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Bibliomarie

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Insgesamt 1032 Bewertungen
Bewertung vom 26.12.2019
Tod in der Speicherstadt
Marschall, Anja

Tod in der Speicherstadt


ausgezeichnet

Hamburg, das 19. Jahrhundert neigt sich dem Ende zu. Im Hafen und den angrenzenden Gängevierteln gärt es. Die Arbeiter in den Speichern und im Hafen können von den geringen Löhnen kaum überleben, während die Kaufmannschaft immer weiter prosperiert.

Kommissar Hauke Sötje kommt nach Hamburg um einen rätselhaften Schiffsbrand zu untersuchen. Rätselhaft deshalb, weil es den Ewer offiziell gar nicht gibt. Nirgends ist die „Wilhelmine“ gelistet und für den geladenen Kaffee gab es auch keine Frachtpapiere. Schmuggel ? Die Verantwortlichen im Freihafen sind überzeugt davon, dass keine Bohne unverzollt den Speicher verlässt.

Es gibt auch einen Toten, bis zur Unkenntlichkeit verbrannt und nur an einem Siegelring als Sohn des Kaffeebarons Bellingrodt zu erkennen. Doch in der Familie kommt Sötje mit seinen Ermittlungen nicht weiter, Johann war das schwarze Schaf der Familie und es scheint, dass weder Vater noch Bruder sonderlich trauern.
Aber da ist ja noch Sötjes Verlobte Sophie, die als Hauslehrerin in einer Kaufmannsfamilie angestellt ist und so eher Zugang zu Frau Bellingrodt bekommt.

Ich kannte bisher noch keinen historischen Hamburg-Krimi aus der Feder von Anja Marschall und dass ich mit dem vierten Band einstieg, habe ich anfangs gar nicht richtig bemerkt. Ich fand die Figur des Kommissars so eingängig beschrieben, dass er mir sofort ganz vertraut war. Wenn mal auf frühere Begebenheiten Bezug genommen wird, erklärt sich das auch gleich in der Handlung.

Besonders hat mir die kenntnisreiche Beschreibung des Hafenlebens aus der Zeit gefallen. Das war wie eine Geschichtsstunde aus erster Hand. Das Leben der rechtlosen Arbeiterschaft, die geringen Löhne, die nicht mal zu einer ausreichenden Wohnung oder Ernährung reichen und im Gegensatz der Luxus der „feinen“ Gesellschaft , ergibt einen farbigen und unglaublich interessanten Hintergrund für diesen Krimi. Hier merkt man die Liebe der Autorin zur Stadt und ihrer Geschichte. Ich bin richtig eingetaucht und hatte gleich die Bilder der Speicherstadt vor Augen.

Die Ermittlung der noch neuen „Criminalpolizei“ mit Hauke Sötje sind spannend und bekommen noch eine zusätzliche Würze durch Haukes Verlobte Sophie. Die ist mit einem rechten Sturkopf und auch Selbstbewusstsein ausgestattet und lässt es sich nehmen auf ihre Weise nach Spuren zu suchen.

Bis zum überraschenden Schluss hat mich jede Seite gefesselt und ich mochte das Buch gar nicht aus der Hand legen. Deshalb eine klare Leseempfehlung für Krimisfans.

1 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.12.2019
Geheimnisse der Hecken
Beiser, Rudi

Geheimnisse der Hecken


ausgezeichnet

Mir hatte das Buch schon beim ersten Durchblättern und Anlesen gut gefallen. Nicht nur die Fotos, auch die vielfältigen Informationen sind schön zugeordnet. Es geht ja nicht nur um die Beschreibung der einzelnen Heckensträucher, auch die geschichtliche und ökologische Bedeutung der Pflanzen kommt nicht zu kurz und da habe ich so viel Neues erfahren! Vielen Heckensträuchern wurde im Altertum und Mittelalter eine medizinische Wirkung nachgesagt und grade heute wird das zum Teil von der Pharmaforschung bestätigt.

Je länger ich mich mit dem Buch beschäftige, desto besser gefällt mir die Gestaltung. Es ist ein Buch, das man wirklich immer wieder zur Hand nehmen kann und man wird jedes Mal wieder etwas Neues entdecken und lernen. Dabei hat es auch einen praktischen Wert, wenn man Heckensträuchern auch im Garten wieder einen Platz geben möchte.

Man sollte nicht nur über die Renaturierung von Bachläufen nachdenken, auch die längst durch die großen Anbauflächen verschwunden Hecken an Feldrainen haben eine große Bedeutung für unsere Ökologie als Futter- und Schutzraum für Insekten, Vögel und Kleintiere.

Neben den botanischen Erläuterungen gibt es zu jeder Pflanze auch Vorschläge und Rezepte für die Nutzung der Beeren und Blüten. Was mir auch gefallen hat, sind die Ausflüge in das Reich der Mythologie. Hecken hatten im Volksglauben immer schon eine besondere Bedeutung. Das alles hat der Autor Rudi Beiser zusammengefasst und damit ein Buch vorgelegt, das man immer wieder gern und mit Nutzen zur Hand nimmt.

Wunderschöne Fotos und ein gelungenes Layout runden das Buch ab und ich wünschte, dass viele Leser dann nicht mehr nur Thuja-Hecken oder Gabionen zur Gartengestaltung in Betracht ziehen.

Bewertung vom 20.12.2019
Der Kommissar und die Tote von Saint-Georges / Philippe Lagarde ermittelt Bd.11 (eBook, ePUB)
Dries, Maria

Der Kommissar und die Tote von Saint-Georges / Philippe Lagarde ermittelt Bd.11 (eBook, ePUB)


sehr gut

Philippe Lagarde ist zwar im Ruhestand, aber bei schwierigen Fällen wird er immer wieder gern aktiv. So bittet ihn das Ehepaar Lamare endlich den Mord an ihrer Tochter aufzuklären, obwohl der Fall wohl schon längst zu den Akten gelegt wurde. Aber Monsieur Lamare hat einflussreiche Bekannte und so bekommt Lagarde schnell Zugang zu allen Akten und muss feststellen, dass bei den Ermittlungen unglaublich geschlampt wurde. Schnell stellt er sein Team aus alten Weggefährten zusammen und mit Valérie, einer jungen Polizistin, die Lagarde sehr schätzt, hat er auch gleich eine Verbindung zur offiziellen Dienststelle.

Stück für Stück beginnen sie den Fall aufzudröseln und alte Spuren zu verfolgen, dabei wird ihnen schnell klar, der Mord an Claire Lamare war kein Einzelfall.

Philippe Lagarde ist eine Art Super-Polizist. Er verfügt über jede Menge hilfreiche Beziehungen, ausreichende finanzielle Mittel und Freunde, die fast jedes Spezialgebiet abdecken. Dabei ist er ein typischer Franzose, der das Leben und seine Lebensgefährtin liebt, gutes Essen und gute Weine und sich durch nichts aus der Ruhe bringen lässt. Trotz dieser ganzen Eigenschaften ist er recht sympathisch dargestellt und ich lese gerne die Krimis um diesen Protagonisten.

Der Fall ist spannend und es hat mich interessiert die Spurensuche mit zu verfolgen und vielleicht auch schon auf die Spur des Täters zu kommen. Da fließt bei den Beschreibungen immer sehr viel Savoir-vivre mit ein. Die Landschaft Nordfrankreichs, spielt eine gewichtige Rolle und die Produkte der Normandie dürfen bei keiner Mahlzeit fehlen. Ich mag das eigentlich sehr gerne, hätte allerdings nicht bei jeder Mahlzeit bis hin ins kleinste Bistro, die komplette Menükarte samt Zubereitungstipps gebraucht. Aber das gehört bei Maria Dries‘ Krimis dazu und ergibt dann eben den typischen Urlaubs- und Landschaftskrimi, der bestens unterhält.

Bewertung vom 17.12.2019
Lavendel-Gift / Lavendel-Morde Bd.2
Bernard, Carine

Lavendel-Gift / Lavendel-Morde Bd.2


sehr gut

Lilou Braque wurde für das letzte Praktikum vor ihrer Ernennung zur Kommissarin nach Carpentras geschickt, dabei hatte sie fest mit Paris gerechnet. Doch das zauberhafte provenzalische Städtchen gefällt ihr. Nicht so schön ist, dass ihr Vermieter, ein liebenswerter alter Herr, einem Mord zum Opfer fiel. Sie fühlt sich persönlich betroffen, hat sie ihm doch ab und zu vorgelesen oder etwas frisch Gekochtes gebracht. Zum Dank hat er ihr sogar eine Kladde mit handschriftlichen Kochrezepten, die von einem berühmten Sternekoch stammen sollten, geschenkt.

Im Kommissariat herrschen noch etwas althergebrachte Vorurteile: eine junge Frau als Kommissarin, die dazu noch einen eigenen Willen hat – da tun sich ihr Vorgesetzter und ihre Kollegen noch schwer. Aber Lilou möchte nicht immer nur Berichte tippen oder Kaffee kochen. Obwohl der Mordfall schon mit einer Einbrecherbande in Verbindung gebracht wurde und deshalb andere Spuren nicht weiter verfolgt werden, beginnt sie auf eigene Faust zu ermitteln und Hinweisen nachzugehen.

„Mord nach provenzalischer Art“ so beginnt die Beschreibung des Klappentextes und das Versprechen wird gehalten. Es ist ein frischer Krimi um eine junge Polizistin, die gern mal mit dem Kopf durch die Wand gehen möchte – was ja nicht immer verkehrt ist. Wunderschöne, bildhafte Landschaftsbeschreibungen und ausführliche kulinarische Ausflüge ergänzen die Geschichte und machen es zu einem richtigen kleinen Kurzurlaub. Wenn Lilou über einen Markt schlendert und Gemüse für ein Ratatouille aussucht, möchte man am liebsten gleich mit einkaufen.

Die Figuren gehen nicht allzu sehr in die Tiefe, sind aber gut dargestellt und passen zum unterhaltsamen Krimi. Der ist auch spannend geschrieben, auch wenn es nicht zum Nägelknabbern reicht.

Eine runde Geschichte mit einer sympathischen Hauptfigur und ganz viel Frankreich-Feeling.

Bewertung vom 13.12.2019
Bodden-Nebel
Kastner, Corinna

Bodden-Nebel


ausgezeichnet

Die Schriftstellerin Greta Röwer arbeitet an einer Auftragsbiografie. Der Oberstaatsanwalt Neumann möchte so seiner Großtante, einer Regionalschriftstellerin, ein Denkmal setzen. In diesem Zusammenhang tauchen Briefe auf, die einen direkten Bezug zu Carl Röwer, dem Großvater ihres Mannes haben. In diesen Briefen ist vom Absturz einer englischen Militärmaschine im Jahr 1943 die Rede. Drei der Besatzungsmitglieder starben in Folge der brutalen Polizeiverhöre. Das Schicksal des vierten Mannes blieb ungeklärt. Greta und ihr Mann Matthias beginnen nachzuforschen und stoßen im Garten auf ein Kellergewölbe, darin eine skelettierte Leiche.

Nicht schon wieder, scheinen die Beiden zu denken. Denn ein Leichenfund brachte erst vor kurzem Matthias unter Mordverdacht und führte schließlich zur Heirat von Matthias und Greta. Auch dieses Mal ermittelt Hauptkommissar Harms und ist wahrlich nicht erfreut über die neuerlichen detektivischen Alleingänge des Ehepaars Röwer.

Corinna Kastners Fischlandkrimis, und da ganz besonders die Bücher mit den Hobbyermittlern Röwer, sind meine Lieblingskrimis. Selten gehe ich so in einer erdachten Geschichte auf. Inzwischen ist mir Wustrow und Barnstorf vertraut, die Krimis haben mich inspiriert, die Orte zu besuchen. Da spüre ich wirklich aus jeder Zeile die Vertrautheit und die Liebe der Autorin zu diesem Landstrich.

Sicher liegt es an Erzählstil der Autorin, dass ich jedes Mal von neuem begeistert bin. Sie malt Bilder mit Worten und die Stimmungen von Fischland inspirieren ihre Krimis,so dass ich immer das Gefühl habe, mitten im Geschehen zu agieren. Dabei ist der Plot wieder sehr spannend und raffiniert ausgedacht. Die Geschehnisse spannen einen Bogen von der Kriegszeit bis in die Gegenwart und mit Auffinden des Toten scheinen die Ereignisse, die mehr als 60 Jahre vergessen waren, wieder aktuell zu werden.

Besonders gefallen mir die Charaktere, sind ausdrucksstark beschrieben und sind mir richtig vertraut geworden. Die Entwicklung der einzelnen Figuren ist spannend zu verfolgen, aber keine Angst – auch wenn man zum ersten Mal einen Fischland Krimi liest, muss man sich um mangelnde Vorkenntnisse keine Sorgen machen. Man ist als Leser ganz schnell in diesem besonderen Kosmos heimisch.

Wieder ist es Corinna Kastner gelungen, mir einen „Lieblingskrimi“ zu bescheren und ich kann diese Autorin und ihre Bücher allen Krimilesern nur wärmstens empfehlen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.12.2019
Blutige Insel. Ostfrieslandkrimi
Jensen, Dörte

Blutige Insel. Ostfrieslandkrimi


sehr gut

Die erfolgreichen Schlagerpartys im Hotel Friesenkönig sind legendär. Sonnyboy Benjamin Gramberg, der Bruder des Hotelbesitzers ist der DJ und die Frauenwelt liegt ihm zu Füßen. Sein Verhältnis zu Bruder Jannik, der sich um die Finanzen und die Planungen im Hotel kümmert, ist unterkühlt. Aber auch auf der Insel verfolgt man den Erfolg des Friesenkönigs mit gemischten Gefühlen, die Leute strömen zwar in Scharen, aber die alteingesessenen Lokale haben immer mehr das Nachsehen. Es gibt sogar anonyme Drohungen gegen das Hotel, die die Grambergs natürlich verschweigen.

Dann wird Aileen, eine Angestellte des Hotels tot am Strand gefunden, sie wurde ertränkt. Die Brüder Gramberg waren die Letzten, die mit ihr zu tun hatten.

Norderney mal von einer anderen, einer mörderischen Seite! Der Ostfriesenkrimi punktet mit einem raffiniertem Plot und dem unkonventionellen Ermittlungen von Kriminalkommissar Joost Kramer. ER macht zusammen mit seiner Freundin Ricarda Urlaub auf der Insel, liebäugelt aber mit einer Rückkehr in seine Heimat. Dass er der örtlichen, unterbesetzten Polizeidienststelle unter die Arme greifen kann, ist ein erster Schritt.

Als die Ermittlungen stocken, Alibis hieb- und stichfest erscheinen, haben Joost und Ricarda einen genialen Plan. Der widerspricht zwar jeglicher realistischer Polizeiarbeit, aber dem Leser beschert es eine spannende Handlung.

Joost Kramer und Freundin Ricarda lösen nun schon ihren sechsten gemeinsamen Fall. Aber auch für mich Neueinsteigerin gab es keine Schwierigkeiten in den Krimi zu finden. Man braucht also nicht unbedingt Vorkenntnisse.

Den Krimi zeichnet sein frisches Lokalkolorit aus. Norderneyer Inselfeeling spürt man wie die frische Brise an der See auf jeder Seite. Das macht auch einen großen Teil des Reizes des Krimis aus.

Spannende Lektüre für den Urlaub oder um sich die Zeit bis zum nächsten Küstenurlaub zu verkürzen.

Bewertung vom 10.12.2019
Marzahn, mon amour
Oskamp, Katja

Marzahn, mon amour


ausgezeichnet

In der „Zeit“ bin ich in der Rubrik ,Freitext‘ auf Katja Oskamps Geschichten einer Fußpflegerin in Marzahn gestoßen. Und diese kleine Erzählung hat mich neugierig gemacht. Nun sind die Beiträge als Buch erschienen „Marzahn, Mon Amour“ und es ist nicht nur eine Liebeserklärung an einen Stadtteil, es ist vor allem eine Liebeserklärung an die Menschen, die dort leben.

Die Alten, die seit dem Erstbezug der Plattenbauten dort leben, die neu Dazugekommenen, für die Marzahn in erster Linie billiges Wohnen bedeutet und all die Menschen, die man als typische Berliner bezeichnen könnte. Nie gibt sie ihre Protagonisten der Lächerlichkeit preis, sie lässt ihnen ihren Stolz auf ihr Leben und ihr Berlin. Das hat mich beeindruckt.

Ich fand ihre Erzählungen warmherzig und sehr dem Menschen zugewandt. Sie lässt die ihre Charaktere für sich selbst sprechen und grade zwischen den Zeilen kann man vieles von den Brüchen der Wendezeit ahnen. Ich mochte alle ihre Klienten, vielleicht nicht grade den Herrn Hübner, aber er gehört auch im Biotop in Marzahn dazu. In ihren Geschichten findet sich zarte Poesie, aber auch das derbe Leben. Das unter einen Hut zu bringen ist Katja Oskamp wunderbar gelungen.

Ich liebe diese Geschichten der Schriftstellerin aus Marzahn, die – weil man nicht immer von literarischer Arbeit leben kann, auch als Fußpflegerin tätig ist.

9 von 9 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.12.2019
Eisige Weihnachten
Danz, Ella

Eisige Weihnachten


weniger gut

In der Adventszeit muss ich mir immer einen Weihnachtskrimi aussuchen. Was passt besser zu schlechtem Wetter und heißem Tee mit Plätzchen.

Eisige Weihnachten von Ella Danz führt mich in das tief verschneite Thüringen. Anke, die komplizierte Schwester der Hauptperson Kerstin, will die ganze Familie unter’m Tannenbaum versammeln und hat sich dafür ein einsames Berghotel nahe des Thüringer Rennsteigs ausgesucht. Dort sollen alle Geschwister, samt Kindern und alten und neuen Ehepartnern zusammenkommen. Kerstin ist alles andere als begeistert von dieser Idee, aber um ihren Vater zu treffen, sagt sie zu. Auch wenn sie dann die Kröte in Form ihrer neuen Schwiegermutter und neuer Stiefmutter schlucken muss. Außerdem möchte sie die ruhige Zeit nutzen, um mit ihrem Mann Andre über eine Trennung zu sprechen.

Angekommen ist das Hotel verwaist. Seit kurzem für immer geschlossen und niemand hat die Familie benachrichtig. Was für ein Glück, dass zufällig (!) die Besitzerin vorbeikommt und der Gruppe das Hotel zum Übernachten anbietet, inklusive Selbstversorgung mit den Dingen die noch in Keller und Vorratsräumen zu finden sind. Das hätte ja ganz nett werden können, wenn da nicht ständig Kerstin unerklärliche Unfälle zustoßen würden.

Das verschneite Hotel ohne Telefon und Handyempfang ist ja ein klassischer Schauplatz für einen Winterkrimi. Das ist wirklich sehr hübsch beschrieben und die Reibereien der Familienmitglieder sind außerdem ganz witzig. Wer Geschwister hat, weiß wohl wie sich das anfühlt. Amüsiert haben mich die Bemerkungen zwischen Ossis und Wessis. Kerstins Mann und ihre neue Schwiegermutter sind in Thüringen aufgewachsen und reagieren auf jede, ganz allgemeine Kritik recht verschnupft. Gut, dass wenigstens die Soljanka allen schmeckt.

Zwar ist schon nach kurzer Zeit ziemlich klar, was wirklich hinter Kerstins Pech und Ungeschicklichkeiten steckt, aber trotzdem hätte der Geschichte ein mehr Pep und Spannung gut getan. Als Kurzgeschichte hätte das wohl gut funktioniert, aber als 260 Seiten Buch wirkt es langatmig und so ganz ohne Raffinesse.

Bewertung vom 06.12.2019
Die Tränen von Triest
Maxian, Beate

Die Tränen von Triest


sehr gut

Nach einem Schwächeanfall liegt der hochbetagte Großvater von Johanna Silcredi im Krankenhaus. Bernhard Silcredi hat eine Bitte an seine Enkelin, er will endlich erfahren, wer sein Vater war. Die Mutter hat sich immer ausgeschwiegen. Die Wurzeln der Famile Silcredi liegen in Triest. So reist Johanna nach Italien, der einstige Familienbesitz ist längst in eine Frühstückspension umgewandelt worden und Johanna unternimmt diese Reise auch, weil sie just an ihrem Geburtstag von ihrem Freund verlassen wurde.

In dieser Pension trifft sie Charlotte von Uhlrich, eine alte Dame, die zu einer Beerdigung angereist ist. Auch die Uhlrichs haben alte Verbindungen nach Triest und es scheint, als ob auch Charlotte Vergangenes ergründen will.

Zwei Zeitebenen verbindet Beate Maxian in ihrem wunderschönen Familienroman. Die Geschichte der Familien Silcredi und Uhlrich Anfang des 20. Jahrhunderts und die Gegenwart, in der Johanna nach der Trennung einen Neuanfang will.

Ich bin immer wieder begeistert, wie farbig die Autorin die Geschichte lebendig werden lässt. Triest, die große Handelsmetropole in der Zeit vor dem ersten Weltkrieg ersteht vor meinen Augen. Mit Johanna kann ich durch die Straßen der Stadt streifen, die Atmosphäre der Kaffeehäuser schnuppern und die vergangene Größe der Stadt ahnen. Stimmungsvolle Beschreibungen sind die Stärke von Beate Maxian. Das spürt man ganz besonders, wenn sie über die Umbrüche während und nach dem ersten Weltkrieg beschreibt. Eine neue Zeit bricht an, die besonders für Afra von Silcredi, Bernhards Mutter bedeutsam sind. Johanna erfährt viel über ihre Ahnin und dadurch auch ein wenig über sich selbst. Damit wird auch die Handlung der Gegenwart zu einer spannenden Lektüre und ich habe auch Johannas „Neustart“ sehr genossen.

Beate Maxian schafft es mit jedem ihrer Romane mich zu fesseln. Ich mag ihren Schreibstil, der viel Esprit hat und immer auch Wiener Charme aufblitzen lässt. Wenn sie ihre Protagonistin einmal ganz spontan „bist deppert“ ausrufen lässt, muss ich schmunzeln. Sehr feinsinnig verwebt sie Familiengeschichten mit Historie. Ihre Figuren gestaltet sie so lebensecht, dass ich sie wie echte Personen vor Augen habe, sie sind immer absolut stimmig in ihrer Zeit. Ihr gelingt es wirklich mich von Anfang an zu fesseln. Das hat sich bei jedem ihrer Romane für mich bestätigt.

Wer ist mit Anspruch unterhalten will, für den sind Beate Maxians Büchern immer die erste Wahl.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.