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Benutzername: 
Lunamonique
Wohnort: 
Bremen

Bewertungen

Insgesamt 413 Bewertungen
Bewertung vom 15.07.2016
The Girls
Cline, Emma

The Girls


gut

„The Girls“ ist der Debütroman von Emma Cline. Gleich mehrere renommierte Verlage hatten sich einen Bieterstreit um das Werk der amerikanischen Autorin geliefert. Die englische Originalausgabe ist bei Random House in New York erschienen.

Kalifornien, 1969, die vierzehnjährige Evie Boyd ist fasziniert von der fünf Jahre älteren Suzanne. Suzanne lebt in einer Kommune. Boss Russell wird von seinen Anhängern verehrt. Evie buhlt um Aufmerksamkeit. Das freie, abenteuerliche und coole Leben der Gruppe wirkt unwiderstehlich auf sie. Ihr Abstieg ist vorprogrammiert.

Die Ich-Figur in der Einleitung könnte auch eine männliche Person sein. Tatsächlich handelt es sich um Evie. Der Anfang der Geschichte verwirrt. Ein unvorhergesehenes Ereignis sorgt für Spannung. Erst langsam kristallisiert sich heraus worum es überhaupt geht. Evie führt ein unstetes Leben, schlägt sich mit Betreuungsjobs durch. Was ihr nachhängt, und sie nicht vergessen kann, ist ein schreckliches Ereignis in der Vergangenheit. Heute und der Rückblick ins Jahr 1969 wechseln sich ab. Die Grundstimmung ist von einer leichten Traurigkeit behaftet. 1969, Evie ist einsam, fühlt sich unsichtbar. Die Jungs ignorieren sie. Selbst ihren Schwarm Peter kann sie nur kurz auf sich aufmerksam machen. Das Leben scheint an ihr vorbei zu rauschen. Evie sehnt sich nach einem Abenteuer. Die Emotionen der Vierzehnjährigen lassen sich nachvollziehen. Sie steckt mitten in der Pubertät. Zufallsbekanntschaft Suzanne wird zum Vorbild. Suzanne überschreitet Grenzen, ist cool, schlagfertig und mutig. Schwer nachvollziehbar ist Evies Naivität, ihre fehlende Vorsicht und das kaum vorhandene Misstrauen. Evie verwandelt sich in ein willenloses Opfer, das sich ohne Probleme manipulieren lässt. Sie gerät in einen Strudel aus Sex, Drugs und Rock n‘ Roll. Der Abstieg geht rasant schnell. Evie sieht nichts Negatives, für sie ist alles aufregend und besonders. Sie lässt sich mitreißen und kommt sogar selbst auf heikle Ideen. Suzannes und Russells Reiz wird nicht greifbar. Ihre Skrupellosigkeit, ihre fehlendes Verantwortungsbewusstsein schockiert. Das „Warum?“ beschäftigt. Wie hat sich alles in einen Alptraum verwandelt? In weit war Evie in das Verbrechen involviert? Die Geschichte erinnert stark an die Manson-Family und die unfassbare Ermordung von Sharon Tate und vier weiteren Menschen im Jahr 1969. Tatsächlich gibt es Parallelen. Das gleiche Jahr, die gleiche Unschuld der Opfer, die Kommune, drei Frauen und ein Mann als Täter, Musiker Manson… Ist das wirklich die Grundlage für diesen Roman? Der Vergleich ist schlüssig und hinterlässt einen unangenehmen Beigeschmack. Erzählton und Erzählstil unterstreichen das Verstörende. Das Ende ist von Anfang an klar. Evie bleibt bis zum Schluss ein Rätsel.

Das Cover hat Ausdruck und Schönheit und passt im Nachhinein wenig zur eskalierenden Geschichte. „The Girls“ hat spannende Passagen und ist gut geschrieben. Den Hype um dieses Werk lässt sich nach dem Zuklappen trotzdem schwer verstehen. Es ist kein Roman, der im Gedächtnis bleibt, sondern aufgrund der negativen Schwingungen schnell aus dem Kopf verschwinden sollte.

Bewertung vom 09.07.2016
Suche Mann zum Renovieren
Lewentz, Manuela

Suche Mann zum Renovieren


schlecht

Von Autorin Manuela Lewentz stammt die Krimi-Reihe um die Kommissarin Jil Augustin. In ihrem neuesten Werk „Suche Mann zum Renovieren“ spielt die Suche nach der großen Liebe eine wichtige Rolle.

Lottes neue Kolumne für eine Frauenzeitschrift beschäftigt sich mit dem Thema „Kontaktanzeige“. Klar, dass es Lotte selbst ausprobieren muss. Kein geregeltes Einkommen, kein Mann, Schulden, Freundin Ina bringt die Probleme auf den Punkt. Es muss sich dringend in Lottes Leben etwas ändern. Da kommt eine unerwartete Erbschaft wie gerufen. Lotte rätselt, warum die mondäne Lydia Lowere ihr etwas vermacht hat. Ihre Mutter will sich partout nicht dazu äußern.

Lottes Treffen mit ihrer Freundin Ina läuft anders als erwartet. Inas Vorwürfe zerstören die angenehme Atmosphäre. Die Geschichte wird in der Ich-Perspektive aus Sicht von Lotte erzählt. Leider wurden in den Roman zahlreiche Perspektivwechsel eingebaut. Unter anderem kommen auch die Freundinnen Ina und Karin in der Ich-Perspektive zu Wort. Der Aufbau des Romans erweist sich als Fehler. Die Geschichte gewinnt durch die Perspektivwechsel nicht, im Gegenteil. Nicht das einzige Manko. Sprache und Dialoge wirken unnatürlich, oft holprig und gestelzt. Das Wort „Sogleich“ kommt häufig vor und wirkt wie „hegen“ altmodisch. Die Charaktere haben keine Tiefe und entsprechen fast alle den Klischees. Interessant ist das Rätsel um Lydia Lowere und Dr. Breggele. Leider wird es nicht ausgespielt. Der Plot hat viele Schwächen. Es fehlt an Raffinesse, Pepp, Humor und mitreißenden Ereignissen. Selbst ein mit Spannung erwartetes Date von Lotte verpufft in Altbekanntem. Fast alles ist vorhersehbar. Es gibt nur sehr wenige Überraschungen. Auch ist so manche Handlung von Lotte ist nicht nachvollziehbar. Die ausgeprägte Naivität passt nicht zu ihr. Als eine 42jährige gestandene Frau lässt sich Lotte nicht nur von ihren Freundinnen und Bekannten viel zu viel gefallen. Durch die Kontaktanzeigen bekommt die Geschichte einen realen und aktuellen Touch, plätschert aber trotzdem weiter unaufregend und leidenschaftslos dahin. Ein kleines Highlight ist Lottes Postbote, der immer wieder auftaucht. Wäre er mit mehr Persönlichkeit ausgestattet wurden und hätte ungewöhnliche Aktionen gestartet, hätte das der Geschichte etwas Pfiff geben können. Das sehr gelungene, kreative Cover schürt viel zu große Erwartungen für den Inhalt. Eine lockere Sprache mit viel mehr Witz hätte der Geschichte gut getan. So bleibt sie vom Unterhaltungswert her auf unterstem Niveau. Und das obwohl Lotte sympathisch ist. Das Thema Chaosqueen hätte ruhig noch mehr ausgebaut werden können. Im letzten Drittel fügt sich alles plötzlich zu einem anderen Bild zusammen. Die Liebe geht äußerst seltsame Wege.

Cover und Titel verströmen Witz und Humor. Die Farbwahl passt gut zu einem Frühlings- oder Sommerbuch. Sehr schade, dass der Inhalt mit dem Cover überhaupt nicht mithalten kann. „Suche Mann zum Renovieren“ ist eines der wenigen Bücher, bei denen es schwer fällt, bis zum Ende durchzuhalten. Einen Schmunzler gibt es zum Schluss. Der tröstet auch nicht mehr.

Bewertung vom 08.07.2016
Sei dein eigener Ernährungscoach!
Mouret, Tatiana

Sei dein eigener Ernährungscoach!


sehr gut

„Sei dein eigener Ernährungscoach! – Wie du lernst, auf dein Bauchgefühl zu vertrauen & gesund zu genießen“ von Autorin Tatiana Mouret gibt einen Einblick, was sich mit der eigenen, individuell angepassten, bewussten Ernährung alles ändern und verbessern lässt.

Tatiana Mouret litt jahrelang an Lebensmittelunverträglichkeiten. Kein Arzt konnte ihr helfen. Erst eigene intensive Nachforschungen halfen ihr, der Ursache für ihre Beschwerden auf den Grund zu kommen. Der Weg vom Normalesser zum Veganer war lang. Tatiana Mouret plaudert aus dem Nähkästchen und erzählt von ihrer Odyssee.

Der Einstieg mit dem Kapitel „Genug ist Genug“ ist gelungen. Es lässt sich nachvollziehen, dass Tatiana Mouret ihre Beschwerden nicht mehr akzeptieren wollte und hartnäckig angefangen hat, nach einer Lösung zu suchen. „So verwirrend der Weg durch den Dschungel der gesunden Ernährung und alles, was dazu gehört, auch sein mag – das Schöne ist, dass es tatsächlich für jeden Einzelnen von uns die individuell richtige Ernährung und Lebensweise gibt. Diese kann sich auch im Laufe des Lebens wandeln. Wichtig ist nur, dass wir verstehen, was unser Körper wirklich braucht und will, wie wir ihn bestmöglich in seiner Gesundheit und Leistungsfähigkeit unterstützen und damit die Selbstheilungsprozesse optimal anregen können.“ Der Ratgeber animiert dazu, sich mit der eigenen Ernährung auseinander zu setzen und etwas zum Positiven zu verändern. Was steckt in Fertigessen drin? Welche Nahrung sorgt für Power, welche macht müde? Es gilt, selbst herauszufinden, was das Beste für einen ist. Bei der Autorin war das ein langwieriger Prozess. Die Ich-Perspektive ermöglicht es, ganz nah an ihren Erfahrungen teilzuhaben. Das Thema „Ernährung“ kann in der Familie und im Freundeskreis zu Diskussionen führen. Nicht immer reagiert das Umfeld auf die eigene Ernährungsumstellung verständnisvoll. Wer auf Kuhmilch, Weizen und Co verzichtet, macht den Eindruck kompliziert zu sein. Es braucht Selbstbewusstsein, um an seinem Weg festzuhalten. Tatiana Mouret will nicht missionieren, sie will Tipps und Anregungen geben und steht mit diesem Buch hilfreich zur Seite. Die Kapitel zum Thema Ernährung sind sehr informativ und haben Einiges an Neuem parat. Die Kästchen mit Zusatzinfos runden das Bild ab. Ein Abstecher zu den Bananen-Plantagen im ersten Kapitel schockiert. Manchmal ist es wichtig, die Wahrheit direkt vor Augen zu haben. Diese kleine Nebengeschichte ist wertvoll und regt zum Nachdenken an. Das Buch liest sich flüssig. Kurze Kapitel, eine verständliche Sprache. Es wird nicht mit Fachbegriffen um sich geworfen. Reizvoll sind die Exkursionen nach Bali und Sri Lanka auch aufgrund der Themen wie einem Besuch beim Heiler, Ayurveda und Yoga. Zwar gibt es hier nicht viel Neues nachzulesen, aber alle drei Varianten rücken in den Focus und bieten Auswege aus der Krankheits- oder Stressspirale. Gerade die Themenvielfalt macht dieses Buch aus. Die Kapitel zu Ganzheitlichkeit, Wohlbefinden und Eigenverantwortung runden das Bild, fassen aber eher bekanntes Wissen zusammen. Passend an den Schluss gesetzt sind die Tipps für den Alltag. Insgesamt hätte es ruhig noch mehr Inhalt, Erfahrungen, Geschichten, Anekdoten sein können. Sehr hilfreich sind am Ende die schnellen Rezepte nach Bauchgefühl. Das sind tolle Anregungen für eine abwechslungsreiche, gesunde Küche. Auch der Ausklang „Zurück zur Natur“ ist gelungen.

Das kreative Cover mit der ungewöhnlichen Aufmachung, schwarz als Hintergrundfarbe und das leicht futuristisch dargestellte Gemüse und Obst, erregt Aufmerksamkeit. Titel und Untertitel haben Anziehungskraft und nehmen passend viel Raum auf dem Cover ein. Der Ratgeber ist eine interessante Lektüre für alle, die sich mit gesunder Ernährung befassen und für Menschen mit Lebensmittelunverträglichkeiten.

Bewertung vom 03.07.2016
Geradeaus ist keine Himmelsrichtung
Zimmermann, Irene

Geradeaus ist keine Himmelsrichtung


sehr gut

Autorin Irene Zimmermann schreibt Kinder- und Jugendbücher, hat einen historischen Roman veröffentlicht und nach „Seele zum Anbeißen“ ihren zweiten Frauenroman „Geradeaus ist keine Himmelsrichtung“. Eine Kleinanzeige im Wochenblatt hat für Karola schicksalhafte Folgen.

„Patente Sie erledigt alles zu Ihrer prompten Zufriedenheit. Rufen Sie mich an. Jederzeit.“ Der Telefonanruf am frühen Sonntagmorgen kommt für Karola dann doch überraschend. Sie soll ein Auto in der Schweiz abholen und pünktlich am selben Tag abends beim Auftraggeber abliefern. Der Lohn von 1000,- Euro klingt verlockend. Spontan erklärt sich Karolas Freundin Regine bereit mitzufahren. Die zufällige Begegnung mit Giulia am Bahnhof macht das Trio komplett. Keiner von den Dreien ahnt annähernd, welche Überraschungen diese Reise parat hält.

Der direkte Einstieg mit dem 1000,-Euro-Angebot ist sehr gelungen. Es lässt sich erahnen, dass nicht alles so glatt läuft wie geplant. Das erste Hindernis baut sich überraschend schon gleich nach den ersten Vorbereitungen auf. Sprache und Humor reißen mit. Der lockere Erzählstil führt den Leser nah ans Abenteuer heran. Es macht Spaß mitzufiebern. Karola, Giulia und Regine sind drei ungleiche Frauen. Besonders Giulia fällt mit ihren Macken und Schwächen aus dem Rahmen und sorgt für Herausforderungen. Vieles ist nicht vorhersehbar. Sehr gelungen sind die vielen eingestreuten, teils skurrilen Ereignisse und Details. Der Unterhaltungswert ist von Anfang an hoch. Pleiten, Pech und Pannen, eine schicksalhafte Wende und dubiose Verfolger lassen wenige Verschnaufpausen aufkommen. Krimielemente fesseln. Es bleibt rätselhaft und leicht undurchsichtig. Witzig ist, wie die drei Freundinnen kniffelige Situationen meistern und sich so manche lauernde „Bedrohung“ ans Tageslicht kommt bzw. von selbst erledigt. Auch die Spekulationen der drei über Vierzigjährigen steigern den Unterhaltungswert. In was genau sind sie hinein geraten? Das bleibt bis zum Schluss offen. Jeden Moment kann sich das Blatt noch drehen. Die Erwartungen werden auf einem hohen Niveau gehalten. Frauenroman oder doch ein Krimi? Autorin Irene Zimmermann ist eine eigenwillige Mischung gelungen. Nichts ist sicher. Jeden Moment kann das Kartenhaus zusammenfallen. Das Ticken der Zeitbombe ist fast zu hören. Etwas mehr Persönlichkeit und Tiefe hätte den Charakteren gut getan. Sie bleiben austauschbar. Die Themen Liebe, Freundschaft und Familie werden oft amüsant verpackt. Es kommen am Rande aber auch die negativen Seiten des Lebens zu Tage. Im letzten Drittel wandelt sich die Geschichte und fährt in größtenteils ruhigere Gewässer. Das überrascht. Es geht nicht spektakulär zu, aber es bleibt alles stimmig. Am Ende kippt die Waagschale in Richtung Frauenroman. Ein Manko ist das nicht. Karola erweist sich nicht nur bei Ausreden als einfallsreich. Mit Charme lässt sich Einiges wieder ausbügeln. Auch hier kommt wieder ein paar Mal Situationskomik zum Zuge. Das Ende hat Herz und tröstet über das zum Schluss geringe Maß an Spannung hinweg.

Der Titel und die Szene mit den drei Hauptfiguren können auf die Geschichte nicht vorbereiten. Das Cover lässt aber den Humor erahnen. „Geradeaus ist keine Himmelrichtung“ ist ein Gute-Laune-Buch, das sich nicht nur für den Sommer und Urlaub eignet. Karola und Co hätten sogar Potential für einen zweiten Band. Die Mädels wachsen an ihren Herausforderungen.

Bewertung vom 30.06.2016
Die Irak-Mission
Wegerle, Carola

Die Irak-Mission


ausgezeichnet

Von Autorin Carola Wegerle stammen die Werke. „Besser Konzentrieren“, „Körpersprache“, „Luisas Chance“ und „Siris Farben“. „Die Irak-Mission“ befasst sich mit dem Thema Ärztearbeit in Gefahrengebieten. Zudem macht Carola Wegerle auf das Schicksal kurdischer Waisenkinder im Bergland Kurdistans im Norden des Iraks aufmerksam.

Während ihres Einsatzes im Golfkrieg wurde das Camp von islamistischen Terroristen überfallen und ausgelöscht. Chirurgin Claire quälen seitdem Alpträume. Nie wieder will sie in einem Kriegsgebiet arbeiten. Trotz ihres Traumas erklärt sie sich, nach einem Hilferuf von Ibrahim, bereit, ein Behelfskrankenhaus im Irak aufzubauen. Ein Flugzeugabsturz hat eine humanitäre Katastrophe unvorstellbaren Ausmaßes ausgelöst. Die Opfer sind kurdische Waisenkinder.

Claire rettet Verletzten das Leben. Kurz Zeit später bricht das Grauen aus. Die Kontraste Hilfsbereitschaft und auf der anderen Seite Hass und Auslöschung lassen die Emotionen hochkochen. Wie können Menschen zu Mord und Vernichtung fähig sein? „Die Irak-Mission“ verlangt dem Leser Einiges ab. Immer wieder und völlig unerwartet schlägt das Grauen zu. Claire begibt sich mit ihrem neuen Einsatz im Irak auf eine lebensgefährliche Mission. Der Hass auf Ausländer hat sich ausgebreitet. Geiselnahmen sind an der Tagesordnung. Niemand ist sicher. Nach und nach wird deutlich aus welchen Beweggründen die anderen Teammitglieder bei der Reise dabei sind. Auf das was kommt, konnte sich niemand von ihnen vorbereiten. Der Schrecken lässt nicht lange auf sich warten. Verschiedene Akteure wie Geheimagenten sorgen für Spannung. „Der Irak mit seinem Reichtum an Öl ist zu einem Spielball politischer, wirtschaftlicher und militärischer Interessen geworden. Geheimdienste sind für und gegen jeden aktiv. Jeder, ob Ausländer, Agent, Iraker verfolgt ausschließlich eigene Ziele.“ Welches Geheimnis verbirgt Robert? Claire fühlt sich zu dem Fremden, der ihr immer wieder begegnet, hingezogen. Und das trotz einer eindringlichen Warnung des Humanitas-Mitarbeiters, der Organisation, die sie auf diese Mission geschickt hat. „Vorsicht vor Hilfsangeboten, selbst wenn die Leute deutsch sprechen! Im Irak wimmelt es vor Geheimagenten aller Nationen.“ Manipulation, Tricks, nichts ist wie es scheint. „Die Irak-Mission“ nimmt den Leser gefangen. Die Geschichte wirkt unglaublich real. Das Mitfiebern funktioniert ganz von alleine. Nicht nur Ärzte und Krankenschwestern sind bewundernswert sondern auch die Journalisten und geheimen Berichterstatter, die für Wahrheit, Aufklärung und Information ihr Leben riskieren. Von Anfang bis Ende bleibt die Spannung auf einem hohen Niveau. Der Showdown ist perfekt inszeniert und erinnert an einen Filmausschnitt. Bei der Anzahl der Akteure an einem einzigen Ort ist ein bisschen viel „Zufall“ im Spiel. Das Ende ist sehr gelungen, das Gedicht als Ausklang ein krönender Abschluss. In „Mein Dank“ erfährt der Leser mehr zur Entstehung des Romans. Hilfreich sind die Infos zum politischen Hintergrund auf den letzten Seiten.

Das Cover wartet mit einem ungewöhnlichen Ausschnitt auf. Hauptfigur Claire als Detail wäre passend gewesen. Die Stimmung des Romans kann das Cover nicht wiedergeben. Treffend ist der Titel. „Die Irak-Mission“ setzt auf Konfrontation mit dem Schrecken, der tatsächlich so vorkommen kann. Der reale Bezug schürt die Intensität der Geschichte. Es fällt schwer, dieses Buch aus dem Sinn zu kriegen.

Bewertung vom 20.06.2016
Brennender Midi / Capitaine Roger Blanc ermittelt Bd.3
Rademacher, Cay

Brennender Midi / Capitaine Roger Blanc ermittelt Bd.3


ausgezeichnet

„Brennender Midi“ ist nach „Mörderischer Mistral“ und „Tödliche Camargue“ Band 3 der Provence-Krimireihe um Capitaine Roger Blanc. Selbstmord, Unfall oder Mord? Ein rätselhafter Flugzeugabsturz bringt Capitaine Roger Blanc und sein Team an ihre Grenzen.

Eine kleine Propellermaschine der Armee stürzt im Olivenhain ab. Der 23jährige Aspirant Arnaud Matelly stirbt einen Tag vor seiner Abschlussprüfung. Die Zeugen machen unterschiedliche Aussagen. Was ist wirklich passiert? Capitaine Roger Blanc, sein Freund Lieutnant Marius Tonnon und Kollegin Fabienne Souillard stoßen auf Ungereimtheiten. Olivenhain-und Burgbesitzer Hervé Bondard ist der Anti-Fluglärm-Initiative beigetreten. Die Base Aérinne 701 liegt nicht weit von seinem Grundstück entfernt. Ist er in den Tod des Piloten verwickelt?

Die Geschichte beginnt mit dem Toten im Olivenhain. Die Ermittlungen an der Unfallstelle nehmen in diesem Krimi mehr Raum ein als gewöhnlich. Gibt die lachende Todesfratze des Piloten einen ersten Hinweis? Capitaine Roger Blanc bekommt es mit gleich drei skurrilen Zeugen zu tun. Schon die ersten Seiten, sind trotz des tragischen Todesfalls, sehr unterhaltsam. Das liegt an einem unvorhersehbaren Ereignis und den eigenwilligen Nebenfiguren. Wer ist vertrauenswürdig? Wer schmückt seine Zeugenaussage unnötig aus? Nicht nur Capitaine Roger Blanc hat mit seinen Vorurteilen zu kämpfen. Das Undurchsichtige nimmt mit jedem weiteren auftauchenden Charakter zu. „Wir haben also drei Zeugen, deren Aussagen nichts taugen. Wir haben einen Experten der BEA, der sich einen Scheißdreck um die Gendarmerie schert. Wir haben einen Luftwaffen-Offizier, der dir versichert, dass eigentlich alles in Ordnung ist. Wir haben einen cholerischen Politiker, der diesen Unfall als Munition für seine Kampagne nutzen wird. Wir haben die Arschkarte gezogen“, resümierte Marius. Der Krimi ist realistisch aufgezogen. Die Dialoge wirken echt. Der Charme der Provence und seiner urigen bis eigensinnigen Bewohner erhalten Einzug in die Geschichte. Autor Cay Rademacher beweist sein Feingefühl für die Sprache, bildhaften Details und Persönlichkeiten der unterschiedlichen Protagonisten. Der Krimi ist filmreif inszeniert. Das Verwirrspiel hält an. Capitaine Roger Blanc glaubt nicht an einen Selbstmord oder Unfall. Wer könnte ein Motiv haben? Warum hatte sich Arnaud Matelly von einem lebenslustigen, aufgeschlossenen Teenager in einen stillen, abweisenden jungen Mann verändert? Immer mehr Fragen türmen sich auf. Das Rätsel hat größere Ausmaße als gedacht. Die Spannung bleibt auf mittlerem Niveau. Jedes Puzzlestück könnte Licht ins Dunkle bringen. Zum Schluss nimmt der Krimi noch einmal Fahrt auf. Der Plot erweist sich als raffiniert gestrickt und hat eine überraschende Wende parat. Capitaine Roger Blanc funktioniert als mitreißende Hauptfigur tadellos. Sein Eigensinn, Gerechtigkeitsempfinden und seine Sturheit haben einen großen Anteil am Unterhaltungswert.

Der urige Reiz der Provence wird auf dem Cover passend in Szene gesetzt. Details aus dem Krimi als Mittel der Gestaltung wären toll gewesen. Der Olivenhain, das abgestürzte Flugzeug, Möglichkeiten hätte es genug gegeben. Auf den Inhalt kommt es an, und der überzeugt. Durch „Brennender Midi“ erweitert Cay Rademacher seine Fangemeinde. Die Neugierde auf den nächsten Band und frühere Bücher der Krimireihe ist geweckt. Capitaine Roger Blanc und sein Team bleiben im Gedächtnis.

Bewertung vom 19.06.2016
Die Frau, die allen davonrannte
Snyder, Carrie

Die Frau, die allen davonrannte


ausgezeichnet

„Die Frau, die allen davonrannte“ ist, nach zwei Büchern mit Kurzgeschichten, der erste Roman von Carrie Snyder. Wenige Wochen nach Erscheinen hat er es auf die Shortlist des Rogers Writers’ Trust Fiction Preises geschafft.

Die 104jährige Aganetha Smart erhält überraschend Besuch im Altersheim. Kaley und Max geben an, die alte Dame zu kennen und nehmen sie auf einen Ausflug mit. Aganetha freut sich auf das Abenteuer, das sie insgeheim einen Coup nennt. Was haben die Fremden vor und werden sie Aggie tatsächlich wieder zurückbringen?

Das Vorwort „Liebesgesang“ gibt auf humorvolle Weise Einblick in Aganethas Lebensabschnitt Altenheim. Sie ist nicht so schwerhörig wie alle denken. „Ich bin in einem Zustand, der schlicht wirkt. Aufs Nötigste zusammengestutzt. Reduziert. Eingedampft.“ Die Geschichte wird in der Ich-Perspektive aus Sicht von Aganetha erzählt. Die Übergänge von heute zu damals sind oft fließend. Auch wird nicht gradlinig zurückgeblendet. Es gibt immer wieder Zeitsprünge. Trotzdem sorgt die Erzählweise nicht für Verwirrung. Dank der jungen und alten Aganetha fällt es leicht sich zurechtzufinden. Aggie ist eine berühmte Läuferin, die 1928 bei der Olympiade in Amsterdam die Goldmedaille geholt hat. Der Weg dorthin war harte Arbeit. Konkurrentin und Freundin Glad galt bei Wettbewerben immer als Favoritin. „Die Frau, die allen davonrannte“ erzählt nicht nur Aganethas Weg zu einer erfolgreichen Läuferin, sondern hauptsächlich die Geschichte der Familie Smart. Aggie fällt mit ihrem Bewegungsdrang und ihrer wilden Unbeschwertheit aus der Reihe. Immer wieder werden die Smarts mit schweren Schicksalsschlägen konfrontiert. Das Unglück scheint besonders die Kinder von Roberts erster Frau Tilda zu betreffen. Aganetha kennt keine Angstgefühle und geht bei ihren verrückten Turnvorführungen hohe Risiken ein. Ihre Leidenschaft gilt dem Laufen. Emotionen kann sie beim Rennen am besten verarbeiten. Aggies Lebensweg nimmt eine plötzliche Wendung. Ist das Glück zum Greifen nah?

Der, von der alten Dame willkommene Ausflug, wirkt wie in Zeitlupe erzählt. Besonders anfangs sind diese Abschnitte sehr unterhaltsam. Im letzten Drittel driftet der Roman ins leicht Düstere ab. Sprache und Erzählstil reißen von Anfang bis Ende mit. Schade, dass das Traurige zum Schluss hin mehr Raum einnimmt. Selbst in der 104jährigen Aganetha ist das Tollkühne noch nicht ganz verschwunden. Das und ihr ehrlicher Blick auf ihr Umfeld machen die alte Dame so sympathisch. Autorin Carrie Snyder weiß den Leser zu berühren. Die Überraschung zum Ende ist sehr wirkungsvoll platziert. Das Nachwort der Autorin bildet einen würdigen Abschluss für diese beeindruckende Geschichte.

Das Cover mit dem übermütigen Mädchen und der Farm als kleines Detail passt sehr gut zum Roman. Durch das künstlerische Farbenspiel wirkt das Buch kreativ und ungewöhnlich. „D

Bewertung vom 06.06.2016
Sinan, Felix und die wilden Wörter
Çelik, Aygen-Sibel

Sinan, Felix und die wilden Wörter


ausgezeichnet

„Sinan, Felix und die wilden Wörter“ ist nach „Sinan und Felix“ Band 2 der Kinderbuchreihe von Aygen-Sibel Çelik. Von der Autorin stammen u.a. auch „Fußball, Gott und echte Freunde“, „Geheimnisvolle Nachrichten“, „Alle gegen Esra“ und „Star Sisters“.

Sinan und Felix besuchen Sinans türkische Großeltern. So ganz klappt es mit den deutschen Sätzen bei Babaanne noch nicht. Sie streut immer wieder völlig unpassende Wörter ein. Selbst Sinan versteht seine Oma nicht. „Das heißt nix so!“ ist Opas Kommentar. Deutsch lernen ist für die beiden eine echte Herausforderung. Opa meint besser Deutsch zu können als Oma. Streitigkeiten sind vorprogrammiert.

Die Geschichte startet mit Sinans und Felix‘ Besuch bei Sinans türkischen Großeltern. Babaanne und Dede lernen Deutsch. Babaanne streut immer wieder unpassende Worte in ihre Sätze ein und sorgt damit nicht nur bei Sinan und Felix für Unterhaltung. Auffällig sind die großflächigen Illustrationen von Barbara Korthues. Sie machen Sinans und Felix‘ Geschichte zusätzlich zu einem Erlebnis und unterstreichen das Liebenswerte und Unbeschwerte. Zwei Kulturen treffen aufeinander. Felix hat dank Sinan und seiner Familie die Möglichkeit, ein bisschen Türkisch zu lernen. Sehr gut im Buch platziert sind die kleinen Übersetzungen und Aussprachehilfen. Sie geben den kleinen und großen Lesern ein erstes Gefühl für die türkische Sprache. Überall gibt es etwas zu entdecken. In den Illustrationen sind humorvolle Details eingearbeitet. Katze und Hund tauchen auf lustige Weise in den Zeichnungen auf. Was ist ein Kernspalter, Wissenszähler oder Schmerzabschneider? Babaanne ist in ihrem Einfallsreichtum nicht zu übertreffen. Das Thema „Familie und Freundschaft“ wird hier in eine liebevolle, alltägliche Geschichte verpackt. Es gibt keine Barrieren, kein zögerliches Abtasten, sondern nur Brücken und eine Lebensfreude verströmende Normalität. „Wenn sie kochen, dann reden sie Türkisch miteinander. Und wenn sie Türkisch sprechen, haben sie auch keinen Grund zum Zanken.“ Babaanne und Dede haben Temperament und ihre eigene Art, Klippen zu meistern. Alle Charaktere haben eine sympathische Ausstrahlung. Bald tut es auch Dede seiner Frau gleich und benutzt seltsame Worte. Aufgrund der unterhaltsamen Sprache und Szenen fällt es gar nicht auf, dass die eigentliche Geschichte recht schlicht gehalten ist. Eine schöne Botschaft hat das Buch nach etwas mehr als die Hälfte parat. Wer nicht jedes Wort von Babaanne und Dede übersetzen konnte bekommt im letzten Buchdrittel Hilfe. Abgerundet wird die Geschichte von Rätselreimen. Sehr gelungen! Gerne hätte das Kinderbuch noch ein paar mehr Seiten haben können.

Alle Hauptfiguren stehen auf dem Cover im Mittelpunkt. Die Details lassen sich in der Geschichte wieder finden. Dank Titel, Illustration und den nicht zu grellen Farben wirkt das Cover anziehend. „Sinan, Felix und die wilden Wörter“ ist für Kinder ab 7 Jahren gedacht. Das Alter ist für ein Bilderbuch vielleicht etwas hoch angesetzt. Andererseits sind die Hauptfiguren Sinan und Felix ja auch schon in der Schule.

Bewertung vom 05.06.2016
Deschperate Housewives
Rössle, Karin

Deschperate Housewives


gut

Karin Rössle ist das Pseudonym von Autorin Astrid Fritz. Weg vom Historischen Roman geht es dieses Mal in die Frauenroman-Schiene. In „Deschperate Housewives“ steht Annette Küstermann im Mittelpunkt. Ihr 50zigster Geburtstag steht kurz bevor.

Zwei Jahre ist die Scheidung von Frank her. Zeit für die Suche nach dem Traummann. Annette sieht sich den Verkupplungsversuchen ihrer Freundinnen Patti, Silke, Angelika und Britta hilflos ausgeliefert. Da taucht plötzlich eine alte Bekanntschaft von Weiberfastnacht wieder auf. Ist Mike der Richtige oder sollte Annette ihrem Alter entsprechend doch lieber auf Immobilienmakler Walter setzen?

Titel und Cover schüren die Erwartungen. Die Anlehnung an eine bekannte und beliebte Serie ist ein kluger Schachzug. Intrigen und sich überschlagende Ereignisse folgen nicht. „Deschperate Housewives“ entführt in das harmlose Neubaugebiet Schlehengrund. Als Alteingesessene fühlt sich Annette von den Veränderungen überrollt. Die Geschichte wird aus zwei verschiedenen Perspektiven erzählt. Einmal in der Ich-Perspektive aus Sicht von Annette und einmal aus Sicht ihres Katers Schnäpsle. Leider wurden Humor und Sprache dem Kater nicht angepasst. Es fehlt ein lockerer Stil, der mehr Abstand zu einem menschlichen Charakter nimmt. Nicht nur hier wurde Potential verschenkt. Auch die Hauptgeschichte will nicht so richtig in Fahrt kommen und plätschert vor sich. Der Einblick in das Leben der Frauen ist nicht annähernd so unterhaltsam wie erwartet. Zwar reiben sich die unterschiedlichen Charaktere ein bisschen aneinander, aber es fehlt an Witz und mitreißenden Ereignissen. Die Themen „Freundschaft und Liebe“ sprechen jeden an. Am Plot hätte raffinierter gestrickt werden können. Wer möchte schon über den Gartenzaun die Nachbarn beobachten? So ungefähr damit vergleichbar ist das Lesevergnügen. Annettes Suche nach dem Traummann bildet den roten Faden der Geschichte. Hat Kater Schnäpsle da mitzureden? Irrwege sind vorprogrammiert. Das ein oder andere lässt sich voraussahnen. Nicht jeder ist eine ehrliche Haut. Wann kommen Wahrheiten ans Licht? Originell ist so mancher Tiername wie Schnäpsle und Janis Joplin. Bald sind die 19jährigen Zwillinge aus dem Haus und dann? Annette steht vor einschneidenden Veränderungen. Gut gewählt ist ihr Beruf. Als Buchillustratorin wirkt Annette noch einen Tick interessanter. Alltägliches und viel Banales, eigentlich könnte alles auch so im wahren Leben passieren. Gerne hätte es noch etwas überdrehter sein können. Auch sind die Persönlichkeiten der Charaktere nicht ausgefeilt. Mehr Ecken, Kanten und Unterschiede hätten die Frauen noch unterhaltsamer gemacht. Ein Highlight ist Patti mit ihrem Akzent. Leider ist es bei ihr mit Fröhlichkeit zeitweise vorbei. Welches Geheimnis hat Silke? Für wen wird sich Annette entscheiden? Die Geschichte ist vorhersehbar. Die Auflösungen zum Ende bieten keine großen Überraschungen. Schade, aber für ein paar Abende Fernseh-Abstinenz reicht dieser Roman aus.

Der Titel stimmt auf eine sehr unterhaltsame Geschichte ein. Humor verströmt auch das Cover. Jedes Detail ist klug gewählt. Die Frauen stehen im Focus. Knallige Farben ziehen die Aufmerksamkeit aufs Buch. Hier wurde alles richtig gemacht. Eine gelungene Marketingstrategie. Nur hätte der Inhalt mithalten müssen. Wer mit weniger Erwartungen an dieses Buch heran geht, wird am Ende nicht so enttäuscht sein.