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Benutzername: 
Igelmanu
Wohnort: 
Mülheim

Bewertungen

Insgesamt 989 Bewertungen
Bewertung vom 22.09.2019
Maigret und der gelbe Hund / Kommissar Maigret Bd.6
Simenon, Georges

Maigret und der gelbe Hund / Kommissar Maigret Bd.6


sehr gut

»Und irgend jemand lauert mir auf, irgend jemand, den ich nicht kenne … Weswegen? Sagen Sie es mir! Weswegen? … Er wird herkommen mit seinem entsetzlichen Hund, der den Blick eines Menschen hat…«

Concarneau, eine kleine französische Hafenstadt, in der jeder jeden kennt. Viele Fischer, aber auch einige Männer der besseren Gesellschaft treffen sich hier regelmäßig im Hôtel de l’Amiral, zum gemeinsamen Trinken und Kartenspiel. Eines Abends wird einer von ihnen auf dem Heimweg von einer Kugel getroffen – eine Reihe weiterer Verbrechen schließt sich an. Gleichzeitig taucht ein mysteriöser gelber Hund auf, den niemand kennt und der niemandem zu gehören scheint. In der Stadt kommt, angeheizt durch entsprechende Pressemeldungen, Panik auf. Und Einzelne scheinen sich besonders bedroht zu fühlen…

Kürzlich las ich meinen ersten Maigret und da er mir gut gefallen hatte, musste natürlich ein weiterer her. Auch hier hat mich die besondere Atmosphäre gleich eingefangen. Ich liebe diesen Schreibstil, sehe alles ganz genau vor mir und habe beim Lesen das Gefühl, mit durch die kleinen Straßen zu laufen.

Auch Kommissar Maigret sagte mir wieder sehr zu. Er ist halt der klassische Detektiv, der ruhig ermittelt und mit Hilfe seiner scharfen Beobachtungen, einer Kombination aus Erfahrung und Bauchgefühl und seinen umfangreichen handschriftlichen Notizen letztlich zum Erfolg kommt. Sehr amüsant fand ich, wie er herrlich cool blieb, wenn sich vor ihm der wütende Bürgermeister aufplusterte und mit Drohungen um sich warf. Bei den Ermittlungen muss Maigret sich mit den Besonderheiten einer Kleinstadt auseinandersetzen, der Leser lernt einige recht interessante Charaktere kennen. Die Furcht mancher Menschen vor dem Hund konnte ich allerdings nicht nachvollziehen, das Tier hat mir von Anfang bis Ende nur leidgetan.

Die Auflösung war letztlich schlüssig, aber auch sehr ungewöhnlich. Das gefiel mir. Auch das Ende war mir sympathisch. Ich denke, diesem zweiten Maigret werden weitere folgen ;-)

Fazit: Ruhige Detektivgeschichte mit toller Atmosphäre. Gerne mehr davon!

Bewertung vom 12.08.2019
Der Preis des Lebens
Kreutner, Bernhard

Der Preis des Lebens


sehr gut

»Zwei Millionen Euro für ein neues Herz ohne weitere Fragen?«
»Exakt, Frau Duval. Wie Sie wissen, leiden Sie an einer Herzinsuffizienz der Stufe IV. Ihre Wartezeit auf ein reguläres, oder wie ich es vorziehe zu sagen, gewöhnliches Spenderherz beträgt derzeit rund drei Jahre. Aber so lange hält Ihr altes Herz nicht mehr durch. Bei mir bekommen Sie ein neues Herz und, wenn Sie so wollen, ein neues Leben.«

Michael Lenhart und Sabine Preiss, beides Polizisten aus Wien und strafversetzt in eine neu gegründete Abteilung für Ungewöhnliches und Altfälle bekommen es mit einem brandaktuellen, dafür aber wirklich höchst ungewöhnlichen Fall zu tun. Durch eine Panne fällt auf dem Wiener Zentralfriedhof ein Sarg auf, in dem nicht nur eine Leiche liegt, sondern gleich zwei. Und Nummer Zwei ist ganz offensichtlich keinen natürlichen Tod gestorben.

Ein brisantes Thema wird mit diesem Krimi angepackt und spannend verarbeitet. Jeder weiß, dass die Anzahl schwerkranker Menschen, die auf ein Spenderorgan warten, sehr groß ist und bei weitem die Anzahl verfügbarer Organe übersteigt. Die Wartelisten sind endlos lang und viele werden sterben, bevor sie an der Reihe sind. Vermutlich die meisten. Was wäre aber nun, wenn man nicht nur krank, sondern auch reich wäre? Und es eine Organisation gäbe, die einem das rettende Organ samt perfekt organisierter Abwicklung ohne Fragen und Probleme gegen eine gewisse Summe zur Verfügung stellen würde?
Wer jetzt spontan sagt, dass er niemals damit leben könnte, den Tod eines anderen Menschen für das eigene Überleben verursacht zu haben, der sollte sich noch mal die Frage stellen, wie es aussehen würde, wenn das eigene Kind betroffen wäre. Und man die finanziellen Mittel hätte, ihm das Notwendige zu beschaffen. Ich gestehe, ich bin an dieser Stelle ins Grübeln gekommen.

Genau diese Situation nutzen zwei skrupellose Mediziner hier aus und haben für die große Nachfrage ein passendes Angebot geschaffen. Bei der Beschreibung, wie mehrere Fälle von Organraub angegangen werden, verschlug es mir ob der eiskalten Planung und Umsetzung den Atem. Eine sehr spannende Ausgangslage, bei der man sich fragt, wie eine solch anscheinend perfekte Organisation geknackt werden kann. Zunächst mal fragt man sich jedoch, wie die unfreiwilligen Spender so zielsicher gefunden werden können. Hierzu ein paar Stichwörter: Big Data, gläserner Mensch und nicht selten sorgloser Umgang mit den eigenen Daten im Netz.

Diesen Tätern ist nur mit Kreativität, Intelligenz und einem ebenfalls hohen Maß an Technik beizukommen. Es entwickelt sich ein Katz-und-Maus-Spiel, das mir sehr gefallen hat. Nicht so begeistert haben mich die Charaktere, sie waren mir schlicht zu glatt. Die beiden Hauptermittler benehmen sich zwar nicht immer regelkonform, vertreten aber auch bei Ausfällen stets die gute Seite. So hat man reinweiße Ermittler und pechschwarze Verbrecher, das hätte ich mir vielschichtiger gewünscht. Außerdem hat mir Lenhart ein wenig zu viel philosophiert, das nahm mir persönlich Spannung raus. Einen Lieblingscharakter hatte ich trotzdem, die wirklich herrliche Sekretärin Frau Wolf. Wenn es Folgebände gibt, darf sie auf keinen Fall fehlen!

Fazit: Ein Alptraum-Szenario, das nachdenklich macht. Flott zu lesende und kurzweilige Unterhaltung.

Bewertung vom 11.08.2019
M
Muth, Jon J.

M


ausgezeichnet

»… Aber ich… kann ich denn anders?«

Ein grausamer Serienmörder treibt sein Unwesen, schon acht Kinder sind ihm zum Opfer gefallen. Die Polizei ist nicht untätig, durchkämmt stetig Bars, Kneipen und Rotlichtviertel. Sehr zum Ärger der örtlichen Unterwelt, die durch die ständigen Razzien hohe Einnahmeverluste hat. Und da man sich nicht auf die Polizei verlassen will, beschließt man, die Jagd auf den Kindermörder selbst in die Hand zu nehmen.

Von Zeit zu Zeit nehme ich eine Graphic Novel zur Hand, wobei mich die Bilder auf den ersten Blick ansprechen müssen. Dies war bei dieser Novel der Fall. Jon J. Muth hat zwei Jahre an diesem Buch gezeichnet und für mein Empfinden hat sich diese Mühe gelohnt. Düstere schwarz-weiß Bilder dominieren, für die ebensolche Fotos als Grundlage für die Skizzen dienten. An dieser Stelle gleich der Hinweis für alle Fans des Filmklassikers: Hier finden sich nicht die originalen Filmszenen. Für besagte Fotos wurden Szenen nachgestellt und die Fotos wurden in Amerika gemacht, was man an einigen Stellen sieht, mich aber nicht gestört hat. Die Handlung müsste ja auch nicht unbedingt in Berlin spielen, die Ereignisse lassen sich auf alle möglichen Schauplätze übertragen. Filmfans müssten versuchen, sich von der Vorlage zu lösen und das Buch als etwas Eigenes zu betrachten.

Für mich entwickelte sich von der ersten Seite an eine starke Sogwirkung. Die ausdrucksstarken Bilder bauten eine beängstigende Atmosphäre auf, sorgten stetig mit kleinen Details für Spannung. Da verfolgt man spielende Kinder, sieht eine auf die Heimkehr ihres Kindes wartende Mutter, sieht ihren Blick zur Uhr – und dann den Schatten eines Mannes. Gänsehaut! Eins ist beim Lesen dieser Novel wichtig: Man muss sie langsam lesen. Nur so entfaltet sich die Faszination der Einzelbilder und liest man die Bilder (und Texte) zu schnell, entgeht einem leicht so manches.

Auch die Story hat es in sich. Die Morde lassen in der Bevölkerung Panik aufkommen, diese führt zu vielfältigen Denunziationen und falschen Beschuldigungen. Leicht bildet sich ein Lynch-Mob und dieselben Menschen, mit denen man gerade noch Mitgefühl hatte, lösen beim Leser nun Abscheu aus.
Als Leser hat man es hier nicht leicht. Natürlich leidet man mit den Kindern und Eltern, aber der Täter, geplagt von Visionen, wird mehr und mehr selbst zum Opfer. Das ist sehr irritierend, man schwankt beim Lesen ständig mit seinen Gefühlen. Da ist der Wunsch nach Gerechtigkeit, womöglich nach Rache für die ermordeten Kinder. Dann wieder kommt glatt so etwas wie Mitleid auf. Nicht einfach! Täter und Opfer, Gut und Böse, sind schwer zu unterscheiden. Auch hier gilt: genau hinsehen! Denn es soll gar nicht so eindeutig sein, wer auf der guten und wer auf der bösen Seite steht.

Das umfangreiche Vorwort ist ebenfalls lesenswert, es berichtet unter anderem über den „schwarzen Mann“ unserer Kindheit, über Fritz Lang und seine Filme und stellt einen Vergleich der künstlerischen Mittel an.

Fazit: Wer ist gut, wer ist böse? Höchst ausdrucksstarke Bilder und eine Story, die nachdenklich macht. Unbedingt langsam lesen!

Bewertung vom 11.08.2019
Der Würger von Düsseldorf
Parmentier, Hanno

Der Würger von Düsseldorf


sehr gut

Ein Hammerschlag gegen die rechte Schläfe lässt die Dörrier lautlos zusammensinken. Kürten vergeht sich zuerst an der Sterbenden, um sich dann, nicht zum ersten Mal, in eine weihevolle Stimmung zu versetzen. »Nach dem Geschlechtsakt habe ich eine ganze Zeit – etwa 10 bis 15 Minuten – neben ihr gestanden und habe mir die Wirkung dieses neuen Falles vor Augen geführt. Ich stellte mir speziell die Wirkung, die diese neue Bluttat auf die Düsseldorfer Bevölkerung ausüben werde, vor und hatte dabei das Gefühl wie bei allen übrigen Mordtaten, das Gefühl der Befriedigung und Entsühnung. Nachdem ich dieses Gefühl durchkostet hatte, versetzte ich der Dörrier noch mehrere wuchtige Schläge mit dem Hammer gegen den Kopf.«

Nachdem ich kürzlich einen Kriminalroman über die Taten Peter Kürtens gelesen hatte, wollte ich Genaueres zu den tatsächlichen Hintergründen wissen. Mit diesem Sachbuch bin ich ein Stück weiter.
Für sein Buch hat der Autor sorgfältig recherchiert und reichlich Fakten zusammengetragen, alle aus Unterlagen im Landesarchiv Nordrhein-Westfalen sowie aus Polizei- und Gerichtsakten. Präzise werden die Taten Kürtens beschrieben, wobei sich Hanno Parmentier auf die Morde und Mordversuche Kürtens beschränkt, die vielen Brandstiftungen vernachlässigt und auch die Einbrüche im Grunde nur erwähnt, wenn sie zu Schlimmerem führten. Ein verständlicher Ansatz, ansonsten wäre der Umfang des Buchs erheblich größer geworden. Morde und Versuche werden im Anhang ordentlich aufgelistet, wobei die Vielzahl erschreckend deutlich wird.

Die Beschreibungen der einzelnen Taten werden ergänzt durch zahlreiche Fotos, Tatortfotos und -skizzen. Speziell die Tatorte werden sehr genau beschrieben, was sicher von besonderem Interesse für Düsseldorfer und andere Leser ist, die die Örtlichkeiten kennen. Wie mag es wohl sein, in einer Gegend zu wohnen, die zu dem Bereich gehört, den Kürten „sein Revier“ nannte?

Ausgespart hat der Autor größtenteils die psychologische Sicht auf den Täter. Hier verweist er auf das wohl maßgebliche Werk des Düsseldorfer Gerichtsmedizinalrats Karl Berg von 1931, der sich seinerzeit intensiv mit Kürten auseinandersetzte. Trotzdem kann man schon einiges über Kürtens Werdegang und familiären Hintergrund erfahren und Aussagen wie die im einleitenden Zitat erlauben es, sich einen ersten Eindruck seiner psychischen Verfassung zu machen. Überhaupt wird ganz deutlich, dass ihm neben den sexuell motivierten Morden die Wirkung seiner Taten in der Bevölkerung zusätzliche Inspiration verschaffte. Anscheinend war Kürten jemand, der das Ausleben seiner Veranlagung einfach nur genießen konnte, ohne mit sich zu hadern. Sehr vielsagend, wenn die Leiche eines kleinen Mädchens nur aus dem Grund in Brand gesteckt wird, um das Entsetzen in der Bevölkerung noch zu steigern!

Der Autor selbst hält sich rein an die Fakten, stellt keine Mutmaßungen an und berichtet nüchtern. Dadurch wird allerdings auch der ein oder andere Volksglauben relativiert, zum Beispiel im Hinblick auf die Bezeichnung „Vampir“, die man Kürten gab und die ihm gefallen haben dürfte, weil sie die Panik weiter anheizte. Aber ob er nun stets das Blut seiner Opfer trank oder wohl nur in wenigen Fällen ist eigentlich gleichgültig, denn seine Taten schockieren auf jeden Fall und beweisen wieder einmal, dass fiktiver Horror nicht an die Realität herankommen kann.

Fazit: Reichlich Sachinfos zu den Taten Peter Kürtens, informativ und spannend zu lesen.

Bewertung vom 27.07.2019
Strategien der Natur
Thoma, Erwin

Strategien der Natur


sehr gut

Bäume gibt es rund hundert Mal länger auf der Erde als Menschen. In diesem langen Zeitraum haben Bäume alle möglichen Gefahren, Krankheiten und Katastrophen bewältigt. Wie haben sie das angestellt, was macht sie so erfolgreich? Dieses Buch befasst sich mit genau diesen Fragen und regt zum Nachdenken an, wie wir Menschen davon profitieren könnten und was wir dazu tun sollten.

Es beginnt recht fundamental mit vielen hochinteressanten Infos zu Bäumen und ihren faszinierenden Fähigkeiten. Da erfährt man beispielsweise, wie die Photosynthese funktioniert, was Wurzeln alles können und was es mit diesem einmaligen Netzwerk der Pilze auf sich hat. Und auch die Ausführungen zum Erinnerungsvermögen der Bäume begeisterten mich! Wirklich ein ausgeklügeltes System und unschwer erkennt man, wo der enorme Erfolg der Bäume herkommt.

Wie sehr wir Menschen von Bäumen profitieren, nimmt einen weiteren großen Teil des Buchs ein. Immer schon habe ich Holz in der Umgebung als sehr angenehm empfunden und den Duft genossen, welch positive Wirkung Holz aber tatsächlich auf die menschliche Gesundheit haben soll, hat mich doch überrascht.

Kommen wir zur Frage, was wir konkret mit diesen Erkenntnissen anfangen können. Hier wird die Bewertung für mich schwieriger.

Einige Vorschläge zur notwendigen Änderung unserer Lebensweisen klingen sehr erstrebenswert. Weg von der Wegwerfgesellschaft hin zur Kreislaufwirtschaft, das unterschreibe ich gerne und werde für mich persönlich überprüfen, was ich als einzelner vielleicht noch tun kann. Kleines Problem und möglicher Widerspruch: Zu Beginn des Buchs wird der Weg »kampfloser, sanfter Veränderung« als der wirkungsvollste beschrieben. Das mag richtig sein und sich schon häufig bewährt haben, ob uns aber in der aktuellen Situation so viel Zeit bleibt? Und ob nicht so mancher eine Strategie des geduldigen Abwartens daraus ableiten könnte?

Andere Aussagen zur Rettung der Welt vor der Klimakatastrophe klingen für mich schlicht blauäugig. Jeder soll auf sein Herz hören, die »Verbundenheit aller Wesen mit ihrer Mitwelt in ihrem wahren Wert begreifen« und ähnliches. Viele grüne und überaus vernünftige Forderungen, und zur Finanzierung werden beispielsweise mal eben die weltweiten Rüstungsausgaben eingesetzt. Prima Idee, ich wäre sofort dabei, bezweifle aber, dass die Mächtigen der Welt das ähnlich sehen.

Auch meine private Umsetzung wird nicht einfach. Ich würde ja sehr gerne »zwischen hölzernen Wänden ruhig schlafen« oder mich an ein Kaminfeuer setzen, lebe aber leider in einer Großstadt und in einer Umgebung, in der nichts davon möglich ist. Ich kann mir auch keinen Umzug leisten. Und wenn der Autor vorgreifend das finanzielle Argument damit beantwortet, dass die Holzbauweise aufgrund diverser Begründungen auch nicht kostspieliger sei als die bisherigen Verfahren: Ich kann mir auch diese nicht leisten.

An dieser Stelle ein Punkt, der mir wirklich unangenehm aufstieß. Der Autor hat eine eigene Firma für den Bau von speziellen Holzhäusern. Und er macht reichlich Werbung dafür. So etwas in einem Sachbuch wirkt unangenehm und mindert die Glaubwürdigkeit. Mir fällt es ohnehin schwer zu glauben, dass unsere Wälder das massenweise Fällen von Bäumen problemlos wegstecken würden, das notwendig wäre, wenn wie vom Autor vorgeschlagen künftig primär in Holz gebaut werden sollte. Wenn ich dann gleichzeitig lese, wie er immer wieder die tollen Holzhäuser lobt, die sein Unternehmen baut, werden die Zweifel nur größer.

Die Texte sind leicht geschrieben, gut verständlich und lesbar. Die Liebe zur Natur merkt man sehr deutlich. Allerdings wird es mir manchmal ein wenig zu philosophisch, zu verträumt. Und dann ist da noch der kleine fiese Beigeschmack der Werbung… Ich vergebe 3,5 Sterne, die ich auf 4 aufrunde, da mich die vielen Infos rund um die Fähigkeiten der Bäume wirklich begeistert haben und einige sehr gute Gedankenansätze folgten.

Bewertung vom 25.07.2019
Der Werwolf von Münster
Rhein, Maria;Beckmann, Dieter

Der Werwolf von Münster


gut

»Als ich Mutter fand, habe ich diesen Zettel in ihrer Nähe entdeckt.« Johanna reichte Katharina ein zerknittertes Blatt Papier. Es war unverkennbar die herausgetrennte Seite eines Buches. Eine Stelle war markiert: »Ich weiß, wo du wohnst, da, wo der Thron des Satans ist.«

1874, im damals beschaulichen Münster. Ein Serienmörder treibt sein Unwesen, richtet seine Opfer grausam zu und hinterlässt bei ihnen geheimnisvolle Nachrichten.
Heinrich Maler von der preußischen Geheimpolizei ist eigentlich mit einem ganz anderen Auftrag vor Ort. Er soll den als Bedrohung empfundenen Bischof ausspionieren und möglichst einen Grund finden, den verhassten Katholiken aus dem Weg zu schaffen. Doch Heinrich, in seiner Seele ein aufrichtiger Polizist, setzt sich engagiert auf die Fährte des „Werwolfs“…

Dieses Buch hat mich in Teilen gut unterhalten, in Teilen aber auch enttäuscht. Der geschichtliche Hintergrund rund um den Kulturkampf in Münster ist ohne Zweifel hochinteressant und hätte gern im Buch noch einen größeren Umfang einnehmen dürfen. Auch die Abschnitte, die sich mit dem damals aufkommenden Spiritismus beschäftigen, habe ich mit großem Interesse gelesen.

Auf der anderen Seite fand ich schon recht früh offensichtlich, wer der Täter ist und seinen Auftritten fehlte leider das gewisse Etwas, das Serienmörder sonst oft umgibt. So wirkte er auf mich trotz seiner Taten nicht sehr beeindruckend. Zudem empfand ich einige Längen, die durch die zu umfangreiche Schilderung der Liebesgeschichte inclusive detaillierter Sexszenen zwischen Heinrich und einer jungen Frau entstanden. Es wäre ja noch in Ordnung gewesen, wenn das Buch ordentlich dick gewesen wäre, aber so passte das Ganze vom Umfang her schlicht nicht zusammen.
Das Ende vom Buch schließlich kam dann ein wenig zu flott und wirkte speziell auf den letzten Seiten nicht rund. Auch hier drängte sich der Verdacht auf, dass dem Happy End der Liebesgeschichte die höchste Priorität eingeräumt wurde. Sehr schade.

Fazit: Sehr interessanter Ansatz, aber hier wurde zugunsten einer Liebesgeschichte Potential verschenkt.

Bewertung vom 25.07.2019
Der Horror der frühen Medizin
Fitzharris, Lindsey

Der Horror der frühen Medizin


ausgezeichnet

»Der fleckige Holztisch in der Mitte war übersät mit den Spuren früherer Schlachtorgien. Sägespäne auf dem Boden sollten das Blut aufsaugen, das in Kürze aus dem abgetrennten Bein strömen würde. Meistens übertönten die grauenhaften Schmerzensschreie der wehrlosen Patienten die hereindringenden Straßengeräusche: Kinderlachen, Passantengespräche, vorbeirumpelnde Kutschen.«

Krankheiten und Verletzungen sind nie angenehm. Aber wer heutzutage ins Krankenhaus muss, kann es in den meisten Fällen wieder gesund oder zumindest in einer besseren körperlichen Verfassung als zuvor verlassen. Das war nicht immer so. Es gab Zeiten, da war ein Krankenhausaufenthalt eine riskante Angelegenheit, Operationen waren lebensgefährlich und dazu noch unbeschreiblich schmerzhaft, da sie ohne Narkose durchgeführt wurden. Nach Möglichkeit wurden sie daher vermieden. Wer aber doch einen Eingriff durchleiden musste und ihn sogar überlebte, hatte es noch lange nicht geschafft, denn den meisten OPs folgten Infektionen, die enorm häufig zum Tode führten.

In diese grauenhafte Zeit, hier konkret ab den 1840er Jahren, reist der Leser dieses Buchs, das sich mit der Lebensgeschichte von Joseph Lister befasst. Dieser war Chirurg und gilt als Pionier in der Wundbehandlung. Durch ihn wurde die Chirurgie zu einer modernen Wissenschaft, doch bis dahin hatte er einen langen Kampf auszufechten.

Schon als Kind faszinierte Lister der Blick durchs Mikroskop. Der Wunsch, Menschen zu helfen, war entscheidend für die Berufswahl des jungen Quäkers. Lister wurde zu einem sehr begabten und engagierten Chirurgen, doch als er feststellen musste, wie viele seiner Patienten nach eigentlich geglückten OPs starben, fasste er als Ziel ins Auge, diesen schlimmen Zustand zu ändern. Seine Forschungen mit dem Mikroskop brachten ihn auf spektakuläre Gedanken…

Ich habe dieses Buch als zugleich höchst informativ und enorm spannend empfunden. Zu den beschriebenen Zuständen in den damaligen Krankenhäusern passt der Begriff „Horror“ wie kein anderer. So etwas wie Hygiene war nicht vorhanden, eher war das Gegenteil der Fall. Da liefen Chirurgen mit blutigen Kitteln, ungewaschenen Händen und unsauberen Instrumenten von einem Patienten zum anderen. Eiter hielt man für ein normales Zeichen der Heilung und der Gestank von verfaultem Fleisch wurde schlicht als »guter alter Krankenhausmief« bezeichnet. Aus heutiger Sicht wundert man sich da über gar nichts, aber in der Ärzteschaft herrschte damals große Uneinigkeit über das Entstehen von Krankheiten.
Selbst als Lister nach viel Herumexperimentieren mit Verbesserung der Sauberkeit und ersten Desinfektionsmaßnahmen anfing, Erfolge zu erzielen, schlug ihm noch viel Ablehnung entgegen, wurden seine Ideen als Hirngespinste abgetan. Doch Lister kämpfte für seine Ideen, wie wir heute wissen mit Erfolg und zum Glück für die Menschheit.
All das ist faszinierend zu lesen, allerdings wird es oft sehr blutig und grauslich, was für empfindliche Leser unangenehm werden könnte.

Fazit: Sehr blutig, aber faszinierend und sehr informativ. Ein Ausflug in eine wahrhaft düstere Zeit und der beeindruckende Kampf eines engagierten Mannes.

»Da fast jede Wunde übelriechenden Eiter absonderte, hielten wir es damals für ganz selbstverständlich, mit der gründlichen Reinigung von Händen und Instrumenten abzuwarten, bis alle Wunden untersucht und alle Verbände gewechselt waren.«

Bewertung vom 25.07.2019
Der Vampir vom Niederrhein - Peter Kürten
Brennero, Susann

Der Vampir vom Niederrhein - Peter Kürten


sehr gut

»Rund ein Dutzend Polizisten haben den gesamten Platz abgesucht. Blut. Sie war so blass. Ihr Körper war leergelaufen. So viele Stiche, so ein kleines Mädchen.«

Düsseldorf im Februar 1929. Berichte über Straftaten sind Alltag für den Gerichtsreporter Egon Kron. Eines Morgens jedoch wird ein kleines, ihm gut bekanntes Mädchen aus der Nachbarschaft, brutal ermordet und mit zerrissener Unterhose auf einer Baustelle liegend, gefunden. Kron ist zutiefst erschüttert, das grausame Verbrechen lässt ihm keine Ruhe mehr und er schwört, den Täter zu finden.
Natürlich ist er da nicht der einzige, die Ermittler der Polizei arbeiten rund um die Uhr. Denn schon bald geht die Meldung um die Welt, dass in Düsseldorf ein furchtbarer Serienmörder wütet.

Peter Kürten sorgte dafür, dass kaum ein Düsseldorfer zwischen Februar 1929 und seiner Festnahme im Mai 1930 ohne Angst das Haus verließ. Beispiellos waren seine Brutalität und die Tatsache, dass sowohl Kinder als auch Erwachsene zu seinen Opfern gehörten. Als er 1931 zum Tode verurteilt wurde, standen in der Urteilsbegründung 9 Morde und 7 Mordversuche. Hinzurechnen müsste man weiter 2 Morde, die Kürten zwar gestanden hatte, bei deren Ausübung er aber noch nicht strafmündig war, sowie mehrere Morde, zahlreiche Überfälle in Mordabsicht und Brandstiftungen, die nicht zweifelsfrei bewiesen werden konnten. Zum Prozess und zur Hinrichtung waren Pressevertreter aus aller Welt angereist.

Die Rolle der Presse ist denn auch ein wichtiger Aspekt in diesem Buch. Mit täglichen Artikeln (morgens und abends) will Kron die Jagd auf den Mörder unterstützen. Reißerische und bluttriefende Aufmachung inclusive Fotos tragen jedoch dazu bei, die Panik in der Bevölkerung noch weiter zu vergrößern. Mich hat dieser Stil gewaltig abgestoßen, er gehörte aber mit zu der Zeit und wird auch heute noch leider in Teilen der Presse praktiziert.
Bald bilden sich Bürgerwehren, die selbst zur Bedrohung werden, denn stetig liegt Lynchjustiz gegenüber vermeintlichen Tätern in der Luft. Herrschende Vorurteile sorgen dafür, dass der Täter „natürlich“ in bestimmten Kreisen vermutet wird. Und währenddessen narrt Kürten, mit bürgerlichem Aussehen und guten Manieren, sämtliche Jäger.

Das Bild der damaligen Zeit wird gut gezeichnet, die Notlage breiter Bevölkerungsschichten deutlich beschrieben. Leicht kann man sich vorstellen, wie die Angst vor dem bluttrinkenden Killer die Menschen lähmte, die mit Wirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit und vermehrter Wohnungslosigkeit schon mehr als genug Sorgen hatten. Aber auch die Kehrseite der Medaille gehört zum Bild der Zeit, die Wohlhabenden, hier repräsentiert durch Krohns Verlobte, deren Interesse sich fast ausschließlich um die Glitzerwelt des aufkommenden Tonfilms dreht. Und nicht zu vergessen die erstarkenden braunen Mächte, die man in Teilen der Bevölkerung tatsächlich für die Lösung ihrer Probleme hielt.

Ohne Zweifel ein fesselndes Szenario. Die Täterperspektive sowie die Frage nach dessen Antrieb, seinem Hintergrund und seiner Störung finden leider nur minimale Erwähnung, ich werde hierzu noch ein passendes Sachbuch lesen. Als Krimi mit einem realen historischen Hintergrund ist das Buch aber gelungen.

Fazit: Ein schauriges Kapitel Kriminalgeschichte verpackt in eine unterhaltsame Krimihandlung, die das Bild der damaligen Zeit und die Rolle der Presse gelungen darstellt.

Bewertung vom 05.07.2019
Am Tatort bleibt man ungern liegen / Kommissar Jennerwein ermittelt Bd.12
Maurer, Jörg

Am Tatort bleibt man ungern liegen / Kommissar Jennerwein ermittelt Bd.12


gut

»Ein schwerer Job, den Sie da haben.« … »Eigentlich nicht… Beim Schminken darf man nur nicht übertreiben. Ein bisschen Rouge, ein bisschen Lipgloss, aber tot soll sie schon noch aussehen.«

Gut, dass sich mit dem Bestatterehepaar Ignaz und Ursel Grasegger zwei echte Vollprofis der Leiche von Alina Rusche angenommen haben. Die Ärmste starb an fürchterlichen Kopfverletzungen, die auf den ersten Blick Folge eines Unfalls sind. Kommissar Jennerwein glaubt das allerdings nicht und sucht nun Alinas Mörder. Nur wer hätte ein Interesse haben können, eine Putzfrau zu ermorden?

Bei seinen Ermittlungen muss Jennerwein diesmal weitestgehend ohne die Hilfe seiner Kollegen zurechtkommen. Hölleisen muss sich mit einem Toten beschäftigen, der in einem Straßencafé saß und wohl an den Folgen eines Hitzschlags gestorben ist. Dem Ermittler kommt dabei aber einiges seltsam vor. Und das gesamte Team leidet noch mehr oder weniger unter dem dramatischen Ende eines Skihüttenausflugs, befindet sich teilweise noch im Krankenstand.
Ich fand das ein wenig schade. Gut, Hölleisens Part im Buch ist diesmal ordentlich groß, einige seiner Kolleginnen und Kollegen tauchten mir aber viel zu selten auf. Selbst Jennerwein ist diesmal nicht so präsent wie sonst, das hat mir schon gefehlt.

Darüber hinaus ist das Buch wieder sehr unterhaltsam geschrieben. Der Autor hat ein paar Überraschungen eingebaut, zum Beispiel den regelmäßigen Auftritt zweier weltberühmter Romanfiguren, die hier eigentlich überhaupt nicht hingehören. Ein paar Abschnitte werden aus der Perspektive einer Leiche erzählt und einer der Übeltäter im Buch ist ohne Zweifel ein höchst skurriler Charakter. Gelegentlich erschien mir die Handlung leicht überdreht und einmal habe ich richtig herzhaft gelacht. Unterhaltsam halt.
Der Krimi hat mich nicht so vom Hocker gerissen wie einige Vorgängerbände, allerdings sind auf der positiven Seite ein paar gut gelegte falsche Fährten zu verzeichnen.

Fazit: Jennerwein-Krimis haben eine ganz spezielle Atmosphäre, so auch dieser hier. Sehr unterhaltsam, aber nicht so gut wie einige Vorgänger.