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Wedma

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Insgesamt 546 Bewertungen
Bewertung vom 08.12.2017
Die phantastische Welt des Märchenkönigs (eBook, ePUB)
Reichold, Klaus; Endl, Thomas

Die phantastische Welt des Märchenkönigs (eBook, ePUB)


sehr gut

Die vorliegende Biographie (Bio) vom Märchenkönig von Bayern Ludwig II. (1845-1886) habe ich gern gelesen, einiges Neues darin entdeckt, habe mich dabei prima unterhalten gefühlt, daher empfehle ich das Buch auch gern weiter.

Auszug aus dem Prolog: „Dieses Buch ist ein Kolportagebericht, ein Klatschreport, eine Art ‚Yellow Press‘ des neunzehnten Jahrhunderts. Augenzeugenberichte sind die Basis dieser Darstellung.“
Das halte ich für ein dezentes Unterstatement. Diese Bio ist wesentlich mehr als das geworden. Sie ist ein gelungenes Portrait eines Visionärs, eines Genies, der nur wenigen seiner Zeitgenossen begreiflich und seiner Zeit weit im Voraus war. Er wurde hier als ganze Person mit seine Stärken, Schwächen und Zweifeln gezeigt.
Man erfährt mehr über Ludwig II. als nur die Dinge, die Augenzeugen zu berichten wussten. Über seine Herkunft, seine Eltern liest man paar Kernpunkte, auch ihre Fotos sind dabei. Man sieht, dass er seiner Mutter in jungen Jahren sehr ähnlich aussah. Über seine frühere Begeisterung für Elisabeth von Österreich-Ungarn (1837-1898) gibt es auch paar Zeilen samt Foto der beiden auf der Blumeninsel. Bereichernd fand ich die hier zitierten Gedichte der Kaiserin, die z.T. auf die Kritik an Ludwig II. eingingen und nicht nur den klaren Verstand und Talent der Verfasserin bezeugen, sondern u.a. auch dass Ludwig II. von manchen Freigeistern seiner Zeit auch richtig verstanden wurde.

Den Teil über seine Pläne auszuwandern, da sein Sekretär nach geeigneten Gegenden bereits Ausschau gehalten und ihm die Beschreibungen vorgelegt hat, ist neu, denn in keiner anderen Quelle habe ich diese Info bisher vernehmen können.

Diese Bio ist auch vom Aufbau her etwas Besonderes. Sie fängt mit den Tod Ludwigs II. an und arbeitet sich anschließend von seiner Jugend mit all seinen vielfältigen Interessen und sehr wohl geübtem Verstand eines Forschers und Visionärs über die reifen Jahre seiner erfolgten Bauprojekte, seiner gelebten Homosexualität und sonstigen Andersartigkeit, seinen Krankheiten zum Schluss bis zu seiner Unsterblichkeit.

Ludwig II. wurde kurz vor seinem Tod für Verrückt erklärt, dabei liest es sich eher heraus, dass er es keineswegs war, vielmehr war er ein Kaiser, der viel weiter blicken konnte als die meisten, die sich anmaßten, über ihn zu urteilen. Die Kleingeister von Ministern haben ihn für verrückt erklären lassen, u.a. weil er so viel Geld für seine in die Zukunft gerichteten Projekte ausgab und sich sonst wenig um die Regierungsroutine kümmerte. So gesehen war es ein Staatsstreich, bei dem der König, der sich anders als erwartet erwies, klammheimlich eliminiert wurde. An diesem Bps. kommen wir zur Art der Stoffdarbietung, die mir hier auch zugesagt hat. Die Autoren legen sich bei einigen Fragen, die niemand definitiv beantworten kann, nicht auf irgendeine Version fest, sondern liefern den Stoff, durchaus kontroversen Charakters, der die Leser dazu verleitet, selbst über das Gelesene nachzudenken und, falls erwünscht, zum eigenen Entschluss zu kommen.

Zum Schluss gibt es ein Interview mit einem 3-D Spezialisten Gerd Hirzinger, der vieles aus den Ludwigs II. Projekten in 3D nachgestellt hat. Es gibt Fotos vom Luftschiff, ähnelt einem Zeppelin, dessen Entstehung von Ludwig II. mitfinanziert wurde, auch zwei Fotos der 3-D Nachstellungen von seinen „Architekturvisionen“ der Schlösser, die nie erbaut wurden.

Es gibt recht viele Fotos. In der E-Book Version auf dem Tablett sehen sie gestochen scharf aus, die Farben sind satt und prächtig. Die Links hinten im Buch, nach Literaturverzeichnis, führen direkt zu buchrelevanten I-Seiten wie den Webseiten von den Schlössern, Familie Wittelsbacher, Museen, etc.

Fazit: Eine gut gelungene Biographie von Ludwig II. Wer wissen möchte, wie er als Person war, was ihn interessiert, was ihn bewegt hat, ist bei dieser Bio an einer sehr guten Adresse.

Bewertung vom 22.11.2017
Ehemänner
Attenberg, Jami

Ehemänner


ausgezeichnet

Jarvis Miller, eine schöne junge Frau, lebt allein und weitestgehend zurückgezogen in einer großen Wohnung in Williamsburg, New York, da ihr Mann, ein bekannter und gefragter Künstler, seit sechs Jahren im Koma liegt. Eines Tages sucht sie ein Waschsalon auf, da ihre Waschmaschine kaputtgegangen war, und lernt dort drei Ehemänner kennen, deren Frauen Geld verdienen, die Männer währenddessen schöne Zeit genießen. Dieses Treffen, dem auch paar weitere folgen, verändert nicht nur Jarvis‘ Leben, sondern auch das der Männer.
Der Roman spielt im Künstlermilieu in New York, das von Neid, Egoismus und Missgunst geprägt ist. Manche Figuren sind nicht konventionelle Persönlichkeiten. Es gibt aber auch ganz „normale“ Leute wie Jarvis‘ Freundin Mariza und ihre Familie. Ihre Präsenz war als Kontrast und insg. sehr bereichernd.
Allem voran fiel die tolle Sprache auf. Sie war oft der Grund, das Buch kaum aus der Hand legen zu wollen. Die Geschichte ist aus Jarvis‘ Perspektive erzählt worden. Sie ist auch eine nicht konventionelle Persönlichkeit, ein wenig Kunst studiert, deren Sicht der Dinge einfach Spaß macht und entsprechend passend zur Sprache gebracht wurde: unverbrauchte Metaphern, lebensnahe Bilder ihres Stadtteils, frischer Ausdruck voller poetischer Momente. Alles kommt so ungezwungen und sehr authentisch rüber.
Die Handlung hat mich oft überrascht, denn die Wendungen konnte ich nicht vorausahnen. Das passte zu Jarvis und ihren Freunden, alten wie neuen, sehr gut.
Die Themen sind aktuell und sehr gut ausgearbeitet worden: Vor dem Hintergrund der Einsamkeit in einer großen Stadt voller Menschen die Suche nach eigener Identität, nach dem Sinn im Leben, nach Erfüllung, Glück und Liebe. Aber auch Themen wie Sterbehilfe, Familienzusammenhalt, Freundschaft, Vater-Tochter, Mutter-Tochter Beziehung, Umgang mit älteren, dementen Personen, etc. waren gekonnt in den Erzählteppich eingeflochten worden.
Die Auflösung mag vordergründig etwas irritierend vorkommen, aber wenn man weiterdenkt, merkt man, dass sich die Lösung auf einer anderen Ebene abspielt, frei nach dem Motto: „If you want to change the world, change yourself.“ Wie oft ist es schon passiert, dass man dasitzt und wartet, dass sich die Welt so verändert, dass es einem in das eigene Weltbild passt. Wenn man aber die eigene Einstellung verändert und entsprechend handelt, dann ändert sich einiges ganz entscheidend.
Es gibt auch viele schöne, bemerkenswerte Gedanken über die Liebe und das Leben, die jedes Zitatenheft zieren können. Eine Kostprobe:
„Ich glaube nämlich immer noch an Kunst. Ich glaube an die Macht der Farben, dass sich die Farben in Bedeutung und Gewicht und Substanz unterscheiden, dass Farben eine Naturgewalt sind, der realen wie imaginären Natur. Ich glaube an Struktur, daran, dass es etwas bedeutet, wie sich ein raues Stück Holz anfühlt, ebenso sehr wie die Glätte von Eisen oder die Unebenheiten getrockneter Farbe auf Leinwand, und dass die Bedeutungen unterschiedlich sind. Ich glaube an das Licht, das aus einem Foto kommt, und glaube im selben Moment ebenso an die gemalte Repräsentation ohne jegliches Licht. Ich glaube, all das ist wahr, und all das ist Lüge, und all das ist wichtig für mich. Nichts, was geschehen ist, wird jemals etwas daran ändern.“ S. 318.
Das Buch ist toll gemacht. Fester Einband in Dunkellila, Umschlagblatt, Lesebändchen. Alles passt prima zum Inhalt. Sehr schön als Geschenk.

Fazit: Ich habe den Roman sehr gern gelesen. Er hat mir schöne, erfüllte Lesestunden geschenkt. Ich freue mich, Jami Attenberg, diese talentierte und bemerkenswerte Autorin entdeckt zu haben und verbleibe auf ihre weiteren Werke sehr gespannt. Von mir gibt es 5 Sterne und eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 22.11.2017
Zum Aufgeben ist es zu spät!
Ameruoso, Timo

Zum Aufgeben ist es zu spät!


ausgezeichnet

Klappentext fasst den Inhalt prima zusammen: „Grenzen gibt es nur im Kopf.
Vor Timo Ameruoso lag eine vielversprechende Karriere als professioneller Springreiter, bis ihn ein tragischer Unfall mit 16 Jahren in den Rollstuhl zwang. Was ihn rettete, war seine Liebe zu Pferden und der Wunsch, wieder reiten zu können. Timo begann, sich intensiv mit dem Wesen der Pferde zu beschäftigen, und entdeckte dabei viele Parallelen zwischen ihnen und uns Menschen. Fünf zentrale Eigenschaften hat er herausgefiltert, die ihm bei der Arbeit mit Pferden und im Leben als Ganzes weitergeholfen haben. In diesem Buch erzählt er anhand seiner eigenen Geschichte, wie es gelingen kann, trotz schwerster Schicksalsschläge seinen Weg zu gehen, um langfristig erfolgreich und glücklich zu werden – und zu bleiben.“
Durch seine Liebe zu Pferden hat Timo nicht nur sich selbst neu erfunden, er hat zu sich, zu seinem wahren Ich gefunden. Andere wichtige Dinge wie Lebensaufgabe, von der er auch leben kann, eine Traumlebenspartnerin kamen dazu.
In der ersten Hälfte bilden Pferde den Schwerpunkt seiner Erzählung. Er erklärt, wie die Pferde denken, was ist ihnen wichtig und warum, z.B. dass es für sie ein Graus ist, in die Pferdebox zu gehen und wie man sie trainieren kann, dies problemlos zu tun. Er beschreibt an konkreten Beispielen auch die typischen Fehler, die Pferdebesitzer oftmals machen. Er stellt auch klar, dass Gewalt im Umgang mit Pferden absolut keine gute Lösung ist und schadet nicht nur den Tieren, sondern in der ersten Linie denjenigen, die diese den Pferden antun.
In der zweiten Hälfte widmet er sich seinem Werdegang und erzählt, was er anfangs falsch gemacht hatte, von welchen falschen Denkmustern er fehlgeleitet war. Er zeigt auch, wie er seine alten Verhaltensmuster durchbrechen konnte, denn nur durch das Bestreiten der neuen Wege kann man die neuen Horizonte entdecken und sich neue Ziele setzen können.
Es liest sich leicht und angenehm. In nur paar Sitzungen hat man das Buch durch.
Sympathisch ist, dass er über seine Fehler genauso offen wie über seine Erfolge redet. Er hatte keineswegs einen gradlinigen Weg. Oft genug und lange genug hat er sich an Dinge geklammert, die ihm nicht guttaten. Oder an seine Fähigkeiten, an sich selbst nicht geglaubt und deshalb nicht auf den grünen Zweig kam.
Das Cover ist ein tolles Foto von Timo mit dem Pferd. Einen richtig schönen, innigen Moment erwischt. Es gibt noch mehr Fotos, in schwarz-weiß, von Timo mit Pferden im Buch.
Die 5 Dinge, die auf dem Cover angekündigt sind, gibt es im Laufe seiner Erzählung bildhaft präsentiert und zum Schluss nochmals auf einer Seite aufgelistet.
Paar Lebensweisheiten, die Timo aus eigener Lebenserfahrung bestätigen kann, findet man im ganzen Text hier und dort verstreut, besonders spannend sind sie zum Schluss.

Fazit: Es ist ein eigenartiges Buch geworden, ein lehrreicher Lebensbericht: lebensbejahend, Mut machend, optimistisch stimmend, zum Nachdenken anregend. Für Pferdeliebhaber und nicht nur. Selbst wenn man mit Pferden nicht viel zu tun hat, erfährt man, wie sie „ticken“, was Menschen aus dem Umgang mit diesen intelligenten Tieren über sie und über sich selbst lernen können, wie sie daran persönlich wachsen können. Sehr lesenswert.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 16.11.2017
Die Krise der Demokratie und wie wir sie überwinden
Lammert, Christian;Vormann, Boris

Die Krise der Demokratie und wie wir sie überwinden


ausgezeichnet

Das vorliegende Werk von Christian Lammert und Boris Vormann ist eine sehr gute Adresse, wenn man die gegenwärtige Krise der Demokratie in USA und Europa begreifen will.
Die Autoren nehmen die Krise als Chance und, in Zusammenhängen über die Ursachen und Hintergründe nachdenkend, haben nicht nur eine treffende wie wohl recherchierte und somit wohl begründete Analyse des Niedergangs zu bieten.
Sie erarbeiteten auch die Wege aus der Krise, ihre möglichen Finanzierungsmodalitäten, v.a. für USA, und nannten zum Schluss die Voraussetzungen, die Umstände, unter welchen diese Lösungsvorschläge erfolgreich umgesetzt werden könnten.
Was die beiden Autoren vorschlagen hat Hand und Fuss, kann beten und singen. Die Politiker, hüben wie drüben, sollten dieses Buch unbedingt gelesen haben. Es ist eine wahre Fundgrube an Anregungen und Lösungen, Auswegen aus der heutigen, wenig zufriedenstellenden, für viele Beteiligten aussichtlosen Situation.
Zu den Autoren, laut der I-Seite des Verlags:
„Boris Vormann ist Professor für Politikwissenschaften am Bard College in Berlin. Seine Forschung befasst sich vergleichend mit der Politik Nordamerikas und Staat-Markt-Beziehungen im Kontext von Globalisierungs- und Urbanisierungsprozessen.“
„Christian Lammert ist Professor für die Innenpolitik Nordamerikas am John-F.-Kennedy-Institut der Freien Universität Berlin. Zu seinen Forschungsgebieten gehören die politischen Systeme in den USA und Kanada sowie die vergleichende Wohlfahrtsstaatsforschung.“
Das Buch liest sich gut und flüssig, alles ist sehr verständlich dargelegt worden, sodass niemand sich Sorgen zu machen braucht, ob er den Inhalt verstehen wird.
Die angegebenen Quellen sind im besten Sinne die weiterführende Literatur, eine Fundgrube, die manchem Studenten sehr gut weiterhelfen kann.

Fazit: Ein sehr lesenswertes Werk, das Lust auf mehr macht, v.a. für alldiejenigen, die sich Gedanken um die gute, lebenswerte Zukunft machen. Ein wahres Highlight in diesem politischen Leseherbst. Ein must read.
5 wohl verdiente Sterne und eine klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 13.11.2017
Leere Herzen
Zeh, Juli

Leere Herzen


ausgezeichnet

„Leere Herzen“ von Julie Zeh habe ich sehr gern gelesen und empfehle das Buch auch gerne weiter. Eine tiefgründige, zum Nachdenken anregende Lektüre voller messerscharfer Beobachtungen, was die heutige Gesellschaft angeht und was daraus werden kann.
Die Autorin zeichnet eine Möglichkeit der nahen Zukunft in Deutschland, die erschreckend wirkt und zugleich sehr real erscheint. Trotzdem würde ich den Roman nicht als Psychothriller bezeichnen, nicht im üblichen Sinne, wenn man z. B. an amerikanische oder skandinavische Werke des Genres denkt, eher als eine politisch gelagerte, gesellschaftskritische Dystopie, in der die heutigen gefährlichen Tendenzen wie Politikverdrossenheit, die sich u.a. in Nicht-Wahlbeteiligung äußert, ein Stück weitergedacht und gekonnt wie eindringlich geschildert wurden.
Die Sprache ist toll, jedes Wort sitzt, dabei erscheint der Ausdruck so ungezwungen, so natürlich. Schon allein das verwandelt das Lesen in pures Vergnügen.
Das Buch konnte ich kaum aus der Hand legen. Es las sich so gut, dass es nach nur wenigen Sitzungen, zu schnell alle war.
Spannend ist die Geschichte insg. Erst konnte ich mir Brittas Arbeit nicht so recht vorstellen, aber nach und nach legte sich ein Puzzleteilchen zum nächsten, und ich konnte mich sehr gut in ihre Weltsicht einfügen und mich in ihre Lage hineinversetzen. In der Zukunft, in der Britta lebt, wollen viele junge Leute nur eins: sterben. Das gibt zu denken, nicht wahr? „Full hands, empty hearts.“ Die Strophe kommt paar Mal im Laufe des Romans und passt zum Ganzen sehr gut.
Britta, die Hauptfigur, ist pragmatisch veranlagt, sie weiß diesen Wunsch in ein lukratives Geschäft zu verwandeln. Sie ist kein typisches niedliches Liebchen aus Frauenromanen. Sie hat aber die beste Freundin, die auf diese Beschreibung passt.
Bald bekommt Brittas Firma Konkurrenz, denn Erfolg zieht magisch Nachahmer an. Britta als Geschäftsführerin muss schnell eine gute Lösung finden, um sich und ihre Familie zu schützen. Spannend bleibt es bis zur letzten Seite.
Die Figuren erschienen mir wie Archetypen der heutigen, und vllt auch künftiger Gesellschaft:
Jeder hat seine (Vor-)Geschichte, verfolgt eigene Interessen und legt eigene Sicht der Dinge an den Tag, was sie mehrdimensional und lebendig werden lässt. Britta entwickelt sich im Laufe des Romans, was die Protagonisten in den meisten Thrillern heute sehr selten tun. Das Ganze kommt zu einem überzeugenden wie erschreckenden Bild von Deutschland von morgen zusammen. Am Ende blieb ich aber im Unklaren, was genau dieser Schluss den Lesern vermitteln will: Frau soll zurück zu ihrer wohlbekannten Rolle? Back to the roots?
Dieses zukünftige Leben, das die Figuren dem Leser vor Augen führen, erscheint so selbstverständlich, als logische Konsequenz der heutigen Situation, dass man die aufgezeichneten Entwicklungen für durchaus möglich hält, falls sich heute nichts grundlegend ändert.
In vielerlei Hinsicht ist dieses Werk etwas viel besseres als ein Thriller: Tiefgründig, klug, düster, vllt abgeklärt, aber ganz toll, sehr gut geschrieben und sehr lesenswert. Man sieht dem Roman auch deutlich an, dass es der Autorin keineswegs egal ist, wohin die Reise mit uns allen geht und was Schreckliches aus der heutigen Situation entstehen kann. Insofern kann man den Roman vllt auch als eine Warnung begreifen.
Das Buch ist sehr schön und passend zum Inhalt gestaltet, perfekt als Geschenk: Festeinband ist schwarz, innen rot, eingehüllt in das helle, weiße, leicht geriffelte Umschlagblatt. Es gibt nicht allzu viel Text pro Seite, die Schrift ist augenfreundlich.
5 Sterne und eine klare Leseempfehlung.

Bewertung vom 10.11.2017
Die Welt im Jahr 2035

Die Welt im Jahr 2035


weniger gut

Der Bericht ist gut strukturiert: zwei Teile, die in kürzere Kapitel, meist nur paar Seiten, aufgeteilt worden sind. Teil I widmet sich hpts. den globalen Trends, Teil II hat zwei Unterabteilungen „Die nächsten fünf Jahre nach Regionen“ und „Wichtige globale Trends“, s. auch Inhaltsverzeichnis. Einige Diagramme/Grafiken verdeutlichen das Geschriebene. Zeitungsmeldungen, wie sie in den nächsten Jahren in den Medien auftauchen könnten, sind vermutlich zur Auflockerung da, z.B. „Eine Zeitungsmeldung aus dem Jahr 2019… China kauft unbewohnte Fidschi-Insel, um Militärbasis zu bauen.“ S. 74. Aber insg. ist es eine ziemlich trockene Angelegenheit.
U.a. von den Auswirkungen des Klimawandels ist die Rede, von der wachsenden Bedrohung durch Terrorismus, von steigenden Spannungen weltweit, etc.
Wer aber kritisch diese offiziell genehmigten Interpretationen wahrnimmt, sich vorher anderweitig informiert und womöglich noch eigene Erfahrungen gesammelt hat, der wird aus den Zeilen des Berichts noch ganz andere Dinge herauslesen, die einem eher Unbehagen bescheren und Zukunftssorgen aufkommen lassen. Vor allem wird man die Scheinheiligkeit erkennen können, die hier an den Tag gelegt wurde, wenn es um die Beschreibung bestimmter Trends der Zukunft geht, z.B. die Entwicklung von Terrorismus. Hierzu gibt es ein Kapitel von ca. 20 Seiten.
Wer über die Entstehung des IS, z.B. „Schwarze Flaggen“ von Joby Warrick, „Wer den Wind sät“ von Michael Lüders oder „Nur wenn du allein kommst“ von Souad Mekhenet, oder auch „Wer beherrscht die Welt“ von Noam Chomsky, „Illegale Kriege“ von Daniel Ganser gelesen hat, der weiß, wie ich es meine. Im Report wurde der Sachverhalt so präsentiert, als ob alles, was an Gewalt und Terror passiert, aus freien Stücken geschieht, dass es keine handfesten Ursachen hierfür gäbe, keine Unmengen von US Steuergeldern in die Destabilisierung diverser Regionen geflossen wären, etc., und lediglich den bösen Kräften im Nahen Osten und Asien und einigen anderen Regionen zu verdanken ist. Ich musste an solchen Stellen an Volksverdummung denken, die Michael Lüders in „Die den Sturm ernten“, ein sehr lesenswertes Buch übrigens, so beschrieben hat: „Die Machtpolitik Moskaus, Teherans oder Pekings ist im Zweifel jedoch nicht mehr und nicht weniger skrupellos als die des Westens. Sie in den Kategorien von „gut“ und „böse“ zu verorten, wobei „wir“ natürlich zu den Guten rechnen, das grenzt an Volksverdummung.“ S. 167. Diese wird auch in diesem Werk aktiv betrieben, denn die Verfasser stellen sich ja als die Guten hin.
Sehr klar liest sich heraus, dass die Rolle der Weltpolizei und der Möchte-gerne-federführender-Weltmacht auch weiterhin von USA beansprucht wird. Wenn man weiß, wie die Politgeschichte bisher gelaufen ist, und wer für viel Leid, Armut und Tod in vielen Ecken der Welt gesorgt hat, näheres dazu in o.g. Quellen, dem wird bei dieser Ankündigung anders zumute. Im Grunde nichts Neues. Aber grausig genug.
Fazit: Für Liebhaber düsterer Dystopien ist es vllt eine interessante Lektüre, die zum Grübeln anregt, aber insg. kaum etwas Neues bietet. MMn stellt dieser Report v.a. die Imagepflege dar und Stipulation antizipierter Federführung auch auf diesem Gebiet. Da hat sich jmd Nutzen in der Verbreitung dieser Weltbilder erhofft.
Wer noch nicht genug anti-chinesischer und anti-russischer Propaganda wie Volksverdummung insg. abbekommen hat, hier ist die beste Adresse dafür. Wer diese identifizieren und außen vor lassen kann, was zugegebenermaßen viel Arbeit bedeutet, bekommt eine Version möglicher Entwicklungen in der Welt, die man sich größtenteils selbst vorstellen kann. Dabei muss man aber bedenken, dass diese Vision auf Annahmen über Annahmen aufgebaut worden ist. Und wenn eine oder zwei nicht zutreffen, oder gar etwas Unvorhergesehenes eintritt, bricht das Ganze wie ein Kartenhäuschen zusammen. Bis dahin sind es grausige Träume eines Möchte-gern-Welthegemons.
Gekürzt gem. Anforderung.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 09.11.2017
Zerbricht der Westen?
Winkler, Heinrich August

Zerbricht der Westen?


weniger gut

So verlockend die Kapitelüberschriften und der Titel erscheinen, so fad und nichts Neues sagend präsentiert sich leider der Inhalt.
Der Anfang war so vielversprechend, aber nach und nach lösten sich die spannenden Ansätze im bloßen Nacherzählen der politischen Ereignisse der letzten 5-7 Jahre auf, die man als Tagesgeschehen zeitnah den Leitmedien entnehmen konnte.
Platituden und Allgemeinplätze, insb. in der zweiten Hälfte, statt spannender Analysen, Aufdeckung unterliegender Verhaltensmuster, die die Demokratie im Westen in schwere Krise gebracht haben und plausibler Vorschläge, wie man die Probleme lösen könnte, die ich hier eigentlich erwartet habe.
Selbst dort, wo es sein müsste, im Fazit, sucht man nach derartigen Inhalten vergeblich. Man bekommt lediglich die offizielle, für breite Massen vorbereitete Meinung, die man den größeren Zeitungen und ÖR-Sendern entnehmen konnte. Zudem wurde es so getan, als ob dort der Wahrheit letztes Wort stünde. Dass es dem nicht so ist, dass diese Art der Berichterstattung lediglich der fromme Wunsch ist, die breite Masse auf einen bestimmten Kurs zu bringen und bestimmte Ansichten in deren Köpfe zu pflanzen, weiß jeder kritisch denkender Leser. Konkrete Beispiele gibt es in Neuerscheinungen wie „Eiszeit“ von Gabriele Krone Schmalz, in „Ein Leben ist zu wenig“ von Gregor Gysi, etc.
Auch was die Beschreibung der Konflikte angeht, z.B. in Syrien, in der Ukraine, blieb der Autor bei offiziell genehmer Meinung, predigte gebetsmühlenartig von Krim-Annexion, dämonisierte Putins Russland, wie man es aus den Leitmedien gewohnt ist, verteufelte Trump &Co., von Erdogan und Assad ganz zu schweigen. Ganz sicher war ihm z.B., dass es Assad war, der Giftgasangriff auf eigene Bevölkerung „… in einem von Rebellen kontrollierten Gebiet“ (sehr „präzise“ Angabe, muss man sagen) in 2013 verübte, S. 235. Auf welche Quelle sich diese Behauptung stützt, ließ Winkler im Ungewissen. Ich kenne eine gute Quelle, die das Thema glaubwürdig darlegt, da steht es aber anders, s. „Die den Sturm ernten“ von Michael Lüders.
Auch an anderen Stellen fehlten die Quellenangaben, z.B. S. 175-176. Woher die Zahlen kommen, auf die der Autor seine Argumentation stützt? Oder geht es davon aus, dass man ihm aufs Wort glaubt?
Die Frage: Warum lese ich das eigentlich? Tauchte schon recht oft auf. Es ist Schnee von gestern, trocken und ohne wahrnehmbaren Mehrwert dargelegt noch dazu. Aber ich konnte/wollte nicht glauben, dass es tatsächlich schon alles sein wird. Da müsste doch noch das Eigentliche kommen, die Substanz, so meine Hoffnung. Leider war es nicht der Fall.
Winkler beschreibt die Ereignisse größtenteils neutral, mit paar Ausnahmen, s.o. Mir fehlte aber auf der gesamten Strecke das Denken in Zusammenhängen, die Hintergründe, die Frage, warum das eine oder andere geschehen ist und mögliche Interpretationen hierzu samt Vorschlägen, wie man die Situation entschärfen könnte. z.B.: Warum sah sich Putin gezwungen, in der Ukraine so vorzugehen? Vllt weil die Politik des Westens der letzten fünfzehn Jahre ihn dazu gebracht hat? Vllt wurden da die geopolitischen Interessen Russlands missachtet? Mehr dazu z.B. in „Eiszeit“ von Gabriele Krone Schmalz. Und was ist mit Syrien und angrenzenden sowie arabischen Ländern? Vllt war da einiges schiefgelaufen, da die Aggression vom Westen her ausging und man nun die Früchte dieser Politik präsentiert bekommt? Mehr dazu in „Schwarze Flaggen“ von Joby Warrick, „Die den Sturm ernten“ von Michael Lüders, „Nur wenn du allein kommst“ von Souad Mekhenet, ferner „Illegale Kriege“ von Daniel Ganser, uvm.
Aber nein, nichts dergleichen war den Ausführungen hier zu entnehmen.
Fazit: Wer es geschafft hat, dem polit. Geschehen, v.a. deren Interpretation der Leitmedien zu entkommen, die durch alle großen überregionale Zeitungen und Fernsehen gegeistert hat, der könnte evtl. Nutzen aus diesem Buch ziehen. Sonst kann man die kostbare Lesezeit viel spannderen Werken widmen, s.o.
Gekürzt.

2 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.