hat mich im positiven Sinne sehr überrascht und nach und nach stellt sich bei dem Buch auch heraus, dass nur sehr wenig so ist, wie es auf den ersten Blick aussieht.
Aber eines ist für mich beim Lesen sehr schnell klargeworden: das Buch ist ganz sicher kein Thriller, jedoch ein lesenswerter Krimi. Und auch psychologisch ist das Buch interessant, da trifft einiges aufeinander: Mobbing unter Schulkindern, ein hochintelligenter Junge, den andere (allen voran Sammy) als „Ein Spinner. Eine Heulsuse und eine Petze“ bezeichnen, überforderte Begleitpersonen der Klassenfahrt, untätige, ignorante und reichlich inkompetente Polizisten, eine esoterisch angehauchte Oma und eine (verständlicherweise) zunehmend hysterische Mutter. Dazu der Kontrast wohlhabende heile Familie zu alleinerziehender Mutter mit Existenzsorgen. Ein bisschen viel, ein bisschen plakativ, manchmal ein bisschen nervig – aber durchaus stimmig.
Sprachlich ist das Buch gut zu lesen, die Autorin schreibt flüssig und alltagsnah auch die Sätze sind einfach gehalten, wobei die häufige Nennung von Marken im allgemeinen und der Xbox im Speziellen schon fast an Schleichwerbung grenzt. Kurz vor Schluss nimmt die Geschichte noch einmal mächtig Fahrt und Spannung auf – um dann in einem für mich eher unschlüssigen Schluss endet, der auf mich hingeschludert wirkte, als habe die Autorin schnell zum Ende kommen wollen. Sie hatte im Verlauf des Buchs sehr viele lose Enden geschaffen, viele aktuelle und wichtige Themen angerissen – da kommt der platte Schluss ein bisschen wie eine kalte Dusche. Schade.
Was bleibt ist ein ganz gut nebenher zu lesender Krimi, der aber nicht viel Eindruck hinterlässt. Guter Durchschnitt, mehr aber auch nicht. 3 Punkte.

Bewertung vom 10.06.2020
Männer sind auch nur Menschen
Staudinger, Nicole

Männer sind auch nur Menschen


gut

Eine Aneinanderreihung lustiger Anekdoten aus dem Leben der Autorin – unterhaltsam und mit ein paar guten Tipps, mehr aber auch nicht.
„Männer sind auch nur Menschen“ – der Titel machte mich neugierig. Denn, natürlich sind sie das. Auch, wenn sie sich selbst gerne manchmal als „etwas Besseres“ sehen. Meine Erwartung war, dass die Autorin Nicole Staudinger mit diesem „Männergehabe“ aufräumt. Die hat sie nicht ganz erfüllt. Ihr Buch ist kein Ratgeber oder Leitfaden für den Umgang mit und das (Über)Leben neben Männern. Es ist eine flotte Aneinanderreihung mehr oder minder spaßiger Erlebnisse – unterhaltsam, manchmal auch lehrreich. Aber halt nur manchmal.
Jedes Kapitel beinhaltet den Abschnitt „Überlebensstrategie“, in dem die Autorin gute Tipps für bestimmte Situationen gibt – damit hat sie das Rad aber nicht neu erfunden, die meisten davon kann man in jedem zweiten Persönlichkeitsratgeber oder in den gängigen Frauenzeitschriften lesen. Schade. Das Thema hätte sehr viel Potenzial gehabt, das Nicole Staudinger leider nicht wirklich ausschöpft. Männlichkeit, toxische Männlichkeit, Mansplaining sind alles wichtige Themen. Aber sie schreibt lieber über Business-Dresscodes und Erklärbären. Manchmal scheint sie sich in den Anekdoten auch ein bisschen zu verrennen und man sucht oft vergeblich nach einem roten Faden.
Sprachlich lag mir das Buch nicht immer. Die Autorin schreibt sehr umgangssprachlich, flapsig und locker - mir manchmal zu locker aus der Hüfte, worunter auch das Niveau meiner Meinung nach leidet. Auch inhaltlich ist mir vieles zu seicht und oberflächlich, zu viel eigene Erfahrung und zu wenig Substanz, alles in allem sehr wenig Ratgeber und sehr viel Selbstdarstellung. Wirkliche Tipps für mehr Selbstbewusstsein und Schlagfertigkeit konnte ich für mich nicht mitnehmen. Insgesamt kam für mich das Titel-Thema ein bisschen zu kurz. Für mich war das Buch auf jeden Fall nichts. Was ich aus dem Buch mitnehmen konnte ist, dass die Zeit der Ritter in glänzender Rüstung vorbei ist und höfliche, zupackende und wohlerzogene Kavaliere wohl zu einer aussterbenden Art gehören. Und dass Netzwerken und Loyalität unter Frauen essenziell ist. Aber das wusste ich auch vorher schon. Daher vergebe ich für das Buch 3 Sterne, denn es ist an sich nicht schlecht – nur halt nicht mein Geschmack.

Bewertung vom 10.06.2020
How Not to Diet
Greger, Michael

How Not to Diet


weniger gut

Da ich bezüglich Ernährung und Diäten kein unbeschriebenes Blatt bin, habe ich mir von „How not to diet“ von Dr. Michael Greger neue Ansätze erhofft. Der Untertitel des Buchs „Gesund abnehmen und dauerhaft schlank bleiben dank neuester wissenschaftlich bewiesener Erkenntnisse“ machte mich noch neugieriger. Überzeugen konnte mich das Buch aber nicht.
Trotz vieler wissenschaftlicher Fakten aus unzähligen Studien, die der Autor mithilfe von über 100 Rechercheuren auffährt, um das „erste faktenbasierte Diätbuch“ zu schreiben, schafft er es meiner Meinung nach nicht wirklich, das Buch besser als die durchschnittlichen „Diätratgeber“ zu machen. In der Essenz sind seine Aussagen mir zu absolut und sicher nicht für jeden umsetzbar. Alles in allem ist das Buch eher eminenz- als evidenzbasiert. Er stülpt allen Menschen seine Theorien über, dabei gibt es in der Ernährung kein „one size fits all“. Manchmal kam es mir vor, als suche er gezielt zu seinen Theorien passende Studien (Stichwort: Bias). Irreführend finde ich auch den Titel (ich bin kein Freund englischsprachiger Titel bei deutschsprachigen Büchern). „Diet“ heißt zwar Diät, aber auch Ernährung im Allgemeinen, der Titel könnte also sowohl „wie man keine Diät macht“ oder „wie man sich nicht ernähren sollte“ heißen.
Die pflanzenbasierte Ernährung, mit der er Menschen schlank und gesund machen (oder erhalten) will, ist grundsätzlich eine gute Idee. Aber schon sein Tipp, zu jeder Mahlzeit vorab einen Apfel zu essen und zu jeder Mahlzeit 2 TL Essig hinzuzufügen, finde ich nicht immer umsetzbar. Auch der Rat, sich zweimal am Tag zu wiegen ist zu hinterfragen – Gewichtsschwankungen können verunsichern, häufiges Wiegen kann Zwänge hervorrufen und zu Ess-Störungen führen. Eine Studie aus dem Jahr 2015 bestätigt nur, dass tägliches Wiegen hilfreich sein kann.
Seine wissenschaftlichen Ausführungen sind lesens-, der Recherche-Aufwand lobenswert. Allerdings sind die 4990 (!) Fußnoten und Querverweise zu Studien nur auf der Website des Autors nachzulesen. Das Buch ist verständlich formuliert und sicher inhaltlich korrekt. Die Gefahren von zu viel Zucker und Fett zeigt der Autor ebenso auf wie die Wichtigkeit von Bewegung, ausreichend Flüssigkeit und Schlaf. Mit abgesetzten Abschnitten, dem „Gedankenfutter“, regt er den Leser zum Nach- und Weiterdenken an.
Aber sein ständiges Herumreiten auf den „Fettleibigen“ ist nicht nur störend sondern zum Teil schon unverschämt. Natürlich ist Fettleibigkeit das deutsche Wort für „Adipositas“ (starkes Übergewicht) – dennoch hätte er ab und zu einen anderen Begriff wählen können. Außerdem sind fettleibige Menschen seiner Meinung nach nur deshalb übergewichtig, da sie sich selbst und andere über ihre Mahlzeiten ständig belügen. Diese unverschämte Aussage und die dahintersteckende Haltung sollte er als Arzt überdenken!
Aber abgesehen von den wissenschaftlichen Fakten, auf die sich der Autor bezieht, beinhaltet das Buch kaum Neues. Seine Aussagen zu negativen Kalorien sind zum Beispiel eher befremdlich. Physikalisch gesehen ist eine Kalorie eine Kalorie – in der Verstoffwechslung ist das anders. Aber auch Lebensmittel mit „negativen Kalorien“ haben einen Brennwert und die Kalorien, die bei ihrer Verdauung darüber hinaus verbrannt werden (also zur negativen Bilanz führen) sind gering und der reißerische Begriff ist irreführend. Und alles in allem landet man auch bei diesem Buch am Ende beim guten alten Kalorienzählen mit ausgewogener (veganer), kalorienreduzierter Ernährung mit Sport, wenig Stress und ausreichend Schlaf. Mit seinen Ratschlägen hat der Autor das Rad ganz sicher nicht neu erfunden. Und das, obwohl er sein Buch als Ratgeber mit „Tipps und Tricks, wie jeder mühelos sein Idealgewicht halten kann – und macht endlich Schluss mit Kalorienzählen und Verzicht“ anpreist. Wer gerne etwas über wissenschaftliche Hintergründe erfahren möchte, ist mit dem Buch gut bedient. Wer gesund abnehmen möchte, sollte sich was anderes suchen. 2 Sterne

5 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.06.2020
Buen Camino ¿ du mich auch
Jäger, Karolin

Buen Camino ¿ du mich auch


weniger gut

„Buen Camino ... du mich auch!“ von Karolin Jäger ist ein Buch, dass mich fassungslos zurückgelassen hat. Der Inhalt ist simpel: junge Frau wandert den Camino, also den 800km langen Jakobsweg, und stellt fest, dass eine Pilgerreise kein Spaziergang ist. So weit, so interessant. Dachte ich. Und lag falsch.
Denn was mich mit dem Buch erwartete war teils ein Bericht über eine Pilgerreise, teils eine sehr gehässige Abrechnung mit Mit-Pilgern und Menschen, die ihr unterwegs begegneten. So geht sie mit dem stalkenden „Greis“ und dem „gruseligen Inder“ ebenso ins Gericht wie mit Luxus-Pilgern, die ihr Gepäck transportieren lassen, was die Autorin (ebenso wie schnarchende Mit-Schläfer) mehrfach „zum Kotzen“ findet. Sie selbst ist allerdings schon an einem der ersten Tage ihrer Reise damit beschäftigt, ihre Augenbrauen zu zupfen, Make-up ist für sie sehr wichtig und eine Übernachtunsmöglichkeit kann sie nicht annehmen, da es dort kein Warmwasser gibt – und das an ihrem Haarwaschtag! Prioritäten – so wichtig. Mehrere Kapitel später echauffiert sie sich aber gemeinsam mit „Inka“ über „Jogi“, der seinen Rucksack transportieren lässt, im Hotel schläft und eines verließ, weil sein Zimmer keinen Fernseher hatte.
Und auch sonst konnte ich mit der Art der Autorin wenig anfangen. Nicht nur, dass sie in einer Pension aus Versehen den Schlüssel mitnimmt – sie schafft es nicht, ihn zurückzuschicken, sondern „verliert“ ihn unterwegs einfach. Eine Unverschämtheit, egal, wie schäbig die Unterkunft war! „Ich sah ein Zweieurostück durch den Schmutz auf dem Boden schimmern, aber ich ließ es liegen. Ich ließ es liegen! Es hätte meinen Rucksack nur unnötig schwerer gemacht, und ich hätte mich bücken müssen.“ Ein 2-Euro-Stück wiegt neun Gramm!
Zudem hätte ich von einer Krankenschwester mehr Vernunft im Umgang mit Schmerzmitteln und Verletzungen erwartet. Ihre Aussage „Niere und Leber wollten ja schließlich auch etwas zu tun haben“ in Bezug auf die doppelte Schmerzmittel-Dosis finde ich gefährlich. Dass sie vom überdosierten Magnesium nur Übelkeit und keinen schlimmen Durchfall bekam, war reines Glück.
Ein weiteres großes Ärgernis waren für mich ihre zum Teil holprigen Vergleiche und übertriebenen Beschreibungen. Der eine mag ihre Sprache locker und flapsig finden, ich fand ihre nach Schema-F gebauten Sätze uninspiriert und ihre Wortwahl zum Teil falsch. „Im Foyer zog ich mir mit schmerzverzerrtem Gesicht und unter jammerndem Gewinsel meine Schuhe und Socken aus“ – keine Ahnung, was das ist. „Als ich auf mein Elend hinabblickte, realisierte ich, dass meine Waden und Füße derart angeschwollen waren, dass man weder Knöchel noch Adern erkennen konnte. Ich war über Nacht an akuter Elefantitis erkrankt“ – das ist ein Schlag ins Gesicht aller, die an der Krankheit (die tatsächlich Elefantiasis heißt) leiden. Die Krankheit hat keine akute Form, ist unheilbar und nicht (wie bei der Autorin) durch Diuretika reversibel. Ebenso ist der Satz „das Zeug konnte ich jedenfalls unmöglich trinken, ohne dabei sofort an Diabetes zu erkranken“ völlig unsinnig.
Das Buch liest sich wie ein aggressiver Schulaufsatz („Diese Rücksichtslosigkeit gegenüber allen Mitschläfern schürte in mir erneut abgrundtiefen Hass“) mit gehässigen Kommentaren. Das Entsetzen über eklige Unterkünfte und Probleme beim Schlafen in Mehrbettzimmern, kann ich gut nachvollziehen, war aber zu erwarten. Das ist einer der Gründe, warum eine solche Tour für mich nicht infrage kommt. Vielleicht hätte die Autorin sich da besser belesen sollen. Sie selbst findet sich aber ziemlich toll und unfehlbar. In einer Herberge brüllt sie koreanische Frühaufsteher so lange an, bis alle im Zimmer wach sind, was sie mit einem „ist ja nicht meine Schuld“ kommentiert. Ihre Arroganz ging mir sehr schnell auf die Nerven und so hinterließ das ganze Buch bei mir einen sehr hässlichen Nachgeschmack, oder, um die Autorin zu zitieren: „That sucks“.
Von mir 2 Punkte, aber nur aus Hochachtung, weil sie den Weg komplett zurückge

5 von 6 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 04.06.2020
Frau Honig und die Schule der Fantasie
Bohlmann, Sabine

Frau Honig und die Schule der Fantasie


ausgezeichnet

Endlich ist mit „Frau Honig und die Schule der Fantasie“ der dritte Teil der Frau-Honig-Reihe von Sabine Bohlmann erschienen! Und das Warten hat sich gelohnt, es war mir wieder eine ganz große Freude, das Buch zu lesen. Oder, man könnte sagen: es ging mir runter wie Honig.
Wer Frau Honig noch nicht kennt, kann sie sich vorstellen wie eine Mischung aus Nanny McPhee und Mary Poppins. Sie hat Zauberkräfte, Herz und Verstand, ist voller Fantasie und kann mit Tieren und dem Wind sprechen. Und natürlich auch mit Menschen.
Dieses Mal ist Frau Honig nicht als Kindermädchen unterwegs, sondern wird von der Schulleiterin der Birkenschule versehentlich für die Aushilfslehrerin gehalten. Also vertritt Frau Honig eine Woche lang eine erkrankte Lehrerin und die Kinder lernen alles: Mathe, Deutsch, Sport – und ganz viel fürs Leben.
Das Buch ist wie seine Vorgänger wunderschön geschrieben, sowohl die Worte, die die Autorin verwendet sind toll, als auch die Geschichte an sich und dazu die spärlichen aber aussagekräftigen Bilder. Die Sprache ist kindgerecht und manchmal ebenfalls voller Fantasie. So schafft sie neue Wörter wie „schulig“ und lässt ihre Schüler schöne Wörter für den Mitschüler sammeln, der kein Deutsch spricht.
Für fantasiebegabte Kinder ist das Buch sicher ein echtes Highlight, sei es zum Selberlesen oder zum Vorlesen. Mobbing oder Rassismus sind ebenso Thema wie die Schwächen des Bildungs- und Schulsystems. Miteinander, anderen helfen, Zusammenarbeit, Spaß und Fantasie sind im Zentrum von Frau Honigs Herangehensweise an Lernen und Wissen – und tatsächlich funktioniert es. Und trotz aller Fantasie und Träumereien von Schulen mit mehr Spaß und Freude vermittelt das Buch auch ein bisschen Wissen, wie beispielsweise über das Weltall (samt einer Eselsbrücke für die Reihenfolge der Planeten in unserem Sonnensystem) und ein bisschen Rechnen - alles schön lebensnah. Wie im echten Leben ist Leben ist gleich Lernen und man kann manches einfach so und nebenher lernen. Schön. Utopisch, aber schön.
Zielgruppe für das Buch sind Menschen zwischen 8 und 99 Jahren, also passe ich genau rein. Ich fand das Buch wie auch die anderen beiden Bände um Frau Honig sehr schön geschrieben, die Geschichte trifft sicher den Nerv vieler Kinder (und auch den der Eltern). Selbstverständlich bietet das Buch Gesprächsstoff, denn natürlich ist so eine Form des „Unterrichts“ nicht komplett umsetzbar. Aber so haben Eltern und Kinder noch über das Buch hinaus sicher sehr viel zu diskutieren, vor allem auch darüber, ob nun Mathe tatsächlich wichtiger ist, als Musik. Von mir eine klare Lese-Empfehlung und 5 Sterne.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 30.05.2020
Golden Cage. Die Rache einer Frau ist schön und brutal. (eBook, ePUB)
Läckberg, Camilla

Golden Cage. Die Rache einer Frau ist schön und brutal. (eBook, ePUB)


schlecht

„Golden Cage. Die Rache einer Frau ist schön und brutal“ von Camilla Läckberg war mein erstes Buch der Autorin und vermutlich auch mein letztes. Die Idee für die Geschichte ist gut, wenn auch nicht ganz neu: Frau lernt Mann kennen, lässt sich Pygmalion-mäßig nach seinen Wünschen formen, merkt, dass sie ihm nicht genügt (er betrügt und demütigt sie) – und sie rächt sich indem sie sein Leben zerstört. So weit so gut. Eigentlich.
Denn was die Autorin aus der Idee gemacht hat, ist nichts Ganzes und nichts Halbes. Für einen Thriller ist zu viel Erotik und Psychologie drin und viel zu wenig Spannung. Für einen erotischen Roman zu viel Psychologie, Gesellschaftskritik und Rache. Die ganze Geschichte wird um völlig unsympathische Figuren gestrickt, die alle ihre Geheimnisse haben. Sie erfüllen zwischen Brust-OPs und Botox-Behandlung jegliches Klischee, authentisch ist keiner. Vermutlich gewollt von der Autorin, denn die Welt, in der sich Faye und ihr Mann Jack bewegen ist die der Reichen und Schönen, Echtheit ist da wohl fehl am Platz.
Aber auch sonst ist die Geschichte mir zu plakativ. Ein eigentlich unfähiger Mann wird mithilfe seiner Frau erfolgreich und lässt sie dann zugunsten einer Jüngeren fallen. Die Rache der betrogenen Ehefrau ist ausgeklügelt und grausam. Allerdings hat sie nicht nur mehr Grips als ihr Mann, sondern auch neue Freunde und sehr viele Möglichkeiten, ihn zuerst finanziell und gesellschaftlich zu ruinieren und sein Leben dann mit einem letzten ausgeklügelten Schachzug völlig zu zerstören. Das Heimchen am Herd, zu dem er sie gemacht hatte, wird erst eine erfolgreiche und brillante Geschäftsfrau mit schier unbegrenzten finanziellen Mitteln und dann eine Rachegöttin.
Ihr Plan ist so perfide wie grausam. Die Beschreibung, in der sich die Autorin manchmal ein bisschen verrennt ist zum Teil unrealistisch und unglaubwürdig. Alles läuft einfach viel zu glatt, Faye geht skrupellos über Leichen – und die Polizei tappt im Dunkeln. Dazu ist die Geschichte so penetrant mit den Namen von Modemarken wie Gucci, Chanel oder Jimmy Choo gespickt, dass es fast an eine Dauerwerbe-Veranstaltung erinnert. Der Schluss war bis auf ein kleines Element keine Überraschung und insgesamt fand ich das Buch trotz seines verhältnismäßig geringen Umfangs zu lang, langatmig und gleichzeitig zu überladen. Die Beziehung zwischen Faye und ihrer besten Freundin Chris gibt dem ganzen noch einen winzigen menschlichen Touch aber auch das rettet das Buch nicht, das Element ist viel eher fehl am Platz und fast überflüssig.
Stilistisch ist an dem Buch nichts auszusetzen. Die Sprache ist flüssig und alltagsnah. Die verschiedenen Zeitebenen, auf denen die Geschichte erzählt wird, sind ein cleverer Schachzug, vor allem, da die gemeinsame Vergangenheit von Faye und Jack (von ihrem Kennenlernen an) von ihr in der Ich-Form erzählt wird.
Wegen des völlig verfehlten Genres, der zum Teil obszön-vulgären Sex-Szenen und der vielen Klischees, der platten Geschichte, der fehlenden Spannung und der unsympathischen Charaktere von mir 1 Stern.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.05.2020
Ich kenne deine Lügen
Marrs, John

Ich kenne deine Lügen


schlecht

Nachdem ich „Die gute Seele“ von John Marrs gelesen und sehr gut gefunden hatte, freute ich mich sehr auf die Lektüre von „Ich kenne deine Lügen“. Selten wurde ich so sehr enttäuscht wie von diesem Buch. Bis zum Schluss hatte ich keine Ahnung, was mir der Autor mit diesem Werk überhaupt sagen wollte. Und was das Buch überhaupt darstellen sollte, denn es ist ganz sicher kein Thriller. Spannung habe ich so gut wie gar keine gefunden, Unterhaltungswert war für mich bei diesem Buch auch keiner vorhanden.
Die Geschichte an sich ist einfach: ein Mann verlässt seine Familie, die damit am Rand des Ruins steht. Die verlassene Ehefrau und Mutter von vier Kindern (der jüngste verstarb) kämpft sich aus eigener Kraft zurück ins Leben und wird erfolgreich. Der Mann kehrt nach 25 Jahren zurück und versucht, seine Beweggründe zu erklären. Punkt.
Und Catherine ist für mich auch der einzige positive Punkt an dem ganzen Buch. Sie entwickelt sich vom Heimchen am Herd zu einer starken, selbstbewussten und zielstrebigen Frau, die ihren Platz im Leben findet. Der Rest des Buchs ist eine undurchsichtige, uninspirierte und in der Hauptsache düster-depressive Pampe, die sich zäh wie Haferschleim liest. Simon, der abgängige Ehemann ist ein unsympathischer Egomane und nicht zuletzt ein Mörder, denn in der Zeit seines Verschwindens tötet er mehr oder weniger wahllos irgendwelche Menschen.
Alles in allem ist das Buch für mich ein ziemliches Ärgernis und die Lektüre ließ mich frustriert zurück, denn in der Zeit hätte ich auch etwas Sinnvolles tun können. Allenfalls auf den letzten 50 Seiten kommt etwas wirkliches Gefühl und tatsächlicher Charakter ans Tageslicht und einige bis dahin lose Fäden verknüpfen sich. Leider kann das die vorherigen fast 400 Seiten Langeweile nicht wettmachen. Die Geschichte ist von vorn bis hinten konstruiert und das noch nicht einmal gut. Das Konzept mit den verschiedenen Zeitebenen, die dem Leser sowohl Catherines als auch Simons Erlebnisse in den 25 Jahren nahebringen möchten, ist gut. Aber das ist auch alles, was ich an diesem Buch lobenswert finde: dass der Autor es schafft, einem roten Faden zu folgen. Eigentlich würde ich gerne gar keinen Punkt geben, muss aber wenigstens den einen vergeben. Absolut keine Lese-Empfehlung.

Bewertung vom 26.05.2020
Der Mueller-Report
Mueller, Robert

Der Mueller-Report


ausgezeichnet

„Das ist das Ende meiner Präsidentschaft, sagte Trump, als er von Muellers Ernennung zum Sonderermittler erfuhr, ich bin am A…“ – für mich ist dieser Satz eines der Kern-Elemente im Mueller-Report. Denn tatsächlich hätte es so sein können und in den Augen vieler auch sein MÜSSEN. Aber die Geschichte lehrt uns, dass es nicht so ist. Denn tatsächlich endete das Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump am 5. Februar 2020 mit seinem Freispruch.
Der veritable Versuch, dem amerikanischen Präsidenten Verfehlungen nachzuweisen ist in „Der Mueller-Report; Einführung und Analyse von Rosalind S. Helderman und Matt Zapotosky von The Washington Post“ nachzulesen. In zwei sehr umfangreichen Teilen werden Ermittlungsergebnisse detailliert und in chronologischer Reihenfolge präsentiert und eingeordnet. Teil 1 beinhaltet die Rolle Russlands im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf von 2016, das, was Trump im Nachhinein als „no collusion“ abtat. Teil 2 konzentriert sich auf Donald Trump selbst, vor allem darauf, wie er durch Personalentscheidungen Einfluss auf die Ermittlungen gegen sich nehmen wollte (und nahm).
Zwar liest sich das Buch teilweise wie ein Krimi mit viel zu vielen Charakteren, aber die Namen sind wohl jedem, der die Ermittlungen von Robert S. Mueller und seinem Team verfolgt hat, geläufig. Spannend aber bei der Lektüre jetzt, nachdem einige Zeit verstrichen ist: man kann bei so vielen Namen nicken und einen Haken dahinter machen, denn er hat sie zum Großteil entlassen, ausgetauscht – und nicht zuletzt sind einige Menschen in seinem direkten (Arbeits-)Umfeld inzwischen rechtskräftig wegen dieser Sache verurteilt worden.
Das Buch ist sehr nüchtern und trocken geschrieben, es dokumentiert schnörkellos und akribisch das, was Trump die größte Hexenjagd gegen einen amerikanischen Präsidenten nennt. Es beinhaltet neben den vielen tatsächlich aus ermittlungstechnischen Gründen geschwärzten Zeilen auch fast 2000 Fußnoten. Trotzdem ist es flüssig und durchaus verständlich geschrieben. Es beinhaltet für mich ein großes Stück Zeitgeschichte, zeigt politische Verstrickungen und Zusammenhänge klar auf und außerdem viel kriminelle Energie auf unterschiedlichen Seiten mit verschiedenen Zielen.
Für jeden, der sich für Politik interessiert, ist dieses Buch ein Muss, denn es beschreibt in aller Deutlichkeit, wo und vor allem wie heutzutage Politik gemacht wird. Von mir 5 Sterne.

Bewertung vom 25.05.2020

"Ich schreibe unentwegt ein Leben lang"


ausgezeichnet

Ich gebe es ganz offen zu: ich habe Marcel Reich-Ranicki immer sehr zwiespältig gesehen und seine Kritiken waren mir immer viel zu absolut. Für mich lasen sich seine Texte meistens arrogant, überheblich und mit einem hohen Anspruch auf Richtigkeit. Wenn er schrieb, ein Buch sei schlecht, schien er nie eine andere Meinung daneben zu dulden. Aber das ist nur meine Meinung.
Dennoch habe ich mich auf das Buch „Ich schreibe unentwegt ein Leben lang: Marcel Reich-Ranicki im Gespräch“ von Paul Assall gefreut. Denn ganz abgesehen von seinen Kritiken hat mich der Mensch Reich-Ranicki interessiert. Und ich wurde nicht enttäuscht. Das Gespräch zwischen den beiden fand 1985 statt. 35 Jahre lang lag der Tonbandmitschnitt in der Schublade des Autors, jetzt hat er ihn veröffentlicht.
Entstanden ist aus dem Gespräch eine Art Biografie, aber auch eine Betrachtung der Gesellschaft (obwohl Reich-Ranicki diesen Begriff ablehnte) und deren Wandel im Laufe seines Lebens. Und natürlich spielen Literatur und Literaturkritik eine große Rolle – in seinem Leben, daher natürlich auch im vorliegenden Buch. Aber auch Geschichte, Politik und ganz am Rand auch Gefühle finden ihren Platz.
Für Kenner von Marcel Reich-Ranicki bietet das Buch vermutlich nichts Neues. Seine Autobiografie „Mein Leben“ erschien schon 2000 und Uwe Wittstocks „Marcel Reich-Ranicki: Die Biografie“ 2015, darin ist vermutlich alles schon einmal gesagt worden. Da ich aber beide nicht kenne, war das Transpkript des Interviews von Paul Assall für mich interessant zu lesen, aufschlussreich und informativ. Und ich konnte bei jedem Satz Reich-Ranickis Stimme und Tonfall hören. Dazu seine wortgewaltigen und wohlformulierten Sätze – für mich war die Lektüre des Buchs trotz des zum Teil schwierigen und bedrückenden Inhalts ein Genuss. So erzählt er über seine Schulzeit, seine Deportation aus Berlin 1938, seine Zeit im Warschauer Ghetto und dann im Untergrund, streift aber auch kurz seine Zeit in London und dann seine Arbeit bei verschiedenen deutschen Zeitungen.
Alles in allem ist das Buch ein lesenswerter Kurz-Einblick in Reich-Ranickis Leben in seinen eigenen Worten. Denn seine Autobiografie war da noch in weiter Ferne, eigentlich wollte er ja nichts außer seinen Kritiken schreibe. „Ich muss Ihnen eins offen sagen: Ich habe nie im Leben ein Gedicht geschrieben, nie ein Drama, nie einen Roman. Ich wollte von Jugend an Kritiker werden. Ich habe dann einige Jahre anderes getan im Krieg und der ersten Nachkriegszeit, aber ich habe nie die Fähigkeit gespürt oder die Berufung, Romancier oder Lyriker zu sein. Warum nicht? Weil ich nicht die Begabung dazu habe. Kritiker haben oft genug die Menschheit mit ihren Romanen, Theaterstücken und Gedichten belästigt.“ Dennoch erschien später dann seine Autobiografie, die sicher sehr viel mehr Substanz beinhaltet, als der kurze Abriss, den das Interview bietet. Daher sehe ich es als eine Art gelungenen „Appetizer“, eine Vorspeise, die Lust auf mehr macht und vergebe 5 Sterne.