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Top-Rezensenten Übersicht

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Lesendes Federvieh
Wohnort: 
München
Über mich: 
Hinter dem Namen Lesendes Federvieh verbirgt sich das Blogger-Duo kathiduck und Zwerghuhn. Wir lesen querbeet alles, was uns zwischen die Finger kommt und veröffentlichen die Rezensionen dazu auf unserem Blog (lesendes-federvieh.de). Dort gibt es übrigens noch viele weitere Beiträge rund ums Thema Buch. :)

Bewertungen

Insgesamt 539 Bewertungen
Bewertung vom 28.03.2019
Stella
Würger, Takis

Stella


sehr gut

Angelockt von den goldenen Lettern sowie dem hübschen Gesicht auf schwarzem Grund habe ich "Stella" in der Buchhandlung in die Hand genommen, noch bevor ich von all der vernichtenden Kritik oder den Lobeshymnen gehört habe. Meine Neugier war also schon geweckt, bevor dieser Aufschrei durch die Literaturwelt ging, doch zugegebenermaßen hat mich wahnsinnig interessiert, wie ein Buch die Macht besitzt die Leserschaft so rigoros in zwei Lager zu spalten. Entweder man hasst das Buch oder man liebt es, eine Mitte scheint es nicht zu geben und doch finde ich mich dort, mit deutlicher Tendenz ins Positive - am ehesten wieder. Die fiktive Geschichte des Ich-Erzählers Friedrich, die sich als schwarz-weiß Film mit hinterlegter Jazzmusik vor meinem inneren Auge abspielte, berührte mich ehrlich gesagt gar nicht so sehr. Die Figuren finde ich zu schwach gezeichnet, ihnen fehlt meiner Meinung nach die Tiefe, allen voran der Charakter der Stella Goldschlag war mir zu blass. Was ich dafür viel faszinierender fand waren die einleitenden Fakten zu Beginn eines jeden Kapitels, welche schlagzeilenartig den historischen Kontext als Rahmen setzten, der jedoch so losgelöst von der eigentlichen Erzählung wirkte, als handele sich dabei um zweierlei Geschichten. Denn der Kontrast zwischen der hollywoodartigen Liebesromanze des weltoffenen Schweizers Fritz, der ins Nazideutschland kommt und sich dort in eine wunderschöne, blonde Jüdin verliebt, und den abscheulichen Schicksalen der Juden, schnörkellos nüchtern auf den Punkt gebracht, könnte nicht größer sein. Dieser Effekt wird verstärkt durch kursiv gedruckte, scheinbar wahllos in die Erzählung eingefügte Auszüge aus Feststellungen eines sowjetischen Militärtribunals, die in ihrer Unkommentiertheit herausstechen, den Leser aus der tranceartigen Erzählung herausreißen und mehrmals die Frage nach dem Wie? und Warum? aufkommen lassen. Gerade durch das konsequente Ausbleiben einer Erklärung setzen sich diese penetrant im Hinterkopf fest und sorgen für eine zunehmend verzerrte Wahrnehmung auf die Erzählung und ihre Protagonisten. Fritz, dessen Mutter selbst leidenschaftlich antisemitisch Parolen schmettert, ist ein junger, stiller Gutmensch, der sich eines unabhängigen Blickes rühmt. Irritierend wie bemerkenswert zugleich ist die Widersprüchlichkeit des Fritz'schen Charakters. Obwohl man aus der Perspektive des Ich-Erzählers das Geschehen verfolgt, bleibt dem Leser ein Großteil seiner Gedanken verwehrt. Fritz reist eigens nach Berlin, um sich angelockt von grausamen Gerüchten selbst ein Bild von der Situation der Juden im Scheunenviertel zu machen. Jedoch verschiebt sich nach seinen Begegnungen mit Stella und Tristan von Appen sehr schnell sein Fokus, in den Zeiten der Nahrungsrationierung führt er ein ausschweifendes Leben, der wütende Krieg wird nebensächlich, was für Fritz zählt ist seine Liebe zu Stella - selbst als nach zahllosen Andeutungen auch ihm auffallen sollte, welch zwielichtige Rolle sie spielt. Er verurteilt sie nicht als die jüdische Gestapo-Kollaborateurin, die Greiferin oder als das blonde Gift, wie sie in gewissen Kreisen bekannt wie gefürchtet war, er akzeptiert sie in ihrer Menschlichkeit. Ob er nur über Schwächen hinwegsieht oder es gar an Ignoranz grenzt ist wieder eine andere Frage, die jede Menge Spielraum für Interpretationen lässt wie auch die leisen Zwischentöne inmitten der schallenden antisemitischen Topoi. Genau das ist es auch, was ich an diesem Roman so faszinierend finde: Man bekommt schwer greifbare Protagonisten mit undurchsichtigem Charakter vorgesetzt, steht an der Klippe zu ihren seelischen wie menschlichen Abgründen und taucht doch nie ganz ein, lässt sich von einer gewöhnlich anmutenden Romanze einlullen, die im kompletten Gegensatz zu dem historischen Sprengstoff steht, der sich unter blonden Locken und einem hübschen Lächeln verbirgt und weiß doch nie so recht, was man von all der Widersprüchlichkeit halten soll.

Bewertung vom 27.03.2019
Der Fall des lachenden Kranichs
Oliver, Sophie

Der Fall des lachenden Kranichs


ausgezeichnet

Zhen, ein Jugendfreund von Freddie, bittet den Sebastian Club um Hilfe. Seine Verlobte wurde entführt und er fürchtet um ihr Leben. So machen sich die Gentlemen auf die beschwerliche Schiffsreise nach Hongkong. Doch während die Herren in Kolonialchina ermitteln, geschehen in London mehrere Morde. Gerüchte über einen geheimnisvollen Londoner Unterweltboss und ein chinesisches Syndikat, machen die Runde. Als die Gentlemen wieder nach London zurückkehren, stellen sie fest, einem gewieften Kontrahenten gegenüberzustehen...

In meiner Rezension zu "Die Gentlemen vom Sebastian Club" schrieb ich, dass ich mich auf den nächsten Fall freue. Dieser liegt nun druckfrisch vor und ich wurde nicht enttäuscht. Sophie Oliver ist mit "Der Fall des lachenden Kranichs" wieder ein ausgezeichneter viktorianischer Krimi vor interessanter Kulisse, diesmal mit asiatischem Flair, gelungen.

Der Handlungsmittelpunkt ist zunächst Hongkong im Jahr 1895. Erstklassig recherchiert entführt die Autorin den Leser mitsamt den Gentlemen in eine ganz unbekannte, exotische Welt. Die Lebensweisen und Gepflogenheiten hier sind anschaulich, präzise und authentisch geschildert. Ich hatte sofort die Bilder dazu im Kopf.

Der Kriminalfall ist fesselnd aufgebaut und gut durchdacht. Auch diesmal besticht dieser Krimi durch unvorhersehbare Wendungen, gerade auch als der Schauplatz wieder nach London verlagert wird. So blieb die Spannung aufrechterhalten und der Leser musste sich wirklich bis zum Ende gedulden, um das Rätsel zu lösen.

Der lockere, angenehme Schreibstil und die hervorragend ausgearbeiteten Charaktere passen genau zu diesem eleganten Krimi und verstärken zusätzlich das unterhaltsame Lesevergnügen. Das gilt auch für das Glossar am Ende des Buches, denn hier wird noch einmal ausführlich auf die historischen Details eingegangen. Das habe ich mit großer Freude und Interesse gelesen, es rundet diesen Roman auch bestens ab.

Mittlerweile bin ich zum Fan der Gentlemen geworden. Es wäre sehr schön, wenn es noch viele weitere Geheimnisse für diese exquisiten Spürnasen zu lüften gäbe.

Fazit: Absolut gelungener neuer Fall für die Gentlemen vom Sebastian Club

Bewertung vom 24.03.2019
Liebe geht durch den Garten
Hartmann, Ulrike

Liebe geht durch den Garten


sehr gut

Anna lebt nach der Scheidung mit ihren beiden Söhnen in einer Dachgeschosswohnung. Ihr anstrengender Alltag als alleinerziehende Mutter lässt sie manchmal verzweifeln. Doch dann hört sie von den Vorzügen eines eigenen Schrebergartens. Der Gedanke einen Garten nur für sich und die Kinder zu besitzen, lässt sie nicht mehr los. Spontan pachtet sie eine völlig verwilderte Parzelle mit einer heruntergekommenen Laube. Doch die vermeintliche Idylle entpuppt sich bald als große Herausforderung. Gut, dass es ihren attraktiven Nachbarn Paul gibt, der ihr beim Umgestalten des Gartens tatkräftig hilft. Jetzt gilt es nur noch ihre Söhne zu überzeugen und die lästige Sabine von gegenüber Schach matt zu setzen, denn diese hat mehr als nur ein Auge auf Paul geworfen...

"Liebe geht durch den Garten" ist herrlich kurzweilig und frisch zu lesen, genau wie Annas Garten, entspannend und glücklich machend. Ich war so in die Geschichte von Annas Schrebergarten vertieft, dass ich ganz überrascht war, wie schnell ich die erste Hälfte des Buches in einem Sitz gelesen hatte. Es juckt richtig in den Fingern, man möchte direkt mitwerkeln und helfen, den Garten wieder in Schwung zu bringen.

Dieser Roman ist so flott, fluffig und angenehm geschrieben, man findet sich sofort in der Geschichte gefesselt. Auch die Atmosphäre im Kleingartenverein ist authentisch und detailliert geschildert, was mich oft schmunzeln ließ. Dazu noch originelle Charaktere mit Ecken und Kanten, Menschen mit dem Herz am rechten Fleck, kleine liebenswerte Spießer, Zicken, ein Abbild unserer Gesellschaft eben. Allen voran Anna, die so sympathisch unperfekt ist und sich durchs Leben meistert. Annas Weg aus dem grauen Alltag in ihr kleines Paradies färbt auch ein bisschen auf den Leser ab, sie blüht richtig auf, wie ihre Rosen im Garten, das macht Mut und schafft gute Laune und Zuversicht. Ulrike Hartmann ist ein richtig schönes, unterhaltsames Buch für zwischendurch gelungen. Für mich war es ein wunderbares Lesevergnügen, das gerne noch viel länger hätte dauern können.

Fazit: Ein traumhafter Garten zum Genießen. Lesevergnügen garantiert.

Bewertung vom 21.03.2019
Die Wege, die wir kreuzen
Mahood, Katy

Die Wege, die wir kreuzen


sehr gut

Es ist Stellas Hochzeitstag als sie zum ersten Mal einen flüchtigen Blick von Charlie wahrnimmt, einem Passanten, dem sie nie zuvor begegnet ist. Von diesem kurzen Augenblick an sind ihre Schicksale miteinander verbunden. Ihre Lebenswege kreuzen sich, ohne sich zu kennen...

"Die Wege, die wir kreuzen" ist ein besonderes, ein leises, dennoch kraftvolles Buch mit Tiefgang. Katy Mahood beleuchtet darin die Lebenswege der beiden Paare Stella und John sowie Beth und Charlie, die sich von Zeit zu Zeit begegnen, ohne es zu bemerken.

Einfühlsam und auf den Punkt gebracht erzählt die Autorin über deren Leben, die Liebe, ihre Erfolge, über Enttäuschungen und Einsamkeit. Ich fand es sehr interessant zu erfahren, was aus einem Lebensentwurf werden kann, wie die Pläne, die wir voller Enthusiasmus in jungen Jahren schmieden, in Erfüllung gehen oder ganz andere Wege eingeschlagen werden.
Durch die detailliert und authentisch skizzierten Charaktere kommt diese Entwicklung gut zur Geltung. Jeder hat seine Stärken und Schwächen, jeder geht mit Schicksalsschlägen anders um. Ich finde gerade bei Stella auf der einen Seite und Charlie auf der anderen kann man das sehr gut sehen.

Dieser Roman ist keine fröhliche, unbeschwerte Lektüre für zwischendurch. Man muss sich Zeit nehmen, um in die Welt der Protagonisten einzutauchen, denn das Leben ist eben nicht immer nur eitel Sonnenschein. Katy Mahood hat dies sehr schön herausgearbeitet, die teils düstere, traurige Stimmung passt perfekt. Ein weiterer Grund das Buch in Ruhe zu lesen, ist der sehr ansprechende Schreibstil der Autorin, der durch ihre klare, wohlformulierten Sprache besticht.

Mir hat dieses vielschichtige Porträt zweier Familien sehr gut gefallen. Es ist ein Buch, das zum Nachdenken anregt, wer sind wir eigentlich und was wurde aus unserem Lebensentwurf, wo stehen wir.

Fazit: Begegnungen mit Tiefgang

Bewertung vom 17.03.2019
Nichts weniger als ein Wunder
Zusak, Markus

Nichts weniger als ein Wunder


ausgezeichnet

Nach dem Tod ihrer Mutter Penelope und dem Fortgang ihres Vaters leben die fünf Dunbar-Brüder nach ihren eigenen Regeln in ihrem Haus in der Archer Street. Jeder einzelne von ihnen trauert, liebt, hasst und sucht, in der Hoffnung mit der Vergangenheit abzuschließen, die Wahrheit zu finden und zu vergeben. Der Zweitjüngste ist es schließlich, der angetrieben von Erinnerungen an ihren tragischen Verlust den Stein ins Rollen bringt, indem er beschließt eine Brücke zu bauen. Eine Brücke, die aus ihm gemacht ist, die Vergangenheit überwindet und einen Versuch wagt die Familie zu retten - nichts weniger als ein Wunder.

Nach dem riesigen Erfolgt des Weltbestsellers "Die Bücherdiebin" mussten wir einige Jahre auf ein weiteres Buch aus der Feder von Markus Zusak warten, doch nun ist sein neues Meisterwerk der Erzählkunst endlich da. Es bedurfte nur weniger Worte und schon hatte mich "Nichts weniger als ein Wunder" vollkommen in seinen Bann gezogen. Die Geschichte beginnt mit einem Anfang von vielen, einem alten Klapperkasten, einer Schlange, einem Hund und nicht zuletzt mit Matthew, dem ältesten der fünf Dunbar-Brüdern, der aus der Ich-Perspektive die Geschichte seiner Familie und vor allem die seines Bruders Clay erzählt. Es ist eine mitreißende, hochgradig emotionale Geschichte von Verlust, Trauer und Schuld aber auch von Neuanfängen, Hoffnung und Liebe, sie handelt vom Brückenbauen, Pferderennsport und nicht zuletzt von Familie und Zusammenhalt. All das ist mit außerordentlicher sprachlicher wie erzählerischer Fingerfertigkeit fein in einen Kokon eingewoben, dessen umhüllender Wärme man nur äußerst ungern verlässt. Markus Zusak ist wahrlich ein Meister der Metaphern, was er mehrmals eindrucksvoll unter Beweis stellt. Meine persönliche Highlights waren jedoch die unnachahmlichen Szenenwechsel, die eine ungeheure Faszination auslösten, denn beinahe schon fließend gelingt die Überleitung von einer Ebene der Vergangenheit in die nächste. Im einen Moment beschreibt Matthew die helle Röte des abgehusteten Blutes, welches sich als Warnzeichen für die sich verschlimmernde Krankheit der Mutter abzeichnete, nur um darauf den Wert seines Blutes mit dem ihren zu vergleichen, das er in einer zugleich sinnlosen wie unumgänglich wegweisenden Prügelei vergossen hatte. Er erkennt die Poesie in den alltäglichen Dingen und drückt diese in glasklarer Sprache aus, so wird Penelopes Vater, die Statue von Stalin, nicht einfach nur äußerlich alt, sondern "sein Schnurrbart nahm die Farbe von Asche an." (S. 86). Oder auch die Beschreibung der letzten Minuten seiner Großmutter, auf deren Schreibmaschine Matthew die Geschichte der Dunbar-Brüder tippt: "Sie war am Esstisch gestorben, vermutlich am späten Abend. Sie hatte gerade einen letzten Brief an eine Freundin getippt. "Sieht so aus, als hätte sie ihn fertig geschrieben, ihre Brille abgenommen und den Kopf neben die Remington gelegt", sagte er. Es war traurig und schmerzhaft, aber wunderschön. Eine letzte tödliche Buchstabenfolge. Ein hart gesetzter Schlusspunkt." (S. 274). Die überwältigend treffsichere Präzision, die jeder Formulierung, jedem Wort innewohnt, ist von erstaunlicher Eindringlichkeit und brennt sich ins Gedächtnis ein. Bemerkenswert sind auch die unvorhersehbaren Wege, die die Erzählung geht, denn es ist nicht bloß die Geschichte von fünf Brüdern, deren brutale wie liebenswürdige Kabbeleien herrlich amüsant und rührend zu lesen sind, vielmehr fließen zahlreiche Handlungsstränge von Penelopes Flucht aus Osteuropa über Careys Faszination für den Pferderennsport bis hin zu Clays zunehmender Begeisterung für den Brückenbau zusammen zu einer großartigen Erzählung, von der man sich wünscht, sie würde nie zu Ende gehen.

"Nichts weniger als ein Wunder" ist ein zeitloses wie großartiges Erzählepos über die fünf Dunbar-Brüder, von denen einer auszog, um in vielerlei Hinsicht eine Brücke zu bauen. Außergewöhnliche erzählerische sowie sprachliche Fingerfertigkeit - eins meiner Lieblingsbücher!

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Bewertung vom 15.03.2019
Der Wald
Leyshon, Nell

Der Wald


sehr gut

Warschau im Zweiten Weltkrieg. Pawel wächst wohlbehütet in einer gutsituierten Familie auf. Doch die Wirren des Krieges reißen die Familie auseinander. So kommt es, dass Pawel und seine Mutter Unterschlupf bei einer alten Bäuerin im Wald finden, alleine und ohne Informationen, wie es dem Rest der Familie geht...

Jahre später in England. Pawel hat sich eine künstlerische Existenz in England aufgebaut. Das Verhältnis zu seiner Mutter ist durch das gemeinsam Erlebte ein besonderes. Doch dann werfen Hindernisse einen Schatten auf Mutter und Sohn...

"Der Wald" ist ein ruhiges, leises Buch, dem es jedoch nicht an Kraft fehlt. Nell Leyshon beschreibt darin die Entwicklung der Mutter-Sohn-Beziehung von Zofia und Pawel von der Kindheit bis ins Erwachsenenalter. Sie tut dies ohne großen Aufhebens und mit ihrem ganz eigenen, einzigartigen Schreibstil, der sich mühelos der jeweiligen Geschichte anpasst. Hier ist er klar, pointiert und poetisch. Durch die eingestreuten Gedanken der Protagonisten hat sie mich oftmals zum Nachdenken gebracht - und genau das schätze ich an der Schreibweise der Autorin ganz besonders. Sie schafft es mit einer Präzision und Einfühlsamkeit die Gefühle, die Lebensumstände und eben Gedanken ihrer Charaktere so bewegend und anschaulich zu schildern, so dass man sich der Sogwirkung nicht entziehen kann. "Der Wald" habe ich sehr gerne gelesen, es ist eine gepflegte Geschichte, die man wirken lassen sollte, damit sie noch lange in Erinnerung bleibt.

Fazit: Einfühlsames Porträt einer Mutter-Sohn-Beziehung

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Bewertung vom 12.03.2019
Lügenmeer
Kliem, Susanne

Lügenmeer


sehr gut

Oktober 1998. Svenja feiert mit ihrer Clique und ihren besten Freunden Milla und Magnus ihren Geburtstag. Doch was so locker begann endet in einer Tragödie. Milla stirbt bei der nächtlichen Schwimmbadparty. Ihr Freund Magnus wird verdächtigt, der Schuldige zu sein. Er zieht die Konsequenzen und verlässt Schwanbek.
Jahre später kommt er wieder zurück und stürzt sich ins das Jahrzehnte alte Lügenmeer, um zu erfahren, was damals wirklich geschah...

Der Autorin ist mit „Lügenmeer“ ein gut durchdachter und logisch aufgebauter psychologischer Spannungsroman gelungen, den ich sehr gerne gelesen habe. Atmosphärisch stark ausgearbeitet, spürt man von Beginn an die feindliche Stimmung, die Magnus in seinem Heimatdorf entgegenschlägt, als er nach fast zwanzig Jahren zurückkehrt. Zwischen den Zeilen wabert der Zweifel an seiner Unschuld immer wieder durch. Das Herumstochern in alten Geschichten will niemand so richtig.

Aber nicht nur die Stimmungen sind perfekt eingefangen, auch die Charaktere sind präzise, authentisch und eindrucksvoll skizziert. Man spürt etwa Mechthild Wagemanns Härte gegen sich selbst und ihre Mitmenschen, aber auch die augenscheinlich so patente Svenja hat ihre Schattenseiten. Ihre innere Zerrissenheit und ihre Nöte kommen hervorragend zu Geltung. Je mehr ich gelesen hatte, desto unheimlicher wurde sie mir.

In diesem Umfeld versucht nun Magnus herauszufinden, was in ihrer aller Jugend wirklich geschah. Durch Rückblenden ins Jahr 1998 wird absolut fesselnd erzählt, wie es zu Millas Tod kam. Die Aufarbeitung dieses Todesfalls demgegenüber fast zwanzig Jahre später ist ebenso mitreißend und durch die häufigen Wechsel in die Vergangenheit wird die Spannung bis zum Schluss aufrecht erhalten. Durch unvorhersehbare Wendungen wird dieser Effekt noch verstärkt. Ohne großes Blutvergießen liefert Susanne Kliem in ihrer lockeren, klaren Sprache psychologische Spannung pur bis hin zum gelungenen Showdown.

Fazit: Gut durchdachter, spannender und logisch aufgebauter Kriminalroman

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.03.2019
Der fabelhafte Geschenkeladen / Valerie Lane Bd.5
Inusa, Manuela

Der fabelhafte Geschenkeladen / Valerie Lane Bd.5


ausgezeichnet

Orchid ist die Besitzerin von Orchid's Gift Shop in der Valery Lane. In ihrem kleinen Laden gibt es alles, was das Leben ein wenig schöner macht, angefangen von Duftkerzen, Badedüften und selbstgemachten Kerzen. Doch das ganz besondere am Laden ist Orchid selbst mit ihrer guten Laune und Zuversicht. Sie hat für alle ein offenes Ohr, doch nur ihr Freund Patrick bleibt ihr gegenüber verschlossen. So ist es nicht verwunderlich, dass es in ihrer Beziehung kriselt und da ist ja auch noch der attraktive Tobin, dem der Blumenladen gehört...

Auf diesen Band habe ich mich besonders gefreut, denn Orchid ist mit ihrer frischen, unbekümmerten Art meine Lieblingsladeninhaberin in der Valerie Lane geworden. Ich wurde auch nicht enttäuscht, denn "Der fabelhafte Geschenkeladen" ist genauso lebendig, humorvoll, herzlich, manchmal auch herzzerreißend wie sie selbst. Manuela Inusa hat es auch mit Band fünf sofort wieder geschafft mich von der ersten Seite an zu begeistern.

Genau Orchids Temperament entsprechend geht es rasant durch ihr Leben. Sie muss sich zwischen Patrick und Tobin entscheiden. Dieser Weg dorthin ist locker, amüsant, romantisch und auch total spannend zu lesen. Ständig war ich hin- und hergerissen, wer denn nun besser zu ihr passt. Ich konnte das Buch kaum aus der Hand legen, doch viel zu schnell war ich am Ende angelangt, das für mich die Geschichte perfekt abrundet, mich aber auch ein wenig wehmütig zurück lässt.

Manuela Inusa ist auch diesmal wieder ein wunderschöner Roman über die Freundinnen aus der Valerie Lane gelungen, den ich sehr, sehr gerne gelesen habe.

Fazit: "Der fabelhafte Geschenkeladen" ist ein besonderes Geschenk in meinem Wohlfühlbücherregal.

Bewertung vom 10.03.2019
Mein Jahr mit Dir
Whelan, Julia

Mein Jahr mit Dir


ausgezeichnet

Ella Durran erfüllt sich mit einem Stipendium einen langjährigen Traum für ein Auslandsjahr in Oxford. Bereits an ihrem ersten Tag stößt sie jedoch mit dem arroganten Jamie Davenport zusammen, der all das Hochnäsige und Herablassende zu verkörpern scheint, was sie an Männern verabscheut. Zu allem Übel leitet Jamie auch noch ihren Literaturkurs, was die ganze Sache nicht gerade erleichtert. Doch als Ella und Jamie eines Abends gemeinsam in einem Pub landen, kommen sie sich viel näher als geplant. Die Anziehung zwischen den beiden ist nicht zu leugnen und so lassen sie sich auf eine leidenschaftliche Affäre ohne Verpflichtungen ein, die von einer goldenen Regel beherrscht wird: absolute Ehrlichkeit. Allerdings scheint Jamie genau dieses Versprechen nicht so eng zu sehen, denn Ella ahnt nichts von dem tragischen, alles verändernden Geheimnis, das er vor ihr verbirgt.

"Mein Jahr mit Dir" hat mich von den ersten Seiten in den Bann gezogen und getragen von poesieversprühendem Erzählgeschick auf eine nachdenkliche Reise durch die großen wie kleinen Fragen der Menschheit entführt, nur um sich letztlich eindringlich auf die eine zu konzentrieren, die am Ende wirklich zählt: Was ist Liebe? Die Geschichte von Ella aus Ohio, die für ein Auslandsjahr nach Oxford kommt, und dem schwachköpfigen Schnösel Jamie Davenport, der sich einen Tag nach ihrem funkensprühenden Zusammentreffen als Dozent ihres Literaturkurses entpuppen sollte, ist berührend, mitreißend und beneidenswert zugleich, denn sie beruht auf wahrem Verständnis füreinander. Amüsante, zum Schmunzeln anregende Dialoge werden von tiefgründigen, nachdenklichen und teils frustrierenden wie inspirierenden Gesprächen abgelöst, die in ihrer Weisheit, Eindringlichkeit und Sprachgewalt noch lange nachhallen. Ich kann mich nicht entsinnen, jemals so viele Textstellen aus einem Buch herausgeschrieben zu haben, die mich so berührt haben wie diejenigen wortgewandten Passagen über Lyrik, Liebe und Leidenschaft in dieser herzergreifenden Erzählung. Diese Geschichte ist in vielerlei Hinsicht lehrreich, so habe ich neben dem interessanten Fakt, dass Sebastian Melmoth ein Pseudonym Oscar Wildes war, auch einiges über die Literatur des viktorianischen Zeitalters gelernt, allen voran, dass ich George Eliots "Middlemarch" unbedingt lesen möchte. Denn Ella studiert Englische Sprache und Literatur von 1830 bis 1914 und erntet dafür größtenteils zweifelnde, verständnislose Blicke, denn keiner vermag so richtig benennen zu können, welche Werke das viktorianische Zeitalter ausmachen. Mir ging es nicht anders, deshalb fand ich es natürlich umso bemerkenswerter, wie geschickt die Autorin eingangs jeden Kapitels einen Auszug aus einem Gedicht stets passend zur jeweiligen Szene auswählt hat, wodurch man nach und nach einen guten Einblick in die zeitlosen, universalen Themen der viktorianischen Dichtkunst erhält.

Poetisch, weise und wahr. All das und noch so viel mehr ist "Mein Jahr mit Dir". Es ist eine Liebeserklärung an die Dichtkunst, ein Plädoyer für Zusammenhalt und Durchhaltevermögen in harten Zeiten und zugleich eine Inspiration, das eigene Leben in die Hand zu nehmen und einfach eins zu tun: zu leben.

Bewertung vom 09.03.2019
1793 / Winge und Cardell ermitteln Bd.1
Natt och Dag, Niklas

1793 / Winge und Cardell ermitteln Bd.1


ausgezeichnet

Stockholm 1793. Im Wasser wird eine grausam verstümmelte Leiche ohne Arme und Beine gefunden. Michael Cardell, der die Leiche aus dem Wasser gezogen hat und Cecil Winge, der bei der Stockholmer Polizei für „besondere Verbrechen“ zuständig ist, nehmen die Ermittlungen auf. Sehr schnell stellt sich heraus, dass der Tote mit chirurgischer Präzision gefoltert wurde. Die beiden wollen für Gerechtigkeit sorgen und geraten dabei in einen Sumpf aus Unvorstellbarem...

Niklas Natt och Dag hat mit 1793 einen außergewöhnlichen und absolut lesenswerten historischen Kriminalroman geschrieben. Das Buch sticht nicht nur wegen des gelungenen Covers aus der Masse dieses Genres hervor, sondern auch durch die brillante Kombination von Historie und Krimi. Hervorragend recherchiert und historisch fundiert, fühlte ich mich beim Lesen ins Stockholm des Jahres 1793 versetzt. Dem Autor gelingt es mühelos einen authentisch wirkenden Hintergrund für seinen Fall, der ebenso gut durchdacht ist, wie der ganze Aufbau des Buches, zu schaffen. Man riecht den Gestank, spürt die Hoffnungslosigkeit der Armen, sieht die katastrophalen Lebensbedingungen und die schlampigen Gestalten, aber auch den Reichtum.

Die Hintergründe des brutalen Mordes werden im Laufe der Ermittlungen logisch aufgearbeitet und lassen den Leser an manchen Stellen ordentlich gruseln. Das ist vor allem dem genialen Ermittlerduo geschuldet. Der hochintelligente Cecil Winge und der bärbeißige, kampferprobte Kriegsveteran Michael Cardell, ergänzen sich perfekt und so ist es eine wahre Freude die beiden bei ihren Nachforschungen Seite um Seite zu begleiten. Ebenso spannend, informativ und total interessant, waren aber auch die historischen Einzelheiten im Buch. Niklas Natt och Dag ließ das Jahr 1793 so lebendig wieder aufleben, dass die Geschichte wie ein Film vor meinen Augen ablief.

Es ist schwer für mich abschließend zu entscheiden, was mich bei diesem Roman mehr gefesselt hat, der Mordfall oder der historische Roman, in dem die Ermittlungen eingebettet sind. Beides ist so komplex und gut geschildert, es verleiht dem Buch das gewisse Etwas, das es so besonders macht. Alle Puzzleteile passen perfekt ineinander und ergeben ein harmonisches Gesamtbild. Es wundert mich nicht, dass 1793 in Schweden auf Anhieb ein Bestseller wurde.

Fazit: Brillanter, hervorragend recherchierter historischer Kriminalfall