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solveig

Bewertungen

Insgesamt 471 Bewertungen
Bewertung vom 17.05.2015
Die stille Kammer
Blackhurst, Jenny

Die stille Kammer


gut

Thriller-Debüt


Als Susan Webster, die ihr Baby erstickt haben soll, aus der Psychiatrie entlassen wird, will sie ein ganz neues Leben beginnen und ändert ihre Identität. Die tatkräftige Cassie, ihre ehemalige Zellengenossin, unterstützt Susan als gute Freundin dabei. Eines Tages wird Susan das Foto eines vierjährigen kleinen Jungen zugesteckt, der ihr tot geglaubter Sohn sein soll. Lebt ihr Sohn? Ist sie zu Unrecht verurteilt worden? Susans Leben wird erneut auf den Kopf gestellt. Sie beginnt nachzuforschen und gerät dabei selbst in Gefahr.

Mit ihrem Debüt entwickelt die Autorin einen Psychokrimi, dessen Thema viel verspricht. Eine Verschwörung, Mord und in dunkle Machenschaften verstrickte Charaktere - all das ist Stoff für einen guten Spannungsroman. Auch die labile, depressive Grundstimmung der Protagonistin trägt zum Thrillergefühl bei.
Die Autorin schreibt spannend, lässt den Leser lange im Unklaren darüber, was wirklich geschehen ist. In zwei Zeitebenen läuft die Handlung ab, Susans gegenwärtige Suche nach ihrem Sohn und der Wahrheit, und Ereignissen, die mehr als 25 Jahre zuvor stattgefunden haben. Hier hat der Leser selbst Gelegenheit, seine Schlüsse zu ziehen, und es gibt viele Überraschungen.
Allerdings wirkt Susans Persönlichkeit zu oberflächlich und flach, nicht genügend herausgearbeitet. Auch andere Figuren bleiben blass, so dass man sie nicht als echte Personen akzeptieren kann. Der Schluss der Geschichte schließlich erscheint mir doch sehr naiv und hat den Touch einer Lovestory.

Alles in allem ist “Die stille Kammer” ein gelungener Debütroman, aber sicher noch “ausbaufähig“.

Bewertung vom 17.05.2015
Engelskalt / Kommissar Munch Bd.1
Bjørk, Samuel

Engelskalt / Kommissar Munch Bd.1


sehr gut

Tote Engel


In einem norwegischen Wald macht ein Spaziergänger eine schreckliche Entdeckung: ein totes kleines Mädchen mit Schultasche auf dem Rücken, aufgehängt an einem Baum! Ein Schild um ihren Hals mit der Aufschrift „Ich reise allein“ gibt Rätsel auf.
Kommissar Holger Munch, der für den Mordfall zuständig ist, sucht seine ehemalige Kollegin Mia Krüger auf, um sie zu überreden, sich dem Ermittlerteam anzuschließen. Mia, die seit dem Tod ihrer Zwillingsschwester stark unter psychischen Problemen leidet und sich auf eine einsame Insel zurückgezogen hat, entdeckt beim Betrachten der Opferfotos ein wichtiges Detail, das der Spurensicherung bislang entgangen ist. Ein Serienmörder? Eile ist geboten.
Beide Hauptermittler, Munch und Krüger, haben mit privaten Problemen zu kämpfen, engagieren sich aber bis zur Erschöpfung in der Polizeiarbeit - und sind bald auch sehr persönlich in den Fall verwickelt.

Bjørk lässt sich Zeit in seinem Roman. Der Leser erhält intensiven Einblick in Mia Krügers geheimste Gedanken und Probleme, die sie quälen. Spannend schildert der Autor die konzentrierten Bemühungen des Teams bei der Suche nach dem Täter, Erfolge und Mißerfolge. Spielt der Mörder mit ihnen? Ein Altersheim, eine Sekte, Internet-Bekannte: In einer etwas schwermütigen, leicht bedrohlichen Atmosphäre entwickelt Bjørk Nebenschauplätze und scheint neueVerbindungen zu knüpfen. Das Geschehen, welches der Leser anfangs vielleicht als überschaubar empfunden hat, ändert unerwartet seinen Verlauf.

„Diese Geschichte bleibt bei einem – für lange Zeit“ verspricht der Klappentext. Und er hat Recht: die offenen Enden des Romans werden den Leser noch eine Weile beschäftigen, sie hallen nach …

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 14.05.2015
Das wilde Määäh / Das wilde Mäh Bd.1
Walder, Vanessa

Das wilde Määäh / Das wilde Mäh Bd.1


ausgezeichnet

Ich bin ich


„Ich bin Ham,
mal Wolf, mal Lamm …“
singt Ham der „Großen Wölfin“ vor, welche die Menschen phantasielos als „Vollmond“ bezeichnen. Er ist glücklich und er hat auch allen Grund dazu: als hilfloses schwarzes Schäfchen einst ausgesetzt im Wald, findet er in der klugen Wölfin Rhea eine liebevolle Pflegemutter, die den Winzling zusammen mit ihren eigenen Jungen aufzieht. Dass er bei aller Mühe sich anzupassen, die er sich gibt, dennoch Eigenarten aufweist, die in einem Wolfsrudel so gar nicht gut gelitten sind, nimmt sie gelassen hin und liebt den kleinen schwarz-wolligen „Wolf“ mit den „spitzen Eckzähnen auf dem Kopf“ allen Widerständen zum Trotz. Ham findet nicht nur eine Familie, sondern auch gute Freunde, die zu ihm halten und ihn sogar bei der gefährlichen Suche nach seiner wirklichen Mutter unterstützen.

Sehr liebevoll hat Vanessa Walder die tierischen Charaktere mit ihren typischen Verhaltensmustern kreiert. Eine launische, selbstbewusste Katze, ein gutmütiger Bär, ein aufmüpfiger Jungstier - viele sympathische Tiere bevölkern und beleben die Geschichte und machen sie zu einem spannenden, aber auch witzigen Buch für Jung und Alt.
Zahlreiche Schwarz-Weiß-Zeichnungen von Frank Holzapfel illustrieren Hams Geschichte humorvoll und bilden mit dem Text eine harmonische Einheit.

Der Autorin geht es aber nicht nur um die Erzählung von Hams Suche nach seiner wahren Herkunft und sich selbst. Vielmehr lernt das wissbegierige kleine Lamm wesentliche Motive und Prinzipien im Umgang miteinander. Mit einer spielerischen Leichtigkeit und viel Humor thematisiert Walder Werte wie Toleranz, Mitgefühl und Freundschaft. Und die Frage nach dem Sinn des Zauns, der eine Herde umgibt, wirkt schon fast philosophisch: bedeutet er Gefangenschaft oder Schutz? Eine Frage, über die auch schon jüngere Kinder ins Grübeln geraten.
„Das wilde Määäh“ : ein Buch zum Lachen und Mitfiebern, aber auch ein Anstoß zum Weiterdenken!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.05.2015
Sommer wie Winter
Taschler, Judith W.

Sommer wie Winter


ausgezeichnet

Für erholungssuchende Städter eine Idylle - für die Dorfbewohner harte Arbeit: kritisch seziert Judith Taschner das Leben der Tiroler Bauernfamilie Winter, die Feriengästen Unterkunft und Familienanschluss bietet. In diesem Alltag werden die drei Töchter und der Pflegesohn Alexander Winter tüchtig mit zur Arbeit herangezogen. Als der Nachkömmling Andreas geboren wird, fühlt sich Alexander immer mehr von seinem Pflegevater abgelehnt. Er beschließt, auch gegen den Willen seiner Pflegeeltern nach seiner leiblichen Mutter zu suchen und stößt auf ein schreckliches Geheimnis …
Die Autorin greift zu einem interessanten Stilmittel: sie lässt die betroffenen Personen selbst für sich sprechen. In psychologischen Therapiegesprächen werden die Ereignisse zunächst zögernd und unwillig, schließlich aber zunehmend offener, von den einzelnen Familienmitgliedern geschildert. So, aus den unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet, ergibt sich nach und nach - zunächst verschwommen, später immer klarer - das Bild eines dramatischen Geschehens.
Der Gesprächston wirkt authentisch, den einzelnen Personen durchaus angemessen und lässt sich leicht und flüssig lesen. Ein mitfühlender, packender Roman, der den Leser noch lange beschäftigt.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.05.2015
Der gute Mensch von Düsteroda
Kolb, Andreas

Der gute Mensch von Düsteroda


sehr gut

Der Buchtitel, in Anlehnung an Brechts Stück „Der gute Mensch von Sezuan“ , deutet an, in welchem Konflikt sich der Protagonist befindet: so wie in Brechts Werk die gute Haupfigur Shen Te in schwierigen Situationen in die Rolle des bösen Shui Ta schlüpft, spielt auch Pfarrer Pistorius eine Doppelrolle als guter Hirte und Racheengel. Aus dieser ungewöhnlichen Perspektive heraus erlebt der Leser, was in dem ungewöhnlichen Geistlichen vorgeht.
Auf den ersten Blick scheint Kolbs Buch in die Schublade „Krimi“ zu passen. Wie jedoch die Verse „Where have all the good men gone and where are all the gods?“ (aus dem Song „I need a hero“) , die als Motto am Anfang des Buches stehen, schon nahelegen, beabsichtigt der Autor mehr: hinter dem unorthodoxen Charakter seines Pfarrers verbirgt sich Kritik an gesellschaftlichen Strukturen, an der Moral von Politik oder Kirche.
Kolb, selbst im aktiven Kirchendienst tätig, provoziert, aber er versteht es, seine Kritik in bissig-humorvoller Form zu verpacken. Salopp geschrieben, immer wieder Seitenhiebe verteilend, manchmal satirisch absurd wirkend, zieht der Roman den Leser mit sich und lässt ihn zum Schluss nachdenklich mit den Versen zurück:
„I could swear that there´s someone somewhere watching me.“

Bewertung vom 05.05.2015
Vorsicht Schwiegermutter!
Koeseling, Anja; Abidi, Heike

Vorsicht Schwiegermutter!


sehr gut

Die Schwiegermutter - (k)ein Albtraum

Mit Humor im Gepäck lassen sich viele Probleme um einiges leichter in den Griff bekommen - sogar Schwiegermütter!
Schwiegertöchter und –söhne können das in dem Taschenbuch „Vorsicht Schwiegermutter“ nachlesen, herausgegeben von Heike Abidi und Anja Koeseling.
Die zwei Autorinnen, die bereits mehrere Bücher erfolgreich auf den Markt gebracht haben, lassen diverse Schwiegertöchter und -söhne zu Wort kommen. In einundzwanzig Kurzgeschichten erzählen diese locker und leicht von sehr unterschiedlichen Schwiegermutter-Erlebnissen. Die Geschichten bieten ein reichhaltiges Spektrum; sie reichen von realistisch, witzig bis zu satirisch überspitzt. Dennoch: „Das kenne ich“, mag der eine oder andere Leser/Leserin so manche Situation kommentieren.
In sechs Kapiteln erfährt man zudem Wissenswertes über die Spezies Schwiegermutter.
Wo zum Beispiel hat das Wort Schwiegermutter seinen Ursprung? Hängt es mit „schwierig“ zusammen oder gar mit „Geschwür“? Gibt es Schwiegermütter auch im Tierreich?
Aber wir erhalten auch Tipps für den Umgang und Erklärungen zur Psyche von Schwiegermüttern, jeweils gefolgt von beispielhaften Geschichten. Und schließlich kann sich jeder sogar testen, zu welcher Art Schwiegermutter er selbst tendiert.
Unkompliziert und fröhlich präsentiert sich diese „Bedienungsanleitung“ für Schwiegermütter.
Wäre das nicht ein passendes Mitbringsel für die Schwiegermama beim nächsten Besuch? Vorausgesetzt, sie verfügt auch über ein wenig Humor!

Bewertung vom 01.05.2015
Die Straße der Geschichtenerzähler
Shamsie, Kamila

Die Straße der Geschichtenerzähler


ausgezeichnet

Die Straße der Geschichtenerzähler



Um es gleich vorweg zu nehmen: Der Titel dieses Romans, der vielleicht bei manchem Neugierigen Gedanken an die „Geschichten aus 1001 Nacht“ aufkommen lässt, ist ganz und gar nicht romantisch gemeint. Die Straße der Geschichtenerzähler ist eine belebte, geschichtsträchtige Einkaufsstraße in Peschawar, in der einmal die Geschichtenerzähler saßen und auf Kundschaft warteten. Zu einer traurigen Berühmtheit gelangte die Qissa Khwani im April 1930, als an diesem Ort ein gewaltfreier Aufstand von Paschtunen gegen die britische Kolonialmacht blutig niedergeschlagen wurde.

Aber von Anfang an.
Wie ein Ring umschließt ein silberner Stirnreif die Geschichte um das Leben dreier Protagonisten. Während des Ersten Weltkriegs ist die Engländerin Vivian, von Haus aus privilegiert durch Vermögen und den Abschluss eines archäologischen Studiums, auf der Suche nach dem verschollenen Stirnreif des Skylax, von dem der antike Geschichtsschreiber Herodot in seinem Werk berichtet. Mit diesem Traum steckt sie den jungen Paschtunen Najeeb an, den sie unterrichtet und dem sie die Begeisterung für die Antike weitergibt. Najeeb, phantasiebegabt und klug, widmet sich der Archäologie und forscht weiter nach dem Reif, findet und - verliert ihn wieder. Qayyum schließlich ist Najeebs älterer Bruder. Er ist ein indischer Soldat, der im Dienst des englischen Königs in Europa im Ersten Weltkrieg gekämpft und dabei ein Auge verloren hat und nun nach Peschawar zurückgekehrt ist, hin- und hergerissen von Gefühlen des Gehorsams dem Kolonialherrn gegenüber und neuen, freiheitlichen Ideen, die Abdul Ghaffar Khan, Führer der Khudai Khidmatgar, der „Diener Gottes“, verbreitet. Den Höhepunkt des zivilen Ungehorsams, den er predigt, erleben wir schließlich auf der Straße der Geschichtenerzähler.…

Der Autorin gelingt es grandios, intensive Eindrücke von dem Leben im Peschawar des beginnenden 20. Jahrhunderts zu vermitteln. Der Leser hat gewissermaßen das Gefühl, die würzigen Aromen und die Düfte nach Rosen und reifem Obst im Bazar wahrzunehmen - aber auch den unangenehmen Geruch des Blutes, das im Krieg fließt. Das pulsierende Leben auf der Straße und im orientalischen Bazar schildert sie lebhaft und farbig - genauso eindrucksvoll aber auch die schrecklichen Ereignisse bei dem Aufstand der Paschtunen.
Der ruhige, langsame Rhythmus, in dem Shamsie ihre Erzählung beginnt, steigert sich schnell. Immer rascher dreht sich das Geschehen bis zum Höhepunkt, dem gewaltfreien Aufstand der Inder gegen ihre Kolonialmacht England.

Kamila Shamsie ist ein sehr komplexer Roman gelungen: die Schicksale fiktiver Personen verbindet sie mit historischen Ereignissen. Menschliche Lebenswege, kulturelle Unterschiede und Auseinandersetzungen, antike Geschichten und überlieferte Erzählungen: all das trifft in der Straße der Geschichtenerzähler zusammen, dem Mittelpunkt des Romans.

Bewertung vom 26.04.2015
Eisige Schwestern
Tremayne, S. K.

Eisige Schwestern


sehr gut

Ungewöhnlich


Ist Kirstie wirklich Kirstie - oder etwa ihre Zwillingsschwester Lydia?
Nach der Trauerfeier für ihre sechsjährige Tochter Lydia, die durch einen tragischen Unfall ihr Leben verloren hat, kommen Sarah Moorcroft Zweifel, welches der eineiigen Zwillingsmädchen noch am Leben ist. Denn als Sarah und ihr Mann Angus mit Kirstie auf eine einsame schottische Insel ziehen, um Abstand zu dem schrecklichen Ereignis zu gewinnsen und mehr Ruhe für ihre kleine Familie zu bekommen, scheint der Charakter des überlebenden, von Schuldgefühlen geplagten Zwillings sich verändert zu haben. Die Verwirrung packt auch den Leser, als die Mutter sich sicher ist: Es muss eine Verwechslung der Zwillinge stattgefunden haben, es ist Lydia, die am Leben ist.

Sehr spannend und eindrücklich beschreibt Tremayne diese für die ganze Familie schreckliche Zeit, in der aus dem Miteinander der Eheleute Moorcroft nach und nach Misstrauen entsteht; sie schotten sich von einander ab, jeder hat seine Geheimnisse, Furcht breitet sich aus. Die düstere, trostlose Atmosphäre wird noch verstärkt durch die Unwirtlichkeit ihres neuen Zuhauses, das kein wirklicher Zufluchtsort ist und keinen echten Schutz vor dem beginnenden schottischen Winter bietet. Teilweise abgeschnitten von der Umwelt, auf der einsamen Insel, macht sich ein Gefühl des Ausgeliefertseins breit.

Sarah und Angus schildern ihre Situation und die folgenden Ereignisse sehr emotional, jeder aus seiner eigenen Perspektive, so dass sich für den Leser ein Bild ergibt, das immer wieder neue Details und Nuancen bietet. Wie der überlebende Zwilling seinen Verlust erlebt und verarbeitet wird ebenfalls aus Sicht der Eltern dargestellt. Bis zum Ende des Buches hält der Autor seine Leser in Atem; man muss sich auf so manche Überraschung gefasst machen; denn nicht immer verhalten sich die Dinge tatsächlich so, wie sie zu sein scheinen.
Trauer, Schuldgefühle und Schuldzuweisungen, Identitätskrise: Tremaynes psychologischer Thriller wartet mit einem ganz speziellen Plot auf.
Ein Buch, das den Adrenalinspiegel in die Höhe treibt

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.04.2015
Unter Tränen gelacht
Tietjen, Bettina

Unter Tränen gelacht


sehr gut

Ein Mutmach-Buch

„Je mehr der Verstand sich verabschiedet, desto unbeschwerter wird man wieder“ , erklärt Bettina Tietjen in einem Interview.
Den Beweis dazu liefert sie mit ihrem Buch, in dem sie von den letzten Lebensjahren ihres Vaters und ihren gemeinsamen Erlebnissen erzählt. In lockerem Ton schildert sie den langsamen Verlauf seiner Demenz, vom fast unbemerkten Beginn bis zu seinem Ende. Wie schwer der Schritt vom Erkennen bis zum Akzeptieren der Krankheit ist, spürt der Leser aus ihren Sätzen. Dabei schreibt sie wechselweise über Episoden seiner früheren Zeit, in der ihr Vater noch im eigenen Haus leben konnte und von Frau Tietjens Schwester in Wuppertal betreut wurde, und den neueren Ereignissen, die sie selbst in Hamburg mit ihm erlebt hat. Einige Familienfotos lockern die Erzählung auf und geben einen Eindruck von Burchard Schniewind und seiner Familie wieder. Die verstreut eingefügten Zeichnungen, die er während seines Heimaufenthaltes angefertigt hat, illustrieren den steten Schwund des geistigen Vermögens.
„Mein Vater, die Demenz und ich“ ist mehr als ein Kapitel ihres Lebens, das sich Bettina Tietjen „von der Seele schreibt“. Ich habe es als ein Mutmach-Buch empfunden: es zeigt, dass man auch diesem Schicksal positive Seiten abgewinnen kann, wenn man sich mit dem Thema intensiv beschäftigt und sich auf die Veränderungen einlässt. Es will betroffene Angehörige im Umgang mit Behörden und Pflegeinstitutionen Mut machen und stärken, beleuchtet auch die Schwächen unseres Pflegesystems.
Ein Buch über Demenz „auf Augenhöhe“ geschrieben, in dessen Mittelpunkt der Umgang mit dem Patienten steht, informativ und aufmunternd.

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 08.04.2015
Wiener Totenlieder / Carlotta Fiore Bd.1
Prammer, Theresa

Wiener Totenlieder / Carlotta Fiore Bd.1


sehr gut

Mörderjagd im Opernmilieu

Wirkungsvoll in Szene gesetzt, wie die Aufführung einer Oper, präsentiert Theresa Prammer den Tathergang in ihrem ersten Kriminalroman. Von A Capella über Moll und
Kadenz bis zum Finale führt sie den Leser durch eine emotionale, spannungsgeladene Geschichte.

Zwei "verkrachte Existenzen" sollen der Kriminalpolizei bei der Aufklärung einer Mordserie am renommierten Wiener Opernhaus behilflich sein. Als Undercover-Ermittler
scheinen Lotta, gescheiterte Sängerin und Tochter der berühmten Operndiva Maria Fiore, und "Clown" Konrad Fürst, ein aus dem Dienst entlassener Kripobeamter, bestens
geeignet zu sein; denn beide verfügen über einige Bühnenerfahrung. Offiziell als Statisten eingesetzt beginnen beide zu ermitteln. Sie finden sich mitten im
Bühnenalltag wieder: Das menschliche Miteinander unter den Künstlern besteht aus Ehrgeiz, Neid und Heuchelei. Bald stecken sie fest: erneut geschieht ein mysteriöser
Mord. Hinzu kommen ihre eigenen, privaten Probleme, mit denen die beiden zu kämpfen haben.

Packend schildert die Autorin die Ereignisse in zwei unterschiedlichen Handlungssträngen, die sich aufeinander zu bewegen. Die vordergründigen Mordermittlungen liefern
ihr Stoff für soziale und psychologische Studien im Hintergrund. Authentische Charaktere und ihre Beziehungen zueinander machen einen großen Teil der Spannung aus.
Prammers lockerer Stil und ihre frische Sprache machen den Roman leicht lesbar. Lottas oft flippige, vulgäre Ausdrucksweise passt dabei zu ihrem schwierigen,
provozierenden Charakter. Unerwartete Wendungen würzen den Krimi zusätzlich und das Finale sorgt ebenfalls für einige Überraschungen.
Ein aufregender Krimi im Opernmilieu mit psychologischem Hintergrund - durchaus lesenswert!