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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
heinoko
Wohnort: 
Bad Krozingen

Bewertungen

Insgesamt 587 Bewertungen
Bewertung vom 06.01.2020
Wolfspferd
Giebken, Sabine

Wolfspferd


ausgezeichnet

Mystisch-spannender Pferde-Abenteuer-Roman

Von Kindheitstagen an stehe ich Tierbüchern zwiespältig gegenüber. Denn meist geschieht in den Büchern den Tieren erst etwas Schlimmes, bevor sich letztlich alles zum Guten wendet. Und genau dieses Leid hat mir als Kind Albträume verursacht und immer musste ich beim Lesen weinen – auch wenn ich letztlich wusste, dass das Gute siegen wird. Schließlich weigerte ich mich, noch jemals ein Tierbuch zu lesen… Jetzt viele, viele Jahre später im ü60-Alter begann ich tapfer das vorliegende Buch zu lesen. Und was soll ich sagen, es packte mich so intensiv wie zu Kinderzeiten.

Tala ist ein ungestümes Mädchen, mutig und eigenwillig. Es lebt mit seiner Familie in der Wildnis, auch im tiefsten Winter. Saphira, eine Albinostute, ist Talas beste Freundin. Doch Saphira hat im Herdenverbund keinen Platz. Odin, der riesige Hengst, schließt sie von der Herde aus, weil sie sich, ähnlich wie Tara, nicht unterordnen will. Taras Vater Pollo, der Anführer des Stammes, weigert sich, Tara mit auf die Jagd zu nehmen, obwohl sie sich das so sehr wünscht. Als jedoch eines Tages Räuber das Lager überfallen und alle Vorräte stehlen, erinnert sich Tara der Sage, dass, wer einen frei lebenden weißen Wolf fängt, mit einer großen Belohnung rechnen dürfe. Und so macht sich Tala unerschrocken zusammen mit Saphira auf den Weg…

„Wolfspferd“ ist eine Geschichte, die zwischen unserer vertrauten Realität und mystischen Ereignissen angesiedelt ist. Im Einklang mit der Natur frei und ungebunden zu leben und sich von Sagen und Mythen, die die Großmutter erzählt, leiten zu lassen, bildet den intensiv-eindrücklichen Hintergrund der erzählten Geschichte. In Zeiten, in denen es hitzige Diskussionen um das Thema Wölfe in unseren europäischen Wäldern gibt, hat dieses Jugendbuch zusätzlich zur gekonnt geschriebenen spannend-unterhaltsamen Geschichte noch eine weitere Dimension, nämlich die Frage, ob es uns gelingen könnte, uns mit unserer Tierliebe auch den Tieren anzunähern, die auf den ersten Blick bedrohlich und gefährlich wirken. Der Autorin gelingt dies meines Erachtens sehr, sehr gut, so wie sie überhaupt sehr feinfühlend auch die Passagen, in denen sie Saphira selbst berichten lässt, ausgestaltet hat. Tierliebe, die aus Tierverständnis gewachsen ist, nicht aus verkitschter Gefühlsduselei, Mut, eigenständiges Denken und Handeln, Respekt vor Anders-Sein – in diesem Jugendbuch steckt eine Menge an Botschaften. Genauso gut lässt sich das Buch aber auch als ein reines mystisch-spannendes Pferde-Abenteuer-Buch, verpackt in reichlich Winterzauber, lesen. Mir jedenfalls hat es ausnehmend gut gefallen.

Bewertung vom 03.01.2020
Leas Spuren
Storks, Bettina

Leas Spuren


ausgezeichnet

Bewegend, fesselnd, spannend, ernsthaft

Bettina Storks war mir bislang nicht bekannt. Doch die Leseerfahrung des vorliegenden Buches hat mich überzeugt und weckt nachhaltig mein Interesse an dieser Autorin.

Die Handlung bewegt sich auf verschiedenen Zeitebenen. Im Jahr 2016 erfährt die Stuttgarter Historikerin Marie von einem lukrativen Erbe, das jedoch erst mit Erfüllung einer Aufgabe anzutreten wäre. Sie soll gemeinsam mit dem französischen Journalisten Nicolas ein verschollenes Gemälde eines jüdischen Malers finden und es den möglichen Überlebenden einer jüdischen Pariser Familie zurückgeben. In Rückblicken erleben wir, wie um 1940 Victor Blanc seine Arbeit in der Botschaft aufnimmt, um sich um „herrenlose Objekte“ zu kümmern. Und wir werden 1947 mitten in die Besatzungszeit, in die Nachbeben des Zweiten Weltkrieges geführt und erfahren von der unerlaubten Liebe zwischen Charlotte, der Großtante von Marie, und Victor, dem Großvater von Nicolas, zwischen Kunstraub und Résistance. Die schwierigen Nachforschungen von Marie und Nicolas im Jahr 2016 scheinen an einer Mauer des Schweigens zu scheitern, führen aber letztlich immer tiefer in erschreckende Zusammenhänge.

„Nur Gefühle beeindrucken die Menschen“ – diesen Satz der von mir überaus geschätzten Autorin Gabriele Diechler scheint Bettina Storks auf perfekte Weise verinnerlicht zu haben. Denn das vorliegende Buch packt den Leser, fesselt ihn und lässt ihn nicht mehr los. Weil man sich jenseits des Geschehens intensiv mit den Protagonisten emotional verbunden fühlt. Weil man ihre geschilderten Empfindungen unmittelbar miterlebt. Auch versteht es Bettina Storks außerordentlich gut, innerseelische Prozesse anhand von äußeren Geschehnissen bildlich spürbar werden zu lassen. Viele Szenen bleiben sehr nachdrücklich im Gedächtnis, auch nach Beendigung der Lektüre. Insgesamt gesehen ist das Buch eine großartig gestaltete Mischung aus historisch Belegtem und romanhaft Erfundenem, spannend, lebendig, intensiv erzählt. Das Buch wirft Fragen auf, denen sich der Leser stellen sollte. Denn welche Verantwortung tragen nachfolgende Generationen für die Gräueltaten der Nazis? Und kann die Schuld des Wegsehens oder gar Mitmachens je getilgt werden?
Auf S. 455 steht vielleicht eine Antwort: „Eines der kostbarsten Geschenke ist, dass wir eine Wahl haben….Den inneren Kompass zu finden, ihm zu vertrauen und sich nach ihm als einziger Instanz zu richten, ist eine Lebensaufgabe“…

Bewertung vom 29.12.2019
Der Gorilla-Garten / Käthe Bd.1
Veenstra, Simone;Loose, Anke

Der Gorilla-Garten / Käthe Bd.1


ausgezeichnet

Von Oma-Weisheiten, Dackelpupsen und Regenbogenstiefeln

Welch ein zauberhaftes Kinderbuch. Ich bin restlos begeistert.
Käthe muss mit ihren Eltern umziehen. Weg von Omas Apfelhof in Pommeranzen, weg von Natur, weg von Omas klugen Sprüchen, mitten hinein ins Großstadtgetriebe, hin zu viel Fremdem, zu ganz neuen Erfahrungen. „Stadtmenschen sind schnell und geübt im Ausweichen“, erfährt Käthe.
Ganz schön beängstigend eigentlich, solch ein Umzug. Doch Käthe schafft mit ihrer offenen und neugierigen Art, mit der sie unbefangen auf alles und jeden zugeht, sich diese neue Welt zu erobern. Man muss Käthe einfach gernhaben, denn sie ist freundlich, arglos, hat ein großes Herz und geht aufgeschlossen-offen mit allem um, was ihr begegnet. Man spürt, wie wertvoll es war, dass sie in der Natur aufgewachsen war, denn die Liebe zu den Pflanzen ist ihr Lebenskapital – und ja, sie versteht sogar, was Tiere plagt, wenn beispielsweise Dackel Ferdi sehr unter seiner Pupserei leidet, weil sein Frauchen ihm immer wieder Buttermilch zu trinken gibt. Käthe besitzt die wunderbare Gabe, alles Neue völlig wertfrei wahrzunehmen. „Anders-Sein ist eigentlich total normal.“ Zusammen mit Theo, ihrem neuen Freund in der Schule, entdeckt sie schließlich sogar ein Stückchen „Niemandsland“ mitten in der Stadt, einen Guerilla-Garten, und kann Bernadette helfen, die Läuseplage in den Griff zu bekommen – dank Oma-Wissen. Ein Schulgarten mit Schneckenbeet wird geplant, und wie man alte Gummistiefel bepflanzen kann, wird auch erzählt. Spaß bringt Kindern beim Vorlesen oder Selber-Lesen nicht nur die Oma-Weisheiten wie „Gut ist Gähnen erst mit allen Zähnen“, sondern auch die herrlichen ideenreichen Wortschöpfungen wie „Ziegelsteinhinterhofhäuschen“ oder „Spätstück“ für ein spätes Frühstück.
Die großartigen Illustrationen von Màriam Ben-Arab transportieren ausdrucksstark und direkt die Gefühle und Reaktionen der gezeichneten Personen. Schön, dass die Bilder im Buch allesamt bunt sind. Fröhlich und lebendig unterstreichen sie intensiv wirksam auf non-verbale Weise die erzählte Geschichte.
Ein wunderbar positives Kinderbuch, das gänzlich ohne pädagogischen Zeigefinger auskommt, mit einer Hauptperson, wie sie liebenswerter nicht sein könnte.

Bewertung vom 21.12.2019
Schokoladentage
Diechler, Gabriele

Schokoladentage


ausgezeichnet

Eine perfekte Komposition in Dur und Moll

„Nur Gefühle beeindrucken die Menschen“. Mit diesem Satz verrät die Autorin eines ihrer Erfolgsgeheimnisse. Denn ihre Bücher transportieren Gefühle, und zwar ohne Pathos und ohne Kitsch. Warum ist Gabriele Diechler eine meiner Lieblingsautorinnen, vielleicht sogar DIE Lieblingsautorin? Natürlich in erster Linie wegen ihrer gekonnt geschriebenen Bücher, keine Frage. Aber mehr noch, weil ihre herzerwärmend positive Persönlichkeit so direkt, so unmittelbar spürbar wird auf jeder einzelnen Buchseite und sie damit dem Leser auf seltsam individuelle Weise nahekommt, so als sei das Buch ganz allein nur für ihn selbst geschrieben worden.

Alwy, eine junge Patissière, kommt aus Tokio zurück. Sie hat sich von ihrem langjährigen Partner getrennt und steigt nun bei ihrer Freundin Tina in Salzburg in deren Patisserie ein. Finanziell befindet sich Tina mit ihrem Laden in einer schwierigen Lage. Gemeinsam mit vielen kreativen Ideen und vollem Arbeitseinsatz schaffen die beiden Freundinnen erste Erfolge. Doch da wird das „Cake Couture“ erneut bedroht durch die Machenschaften eines Bauinvestors. Der Kampf um den Laden, um die berufliche Existenz wird zum Kampf um das eigene Lebensglück, um Beziehungen, um Freundschaft, um die Erkenntnis, was wirklich wichtig ist im Leben.

Der Roman erscheint mir in seiner Gesamtheit inszeniert wie eine Mozart-Oper. Und das nicht nur, weil er in Salzburg spielt, in dieser wunderschönen Stadt, deren Lebensimpuls Musik zu sein scheint. Die Ouvertüre ist dramatisch und enthält bereits eine Ahnung des späteren Geschehens. Der Leser weiß vom Paukenschlag des Anfangs an, dass er nicht einen der üblichen Frauenromane in der Hand hält. Mozart hat mit leichter Hand Schweres komponiert. Und so schreibt Gabriele Diechler. Mit leichter Hand erzählt sie Wesentliches. Es gibt viele Tempi-Wechsel, Rezitative, die die Handlung weitertragen und betörend schöne Solo-Arien, deren reine Melodien unmittelbar zu Herzen gehen. Genauso spielt die Autorin mit den Geschehnissen, indem sie das Grundmotiv in vielen Variationen ausarbeitet in der ganzen Bandbreite dessen, was Menschen empfinden können. Eine Fülle schöner Bilder, schöner Gedanken bereichert den Leser. Selbst in schwierigen Situationen wird keiner der Protagonisten abwertend-negativ gezeichnet. Immer bleibt ein Funken Respekt, ein Funken Verständnis. Mozart besaß das Geheimwissen der Freimaurer. Gabriele Diechler hat tiefes Herzenswissen. Das macht das Lesen ihrer Bücher besonders.

Bewertung vom 12.12.2019
Draußen
Klüpfel, Volker;Kobr, Michael

Draußen


gut

Schuster bleib bei deinen Leisten

Ein schweres Erbe haben die beiden Autoren angetreten mit sich selbst und ihren bisherigen überragenden Erfolgen, indem sie nun das Genre gewechselt haben vom humorigen Regional-Krimi hin zum ernsthaften Thriller. Die Erwartungen waren hoch, zu hoch vielleicht. Und eigentlich möchte ich nach Lektüre des Thrillers Klüpfel und Kobr zurufen: Schuster, bleib bei deinen Leisten.

Eine seltsam verworrene Geschichte wird uns da serviert. Einerseits verborgen draußen im Wald, stets bereit zur Flucht, ein Mann mit zwei Jugendlichen mit knallhartem Drill, zwischen Prepper-Denken und Überlebenstraining. Andererseits in der Großstadt zwischen politischen Machenschaften und Stromwirtshaft. Und rückblickend befinden wir uns dann auch noch in der Fremdenlegion. Wer gegen wen und warum, bleibt lange, zu lange für meine Begriffe im Dunkeln. Ein paar geschickte politische Seitenhiebe konnten die Autoren unterbringen. Dennoch bleibt die Handlung übertrieben, an den Haaren herbeigezogen, und, weil nicht überzeugend, nur von mäßiger Spannung. Lediglich die Kampfszenen sind fesselnd geschildert, auch wenn sie ebenso überzogen und unwirklich sind wie die gesamte erzählte Geschichte. Psychologisch gesehen bleiben die geschilderten Personen dem Leser fern, man mag niemandem einen Sympathie-Bonus gewähren. Die hölzernen Gespräche und die abfälligen Sicht- und Ausdrucksweisen sollten vielleicht die Härte der Protagonisten unterstreichen, erzeugten bei mir jedoch nur distanzierte Abneigung.

Was in der Summe bleibt, ist eine mäßig spannende, wenn auch unterhaltsame Lektüre. Damit eine Geschichte jedoch zum packenden Thriller wird, braucht es mehr, viel mehr, als eine emotionsarme Erzählung rund um harte Superhelden bei Stromausfall.

3 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.12.2019
Die Fowl-Zwillinge und der geheimnisvolle Jäger / Die Fowl-Zwillinge Bd.1
Colfer, Eoin

Die Fowl-Zwillinge und der geheimnisvolle Jäger / Die Fowl-Zwillinge Bd.1


gut

Verwirrende Ideenvielfalt

Es passiert ja relativ selten, aber bei diesem Buch muss ich doch erkennen: Es gibt Bücher, für die ich schlichtweg zu alt bin.

Die Zwillinge Myles und Beckett Fowl leben auf einer irischen Insel und sind so unterschiedlich, wie man es sich kaum vorstellen kann. Myles ist hochintelligent und Beckett isst die IQ-Testblätter lieber auf, als sie auszufüllen. Bewacht werden die beiden auf dem Anwesen der Familie Fowl von Nanni, einem elektronischen Sicherheitssystem. Und dann gibt es noch diesen Bösewicht Lord Teddy Bleedham-Drye, dessen einziges Bestreben darin liegt, das Geheimnis der ewigen Jugend zu lüften. Als er hört, dass eine Quelle auf der irischen Insel, nahe des Anwesens der Familie Fowl, genau dieses ermöglicht, macht er sich sofort auf den Weg dorthin. Ein Troll auf der Flucht, ein ruchloser Adliger, eine seltsame Nonne - die Zwillinge geraten mit größter Begeisterung mitten hinein in eine wirbelnde Geschichte, wie sie fantasievoller nicht sein könnte.

Der Ideenreichtum des Autors ist offensichtlich unbegrenzt. Anzüge aus dem 3D-Drucker, ein laminierter toter Goldfisch als Krawatte sind nur die harmlosesten Beispiele aus der Gedankenwelt des Autors, der aus seiner überbordenden Fantasie eine rasante Geschichte zwischen Fantasy und Situationskomik, zwischen Spannung und Verwirrung, zwischen Magie und Technik, bastelt. Einerseits faszinierend zu lesen, weil man gar nicht glauben mag, was sich da Seite um Seite an skurrilen Einfällen auftut. Andererseits genau wegen der Überfülle an krusen Ideen mühsam zu lesen, zumindest für mich als älteres Semester. Spaßig aber allemal.

Bewertung vom 05.12.2019
Besser spät als nie
Grossmann, Mechthild;Wagner, Dorothea

Besser spät als nie


ausgezeichnet

Ein kluges Buch!!!

Sie muss sein, diese Überschrift mit den drei Ausrufezeichen. Denn da lese ich tatsächlich irgendwo über das vorliegende Buch, es sei banal. „Banal“ per definitionem heißt: gedanklich unbedeutend, gewöhnlich. Nein, dieses Buch ist nicht gewöhnlich, es ist gedanklich nicht unbedeutend, es ist alles andere als das. Vielleicht ist derjenige, der das Urteil abgegeben hat, noch sehr jung und unbedarft. Vielleicht hat er nur ein paar Seiten gelesen und gerade ein Thema erwischt, das ihn in seinem Leben noch nicht berührt hat. Vielleicht hatte er witzige Situationsschilderungen aus dem Altersheim erwartet. Wer weiß. Auf jeden Fall bringt mich dieses Urteil dazu, vehement meiner gegenteiligen Meinung Ausdruck zu verleihen.

Die Texte haben Tiefe. Die Texte sind es wert, darüber nachzudenken. Die Texte bringen Informationen über das beschwerliche, reglementierte Leben der Frau vor 60, 70 Jahren. Und die Texte bringen Einblick in das nicht immer einfache Leben im Alter. Aber die Texte bringen auch Ermutigung. Ja, es sind kurze Artikel, denn es handelt sich um eine Sammlung von Kolumnen, die in der Süddeutschen Zeitung zu lesen waren. Wie schwer gute Kolumnen zu schreiben sind, weiß nur, wer sich selbst einmal daran versucht hat. Kurze Meinungsbeiträge zu formulieren, die das jeweilige Thema pointiert auf den Punkt bringen und nicht endlos breittreten. Das kann nicht jeder. Und genau das ist dem Paar Großmutter und Enkelin hervorragend gelungen. So kurz die Texte auch sind, so eindringlich sind sie. Sie kommen ganz harmlos daher, und doch wirken sie lange nach, wenn man sich darauf einlässt. Mechthild Grossmann ist eine gebildete Frau. Sie ist weltoffen und neugierig. Dass sie alt ist, macht ihre Gedanken nicht weniger wertvoll, im Gegenteil. Sie hat alles Recht dazu, uns von ihrer Haltung dem Leben, den Menschen und dem Sterben gegenüber zu erzählen. Nichts davon ist banal. Und übrigens: Nachdenken schadet in keinem Alter.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.12.2019
Das Ritual des Wassers / Inspector Ayala ermittelt Bd.2
Garcia Saenz, Eva

Das Ritual des Wassers / Inspector Ayala ermittelt Bd.2


gut

Enttäuschend zähe Lektüre
Hatte ich zu hohe Erwartungen? Hätte ich den ersten Band zuerst lesen müssen? Las ich das Buch zum falschen Zeitpunkt? Wie auch immer: Für mich war die Lektüre des vorliegenden zweiten Falles des Inspector Ayala quälend mühsam.
Nach einem Kopfschuss leidet Kommissar Ayala, genannt Kraken, an einer Broca-Aphasie und kommuniziert weitgehend schriftlich mit seiner Umwelt. Noch ist er vom Dienst freigestellt, wird jedoch beratend zu Hilfe gezogen, als man eine schwangere Tote findet, kopfüber an einem Ast hängend, mit dem Kopf in einem historischen Wasserkessel steckend. Eine Hinrichtung, die an ein keltisches Ritual denken lässt. Und es bleibt nicht bei diesem einzigen Mord.
In verschiedenen Zeitebenen wird erzählt. Doch dies ist meiner Meinung nach nicht der Grund, weshalb der Thriller so mühsam zu lesen ist. Sondern es liegt an der ausufernden Detailfreude der Autorin. Der Anfang des Buches bereits ist verwirrend. Die vielen Ortsnamen sind verwirrend. Die aufgeführten Namen sind verwirrend, insbesondere da sie nicht einheitlich eingesetzt werden. So heißt der Ich-Erzähler beispielsweise Inspector Ayala, aber auch Unai und auch Kraken. Die Beziehungen zwischen den Ermittler-Kollegen sind ebenso verwirrend, weil nicht überzeugend nachvollziehbar dargestellt. Leblos wirkt auch der Kontakt der früheren Freundesgruppe des Kraken untereinander. Und Inspector Ayala selbst wirkt auf mich wie eine sehr seltsame Person, emotional fern und fremd bleibend, trotz all der vielen, oftmals unnützen Informationen, der geschilderten Gedankenfülle und des vielerlei Geplänkels, was allesamt nicht dazu dient, den Menschen Kraken lebendig werden zu lassen. Die dargestellte Form der Broca-Aphasie dürfte aus medizinischer Sicht auch angreifbar sein. Das Thema rund um keltische Rituale wird langatmig abgehandelt. Dass die Autorin letztlich weit ausholt bis zur Zeit des Hundertjährigen Krieges und zu Gilles de Rais, der tausende von Kindern gefoltert, vergewaltigt und gemordet hat, macht das Buch nicht spannender. Die Handlung dümpelt mehr oder weniger durch die Seiten dahin und erschlägt sich selbst durch die Detailfreude der Erzählerin. Ach ja, den Begriff „Modus operandi“ alle paar Seiten erneut zu benutzen, soll vielleicht intelligent wirken, nervt aber nur.
Kurzum: Eine rundum enttäuschend zähe Lektüre.

Bewertung vom 24.11.2019
Verhängnisvolle Provence
Åslund, Sandra

Verhängnisvolle Provence


gut

Nett erzählt, aber langweilig
Da ich die Vorgänger-Bände nicht kenne, waren mir die Protagonisten und deren Vorgeschichten neu, was ich beim Lesen jedoch nicht als Nachteil empfand. Die Autorin räumt dem Privatleben der Kommissarin Hannah Richter sehr breiten Raum ein. So wurde sie mir schnell vertraut, ob ich wollte oder nicht.
Den Inhalt kann man kurz fassen: Ein in Köln erschossener Franzose, tätig für ein französisches Kosmetikunternehmen, ist Auslöser für die Ermittlungstätigkeit in der Provence durch Hannah und parallel dazu durch ihren Kollegen Michael in Köln. Eine weitere Leiche in der Provence lässt die Gefährlichkeit der geldgierigen Kosmetikkonzerne erahnen.
Der vorliegende Kriminalroman hat Stärken und Schwächen. Seine Stärken sind eindeutig die schön ausgearbeiteten Schilderungen und stimmungsvollen Beschreibungen von Landschaften, Ambiente, Menschen und Situationen. Außerdem haben mir gut gefallen die sorgfältig recherchierten Hintergründe, was Naturkosmetik und deren mögliche Tricks in der Zusammensetzung betrifft. Weiterführende Informationen zum Thema findet man im Anhang des Buches. Der Kampf zwischen David und Goliath in der Kosmetikbranche wird ausführlich dargelegt und lässt den Leser durchaus kritischer gegenüber vollmundiger Werbung werden. Doch ist das für einen Kriminalroman genug? Der Autorin gelingt es nicht, den Leser ernsthaft zu fesseln. Zwar lässt sich die Geschichte einigermaßen kurzweilig lesen, doch Spannung entwickelt sich zu keiner Zeit. Im Gegenteil: Streckenweise habe ich mich herzhaft gelangweilt, insbesondere beim Breittreten all des privaten und oftmals belanglosen „Gedöns“. Schwer genervt haben mich außerdem die ständigen französischen Einschübe. Wozu sollen die gut sein? Um französisches Flair zu vermitteln? Da würde es genügen, gelegentlich mal ein Wort einfließen zu lassen, aber nicht jede wörtliche Rede mit französischen Ausdrücken zu würzen. Glaubt die Autorin tatsächlich, man würde ständig im Glossar nachschauen wollen? Genauso unangenehm habe ich den Berliner Slang des Vorgesetzten empfunden. Was so aufgesetzt wirkt, verfehlt jegliche Wirkung.
Kurzum: Ein nett erzählter Roman mit vorhersehbarer Handlung, leider ohne jegliche Spannung.