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sleepwalker

Bewertungen

Insgesamt 501 Bewertungen
Bewertung vom 24.05.2020
Lady Bitch Ray über Madonna / KiWi Musikbibliothek Bd.7
Lady Bitch Ray

Lady Bitch Ray über Madonna / KiWi Musikbibliothek Bd.7


sehr gut

Aus der Reihe Kiwi Musik-Bibliothek kannte ich bislang nur Anja Rützels Buch über Take That, daher war ich auf „Lady Bitch Ray über Madonna“ sehr gespannt. Die Bücher haben die Erfahrungen und Gedanken der Autoren zum Thema. Reyhan Şahin (so Lady Bitch Rays bürgerlicher Name) beschreibt, wie aus der Tochter türkischer Einwanderer einerseits die Rapperin Lady Bitch Ray, andererseits die promovierte Linguistin, Journalistin und Autorin wurde und welchen Einfluss Madonna als Person und ihre Musik auf sie hatten. Man lernt viele verschiedene Facetten der Autorin kennen – Madonna kommt vielleicht ein bisschen zu kurz, denn natürlich ist das Buch weder eine Autobiografie der Autorin noch eine Biografie.
Von der Kunstfigur Lady Bitch Ray, ihrer provokanten Art und ihrer Musik mag man halten, was man will – ebenso muss man Madonna nicht mögen, um dem Buch einiges abgewinnen zu können. Manche Fakten sowohl über Madonna als auch über die Autorin und über das, was die beiden verbindet, fand ich interessant und teilweise sogar spannend zu lesen. Aber ganz abseits vom Thema hat die Autorin ein absolut lesenswertes, mit Wort- und Sprachwitz (und natürlich mit Schimpfwörtern und Kraftausdrücken) gespicktes Buch geschaffen. Wenn man sich auf Thema und Stil einlässt, ist es eine durchaus unterhaltsame Lektüre, nicht zuletzt auch wegen vieler nachdenklicher Töne, die die Autorin anschlägt. So spart sie weder ihre schlechten Erfahrungen in der Musikbranche aus, noch die Zeit, die sie wegen Depressionen in einer Klinik verbrachte.
Alles in allem ein Buch, auf das man sich einlassen muss, um es gut und unterhaltsam zu finden. Daher von mir eine Lese-Empfehlung für abenteuerlustige Leser und/oder Freunde von Madonna und Lady Bitch Ray und 4 Sterne.

Bewertung vom 20.05.2020
Kein Pausenbrot, keine Kindheit, keine Chance
Thiel, Jeremias

Kein Pausenbrot, keine Kindheit, keine Chance


sehr gut

Die Geschichte von einem, der es (mit Hilfe von anderen) geschafft hat. Mit 11 Jahren wandte sich Jeremias Thiel ans Jugendamt. Seine Eltern waren psychisch krank und dadurch nicht in der Lage, ihn und seinen Zwillingbruder Niklas zu erziehen, dazu lebte die Familie von Hartz 4 und ist wohl verhältnismäßig bildungsfern. Er kam in ein SOS-Kinderdorf, hatte dann die Möglichkeit, ein internationales Abitur am Robert Bosch College zu machen und studiert inzwischen in den USA. Ein beeindruckender Weg für jemanden, der einen schwierigen Start hatte.
Seine Lebensgeschichte bildet die Grundlage für sein Buch „Kein Pausenbrot, keine Kindheit, keine Chance: Wie sich Armut in Deutschland anfühlt und was sich ändern muss“. An sich kein schlechtes Buch, sicher aber kein wirklich gutes. Seine Biografie liest sich zum Teil wie ein Märchen, ein bisschen wie bei Pretty Woman. Aber ich habe mich für ihn gefreut, dass er es durch seine eigene Arbeit, aber auch durch viel Hilfe und Möglichkeiten (die nicht jeder hat), geschafft hat, seinen Weg zu machen. Er scheint auch genau zu wissen, dass ihm da viel Gutes zuteilwurde, was zum Beispiel weder seinem Zwillingsbruder noch seinem Halbbruder passierte. Zumindest den Menschen, die ihn ab der Zeit im Kinderdorf unterstützt haben, scheint er aufrichtig dankbar und auch über seinen Vater findet er zum Teil sehr liebevolle Worte.
Aber sonst ist das Buch ziemlich schwierig. Inhaltlich sicherlich korrekt, der Autor legt den Finger auf genau das, was schief läuft. Aber er geht dabei sehr stark von seiner eigenen Geschichte aus. Psychische Erkrankung – Armut – mangelnde Erziehungsfähigkeit. Die Kausalität mag für ihn richtig sein, denn in seiner Familie war es so, das ist aber natürlich nicht immer so gegeben. Da macht er es sich ein bisschen einfach, aber er ist ja auch noch sehr jung. Und auch manche Sätze wie „Mein Vater wurde psychisch krank und flüchtete sich abwechselnd in manische und depressive Phasen“ stoßen sicher manchem Leser übel auf. Kein Mensch „flüchtet“ sich in solche Phasen, eine bipolare Störung (manische Depression) ist ganz sicher keine Fluchtmöglichkeit, sondern eine schwere psychische Erkrankung!
Insgesamt listet er Mängel im System auf – bietet aber keine Lösungen. Kann er natürlich auch nicht. Vieles in seinem Buch wiederholt sich auch häufiger. Den Buchtitel (auf den der Autor vermutlich keinen Einfluss hatte), sehe ich sehr zwiespältig. „Zwischen zwei Scheiben labbrigem Toastbrot war mindestens ein halber Zentimeter Butter gestrichen, darauf lag eine Scheibe Lyoner aus der Plastikverpackung vom Discounter“ – das war sein Pausenbrot. Naja, es gibt Kinder, die bekommen gar keines, manche schmieren sie sich selbst, andere stehlen welche aus fremden Schulranzen und dann sind da Kinder wie ich, das gar keines möchten. Das Pausenbrot ist eine schöne Metapher, mehr aber auch nicht. Der Brückenschlag zu den Bildungschancen ist für mich hier ganz klar misslungen.
Und auch sprachlich ist das Buch keine Meisterleistung. Es liest sich wie eine Mischung aus Schulaufsatz zum Thema „Meine Kindheit“ und Facharbeit für den Gemeinschaftskunde-Unterricht. Und auch Sätze wie „Hinterher gab es ein fettes Buffet“ hätte er vielleicht noch einmal überdenken sollen. Aber alles in allem finde ich es ein lesenswertes Buch, das aufrütteln kann und nachdenklich macht. Das aber auch zeigt, dass man viel erreichen kann, wenn man Eigenverantwortung übernimmt und Eigeninitiative zeigt. Wenn dann noch Hilfe und Unterstützung von außen kommt, ist sehr vieles möglich. Von mir 4 Sterne.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 19.05.2020
Ein Versteck unter Feinden
Iperen, Roxane van

Ein Versteck unter Feinden


ausgezeichnet

Wer in ein altes Haus zieht, kauft oder mietet damit die Geschichte des Gemäuers mit. So auch Roxane van Iperen, als sie 2012 in eine Villa in niederländischen Naarden, östlich von Amsterdam einzog. Im Zuge der Renovierungsarbeiten entdeckten die Journalistin und ihre Familie nicht nur doppelte Böden und versteckte Luken, sondern auch andere zahllose andere Zeugnisse der Vergangenheit des Hauses und der Menschen, die in ihm wohnten. Das weckte ihre Neugier und sie beginnt zu recherchieren. Das Ergebnis der Recherche ist das Buch „Ein Versteck unter Feinden“.
Das Buch beleuchtet nicht nur die Geschichte des Hauses sondern die aller Menschen, die in ihm ein Versteck gefunden haben. Allen voran die Schwestern Lien und Janny Brilleslijper und deren Familien, dazu zahlreiche verfolgte Juden, denen sie bis zu ihrer Entdeckung 1944 Unterschlupf und ein Heim boten. Die Geschichte liest sich wie eine Mischung aus Roman und Geschichtsbuch, packend, mitreißend, zum Teil spannend und manchmal auch rührend – es ist die Geschichte von vielen unterschiedlichen Menschen, die eines vereint: sie sind Verfolgte und auf Gedeih und Verderb aufeinander angewiesen.
Und so schafft die Autorin nicht nur ein bewegendes Buch über ein dunkles Kapitel der Geschichte zu schreiben, sondern auch eines über Menschlichkeit, Freundschaft, Liebe und Vertrauen und leider auch Verrat, Denunziantentum und Tod. Faszinierend schildert sie, wie vernetzt die Mitglieder des Widerstands untereinander waren – und das praktisch unter den Augen der deutschen Besatzer. Und trotz der permanenten Angst schafften die Bewohner des „Hohen Nests“ (Der niederländische Name der Villa ist „t'Hooge Nest“) es, in ihrem Alltag auch schöne Dinge zu erleben: es wurde musiziert, getanzt und auch die Kinder erlebten zum Teil sicher manch schöne Zeiten.
Wie die Geschichte lehrt, fand die Zeit im Versteck im Sommer 1944 ihr Ende, die Bewohner wurden fast alle deportiert, viele verloren ihr Leben in Konzentrationslagern. Im Konzentrationslager Auschwitz trafen die beiden Schwestern Brilleslijper auf die Familie von Anne Frank, Anne und Margot begleiteten sie bis zu deren Tod. Im Nachwort des Buchs finden sich zahlreiche Namen von Menschen, die im Hohen Nest Unterschlupf gefunden haben oder irgendwie damit verbunden waren und Vermerke über ihr weiteres Schicksal. Ein großes Stück Geschichte des niederländischen Widerstands schwarz auf weiß.
Sprachlich ist das Buch sehr ansprechend geschrieben, sachlich aber dennoch lebensnah, lebendig, voller Wärme und Gefühl, selbst bei grausamen und gewaltbehafteten Szenen. Leichte Sprache trifft hier auf sehr schwieriges Thema – eine gelungene Kombination. Der Titel „Ein Versteck unter Feinden“ trifft exakt den Punkt. Nicht so nüchtern wie im Original „‘t hooge nest“ aber wesentlich treffender als „The sisters of Auschwitz“ im Englischen. Die Autorin schaffte es bei mir auch von Anfang an, den Funken überspringen zu lassen, ihre Begeisterung für die Geschichte aber auch ihre Hochachtung für den Einsatz aller Beteiligten, Leben und Überleben in dieser schweren Zeit zu sichern. Das Buch macht betroffen, wütend und angesichts der aktuellen Entwicklungen fassungslos. Ein großes Buch über enorm große Menschen. Klare Lese-Empfehlung und 5 Sterne.

Bewertung vom 19.05.2020
Gott sagte: Willst du mit mir leben? Und ich so: Klar.
Draht, Nathanael

Gott sagte: Willst du mit mir leben? Und ich so: Klar.


schlecht

Vom Saulus zum Paulus? So ähnlich kann man die (Lebens-)Geschichte von Nathanael Draht kurz zusammenfassen. Mit 30 Jahren hatte er alles erreicht, was man seiner Meinung nach im Leben erreichen konnte: Geld, Frauen, Besitztümer. Und danach fehlte ihm ein Ziel und dadurch der Sinn im Leben. Über Umwege wurde er erleuchtet und fand zu Gott. Seither ist er missionarisch tätig, über sein Leben und seine jetzige Tätigkeit hat er zusammen mit einem Profi ein Buch geschrieben. Heraus kam „Gott sagte: Willst du mit mir leben? Und ich so: Klar.“
Er selbst sieht seine Wandlung als durchweg positiv. Und er sieht sich selbst auch sehr positiv, kurz: er findet sich extrem toll. Was früher bei ihm „mein Auto, meine Frau, mein Haus“ war ist heute „meine Bibel, mein Glaube, meine Gesundgebeteten“. Tatsächlich betet er für Menschen und bewirkt nach eigener Aussage damit Wunder. Verrutschte Kniescheiben bringt er zurück an Ort und Stelle, Bauchschmerzen (selbst die, die durch einen Tumor verursacht wurden) verschwinden. Interessant und durchaus spannend – ich hoffe nur, dass damit keiner der Gläubigen von einem Arztbesuch und einer wirklichen Heilung ferngehalten wird!
Der Rest des Buchs ist sehr schnell zusammengefasst: missionarische predigthafte Glaubensbekundungen, homophobe Haltung („Nun, die beiden waren lesbisch, aber dennoch aufgeschlossen.“ – als ob lesbisch sein eine Aufgeschlossenheit ausschließen würde?) und alles in allem seine arrogante, selbstherrliche und besserwisserische Art macht das Buch zu einer sehr frustrierenden und ärgerlichen Lese-Erfahrung.
„Dies ist mein erstes Buch. Ich habe keine Kurse über »packendes Schreiben« besucht, sondern es mithilfe eines Co-Autors geschrieben“ – leider hatte der Co-Autor wohl nicht übermäßig viel Einfluss auf Stil und Sprache. Das Buch ist in einer Mischung aus Mischung aus Gossen-, Umgangs- und (pseudo) cooler Hipster-Sprache geschrieben, gespickt mit einer Handvoll Bibelzitaten. Und leider konnte ich auch nicht wirklich ein Konzept oder einen roten Faden erkennen. Und tatsächlich: packend ist es an keiner Stelle.
Schade. Das Thema „zum Glauben finden“, Kehrtwende im Leben um 180 Grad und Läuterung bietet viel Potenzial. Ein Potenzial, das der Autor zu keiner Zeit ausschöpft. Was eigentlich eine Hinführung zum Glauben sein könnte, wird da schnell zu einer Abschreckung, seine strenge Haltung zum Glauben wirkt in der Hauptsache engstirnig und verbohrt. Aus dem Wirtschaftsmenschen wurde ein Missionar, vermutlich hat er in seinem früheren Leben Verhandlungen ebenso unerbittlich und unnachgiebig geführt, wie er heute missioniert. Aus seiner Sicht sicher gut gemeint, aus meiner zum Teil gefährlich und dogmatisch. Ich gebe diesem Buch 1 Stern, aber nur, weil ich nicht weniger geben kann.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.05.2020
Gott geht unter die Haut
Fuchs, Rainer

Gott geht unter die Haut


weniger gut

Rainer Fuchs ist an sich eine interessante Persönlichkeit. Er ist Diakon, Biker und hat Freude an bunten Bildern auf der Haut. „Gott geht unter die Haut“ heißt sein Buch – und bei ihm ist das auch so. Sein Glaube fußt auf Überzeugung und er findet darin seine Erfüllung.
Ich nicht. Daher ist das Buch an sich für mich schon ziemlich schwierig, allerdings hatte ich die Hoffnung auf etwas, was mich dem Glauben wieder näher bringen würde. Aber so etwas fand ich in dem Buch nicht. Es liest sich für mich wie ein Wust aus eher ungeordneten Gedankengängen. Und auch sprachlich liegt mir das Buch überhaupt nicht, Rainer Fuchs (oder Reverend Ray Fox) schreibt mir zu predigerhaft und zu salbungsvoll und er findet sich, seine Taten und Werke, sein Motorrad und seine Tätowierungen so toll, dass er seitenlang darüber schwadroniert – zum Teil fast arrogant und selbstgefällig.
Dadurch wird das Buch weniger zu einer Lebensgeschichte, als vielmehr zu einer langen und langatmigen Predigt, einem Plädoyer für den Glauben. Er scheint zwar ein zu- und anpackender Motor in der Gemeinde zu sein, in der er arbeitet und auch als Person ist Rainer Fuchs sicher interessant. Sein Leben, sein Glaube und seine Überzeugung hätten daher also sicher Stoff für ein richtig gutes Buch geboten. Allerdings schafft er es nicht, das Potenzial auszuschöpfen. Tatsächlich war ich schon bei der ersten unfassbar blumigen Beschreibung einer Tätowier-Session geneigt, das Buch beiseite zu legen.
Er schreibt über bedingungslose Liebe, Zweifel, Glaubenskrisen und immer wieder über Johnny Cashs „Ring of fire“, ein Stück, das ihn wohl sehr inspiriert hat, aber auch andere Stücke von Johnny Cash zitiert er in epischer Breite. Ebenso beschreibt er immer wieder seine Tätowierungen und wie es dazu kam, denn alle haben für ihn eine spezielle Bedeutung. Dazu zitiert er Bibelverse und Liedtexte, kommt zum Teil von Hölzchen auf Stöckchen und insgesamt fehlt mir bei dem Buch sowohl ein Konzept als auch ein roter Faden. Bezeichnenderweise heißt eines der Kapitel „Füllwörter braucht kein Mensch“ – Rechtschreibfehler auch nicht, aber auch daran scheint der Autor sich nicht zu halten. Seine Sätze sind zum Teil sehr lang, sehr verschachtelt und rein formal fand ich das Buch eher leserunfreundlich.
Sprachlich ist das Buch auch schwer einzuordnen: die Bibelzitate sind anspruchsvoll, andere Teile sind denglisch, was eventuell nicht jeder gut findet und den Rest schreibt der Autor wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Die Kapitel sind kurz, in der Mitte des Buchs sind Bilder vom Autor und seiner Familie, hauptsächlich aber von seinen Tätowierungen. Das Buch ist in zweierlei Schriftarten gesetzt, wobei die eine hauptsächlich für den allgemeinen Text verwendet wird, die andere für Exkurse in die Vergangenheit des Autors, manchmal gerät da meiner Meinung nach etwas ein bisschen durcheinander. Insgesamt ist das Buch für mich nicht sehr gefällig gegliedert und aufgebaut.
Gläubige Menschen finden in dem Buch eventuell mehr Lesenswertes als ich, für mich war das Buch aber zu predigthaft und über weite Teile zu langatmig und bis auf Bibelzitate und religiöse Aussagen inhaltsleer. Schwierig fand ich auch, dass er gute Taten und Menschlichkeit/Menschenfreundlichkeit zu absolut mit Glauben in Verbindung bringt (und andersherum). Nicht jeder ohne Glauben ist ein schlechter Mensch und ganz sicher nicht jeder Gläubige ein guter.
Daher vergebe ich 2 Punkte.

Bewertung vom 11.05.2020
Gefürchtet / Jane Hawk Bd.3
Koontz, Dean

Gefürchtet / Jane Hawk Bd.3


sehr gut

Jane Hawk ist wieder unterwegs. Nein, immer noch. Denn „Gefürchtet“ ist der dritte Band in Dean Koontz‘ Reihe um die ehemalige FBI-Agentin. Nach „Suizid“ und „Gehetzt“ geht es nahtlos weiter in Janes Kampf gegen die Arkadier, eine Geheimorganisation, die versucht, die Menschheit mittels einer Biotec-Waffe teils zu unterwerfen, teils zu eliminieren. Auch dieses Mal beschreibt Koontz die Jagd aus verschiedenen Blickwinkeln – aus der Sicht der Gejagten, von Jane und aus der Sicht von Jägern auf der Seite der Arkadier.
Und in diesem Band passiert außer den Dingen, die auch in den ersten beiden Teilen passiert sind (Menschen werden gejagt, eingefangen und ihnen wird das Serum injiziert, das sie zu willenlosen Marionetten der Arkadier macht, Verfolgungsjagden, Folter und so weiter) das, was Jane schon lange befürchtet hat: ihr fünfjähriger Sohn Travis gelang in den Focus der Arkadier. Wie bei den beiden Vorgängern startet die Geschichte rasant und sehr spannend und wie bei den beiden vorangegangenen Bänden wird es zur Mitte hin eher langatmig und fast langweilig. Vielleicht hätte der Autor sich etwas kürzer fassen können, das Buch ist sehr umfangreich und ein paar Seiten weniger hätten ihm nicht geschadet. Der Schluss ist (leider) wieder offen, der vierte Teil der Serie erscheint Ende des Jahres.
Und auch sonst ist nicht viel zu dem Buch zu sagen, was ich nicht schon zu „Gejagt“ gesagt habe: es ist spannend und brutal, die Charaktere sind sehr gut und präzise beschrieben und sind sehr authentisch, ob nun sympathisch oder unsympathisch – Koontz zeichnet da sehr klare und deutliche Bilder. Auch die Landschaft und die Atmosphäre schildert er in allen Einzelheiten und schafft damit eine zum Teil sehr bedrückende und spannungsgeladene Stimmung. Jedes einzelne Kapitel endet mit einem Cliffhanger und das folgende verfolgt einen anderen Handlungsstrang, eine enorm clevere Methode, zum Teil sehr große Spannung zu erzeugen – zum Teil verleitet es aber zum Querlesen, wenn man unbedingt den einen Handlungsstrang weiterverfolgen möchte.
Querlesen ist bei dem Buch aufgrund der Länge auch sehr verlockend, allerdings verliert man leicht den Faden und kann zurückblättern – ja, ging mir auch so. Sprachlich ist das Buch irgendwo zwischen Umgangssprache und derbe angesiedelt. Kraftausdrücke finden sich zu Hauf, was zwar authentisch ist, zum Teil aber auch störend.
Also alles in allem ist das Buch spannend und verstörend, vor allem da im Moment Verschwörungstheoretiker Hochkonjunktur haben. Die werden sich vermutlich durch das Buch leider bestätigt sehen. Der Nicht-Verschwörungstheoretiker bleibt da eher verstört und bedrückt zurück, denn nichts in dem Buch ist unmöglich. Höchstens die Genialität mit der Jane Hawk vorgeht und ihre scheinbar unendlichen Möglichkeiten (sie hat ständig Zugriff auf Waffen, Geld, Autos usw.) sind etwas unrealistisch und manchmal nervt ihre Brillanz etwas, sie ist einfach zu gut, um realistisch zu sein. Für Spannung und die bedrückende Aktualität der Geschichte von mir 4 Punkte.

Bewertung vom 11.05.2020
Zimmer 19 / Tom Babylon Bd.2
Raabe, Marc

Zimmer 19 / Tom Babylon Bd.2


ausgezeichnet

Erst einmal vorneweg: „Zimmer 19“ war mein erstes Buch von Marc Raabe und tatsächlich fehlte mir manchmal ein bisschen Hintergrundwissen. Vor allem über seine Hauptfigur, den Berliner LKA-Beamten Tom Babylon, der sich selbst oft an den Fall aus dem Vorgänger „Schlüssel 17“ erinnert. Aber auch ohne die Vorkenntnisse findet man sich schnell und problemlos in die Geschichte ein, denn der rasanten Spannung kann man sich praktisch nicht entziehen.
Die Geschichte beginnt auf der Berlinale. Statt des Animationsfilms wird dort allerdings sehr zum Entsetzen der Zuschauer ein Snuff-Film mit einer jungen Frau in der Hauptrolle gezeigt. Nach kurzer Recherche stellen Tom Babylon und sein Team fest, dass der Film echt ist. Die junge Frau ist die Tochter des Bürgermeisters – und sie wird vermisst. Tom beginnt zu ermitteln, ihm steht die Psychologin Sita Johanns zur Seite und zusammen versuchen sie in perfektem Zusammenspiel das Rätsel des Films und noch dazu das Verschwinden mehrerer Mädchen aufzuklären.
Mehrere Handlungsstränge in Vergangenheit und Gegenwart verflechten sich im Laufe der Geschichte. Sitas eigene Geschichte und auch Toms Vergangenheit (seine Schwester verschwand vor 20 Jahren) spielen dabei ebenso eine Rolle wie die tatsächliche Geschichte der DDR samt Stasi und dem Stasi-Gefängnis Hohenschönhausen, denn die Stasi-Vergangenheit einiger Charaktere spielt eine entscheidende Rolle. Fiktion trifft da auf Fakten und die Kombination gelingt dem Autor hervorragend.
Die Geschichte ist gut durchdacht und hat eine klare Linie, zwar ist einiges ein bisschen sehr konstruiert und manchmal auch ein bisschen weit hergeholt, was der Spannung aber zu keiner Zeit einen Abbruch tut. Die Zahl 19 spielt eine immer wiederkehrende Rolle, ebenso alle möglichen offenen Rechnungen. Die Charaktere sind hervorragend und sehr deutlich beschrieben, sympathische ebenso wie sehr unangenehme Zeitgenossen. Und auch die Schauplätze kann man sich gut vorstellen, die Atmosphäre des Buchs pendelt zwischen entspannt (zum Beispiel Tom zusammen mit seinem kleinen Sohn Phil) und enorm bedrückend, zum Beispiel bei der Beschreibung von Sitas Vergangenheit.
Spannung ist von der ersten Seite an vorhanden und der Spannungsbogen ist bis zur letzten Seite fast konstant hoch. Langeweile kommt nie auf, wenn, dann gönnt der Autor seinen Leser:innen höchstens ab und zu mal eine kurze Verschnaufpause. Seine Sprache ist schlicht und alltagsnah, das Buch ist flüssig geschrieben und hervorragend zu lesen. Der Schluss ist logisch und schlüssig – ein Hintertürchen für einen dritten Band der Reihe lässt sich Marc Raabe mit einem kleinen Cliffhanger offen (der aber nichts mit dem Kriminalfall an sich zu tun hat, dieser findet seinen Abschluss).
Für mich der erste Babylon, aber nicht der letzte. Das Buch hat mir eindeutig Lust auf mehr gemacht und daher von mir 5 Punkte und eine klare Lese-Empfehlung.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.05.2020
Birgit ungeschminkt
Schrowange, Birgit

Birgit ungeschminkt


gut

Erst einmal vorweg: das Buch fängt richtig gut an. Lustig, persönlich und mit einer großen Portion Gesellschaftskritik. Birgit Schrowange schreibt in „Birgit ungeschminkt“ über ihr Leben, Beziehungen, ihren Sohn, ihre Mutter und über vieles, was ihrer Ansicht nach in der Gesellschaft schief läuft. Zum Beispiel, dass es kein Problem ist, als älterer oder alter Mann eine sehr junge Frau zu finden, wohingegen ältere Frauen es schwerer haben, gleichalterige, geschweige denn jüngere Männer zu finden. Ihre abwertende und diskriminierende Wortwahl „Scheintoter“ bei der Beschreibung eines etwa 80-Jährigen missfällt mir allerdings ebenso wie die Bezeichnung als „Greis“.
Sie schreibt über Cellulite, Plastik-Busen und Gleichberechtigung in der Partnerschaft und das Recht auf Selbstverwirklichung für Frauen. Alles wahr, richtig und gut geschrieben. Allerdings schießt sie dann etwas übers Ziel hinaus und verwandelt ihr Buch in einen Ratgeber für Frauen. Nette Idee, kommt aber in der Hauptsache über den Informationswert einer Zeitschrift beim Frisör nicht hinaus. Allein die Liste der Einsparmöglichkeiten im Alltag („Wer braucht schon Coffee to go?“) hat sicher jeder schon unzählige Male genauso gesehen, wobei ich hier auch den Hinweis auf ein Vergleichsportal ebenso als (Schleich)Werbung werte wie ihre Hinweise auf die Modekette, deren Botschafterin sie ist.
In der Folge schildert sie über mehrere Kapitel die Vorteile eines ETF-Sparplans und wie man es schafft, dass „Geld Junge bekommt“. Ja, Altersarmut ist weiblich, auch das ist bekannt. Aber in Aktien oder Sparpläne zu investieren ist schlicht nicht jedem möglich. Vielleicht sind Frauen ja tatsächlich die besseren Anleger – aber man muss auch was zum Anlegen haben und ich weiß nicht, ob Birgit Schrowange eine Kapazität in der Finanzberatung ist. Aber schön, sie hat mal übersichtlich zusammengefasst, was man sich sonst eventuell in vielen Broschüren selbst zusammensuchen müsste.
Alles in allem ist das Buch die durchaus lesenswerte Rückschau auf 40 Jahre Fernsehen und ein paar mehr Jahre Leben. Eine ehrliche Beschreibung von Höhen und Tiefen, unglaublichem Ehrgeiz, großem Selbstbewusstsein und großem Erfolg. Birgit Schrowange schreibt wie ihr der Schnabel gewachsen ist, locker aus der Hüfte und hält mit nichts hinter dem Berg – ungeschminkt halt. Eine starke Frau, ein nicht ganz so starkes Buch, das sich leider als Finanzratgeber verzettelt. Von mir 3 Sterne.

Bewertung vom 02.05.2020
Deutschland schafft mich
Abdollahi, Michel

Deutschland schafft mich


ausgezeichnet

„Deutschland schafft mich“ – der Titel von Michel Abdollahis Buch erinnert nicht zufällig an „Deutschland schafft sich ab“ von Thilo Sarrazin. Da hört die Ähnlichkeit aber beim Titel auch schon auf. Michel Abdollahi kam als Fünfjähriger aus dem Iran nach Deutschland, inzwischen hat er die deutsche Staatsangehörigkeit und musste feststellen, dass er trotzdem kein Deutscher ist, nie einer sein wird. Als Journalist hat er für die Reportage „Im Nazidorf“ in Jamel recherchiert und gelebt. Täglich erlebt er Anfeindungen, persönlich, aber viel mehr noch in den sozialen Medien.
Das Buch ist kein Roman, kein Sachbuch, kein Fachbuch und kein Geschichtsbuch. Es ist irgendwie eine Mischung aus allem. Abdollahi listet chronologisch Ereignisse ab 1986, viel mehr aber ab 2015 auf. Schreibt über „die Rechten“ („Das Gegenteil von Rechtsextremismus ist nicht Linksextremismus. Es ist Nicht-Rechtsextremismus. Oder Vielfalt. Ohne Alternative“), die hässliche Fratze von AfD, Identitären und Pegida, die Rückkehr des Antisemitismus, Islamkritik, Islamisierung, Leitkultur und alle andere Schlagworte der vergangenen paar Jahre. Und er spart die zum Teil unrühmliche Rolle der Medien nicht aus. Zu viel Sendezeit für die Rechten und immer wieder die Bezeichnung „besorgte Bürger“ oder „Bürgerlichkeit“ in Zusammenhang mit Rassisten.
Besorgt ist Abdollahi auch. Und auch der Leser sollte es sein oder im Lauf der Lektüre werden. Er spricht davon, dass die Medien als vierte Gewalt ihre Neutralität verloren haben. Das ist möglicherweise etwas zu pauschal – aber in der Sache richtig. Ich musste das Buch immer wieder aus der Hand legen und tief Luft holen, so bedrückend und erschreckend wahr ist das, was der Autor auflistet und beschreibt. Dass wir inzwischen in einem Land leben, in dem Rassismus salonfähig und rechts-außen die neue Mitte ist. Das Buch rüttelt auf, zeigt auf – und macht Angst. Ich habe zwar keinen Migrationshintergrund aber auch mein Leben ist eines, das rechts-außen nicht gefällt – aufgrund meiner politischen Einstellung und schlicht meiner Persönlichkeit. Natürlich habe ich es nicht im selben Ausmaß erleben müssen, wie der Autor, aber auch mir wurde schon „konzentrierte Arbeit“, eingesperrt in einen Keller angedroht.
Er schildert die Veränderungen in Gesellschaft und Politik. Wo früher der Rassismus noch ganz offen gezeigt wurde, wird er heute eher versteckt, ist aber inzwischen alltäglich geworden. Es ist salonfähig geworden, Menschen aufgrund ihrer Herkunft herabzuwürdigen. Leider. Sachliche Kritik in so vielen Bereichen – Fehlanzeige. Stattdessen Beleidigungen Hass und Hetze. Bei so vielen Menschen kommt hinter einem „Ich habe nichts gegen Ausländer“ ein „aber“. Er selbst müht sich, die Menschen nicht über einen Kamm zu scheren, verurteilt daher die „Islamkritik“, die schlicht eine komplette Menschengruppe pauschal verurteilt. Aber Fakt ist: der Rechtsextremismus (und Faschismus) ist nicht wieder da, er war nie weg. Er ist in allen Bereichen verankert, sei es in der Bundeswehr, der Polizei, der Politik – überall.
Mich hat das Buch von der ersten Seite an tief berührt und mit noch mehr Angst zurückgelassen, als ich sie ohnehin schon hatte. „Der gesellschaftliche Kompass hat sich verschoben“, konstatiert er verstörend richtig. „Zu bunt gehört auch braun“, stellt Abdollahi fest, aber nur, „solange sich Braun an die Spielregeln hält und nicht versucht, alle anderen Farben zu übermalen“ – das gilt nicht nur für bunt und braun, „biodeutsch“ und „Migrant“, das sollte schlicht für alle, jeden und für immer gelten. Aber das Miteinander ist zum Teil ebenso abhanden gekommen wie Toleranz und Offenheit. Für diese tiefgreifende, treffende und zutiefst traurig machende Gesellschaftskritik von mir 5 Sterne. Ohne „aber“.

2 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.04.2020
Der Todgeweihte / Kommissar Johan Rokka Bd.3
Ullberg Westin, Gabriella

Der Todgeweihte / Kommissar Johan Rokka Bd.3


ausgezeichnet

Nach „Der Schmetterling“ und „Der Läufer“ ist „Der Todgeweihte“ der dritte Band aus Gabriella Ullberg Westins Serie um den schwedischen Ermittler Johan Rokka. Ich habe alle drei Bücher gelesen, alle drei sind sehr lesenswert, aber man kann ohne Verständnisprobleme auch nur einen Teil der Serie lesen. Und zugegebenermaßen steigerte sich die Autorin mit jedem Buch, „Der Todgeweihte“ ist bislang der beste und spannendste ihrer Krimis.
Wie die anderen Rokka-Bücher fängt auch dieses mit einem Paukenschlag an: mitten auf dem Marktplatz von Hudiksvall wird ein junger Mann erschossen. Seine Freundin wird aus der Entfernung Zeugin der Tat und der Täter schießt auch auf sie – sie überlebt schwerverletzt. Parallel zu diesem Handlungsstrang verschwindet in einem zweiten Louise, die Frau von Rokkas Cousin Frank, spurlos. Sie arbeitet für eine Biometrie-Hightech-Firma und wird vermisst, als sie zu einem Termin in Shanghai nicht erscheint. Und auch ihre Tochter Silje, eine gewitzte Fünfjährige, die Rokka vergöttert, ist ein Teil der Handlung.
Mehr möchte ich zur Handlung gar nicht verraten, das würde zu viel der enormen Spannung kaputtmachen und das wäre wirklich schade. Thematisch spielt die Autorin neben den typischen Krimi-Elementen Gewalt und Mord auch die Karten High-Tech, Industriespionage, Erpressung und Missbrauch aus, eine bedrückende Mischung. Schön fand ich, dass Johan Rokka nicht nur, wie in den ersten beiden Büchern, ein harter Ermittler ist, sondern auch eine überraschend weiche Seite hat, die in seinem Verhältnis zu Silje ganz deutlich wird.
Das Buch ist, wie auch die Vorgänger, sehr gut und flüssig zu lesen, wenn man sich erst einmal an die schwedischen Namen gewöhnt hat. Die Sprache an sich ist einfach und alltagsnah, leider sind ab und an mal Fehler in der Übersetzung zu finden. Der Spannungsbogen wird anfangs durch Einschübe unterbrochen, vor allem, wenn Rokka mit Silje oder mit seiner Kollegin und Freundin Janna Weissmann zusammen ist. Allerdings ändert sich das, als auch die Geschichte rund um das kleine Mädchen spannend zu werden beginnt – dann lässt die Autorin dem Leser kaum mehr Verschnaufpausen.
Im Vergleich zu den beiden vorigen Bänden ist in diesem noch mehr Privates rund um Johan Rokka verarbeitet. Seine Beziehung, seine Freundschaften und natürlich seine familiären Verhältnisse, denn nicht nur sein Cousin und dessen Familie spielen eine Rolle, nach 15 Jahren Funkstille taucht auch sein Bruder Daniel wieder in seinem Leben auf. Anfangs scheinen die verschiedenen Handlungsstränge nichts miteinander zu tun zu haben. Aber im Lauf der Geschichte zeigen sich Zusammenhänge, denn die Autorin schafft es, die Stränge gekonnt und geschickt zu verflechten und alles in einem furiosen Finale zu zeitweise fast unerträglicher Spannung gipfeln zu lassen.
Der Krimi ist flüssig und in alltagsnaher Sprache, zeitweise Umgangssprache geschrieben, Kraftausdrücke sind selten aber durchaus vorhanden. Und ein paar holprige Übersetzungen, was aber der Lesefreude keinen Abbruch tut. Eine absolute und uneingeschränkte Lese-Empfehlung. 5 Sterne.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.