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sleepwalker

Bewertungen

Insgesamt 495 Bewertungen
Bewertung vom 30.05.2020
Golden Cage. Die Rache einer Frau ist schön und brutal. (eBook, ePUB)
Läckberg, Camilla

Golden Cage. Die Rache einer Frau ist schön und brutal. (eBook, ePUB)


schlecht

„Golden Cage. Die Rache einer Frau ist schön und brutal“ von Camilla Läckberg war mein erstes Buch der Autorin und vermutlich auch mein letztes. Die Idee für die Geschichte ist gut, wenn auch nicht ganz neu: Frau lernt Mann kennen, lässt sich Pygmalion-mäßig nach seinen Wünschen formen, merkt, dass sie ihm nicht genügt (er betrügt und demütigt sie) – und sie rächt sich indem sie sein Leben zerstört. So weit so gut. Eigentlich.
Denn was die Autorin aus der Idee gemacht hat, ist nichts Ganzes und nichts Halbes. Für einen Thriller ist zu viel Erotik und Psychologie drin und viel zu wenig Spannung. Für einen erotischen Roman zu viel Psychologie, Gesellschaftskritik und Rache. Die ganze Geschichte wird um völlig unsympathische Figuren gestrickt, die alle ihre Geheimnisse haben. Sie erfüllen zwischen Brust-OPs und Botox-Behandlung jegliches Klischee, authentisch ist keiner. Vermutlich gewollt von der Autorin, denn die Welt, in der sich Faye und ihr Mann Jack bewegen ist die der Reichen und Schönen, Echtheit ist da wohl fehl am Platz.
Aber auch sonst ist die Geschichte mir zu plakativ. Ein eigentlich unfähiger Mann wird mithilfe seiner Frau erfolgreich und lässt sie dann zugunsten einer Jüngeren fallen. Die Rache der betrogenen Ehefrau ist ausgeklügelt und grausam. Allerdings hat sie nicht nur mehr Grips als ihr Mann, sondern auch neue Freunde und sehr viele Möglichkeiten, ihn zuerst finanziell und gesellschaftlich zu ruinieren und sein Leben dann mit einem letzten ausgeklügelten Schachzug völlig zu zerstören. Das Heimchen am Herd, zu dem er sie gemacht hatte, wird erst eine erfolgreiche und brillante Geschäftsfrau mit schier unbegrenzten finanziellen Mitteln und dann eine Rachegöttin.
Ihr Plan ist so perfide wie grausam. Die Beschreibung, in der sich die Autorin manchmal ein bisschen verrennt ist zum Teil unrealistisch und unglaubwürdig. Alles läuft einfach viel zu glatt, Faye geht skrupellos über Leichen – und die Polizei tappt im Dunkeln. Dazu ist die Geschichte so penetrant mit den Namen von Modemarken wie Gucci, Chanel oder Jimmy Choo gespickt, dass es fast an eine Dauerwerbe-Veranstaltung erinnert. Der Schluss war bis auf ein kleines Element keine Überraschung und insgesamt fand ich das Buch trotz seines verhältnismäßig geringen Umfangs zu lang, langatmig und gleichzeitig zu überladen. Die Beziehung zwischen Faye und ihrer besten Freundin Chris gibt dem ganzen noch einen winzigen menschlichen Touch aber auch das rettet das Buch nicht, das Element ist viel eher fehl am Platz und fast überflüssig.
Stilistisch ist an dem Buch nichts auszusetzen. Die Sprache ist flüssig und alltagsnah. Die verschiedenen Zeitebenen, auf denen die Geschichte erzählt wird, sind ein cleverer Schachzug, vor allem, da die gemeinsame Vergangenheit von Faye und Jack (von ihrem Kennenlernen an) von ihr in der Ich-Form erzählt wird.
Wegen des völlig verfehlten Genres, der zum Teil obszön-vulgären Sex-Szenen und der vielen Klischees, der platten Geschichte, der fehlenden Spannung und der unsympathischen Charaktere von mir 1 Stern.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.05.2020
Ich kenne deine Lügen
Marrs, John

Ich kenne deine Lügen


schlecht

Nachdem ich „Die gute Seele“ von John Marrs gelesen und sehr gut gefunden hatte, freute ich mich sehr auf die Lektüre von „Ich kenne deine Lügen“. Selten wurde ich so sehr enttäuscht wie von diesem Buch. Bis zum Schluss hatte ich keine Ahnung, was mir der Autor mit diesem Werk überhaupt sagen wollte. Und was das Buch überhaupt darstellen sollte, denn es ist ganz sicher kein Thriller. Spannung habe ich so gut wie gar keine gefunden, Unterhaltungswert war für mich bei diesem Buch auch keiner vorhanden.
Die Geschichte an sich ist einfach: ein Mann verlässt seine Familie, die damit am Rand des Ruins steht. Die verlassene Ehefrau und Mutter von vier Kindern (der jüngste verstarb) kämpft sich aus eigener Kraft zurück ins Leben und wird erfolgreich. Der Mann kehrt nach 25 Jahren zurück und versucht, seine Beweggründe zu erklären. Punkt.
Und Catherine ist für mich auch der einzige positive Punkt an dem ganzen Buch. Sie entwickelt sich vom Heimchen am Herd zu einer starken, selbstbewussten und zielstrebigen Frau, die ihren Platz im Leben findet. Der Rest des Buchs ist eine undurchsichtige, uninspirierte und in der Hauptsache düster-depressive Pampe, die sich zäh wie Haferschleim liest. Simon, der abgängige Ehemann ist ein unsympathischer Egomane und nicht zuletzt ein Mörder, denn in der Zeit seines Verschwindens tötet er mehr oder weniger wahllos irgendwelche Menschen.
Alles in allem ist das Buch für mich ein ziemliches Ärgernis und die Lektüre ließ mich frustriert zurück, denn in der Zeit hätte ich auch etwas Sinnvolles tun können. Allenfalls auf den letzten 50 Seiten kommt etwas wirkliches Gefühl und tatsächlicher Charakter ans Tageslicht und einige bis dahin lose Fäden verknüpfen sich. Leider kann das die vorherigen fast 400 Seiten Langeweile nicht wettmachen. Die Geschichte ist von vorn bis hinten konstruiert und das noch nicht einmal gut. Das Konzept mit den verschiedenen Zeitebenen, die dem Leser sowohl Catherines als auch Simons Erlebnisse in den 25 Jahren nahebringen möchten, ist gut. Aber das ist auch alles, was ich an diesem Buch lobenswert finde: dass der Autor es schafft, einem roten Faden zu folgen. Eigentlich würde ich gerne gar keinen Punkt geben, muss aber wenigstens den einen vergeben. Absolut keine Lese-Empfehlung.

Bewertung vom 26.05.2020
Der Mueller-Report
Mueller, Robert

Der Mueller-Report


ausgezeichnet

„Das ist das Ende meiner Präsidentschaft, sagte Trump, als er von Muellers Ernennung zum Sonderermittler erfuhr, ich bin am A…“ – für mich ist dieser Satz eines der Kern-Elemente im Mueller-Report. Denn tatsächlich hätte es so sein können und in den Augen vieler auch sein MÜSSEN. Aber die Geschichte lehrt uns, dass es nicht so ist. Denn tatsächlich endete das Amtsenthebungsverfahren gegen Donald Trump am 5. Februar 2020 mit seinem Freispruch.
Der veritable Versuch, dem amerikanischen Präsidenten Verfehlungen nachzuweisen ist in „Der Mueller-Report; Einführung und Analyse von Rosalind S. Helderman und Matt Zapotosky von The Washington Post“ nachzulesen. In zwei sehr umfangreichen Teilen werden Ermittlungsergebnisse detailliert und in chronologischer Reihenfolge präsentiert und eingeordnet. Teil 1 beinhaltet die Rolle Russlands im amerikanischen Präsidentschaftswahlkampf von 2016, das, was Trump im Nachhinein als „no collusion“ abtat. Teil 2 konzentriert sich auf Donald Trump selbst, vor allem darauf, wie er durch Personalentscheidungen Einfluss auf die Ermittlungen gegen sich nehmen wollte (und nahm).
Zwar liest sich das Buch teilweise wie ein Krimi mit viel zu vielen Charakteren, aber die Namen sind wohl jedem, der die Ermittlungen von Robert S. Mueller und seinem Team verfolgt hat, geläufig. Spannend aber bei der Lektüre jetzt, nachdem einige Zeit verstrichen ist: man kann bei so vielen Namen nicken und einen Haken dahinter machen, denn er hat sie zum Großteil entlassen, ausgetauscht – und nicht zuletzt sind einige Menschen in seinem direkten (Arbeits-)Umfeld inzwischen rechtskräftig wegen dieser Sache verurteilt worden.
Das Buch ist sehr nüchtern und trocken geschrieben, es dokumentiert schnörkellos und akribisch das, was Trump die größte Hexenjagd gegen einen amerikanischen Präsidenten nennt. Es beinhaltet neben den vielen tatsächlich aus ermittlungstechnischen Gründen geschwärzten Zeilen auch fast 2000 Fußnoten. Trotzdem ist es flüssig und durchaus verständlich geschrieben. Es beinhaltet für mich ein großes Stück Zeitgeschichte, zeigt politische Verstrickungen und Zusammenhänge klar auf und außerdem viel kriminelle Energie auf unterschiedlichen Seiten mit verschiedenen Zielen.
Für jeden, der sich für Politik interessiert, ist dieses Buch ein Muss, denn es beschreibt in aller Deutlichkeit, wo und vor allem wie heutzutage Politik gemacht wird. Von mir 5 Sterne.

Bewertung vom 25.05.2020

"Ich schreibe unentwegt ein Leben lang"


ausgezeichnet

Ich gebe es ganz offen zu: ich habe Marcel Reich-Ranicki immer sehr zwiespältig gesehen und seine Kritiken waren mir immer viel zu absolut. Für mich lasen sich seine Texte meistens arrogant, überheblich und mit einem hohen Anspruch auf Richtigkeit. Wenn er schrieb, ein Buch sei schlecht, schien er nie eine andere Meinung daneben zu dulden. Aber das ist nur meine Meinung.
Dennoch habe ich mich auf das Buch „Ich schreibe unentwegt ein Leben lang: Marcel Reich-Ranicki im Gespräch“ von Paul Assall gefreut. Denn ganz abgesehen von seinen Kritiken hat mich der Mensch Reich-Ranicki interessiert. Und ich wurde nicht enttäuscht. Das Gespräch zwischen den beiden fand 1985 statt. 35 Jahre lang lag der Tonbandmitschnitt in der Schublade des Autors, jetzt hat er ihn veröffentlicht.
Entstanden ist aus dem Gespräch eine Art Biografie, aber auch eine Betrachtung der Gesellschaft (obwohl Reich-Ranicki diesen Begriff ablehnte) und deren Wandel im Laufe seines Lebens. Und natürlich spielen Literatur und Literaturkritik eine große Rolle – in seinem Leben, daher natürlich auch im vorliegenden Buch. Aber auch Geschichte, Politik und ganz am Rand auch Gefühle finden ihren Platz.
Für Kenner von Marcel Reich-Ranicki bietet das Buch vermutlich nichts Neues. Seine Autobiografie „Mein Leben“ erschien schon 2000 und Uwe Wittstocks „Marcel Reich-Ranicki: Die Biografie“ 2015, darin ist vermutlich alles schon einmal gesagt worden. Da ich aber beide nicht kenne, war das Transpkript des Interviews von Paul Assall für mich interessant zu lesen, aufschlussreich und informativ. Und ich konnte bei jedem Satz Reich-Ranickis Stimme und Tonfall hören. Dazu seine wortgewaltigen und wohlformulierten Sätze – für mich war die Lektüre des Buchs trotz des zum Teil schwierigen und bedrückenden Inhalts ein Genuss. So erzählt er über seine Schulzeit, seine Deportation aus Berlin 1938, seine Zeit im Warschauer Ghetto und dann im Untergrund, streift aber auch kurz seine Zeit in London und dann seine Arbeit bei verschiedenen deutschen Zeitungen.
Alles in allem ist das Buch ein lesenswerter Kurz-Einblick in Reich-Ranickis Leben in seinen eigenen Worten. Denn seine Autobiografie war da noch in weiter Ferne, eigentlich wollte er ja nichts außer seinen Kritiken schreibe. „Ich muss Ihnen eins offen sagen: Ich habe nie im Leben ein Gedicht geschrieben, nie ein Drama, nie einen Roman. Ich wollte von Jugend an Kritiker werden. Ich habe dann einige Jahre anderes getan im Krieg und der ersten Nachkriegszeit, aber ich habe nie die Fähigkeit gespürt oder die Berufung, Romancier oder Lyriker zu sein. Warum nicht? Weil ich nicht die Begabung dazu habe. Kritiker haben oft genug die Menschheit mit ihren Romanen, Theaterstücken und Gedichten belästigt.“ Dennoch erschien später dann seine Autobiografie, die sicher sehr viel mehr Substanz beinhaltet, als der kurze Abriss, den das Interview bietet. Daher sehe ich es als eine Art gelungenen „Appetizer“, eine Vorspeise, die Lust auf mehr macht und vergebe 5 Sterne.

Bewertung vom 24.05.2020
Lady Bitch Ray über Madonna / KiWi Musikbibliothek Bd.7
Lady Bitch Ray

Lady Bitch Ray über Madonna / KiWi Musikbibliothek Bd.7


sehr gut

Aus der Reihe Kiwi Musik-Bibliothek kannte ich bislang nur Anja Rützels Buch über Take That, daher war ich auf „Lady Bitch Ray über Madonna“ sehr gespannt. Die Bücher haben die Erfahrungen und Gedanken der Autoren zum Thema. Reyhan Şahin (so Lady Bitch Rays bürgerlicher Name) beschreibt, wie aus der Tochter türkischer Einwanderer einerseits die Rapperin Lady Bitch Ray, andererseits die promovierte Linguistin, Journalistin und Autorin wurde und welchen Einfluss Madonna als Person und ihre Musik auf sie hatten. Man lernt viele verschiedene Facetten der Autorin kennen – Madonna kommt vielleicht ein bisschen zu kurz, denn natürlich ist das Buch weder eine Autobiografie der Autorin noch eine Biografie.
Von der Kunstfigur Lady Bitch Ray, ihrer provokanten Art und ihrer Musik mag man halten, was man will – ebenso muss man Madonna nicht mögen, um dem Buch einiges abgewinnen zu können. Manche Fakten sowohl über Madonna als auch über die Autorin und über das, was die beiden verbindet, fand ich interessant und teilweise sogar spannend zu lesen. Aber ganz abseits vom Thema hat die Autorin ein absolut lesenswertes, mit Wort- und Sprachwitz (und natürlich mit Schimpfwörtern und Kraftausdrücken) gespicktes Buch geschaffen. Wenn man sich auf Thema und Stil einlässt, ist es eine durchaus unterhaltsame Lektüre, nicht zuletzt auch wegen vieler nachdenklicher Töne, die die Autorin anschlägt. So spart sie weder ihre schlechten Erfahrungen in der Musikbranche aus, noch die Zeit, die sie wegen Depressionen in einer Klinik verbrachte.
Alles in allem ein Buch, auf das man sich einlassen muss, um es gut und unterhaltsam zu finden. Daher von mir eine Lese-Empfehlung für abenteuerlustige Leser und/oder Freunde von Madonna und Lady Bitch Ray und 4 Sterne.

Bewertung vom 20.05.2020
Kein Pausenbrot, keine Kindheit, keine Chance
Thiel, Jeremias

Kein Pausenbrot, keine Kindheit, keine Chance


sehr gut

Die Geschichte von einem, der es (mit Hilfe von anderen) geschafft hat. Mit 11 Jahren wandte sich Jeremias Thiel ans Jugendamt. Seine Eltern waren psychisch krank und dadurch nicht in der Lage, ihn und seinen Zwillingbruder Niklas zu erziehen, dazu lebte die Familie von Hartz 4 und ist wohl verhältnismäßig bildungsfern. Er kam in ein SOS-Kinderdorf, hatte dann die Möglichkeit, ein internationales Abitur am Robert Bosch College zu machen und studiert inzwischen in den USA. Ein beeindruckender Weg für jemanden, der einen schwierigen Start hatte.
Seine Lebensgeschichte bildet die Grundlage für sein Buch „Kein Pausenbrot, keine Kindheit, keine Chance: Wie sich Armut in Deutschland anfühlt und was sich ändern muss“. An sich kein schlechtes Buch, sicher aber kein wirklich gutes. Seine Biografie liest sich zum Teil wie ein Märchen, ein bisschen wie bei Pretty Woman. Aber ich habe mich für ihn gefreut, dass er es durch seine eigene Arbeit, aber auch durch viel Hilfe und Möglichkeiten (die nicht jeder hat), geschafft hat, seinen Weg zu machen. Er scheint auch genau zu wissen, dass ihm da viel Gutes zuteilwurde, was zum Beispiel weder seinem Zwillingsbruder noch seinem Halbbruder passierte. Zumindest den Menschen, die ihn ab der Zeit im Kinderdorf unterstützt haben, scheint er aufrichtig dankbar und auch über seinen Vater findet er zum Teil sehr liebevolle Worte.
Aber sonst ist das Buch ziemlich schwierig. Inhaltlich sicherlich korrekt, der Autor legt den Finger auf genau das, was schief läuft. Aber er geht dabei sehr stark von seiner eigenen Geschichte aus. Psychische Erkrankung – Armut – mangelnde Erziehungsfähigkeit. Die Kausalität mag für ihn richtig sein, denn in seiner Familie war es so, das ist aber natürlich nicht immer so gegeben. Da macht er es sich ein bisschen einfach, aber er ist ja auch noch sehr jung. Und auch manche Sätze wie „Mein Vater wurde psychisch krank und flüchtete sich abwechselnd in manische und depressive Phasen“ stoßen sicher manchem Leser übel auf. Kein Mensch „flüchtet“ sich in solche Phasen, eine bipolare Störung (manische Depression) ist ganz sicher keine Fluchtmöglichkeit, sondern eine schwere psychische Erkrankung!
Insgesamt listet er Mängel im System auf – bietet aber keine Lösungen. Kann er natürlich auch nicht. Vieles in seinem Buch wiederholt sich auch häufiger. Den Buchtitel (auf den der Autor vermutlich keinen Einfluss hatte), sehe ich sehr zwiespältig. „Zwischen zwei Scheiben labbrigem Toastbrot war mindestens ein halber Zentimeter Butter gestrichen, darauf lag eine Scheibe Lyoner aus der Plastikverpackung vom Discounter“ – das war sein Pausenbrot. Naja, es gibt Kinder, die bekommen gar keines, manche schmieren sie sich selbst, andere stehlen welche aus fremden Schulranzen und dann sind da Kinder wie ich, das gar keines möchten. Das Pausenbrot ist eine schöne Metapher, mehr aber auch nicht. Der Brückenschlag zu den Bildungschancen ist für mich hier ganz klar misslungen.
Und auch sprachlich ist das Buch keine Meisterleistung. Es liest sich wie eine Mischung aus Schulaufsatz zum Thema „Meine Kindheit“ und Facharbeit für den Gemeinschaftskunde-Unterricht. Und auch Sätze wie „Hinterher gab es ein fettes Buffet“ hätte er vielleicht noch einmal überdenken sollen. Aber alles in allem finde ich es ein lesenswertes Buch, das aufrütteln kann und nachdenklich macht. Das aber auch zeigt, dass man viel erreichen kann, wenn man Eigenverantwortung übernimmt und Eigeninitiative zeigt. Wenn dann noch Hilfe und Unterstützung von außen kommt, ist sehr vieles möglich. Von mir 4 Sterne.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.05.2020
Ein Versteck unter Feinden
Iperen, Roxane van

Ein Versteck unter Feinden


ausgezeichnet

Wer in ein altes Haus zieht, kauft oder mietet damit die Geschichte des Gemäuers mit. So auch Roxane van Iperen, als sie 2012 in eine Villa in niederländischen Naarden, östlich von Amsterdam einzog. Im Zuge der Renovierungsarbeiten entdeckten die Journalistin und ihre Familie nicht nur doppelte Böden und versteckte Luken, sondern auch andere zahllose andere Zeugnisse der Vergangenheit des Hauses und der Menschen, die in ihm wohnten. Das weckte ihre Neugier und sie beginnt zu recherchieren. Das Ergebnis der Recherche ist das Buch „Ein Versteck unter Feinden“.
Das Buch beleuchtet nicht nur die Geschichte des Hauses sondern die aller Menschen, die in ihm ein Versteck gefunden haben. Allen voran die Schwestern Lien und Janny Brilleslijper und deren Familien, dazu zahlreiche verfolgte Juden, denen sie bis zu ihrer Entdeckung 1944 Unterschlupf und ein Heim boten. Die Geschichte liest sich wie eine Mischung aus Roman und Geschichtsbuch, packend, mitreißend, zum Teil spannend und manchmal auch rührend – es ist die Geschichte von vielen unterschiedlichen Menschen, die eines vereint: sie sind Verfolgte und auf Gedeih und Verderb aufeinander angewiesen.
Und so schafft die Autorin nicht nur ein bewegendes Buch über ein dunkles Kapitel der Geschichte zu schreiben, sondern auch eines über Menschlichkeit, Freundschaft, Liebe und Vertrauen und leider auch Verrat, Denunziantentum und Tod. Faszinierend schildert sie, wie vernetzt die Mitglieder des Widerstands untereinander waren – und das praktisch unter den Augen der deutschen Besatzer. Und trotz der permanenten Angst schafften die Bewohner des „Hohen Nests“ (Der niederländische Name der Villa ist „t'Hooge Nest“) es, in ihrem Alltag auch schöne Dinge zu erleben: es wurde musiziert, getanzt und auch die Kinder erlebten zum Teil sicher manch schöne Zeiten.
Wie die Geschichte lehrt, fand die Zeit im Versteck im Sommer 1944 ihr Ende, die Bewohner wurden fast alle deportiert, viele verloren ihr Leben in Konzentrationslagern. Im Konzentrationslager Auschwitz trafen die beiden Schwestern Brilleslijper auf die Familie von Anne Frank, Anne und Margot begleiteten sie bis zu deren Tod. Im Nachwort des Buchs finden sich zahlreiche Namen von Menschen, die im Hohen Nest Unterschlupf gefunden haben oder irgendwie damit verbunden waren und Vermerke über ihr weiteres Schicksal. Ein großes Stück Geschichte des niederländischen Widerstands schwarz auf weiß.
Sprachlich ist das Buch sehr ansprechend geschrieben, sachlich aber dennoch lebensnah, lebendig, voller Wärme und Gefühl, selbst bei grausamen und gewaltbehafteten Szenen. Leichte Sprache trifft hier auf sehr schwieriges Thema – eine gelungene Kombination. Der Titel „Ein Versteck unter Feinden“ trifft exakt den Punkt. Nicht so nüchtern wie im Original „‘t hooge nest“ aber wesentlich treffender als „The sisters of Auschwitz“ im Englischen. Die Autorin schaffte es bei mir auch von Anfang an, den Funken überspringen zu lassen, ihre Begeisterung für die Geschichte aber auch ihre Hochachtung für den Einsatz aller Beteiligten, Leben und Überleben in dieser schweren Zeit zu sichern. Das Buch macht betroffen, wütend und angesichts der aktuellen Entwicklungen fassungslos. Ein großes Buch über enorm große Menschen. Klare Lese-Empfehlung und 5 Sterne.

Bewertung vom 19.05.2020
Gott sagte: Willst du mit mir leben? Und ich so: Klar.
Draht, Nathanael

Gott sagte: Willst du mit mir leben? Und ich so: Klar.


schlecht

Vom Saulus zum Paulus? So ähnlich kann man die (Lebens-)Geschichte von Nathanael Draht kurz zusammenfassen. Mit 30 Jahren hatte er alles erreicht, was man seiner Meinung nach im Leben erreichen konnte: Geld, Frauen, Besitztümer. Und danach fehlte ihm ein Ziel und dadurch der Sinn im Leben. Über Umwege wurde er erleuchtet und fand zu Gott. Seither ist er missionarisch tätig, über sein Leben und seine jetzige Tätigkeit hat er zusammen mit einem Profi ein Buch geschrieben. Heraus kam „Gott sagte: Willst du mit mir leben? Und ich so: Klar.“
Er selbst sieht seine Wandlung als durchweg positiv. Und er sieht sich selbst auch sehr positiv, kurz: er findet sich extrem toll. Was früher bei ihm „mein Auto, meine Frau, mein Haus“ war ist heute „meine Bibel, mein Glaube, meine Gesundgebeteten“. Tatsächlich betet er für Menschen und bewirkt nach eigener Aussage damit Wunder. Verrutschte Kniescheiben bringt er zurück an Ort und Stelle, Bauchschmerzen (selbst die, die durch einen Tumor verursacht wurden) verschwinden. Interessant und durchaus spannend – ich hoffe nur, dass damit keiner der Gläubigen von einem Arztbesuch und einer wirklichen Heilung ferngehalten wird!
Der Rest des Buchs ist sehr schnell zusammengefasst: missionarische predigthafte Glaubensbekundungen, homophobe Haltung („Nun, die beiden waren lesbisch, aber dennoch aufgeschlossen.“ – als ob lesbisch sein eine Aufgeschlossenheit ausschließen würde?) und alles in allem seine arrogante, selbstherrliche und besserwisserische Art macht das Buch zu einer sehr frustrierenden und ärgerlichen Lese-Erfahrung.
„Dies ist mein erstes Buch. Ich habe keine Kurse über »packendes Schreiben« besucht, sondern es mithilfe eines Co-Autors geschrieben“ – leider hatte der Co-Autor wohl nicht übermäßig viel Einfluss auf Stil und Sprache. Das Buch ist in einer Mischung aus Mischung aus Gossen-, Umgangs- und (pseudo) cooler Hipster-Sprache geschrieben, gespickt mit einer Handvoll Bibelzitaten. Und leider konnte ich auch nicht wirklich ein Konzept oder einen roten Faden erkennen. Und tatsächlich: packend ist es an keiner Stelle.
Schade. Das Thema „zum Glauben finden“, Kehrtwende im Leben um 180 Grad und Läuterung bietet viel Potenzial. Ein Potenzial, das der Autor zu keiner Zeit ausschöpft. Was eigentlich eine Hinführung zum Glauben sein könnte, wird da schnell zu einer Abschreckung, seine strenge Haltung zum Glauben wirkt in der Hauptsache engstirnig und verbohrt. Aus dem Wirtschaftsmenschen wurde ein Missionar, vermutlich hat er in seinem früheren Leben Verhandlungen ebenso unerbittlich und unnachgiebig geführt, wie er heute missioniert. Aus seiner Sicht sicher gut gemeint, aus meiner zum Teil gefährlich und dogmatisch. Ich gebe diesem Buch 1 Stern, aber nur, weil ich nicht weniger geben kann.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.05.2020
Gott geht unter die Haut
Fuchs, Rainer

Gott geht unter die Haut


weniger gut

Rainer Fuchs ist an sich eine interessante Persönlichkeit. Er ist Diakon, Biker und hat Freude an bunten Bildern auf der Haut. „Gott geht unter die Haut“ heißt sein Buch – und bei ihm ist das auch so. Sein Glaube fußt auf Überzeugung und er findet darin seine Erfüllung.
Ich nicht. Daher ist das Buch an sich für mich schon ziemlich schwierig, allerdings hatte ich die Hoffnung auf etwas, was mich dem Glauben wieder näher bringen würde. Aber so etwas fand ich in dem Buch nicht. Es liest sich für mich wie ein Wust aus eher ungeordneten Gedankengängen. Und auch sprachlich liegt mir das Buch überhaupt nicht, Rainer Fuchs (oder Reverend Ray Fox) schreibt mir zu predigerhaft und zu salbungsvoll und er findet sich, seine Taten und Werke, sein Motorrad und seine Tätowierungen so toll, dass er seitenlang darüber schwadroniert – zum Teil fast arrogant und selbstgefällig.
Dadurch wird das Buch weniger zu einer Lebensgeschichte, als vielmehr zu einer langen und langatmigen Predigt, einem Plädoyer für den Glauben. Er scheint zwar ein zu- und anpackender Motor in der Gemeinde zu sein, in der er arbeitet und auch als Person ist Rainer Fuchs sicher interessant. Sein Leben, sein Glaube und seine Überzeugung hätten daher also sicher Stoff für ein richtig gutes Buch geboten. Allerdings schafft er es nicht, das Potenzial auszuschöpfen. Tatsächlich war ich schon bei der ersten unfassbar blumigen Beschreibung einer Tätowier-Session geneigt, das Buch beiseite zu legen.
Er schreibt über bedingungslose Liebe, Zweifel, Glaubenskrisen und immer wieder über Johnny Cashs „Ring of fire“, ein Stück, das ihn wohl sehr inspiriert hat, aber auch andere Stücke von Johnny Cash zitiert er in epischer Breite. Ebenso beschreibt er immer wieder seine Tätowierungen und wie es dazu kam, denn alle haben für ihn eine spezielle Bedeutung. Dazu zitiert er Bibelverse und Liedtexte, kommt zum Teil von Hölzchen auf Stöckchen und insgesamt fehlt mir bei dem Buch sowohl ein Konzept als auch ein roter Faden. Bezeichnenderweise heißt eines der Kapitel „Füllwörter braucht kein Mensch“ – Rechtschreibfehler auch nicht, aber auch daran scheint der Autor sich nicht zu halten. Seine Sätze sind zum Teil sehr lang, sehr verschachtelt und rein formal fand ich das Buch eher leserunfreundlich.
Sprachlich ist das Buch auch schwer einzuordnen: die Bibelzitate sind anspruchsvoll, andere Teile sind denglisch, was eventuell nicht jeder gut findet und den Rest schreibt der Autor wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Die Kapitel sind kurz, in der Mitte des Buchs sind Bilder vom Autor und seiner Familie, hauptsächlich aber von seinen Tätowierungen. Das Buch ist in zweierlei Schriftarten gesetzt, wobei die eine hauptsächlich für den allgemeinen Text verwendet wird, die andere für Exkurse in die Vergangenheit des Autors, manchmal gerät da meiner Meinung nach etwas ein bisschen durcheinander. Insgesamt ist das Buch für mich nicht sehr gefällig gegliedert und aufgebaut.
Gläubige Menschen finden in dem Buch eventuell mehr Lesenswertes als ich, für mich war das Buch aber zu predigthaft und über weite Teile zu langatmig und bis auf Bibelzitate und religiöse Aussagen inhaltsleer. Schwierig fand ich auch, dass er gute Taten und Menschlichkeit/Menschenfreundlichkeit zu absolut mit Glauben in Verbindung bringt (und andersherum). Nicht jeder ohne Glauben ist ein schlechter Mensch und ganz sicher nicht jeder Gläubige ein guter.
Daher vergebe ich 2 Punkte.

Bewertung vom 11.05.2020
Gefürchtet / Jane Hawk Bd.3
Koontz, Dean

Gefürchtet / Jane Hawk Bd.3


sehr gut

Jane Hawk ist wieder unterwegs. Nein, immer noch. Denn „Gefürchtet“ ist der dritte Band in Dean Koontz‘ Reihe um die ehemalige FBI-Agentin. Nach „Suizid“ und „Gehetzt“ geht es nahtlos weiter in Janes Kampf gegen die Arkadier, eine Geheimorganisation, die versucht, die Menschheit mittels einer Biotec-Waffe teils zu unterwerfen, teils zu eliminieren. Auch dieses Mal beschreibt Koontz die Jagd aus verschiedenen Blickwinkeln – aus der Sicht der Gejagten, von Jane und aus der Sicht von Jägern auf der Seite der Arkadier.
Und in diesem Band passiert außer den Dingen, die auch in den ersten beiden Teilen passiert sind (Menschen werden gejagt, eingefangen und ihnen wird das Serum injiziert, das sie zu willenlosen Marionetten der Arkadier macht, Verfolgungsjagden, Folter und so weiter) das, was Jane schon lange befürchtet hat: ihr fünfjähriger Sohn Travis gelang in den Focus der Arkadier. Wie bei den beiden Vorgängern startet die Geschichte rasant und sehr spannend und wie bei den beiden vorangegangenen Bänden wird es zur Mitte hin eher langatmig und fast langweilig. Vielleicht hätte der Autor sich etwas kürzer fassen können, das Buch ist sehr umfangreich und ein paar Seiten weniger hätten ihm nicht geschadet. Der Schluss ist (leider) wieder offen, der vierte Teil der Serie erscheint Ende des Jahres.
Und auch sonst ist nicht viel zu dem Buch zu sagen, was ich nicht schon zu „Gejagt“ gesagt habe: es ist spannend und brutal, die Charaktere sind sehr gut und präzise beschrieben und sind sehr authentisch, ob nun sympathisch oder unsympathisch – Koontz zeichnet da sehr klare und deutliche Bilder. Auch die Landschaft und die Atmosphäre schildert er in allen Einzelheiten und schafft damit eine zum Teil sehr bedrückende und spannungsgeladene Stimmung. Jedes einzelne Kapitel endet mit einem Cliffhanger und das folgende verfolgt einen anderen Handlungsstrang, eine enorm clevere Methode, zum Teil sehr große Spannung zu erzeugen – zum Teil verleitet es aber zum Querlesen, wenn man unbedingt den einen Handlungsstrang weiterverfolgen möchte.
Querlesen ist bei dem Buch aufgrund der Länge auch sehr verlockend, allerdings verliert man leicht den Faden und kann zurückblättern – ja, ging mir auch so. Sprachlich ist das Buch irgendwo zwischen Umgangssprache und derbe angesiedelt. Kraftausdrücke finden sich zu Hauf, was zwar authentisch ist, zum Teil aber auch störend.
Also alles in allem ist das Buch spannend und verstörend, vor allem da im Moment Verschwörungstheoretiker Hochkonjunktur haben. Die werden sich vermutlich durch das Buch leider bestätigt sehen. Der Nicht-Verschwörungstheoretiker bleibt da eher verstört und bedrückt zurück, denn nichts in dem Buch ist unmöglich. Höchstens die Genialität mit der Jane Hawk vorgeht und ihre scheinbar unendlichen Möglichkeiten (sie hat ständig Zugriff auf Waffen, Geld, Autos usw.) sind etwas unrealistisch und manchmal nervt ihre Brillanz etwas, sie ist einfach zu gut, um realistisch zu sein. Für Spannung und die bedrückende Aktualität der Geschichte von mir 4 Punkte.