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Raumzeitreisender
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Ahaus
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Buchwurm, der sich durch den multidimensionalen Wissenschafts- und Literaturkosmos frisst

Bewertungen

Insgesamt 739 Bewertungen
Bewertung vom 02.02.2017
Der Hut des Präsidenten
Laurain, Antoine

Der Hut des Präsidenten


ausgezeichnet

Antoine Laurain hat ein feinsinniges Buch über Träume und deren Verwirklichung geschrieben. Im Fokus stehen mehrere Menschen, die lediglich einen Anstoß brauchen, um aus dem faden Gleichklang ihres Alltags auszubrechen und sich positiv zu entfalten. Als Katalysator dient ein Hut und zwar der Hut des Präsidenten Francois Mitterrand. Der Besitzer des Hutes spürt die Magie der Veränderung und trifft Entscheidungen, die das Leben in neue Bahnen lenkt.

Es ist ein Buch über die positiven Kräfte, die in jedem Menschen schlummern und nur wachgerüttelt werden müssen. Der Schreibstil ist angenehm, aber nicht sentimental. Der Autor arbeitet mit Symbolen, die über den Hut hinausgehen. Die Geschichte lässt einfache, aber auch tiefergehende Interpretationen zu. Jedoch sollten die Leser sich von der rationalen Analyse nicht vereinnahmen lassen, sondern emotional eintauchen in die Magie des Romans und des Lebens.

Das Buch vermittelt eine Atmosphäre, die ich nach einer Kurzbeschreibung zum Inhalt nicht erwartet hätte. Es ist kein Comic wie „Die Maske“ mit Jim Carrey, sondern ein besinnliches Werk voller Magie. Der Hut symbolisiert eher den geheimnisvollen schwarzen Monolithen aus „2001: Odyssee im Weltraum“. Im Verlauf der Geschichte werden die Handlungsfäden auf wundersame Weise miteinander verwoben und zum Ende entsteht der Eindruck der Zirkularität. Ich habe mich wunderbar unterhalten gefühlt und das ist entscheidend.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 01.02.2017
Wie ich meine Tochter durchs Abitur brachte
Kausch, Thomas

Wie ich meine Tochter durchs Abitur brachte


sehr gut

Erziehung, humorvoll präsentiert

Autor Thomas Kausch, Journalist und Fernsehmoderator, bekennt sich in diesem Buch dazu, ein Helikopter-Vater, also ein überfürsorglicher Vater zu sein. Kennzeichen eines Helikopter-Vaters ist die exzessive Einmischung in die Angelegenheiten des Nachwuchses. Im Fokus steht seine Tochter Pauline, deren Erziehung er aus der Ich-Perspektive humorvoll und ironisch nachzeichnet.

Das Buch besteht aus siebenundzwanzig übersichtlichen Kapiteln, in denen Kausch seine Erziehungsbemühungen einem breiten Publikum verständlich vorstellt. Die Geschichte beginnt mit der Hochzeit in Mexiko und endet zwei Jahrzehnte später mit dem Abitur der Tochter. In der Zwischenzeit wird der Autor mit den Problemen konfrontiert, die viele Eltern kennen. Dazu gehören Kindergarten, Grundschule, weiterführende Schule und Pubertät.

Schon auf den ersten Seiten wird deutlich, dass der Autor unterhalten kann. Kausch nimmt sich und seine Erziehungsbemühungen auf die Schippe und das macht ihn sympathisch. Er wirkt als zwanghaft Getriebener, der glaubt, dass ohne seine Einmischung nichts funktioniert. Das führt zu kuriosen und manchmal peinlichen Situationen. Die positive Erwartung an das Buch wird bestätigt. Das Buch ist unterhaltsam.

Bewertung vom 29.01.2017
Hummeldumm
Jaud, Tommy

Hummeldumm


schlecht

Dumm - Saudumm - Hummeldumm

Das Buch handelt von einer Reisegruppe, bestehend aus neun unterschiedlichen Charakteren, die eine zweiwöchige Rundreise mit einem Bus durch Namibia absolvieren. Die Perspektive ist die des Ich-Erzählers Matze Klein. Als Besonderheit kommt hinzu, dass der Protagonist vergessen hat, die Reservierungsgebühr für seine neue Eigentumswohnung zu bezahlen, die er mit Freundin Sina, die ihn auf der Reise begleitet, beziehen möchte.

Was folgt, sind langatmige, oftmals kitschige Dialoge, die dem Leser die Freude an dem Buch nehmen. Die Charaktere sind klischeehaft und die Erzählung ist einfach langweilig. "Hummeldumm" ist eindeutig das schwächste Buch, welches ich von Tommy Jaud gelesen habe. Ich verstehe nicht, wie ein solches Buch, das mehr peinlich als lustig ist, in die Bestsellerlisten geraten konnte. Dabei bietet der Rahmen Potenzial für eine lustige Geschichte.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 22.01.2017
Hiob
Roth, Joseph

Hiob


sehr gut

„Erinnere dich … an Hiob. Ihm ist ähnliches geschehen wie dir.“ (125)

In diesem Roman erzählt Joseph Roth die Geschichte von dem Juden Mendel Singer und seiner Familie. Er ist Lehrer in Zuchnow (Russland), ist „gottesfürchtig und gewöhnlich“ (5) und hat vier Kinder, von denen das Jüngste behindert ist. Die Geschichte spielt in der Zeit von ca. 1900 bis nach dem Ersten Weltkrieg. Der Fokus liegt auf den Sorgen und Nöten der einfachen Menschen.

Protagonist Mendel Singer erleidet wie Hiob im Alten Testament schwere Schicksalsschläge, durch die sein Glaube erschüttert wird. Autor Roth zeigt auf, wie der Glaube verloren gehen, aber auch wie er zurückgewonnen werden kann. Das Leben ist nicht berechenbar. Der Mensch darf die Hoffnung nie aufgeben.

Das klingt nach einfachen Weisheiten, der Roman wirkt aber nicht konstruiert oder kitschig. Die gesellschaftlichen Verhältnisse im Ostjudentum werden anschaulich dargestellt. Die Auflösung von Familien und Gesellschaften war bedingt durch Krieg und Flucht real. Autor Roth ist es gelungen, eingerahmt in einen realen zeitgeschichtlichen Hintergrund, eine plausible, verständliche und lehrreiche Geschichte zu schreiben.

Bewertung vom 15.01.2017
Inferno / Robert Langdon Bd.4
Brown, Dan

Inferno / Robert Langdon Bd.4


gut

spannend, lehrreich, verwirrend

Inferno bietet, wie man es von Dan Brown gewohnt ist, eine Schnitzeljagd durch Städte mit historischer Bedeutung (Florenz, Venedig, Istanbul). Der Roman ist spannend und lehrreich, aber auch nicht frei von Widersprüchen bzw. nicht plausiblen Abläufen. Wenn man das Ende kennt, wundert man sich über den Ablauf.

Die Leser erfahren einiges über Architektur, Kunstgeschichte und insbesondere über Dantes „Göttliche Komödie“. Insofern bleibt Brown seiner Linie treu, historische Stätten und Reliquien in einen Thriller zu integrieren. Es ist erstaunlich, wie es Brown gelingt, so viel Handlung in ein relativ kleines Zeitfenster zu packen.

Inferno bietet aber auch ein Verwirrspiel hinsichtlich der Frage, wer welche Motivation hat bzw. wer auf welcher Seite steht. Verstärkt wird diese Verwirrung durch eingestreute Retrospektiven und Gedankengänge, die nicht immer plausibel erscheinen. Aber das zentrale Thema ist aktuell und beschäftigt die Menschheit.

Bewertung vom 31.12.2016
Mörder Anders und seine Freunde nebst dem einen oder anderen Feind
Jonasson, Jonas

Mörder Anders und seine Freunde nebst dem einen oder anderen Feind


weniger gut

Wiederholung eines Erfolgsschemas

Die ungläubige Pfarrerin Johanna Kjellander, der desillusionierte Hotel-Rezeptionist Per Persson und der gewalttätige und trinkfreudige Johan Andersson, genannt Mörder-Anders, gründen eine Körperverletzungsagentur mit Mörder-Anders als Auftragsschläger. Das Geschäft läuft blendend, die Nachfrage ist groß, sie verdienen viel Geld mit ihrer Arbeit.

Eine Wende tritt ein, als Mörder-Anders anfängt sich für Gott zu interessieren und von heute auf morgen Gewalt ablehnt und stattdessen Geld an Hilfsbedürftige verteilt. Sie gründen eine Kirche und ändern ihr Geschäftsmodell. Leider haben sie sich viele Feinde in der Unterwelt gemacht. Auch innerhalb der Gruppe knistert es.

Der Rahmen und die Charaktere liefern genügend Ansatzpunkte für eine humorvolle und skurrile Geschichte. Leider scheitert es an der Umsetzung. Die Charaktere der Protagonisten wirken flach und dümmlich, es mangelt an Charme. Es gibt keine Figuren, mit denen sich der Leser wirklich anfreunden oder identifizieren kann.

Auf den ersten hundert Seiten berichtet der Autor quasi von einer Metaebene aus, ohne dass der Leser wirklich in die Handlung eintaucht. Es wirkt so, als ob nach Erstellung des Plots dieser nur halbherzig umgesetzt wurde. Das gilt zum Beispiel für die praktische Arbeit der Körperverletzungsagentur. Hier mangelt es an der Beschreibung konkreter Fälle im Alltag von Mörder-Anders, die dem Buch Leben einhauchen könnten.

Nach einem originellen Erfolgsroman liegt die Messlatte hoch und wenn der gleiche Stil beibehalten wird, kommt es zu Abnutzungserscheinungen und die Qualität leidet, wie auch bei Büchern von Tommy Jaud und David Safier erkennbar wird. Wer dauerhaft Erfolg haben will, muss sich immer wieder neu erfinden. So wirkt der Roman, als ob er auf Drängen des Verlages in kurzer Zeit entstanden wäre.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 25.12.2016
Candide
Voltaire

Candide


ausgezeichnet

Die beste aller Welten

„Wie grausam hat mich Panglos [Hauslehrer und Metaphysiker] hintergangen, dass er mir vordemonstrierte, die Welt sei die beste.“ (37) Candide, Protagonist der gleichnamigen satirischen Novelle, erfährt, ebenso wie sein Hauslehrer, auf seinen Reisen durch die weite Welt das Gegenteil dieser Weltanschauung. Das Buch ist eine Satire auf den grenzenlosen Optimismus der Philosophie von Leibniz.

Das Buch ist 1759 in Paris erschienen; die deutsche Übersetzung stammt aus dem Jahr 1776. Der Stoff ist aktuell. Die Suche nach einer besseren Welt motiviert seit Jahrhunderten Schriftsteller, Politiker und Theologen. Dennoch sind (dauerhaftes) Glück und Vollkommenheit eine Utopie, für Menschen unerreichbar, wie schon Nagib Machfus in seiner Parabel „Die Reise des Ibn Fattuma“ deutlich gemacht hat.

Candide, und nicht nur er, erleben Krieg, Vertreibung, Vergewaltigung, Inquisition, Erdbeben und Sklaverei. Voltaire propagiert Pessimismus und Skeptizismus und erweist sich als heftiger Kritker von Adel, Klerus und Kriegsführern. Ein sorgenfreies Leben gibt es nicht. Dennoch zeigt er zum Schluss auf, wie man [Mensch] aus der Not eine Tugend machen kann. Da der Mensch so ist, wie er ist, ist das Buch auch in der heutigen Zeit zu empfehlen.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 23.12.2016
Total berechenbar?
Drösser, Christoph

Total berechenbar?


sehr gut

Die Macht der Algorithmen

„Wir haben einen Automaten im Innersten unserer Ökonomien geschaffen, der entschlossen ist, unser Leben zu bestimmen. Der Albtraum der Menschheit, dass die Maschinen die Kontrolle über unsere Welt übernehmen, scheint jetzt schon Wirklichkeit zu werden ...“ [1]

So dystopisch, wie Frank Schirrmacher in „Ego“, beschreibt Christoph Drösser die Verhältnisse nicht. Der Zweck seines Buches ist es, die „Diskussion über die Macht der Algorithmen zu erden“. (11) Im Fokus stehen nicht die Auswirkungen verselbstständigter Ego-Strategien auf unsere Ökonomie, sondern eine eher sachliche Darstellung der Funktionsweise und Anwendungen von Algorithmen.

Ein Algorithmus ist eine Handlungsanweisung, die nach einem reproduzierbaren Schema verläuft. Autor Drösser erläutert im ersten Kapitel Eigenschaften von Algorithmen. Dabei liegt sein Fokus auf elementaren Berechnungen und verschiedenen Sortierverfahren. Letztlich geht es um strukturierte Problemlösungen, wie sie in der Informatik zum Alltag gehören.

Es folgen Beispiele aus dem Alltag der Nutzer der Informationstechnik. Hierzu gehören das patentierte Rankingsystem von Google (s.a. [2]), die Funktionsweise von Routenplanern, die Datenanalysen von amazon, netflix und facebook und die Möglichkeiten und auch Grenzen des Online-Datings. Den heiligen Gral der Partnerschaftsforschung gibt es nicht, denn ob Gegensätze oder Ähnlichkeiten Erfolg versprechen, kann niemand genau sagen.

Aus einer Koinzidenz kann nicht auf Kausalität geschlossen werden. So gibt es über fünf Jahrzehnte ähnliche Kurvenverläufe in der Entwicklung von Rocklängen und in der Entwicklung des Dow-Jones-Index. Sollen auf dieser Grundlage Prognosen erstellt werden? Die wären genauso unsicher, wie die jährlichen Prognosen der Wirtschaftsweisen.

Ein spannendes Thema, dem Schirrmacher [1] ein ganzes Buch gewidmet hat, stellt Drösser auf gerade mal 12 Seiten vor. Dabei haben die Automatismen im Börsenhandel einen enormen Einfluss auf das Wirtschaftsgeschehen. Schirrmacher spricht in diesem Zusammenhang von einem „ökonomischem Imperialismus“. Drösser kann dem Hochfrequenzhandel auch positives abgewinnen, da „die Computerverfahren den Börsenhandel auch demokratisiert haben“. (148)

Drösser stellt in eigenen Kapiteln Verschlüsselungs- und auch Komprimierungsverfahren vor. Das macht er auf anschauliche Art und Weise. Es wird verständlich, wie eine Nachricht verschlüsselt, aber für den Empfänger lesbar, von A nach B geschickt werden kann. Wer es genauer wissen will, greift auf Fachliteratur, von z.B. Klaus Schmeh [3], zurück.

„Total berechenbar?“ ist ein verständliches Buch für eine breite Leserschaft. Die zugrunde liegenden Methoden sind Drösser so wichtig, dass er in einem Nachwort weitere gängige Algorithmen vorstellt, die im Haupttext vernachlässigt wurden. Der Autor zeigt Möglichkeiten und Grenzen der Berechenbarkeit auf. Das Fragezeichen im Titel ist berechtigt. Der Autor bewegt sich durchgängig auf einer wohltuend sachlichen Ebene.

[1] Frank Schirrmacher: „Ego“, S. 15 und 43
[2] Gerald Reischl: „Die Google Falle“
[3] Klaus Schmeh: „Kryptografie“