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Benutzername: 
Igelmanu
Wohnort: 
Mülheim

Bewertungen

Insgesamt 989 Bewertungen
Bewertung vom 04.07.2019
Maigret bei den Flamen / Kommissar Maigret Bd.14
Simenon, Georges

Maigret bei den Flamen / Kommissar Maigret Bd.14


sehr gut

»Meine Eltern und ich sind verzweifelt. Es wird einen fürchterlichen Justizirrtum geben, wenn Sie uns nicht helfen!«

Givet, eine Kleinstadt nahe der belgischen Grenze. Die Familie Peeters führt dort ein Lebensmittelgeschäft. Sie sind Flamen und noch dazu wohlhabend – Grund genug für die Bevölkerung im Ort, sie zu verdächtigen, als ein junges Mädchen aus dem Ort verschwindet, mit dem der Sohn der Peeters ein Verhältnis hatte. Auf Wunsch der Familie reist Maigret an, um das Rätsel der verschwundenen Germaine zu lösen.

Bis heute hatte ich eine Bildungslücke, noch nie zuvor hatte ich einen Simenon gelesen und Maigret nur aus Verfilmungen gekannt. Dieses Buch packte mich mit seiner ganz besonderen Atmosphäre von der ersten Seite an.

Schon die Ausgangslage ist spannend. Eine Kleinstadt, in der jeder jeden kennt, die aber hier noch die Besonderheit aufweist, dass zwischen den Franzosen und den Flamen eine Front aus Vorurteilen, Neid und sogar Hass existiert. Bei seinen Ermittlungen stößt Maigret auf diverse Geheimnisse und hat schon bald einen Verdacht.

Die Atmosphäre der Kleinstadt wird großartig aufgebaut, ebenso wie die Charaktere, die tiefgründig wirken und so gut beschrieben sind, dass sie mir deutlich vor Augen standen. Maigret ermittelt ruhig und strahlt eine ungeheure Präsenz aus. Das alles hat mir sehr gefallen! Blut, Action und flotte Sprüche darf man nicht erwarten, wer aber gern auch mal einen ruhigen, intelligenten Krimi liest, der ist hier auf der sicheren Seite.

Fazit: Ruhige Detektivgeschichte mit toller Atmosphäre. Dieser Maigret hat mich überzeugt und sicher werden ihm weitere folgen.

Bewertung vom 03.07.2019
Sörensen hat Angst / Sörensen Bd.1
Stricker, Sven

Sörensen hat Angst / Sörensen Bd.1


ausgezeichnet

»Verdammt noch mal, eine Leiche… Am ersten Tag. Nein, nicht am ersten Tag, das wäre ja vielleicht gerade noch zu verkraften gewesen. Aber gleich in den ersten fünf Minuten des ersten Tages? So hatte er sich das nicht vorgestellt mit der Versetzung in die Ruhezone an der Nordsee… Jetzt bloß nicht kollabieren. Durchhalten. Atmen.«

Weil ihm in Hamburg alles zu viel wurde, wechselt Kriminalhauptkommissar Sörensen ins beschauliche Katenbüll in Nordfriesland. Eine Angststörung macht ihm das Leben zur Hölle und die Ausübung seines Berufs fast unmöglich. Doch in einem solch kleinen Ort wird sich das Verbrechen sicher auf Fahrraddiebstähle und ähnliches beschränken, oder?
Sörensen braucht nur wenige Minuten um festzustellen, dass er mit seiner Hoffnung auf mehr Ruhe im Leben völlig danebenlag. Dem ersten Toten werden weitere folgen, aber viel schlimmer werden die Erkenntnisse sein, die der Ermittler und sein Team in Kürze erlangen werden. Katenbüll hat eine sehr dunkle Seite…

Ich gestehe, ich war zunächst skeptisch. Ein Ermittler mit einer Angststörung erschien mir völlig unlogisch. Wie soll das denn funktionieren? Besagte Angststörung ist auch nicht ohne, massiv ausgeprägt und belastet Sörensen ständig. Die Symptome seiner Angst werden sehr eindringlich geschildert, das wirkt ungeheuer echt. Auch seine Versuche, dagegen anzukämpfen, die Tipps aus der Therapie anzuwenden, passen zusammen. Nach kurzer Zeit hatte ich mich daher mit der Ausgangslage arrangiert und große Sympathien für einen Mann entwickelt, der ursprünglich mal fest im Leben stand, dann erkrankte, sehr vieles verlor und nun versucht, wieder Bodenhaftung zu bekommen.

Neben Sörensen gibt es noch weitere interessante Charaktere, einige wirken liebenswert sympathisch und ich mochte sie auf Anhieb. Im Gegenzug zeigen sich bei einigen Dorfbewohnern wirklich heftige Abgründe. Einfach nur erschreckend, zu was manche Menschen in der Lage sind! Apropos Dorf… die Atmosphäre eines kleinen Orts an der Nordsee kommt ebenfalls sehr gut rüber. Freunde von Küstenkrimis sollten zufrieden sein.

Der Kriminalfall ist spannend, wird gut aufgebaut und die Recherchen wirken realistisch. Nicht immer läuft wegen der Angst alles so geschmeidig, wie es sollte, aber Sörensen schlägt sich tapfer und das wirkt glaubhaft. Zusammen mit dem höchst unterhaltsamen Schreibstil war das für mich ein gelungener Krimi und da ich den zweiten Band auch schon gelesen habe, hoffe ich jetzt auf einen dritten!

Fazit: Gelungene Krimiunterhaltung mit einem sehr interessanten und ungewöhnlichen Ermittler.

Bewertung vom 01.07.2019
Tierische Jobs
Ludwig, Mario

Tierische Jobs


ausgezeichnet

»Dank ihres überragenden Geruchssinns können Gambia-Riesenratten nicht nur überaus erfolgreich bei der Minensuche eingesetzt werden, sondern nach entsprechendem Training auch äußerst zuverlässig Tuberkuloseerreger in Speichelproben identifizieren. Erstaunlicherweise haben die Ratten bei der Identifikation von potenziellen Tuberkuloseerkrankten eine signifikant höhere Trefferquote als ein Labortechniker mit seinem Mikroskop. Und nicht nur das: Auch in Sachen Geschwindigkeit bei der Probenauswertung sind die tierischen Diagnostiker ihren menschlichen Kollegen weit überlegen. Benötigt ein Labormitarbeiter etwas 2 Tage, um 100 Proben auf Tuberkuloseerreger zu untersuchen, schaffen die Ratten das in gerade mal 20 Minuten.«

Tiere als Nutztiere kennt jeder. Sie liefern Fleisch, Milch und Eier sowie Pelze, Leder und Wolle. Sie ziehen Kutschen, tragen Reiter und hüten Schafherden. Auch zum Blindenhund oder Drogenschnüffler ausgebildete Hunde dürften jedem bekannt sein. Tatsächlich ist und war der Einsatzbereich von Tieren um ein Vielfaches größer und erstreckt sich auf erstaunlich viele Bereiche.

Für sein neues Buch hat der bekannte Biologe Mario Ludwig in insgesamt 49 Kapiteln „tierische Jobs“ zusammengetragen und in gewohnt unterhaltsamer und leicht lesbarer Art beschrieben. Die große Vielfalt der „Berufe“ wird dabei ganz deutlich, manche existieren heute nicht mehr, andere haben sich schon dauerhaft bewährt und einige sind auch brandneu, wie zum Beispiel der „Archälogiehund“.
Beim Lesen schwankten meine Gefühle ständig. Der Stil ist zwar durchgehend unterhaltsam, der Inhalt jedoch leider nicht. Immer wieder nutzt der Mensch das Tier aus, einige Kapitel gingen mir als Tierfreund wirklich nah. Und dabei wurde bereits bewusst darauf verzichtet, über den Einsatz bedauernswerter Versuchstiere in Laboren zu berichten. Aber manchmal werden tierische Therapeuten oder Dienstleister einfach nicht artgerecht gehalten oder sie bzw. ihre Fähigkeiten werden durch Verbrecher übel missbraucht.

Im Gegenzug war ich bei vielen anderen Kapiteln schwer beeindruckt von den phantastischen Fähigkeiten, mit denen die Natur die beschriebenen Tiere ausgestattet hat und die dadurch auch in der Lage sind, dem Menschen wirklich großen Nutzen zu bringen. Die Gambia-Riesenratten sind ein gutes Beispiel, großartige Minensucher und Tuberkuloseschnüffler in einem. Oder Diabetikerwarnhunde, die Schwankungen des Blutzuckerspiegels extrem früh erkennen, beispielsweise erschnuppern können, wenn ein Kind im Schlaf unterzuckert. Und die dann – Dank einer 2jährigen Ausbildung – in der Lage sind, Hilfe zu holen, den Hausnotruf zu betätigen, die Tür für Helfer öffnen, Traubenzucker oder ein passendes Getränk zu bringen und vieles mehr.

Dann gab es noch die Kapitel, die ich besonders unterhaltsam fand. Dazu gehörten zum Beispiel die Raben im Tower (ihres Zeichens offizielle Soldaten Ihrer Majestät ;-) oder Apothekerfrösche, die lange Zeit recht zuverlässige Schwangerschaftstests ermöglichten. Und manchmal amüsiert man sich zunächst, um dann zu verstehen, dass der tierische Einsatz durchaus sinnvoll ist. Ein Beispiel wäre hier der „Herdenschutzesel“.

Fazit: Ein unterhaltsamer und informativer Blick auf die enorme Vielfalt tierischer Berufe, der mich manches Mal in Erstaunen versetzt hat.

Bewertung vom 19.06.2019
Wie man die Zeit anhält
Haig, Matt

Wie man die Zeit anhält


sehr gut

»Die erste Regel lautet, du darfst nicht lieben … Es gibt noch andere Regeln, aber das ist die wichtigste. Du darfst dich niemals verlieben. Niemals lieben. Niemals von der Liebe träumen. – Solange Sie sich daran halten, kommen Sie durch.«

Tom Hazard ist alt. Sehr alt sogar. Blickt man ihm ins Gesicht, hält man ihn für einen Vierzigjährigen, tatsächlich wurde er vor über 400 Jahren geboren. Er kannte Shakespeare persönlich und segelte mit James Cook. In der Jetztzeit lebt er als (natürlich ;-) Geschichtslehrer in London und profitiert davon, dass er beim Unterrichten ständig aus seinen Erinnerungen schöpfen kann.

Was erst mal beneidenswert klingt, ist es bei näherer Betrachtung nicht. Das wird an Tom ganz deutlich, der alles ist, nur nicht glücklich. Schon früh lernte er, dass sein Geheimnis gewahrt bleiben muss. Daher wechselt er alle 8 Jahre die Identität und hält sich von anderen Menschen und vor allem von Gefühlen fern. Jahrhundertelang ging das gut, doch nun ist da Camille, die Französischlehrerin seiner Schule, die ihn gegen seinen Willen anzieht. Das wäre eine Beziehung gegen alle Vernunft. Oder?

Wer nun hier eine reine Liebesgeschichte vermutet, greift zu kurz. Fragen nach dem Sinn des Daseins, dem nicht selten unvernünftigen Handeln von Menschen (Stichworte z.B. Kriege, Umweltzerstörung) und dem Ausgrenzen und Bekämpfen von allem, was in irgendeiner Form „anders“ ist, ziehen sich durch das Buch. Toms Leben ist von Zweifeln durchsetzt, der Ton des Buchs ist melancholisch, nicht selten wird es philosophisch.

Durch die Rahmenhandlung, die in der heutigen Zeit spielt, ziehen sich Rückblenden in die ersten 400 Jahre von Toms Leben. Unschwer kann man sich vorstellen, welche Reaktionen ein Mensch, der nicht altert, im 16. Jahrhundert hervorgerufen hat. Alles wird aus Toms Perspektive geschildert, man ist daher stets nah dran an seinen Gedanken und Empfindungen. Das Buch liest sich flott und ich empfand es, von einigen allzu philosophischen Passagen abgesehen, als sehr kurzweilig.

Fazit: Wie lebt man, wenn man ewig lebt? Interessante Gedankenansätze verpackt in eine kurzweilige Story.

»Doch je länger man lebt, desto deutlicher erkennt man, dass nichts unverrückbar feststeht. Jeder Mensch wäre irgendwann ein Flüchtling, wenn er nur lange genug lebte. Jeder würde sehen, dass Nationalität auf lange Sicht wenig Bedeutung hat. Jeder würde erleben, dass sein Weltbild auf den Kopf gestellt und seine Überzeugungen widerlegt werden. Jeder würde begreifen, dass es nur eine Sache gibt, die den Menschen ausmacht, und das ist die Menschlichkeit.«

Bewertung vom 18.06.2019
Die Totensammler
McGee, James

Die Totensammler


ausgezeichnet

»Einst waren in diesem Winkel des Friedhofs wohl die wohlhabenderen Gemeindemitglieder beigesetzt worden, aber das war lange her. Jetzt wurden hier nur die Armen beerdigt, und Einzelgräber waren eine Seltenheit. Der Friedhof war zu einem Ort gleichgültiger Vernachlässigung geworden. Und zu einem Ort der Hinrichtung.«

London, zu Beginn des 19. Jahrhunderts. In einem Irrenhaus wird eine furchtbar zugerichtete Leiche gefunden, weitere schreckliche Funde schließen sich an. Ein Fall für Sonderermittler Hawkwood, der sich wie kein zweiter in den tiefsten Tiefen der Londoner Unterwelt auskennt. Was er im Rahmen seiner Ermittlungen herausfindet, wird ihn allerdings an seine Grenzen führen…

Wow, was habe ich dieses Buch verschlungen! Ein sehr spannender Thriller, dessen geschichtlicher Hintergrund einem die Haare zu Berge stehen lässt. Erläuterungen zu diesem Hintergrund finden sich im Anhang, verbunden mit dem Hinweis des Autors, dass er manche geschichtlichen Tatsachen absichtlich nicht in sein Buch integriert hat, weil er fürchtete, »die Leser würden es zu abartig finden.«

Auch so darf sich der Leser schon auf einiges gefasst machen. Das Thema „Leichenraub“ zieht sich durchs ganze Buch, es gab damit offenbar ein großes Problem, vor allem für die arme Bevölkerung, deren Gräber leicht auszunehmen waren. Rivalisierende Banden führten einen Krieg um die Leichen und zahlreiche Abnehmer warteten auf stetigen Nachschub. Hier erlebt man als Leser dann auch passsenderweise einen Abstecher in die Geschichte der Chirurgie, einschließlich dem Besuch einer Vorlesung mit Live-OP. Natürlich ohne Betäubung.

Bei all dem Schrecken wird man auch nachdenklich. Was haben sich manche im Dienste der wissenschaftlichen Forschung herausgenommen! Natürlich ist es wichtig und verständlich, dass sich Mediziner Gedanken über Fortschritte und neue Entwicklungen machen. Wenn sie das nicht immer schon getan hätten, wo wären wir dann? Aber trotzdem sind so manche Dinge aus heutiger Sicht einfach nur schaurig.

Hawkwood, den ich bereits im ersten Teil kennenlernte, zeigt sich hier wieder von seiner besten Seite. Bedeutet: Er lässt sich von wichtigen Titeln nicht beeindrucken, tritt hartnäckig auf Füße und fällt in gewissen Kreisen dadurch ständig unangenehm auf. Höchst sympathisch ist mir das!

Fazit: Morbid, düster und sehr spannend. Eine volle Leseempfehlung für jeden Interessierten, der nicht zu sensibel ist. Die Kenntnis von Band 1 ist für das Verständnis nicht erforderlich.

»Ich war mit seiner ersten Antwort nicht zufrieden. Da habe ich ein bisschen Druck ausgeübt.« »Ich war immer ein Bewunderer Ihrer Überredungskunst, Hawkwood.«

Bewertung vom 09.06.2019
Vis-à-Vis Reiseführer Teneriffa, m. 1 Karte, m. 1 Beilage
Rupp, Gabriele

Vis-à-Vis Reiseführer Teneriffa, m. 1 Karte, m. 1 Beilage


ausgezeichnet

»Teneriffa ist, wie Alexander von Humboldt schon vor mehr als 200 Jahren begeistert feststellte, ein Naturereignis der besonderen Art. Wer den Spuren des Forschers folgt, etwa auf dem Weg von der sonnenverwöhnten, subtropischen Küste in die hochgelegene Gebirgsregion des Pico del Teide, dem offenbart sich auch heute noch eine wundersame Welt.«

Ich gestehe, ich bin ein Wiederholungstäter, die Vis-à-Vis Reiseführer haben mich schon zu einigen Zielen begleitet. Auch als ich kürzlich im Geschäft stand und nach einem Reiseführer für Teneriffa suchte, überzeugte mich schon gleich wieder der erste Eindruck.

Nun, nach dem Lesen, hat sich dieser gute erste Eindruck verfestigt. Der Reiseführer hat alles, was ein ordentlicher Urlaubsbegleiter braucht.
Die Gliederung ist sehr gut und übersichtlich. Teneriffa wird grob in vier Regionen aufgeteilt, die dann einzeln ausführlich behandelt werden. Darüber hinaus gibt es natürlich grundsätzliche Infos, ein schönes Porträt der Insel, eine große Karte zum Rausnehmen und ein kleines Rezeptheft, das ebenfalls entnommen werden kann. Alle wichtigen Sehenswürdigkeiten werden vorgestellt, wie alles im Buch toll bebildert.

Schon das Porträt macht Lust, gleich loszufahren. Es behandelt die Themen Strände, Natur, Kultur, Fiestas, Aktivurlaub, Genuss, Wellness und Shopping. Immer wird dabei darauf geachtet, alles möglichst übersichtlich zu präsentieren, so dass die benötigten Infos schnell und leicht erfasst werden können. Zum Beispiel wird beim Thema „Strände“ unterschieden in „beliebte Strände“, „Strände für Individualisten“ und „Naturschwimmbecken“, jedem Unterthema wird eine Doppelseite gewidmet. Auf dieser sind die Lagen der Strände auf einer Karte gekennzeichnet, es gibt kleine Bilder mit Infos und zusätzlich eine Tabelle, aus der man auf einen Blick alles Wichtige ablesen kann. Da sieht man sogar, wo es Palmen am Strand gibt oder man mit Glasbodenbooten fahren kann. Wo gibt es schwarzen, wo weißen Sand? Wo badet man gut mit Kindern, wo, wenn man es ruhig haben will und wo gibt es ein großes Sport- und Spaßangebot? Keine Fragen bleiben unbeantwortet.

Auch die anderen Themen werden so gut behandelt. Mich faszinierte natürlich der Bereich „Natur“ besonders und begeistert las ich von der einzigartigen Flora der Kanaren und dass Teneriffa die größte Pflanzenvielfalt aufweist. Oder davon, dass man das ganze Jahr über Wale in Küstennähe beobachten kann, bis zu 26 Wal- und Delfinarten tummeln sich dort. Viele Naturparks locken, die Vielfalt der Landschaft lässt Wanderfreunde voll auf ihre Kosten kommen. In einem separaten Abschnitt erfährt man, von welchen Punkten aus man die schönsten Ausblicke auf die Insel bekommen kann.

Natürlich fehlen auch die Grundinfos und praktischen Hinweise zur Reise nicht. Sie werden ergänzt mit einem historischen Überblick und einer Doppelseite zu den Guanchen, den Ureinwohnern der Kanaren. Wie alles im Buch schön übersichtlich gestaltet und bebildert. Ein kleiner Sprachführer schließt sich an.

Begeistert bin ich auch von dem robusten Einband, feucht abwischbar und widerstandsfähig gegen Sonnenmilchflecken und Wasserspritzer. Auch die herausnehmbare große Inselkarte ist aus diesem tollen Material und wird daher ihre tägliche Mitnahme gut überstehen. Auf ihrer Rückseite finden sich mehrere Innenstadtpläne und allgemeine Toureninfos.

Fazit: Ein sehr übersichtlicher und informativer Reiseführer, reich bebildert und als Begleiter im Gepäck ordentlich robust.

Bewertung vom 07.06.2019
Der Rattenfänger
McGee, James

Der Rattenfänger


sehr gut

»Sie haben doch gute Kontakte zur Unterwelt. Hören Sie sich dort um. Mord und Verstümmelung auf des Königs Straßen dulde ich nicht!«

London 1811, England führt Krieg gegen Napoleon. Während der Adel im Luxus schwelgt, herrscht in den Armenvierteln der Hauptstadt große Not. Überlebenskampf ist angesagt, Nährboden für Kriminalität.
Dort, zwischen Huren, Hehlern und stehlenden Straßenkindern liegt das Revier von Matthew Hawkwood, einem Sonderermittler der Polizei. Mit guten Kontakten, Unerschrockenheit und Instinkt meistert er seinen Alltag, doch die aktuelle Herausforderung wird ihn an seine Grenzen bringen.
Zwei Morde sind aufzuklären, dabei kommt Matthew einem furchtbaren Geheimnis auf die Spur. London steuert auf eine Katastrophe zu und ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt.

Ich war sehr gespannt auf den Auftakt dieser Reihe. Das England des 19. Jahrhunderts empfinde ich als hochinteressanten geschichtlichen Hintergrund. Tatsächlich stellt dieses Buch eine tolle Milieustudie dar, die Reichen und Adligen sind so arrogant, wie man nur sein kann und die Not in den Elendsvierteln wird so plastisch beschrieben, dass man sie deutlich vor Augen hat und meint, den Gestank zu riechen. Auf die tatsächlichen historischen Ereignisse wird übrigens im Anhang eingegangen, dabei erkennt man, dass eine ganze Menge Tatsachen im Buch verarbeitet wurden.

Besonders interessant ist natürlich Hawkwood, ein wirklich spezieller Charakter. Exzentrisch, charismatisch und mit reichlich Vergangenheit ist er ein Typ, dessen Verhalten man wirklich nicht immer gutheißen kann, der aber trotzdem (oder gerade deshalb?) fasziniert. Schnell wird zudem klar, dass man schon ein ungewöhnlicher Mensch sein muss, um in diesem Aufgabenbereich erfolgreich zu sein. Oder einfach nur zu überleben. Gerade letzteres wird hier manchmal äußerst schwierig, Spannung ist angesagt!

Fazit: Tolle Milieustudie, Spannung und ein sehr spezieller Charakter. Ich freue mich, dass diesem Band bereits zwei weitere gefolgt sind und mache gleich mit dem nächsten weiter.

»Hat Sie schon mal jemand darüber informiert, mein Freund, dass Sie dazu neigen, sich hart an der Grenze des Gesetzes zu bewegen?«

Bewertung vom 02.06.2019
Clara Schumann
Knechtges-Obrecht, Irmgard

Clara Schumann


sehr gut

»Die Ausübung der Kunst ist ja ein großer Theil meines Ichs, es ist mir die Luft, in der ich athme.«

Wer sich mit dem klassischen Klavierspiel beschäftigt, kommt an dem Namen Clara Schumann nicht vorbei. Und wer – so wie ich – noch zu D-Mark-Zeiten aufgewachsen ist, kennt ihr Gesicht, das auch vom Cover dieses Buchs lächelt, vom Hundertmarkschein. Irmgard Knechtges-Obrecht zeichnet in dieser Biographie ein differenziertes Bild einer Frau, die die Musikwelt nachhaltig prägte und beeinflusste und zu ihrer Zeit ein außergewöhnliches Frauenbild präsentierte.

Von ihrem Vater systematisch zum Wunderkind aufgebaut, startete Clara ihre Karriere mit zarten 9 Jahren. Als sie 18 war, war ihr bereits der internationale Durchbruch gelungen. All das war nur durch den kompletten Verzicht auf eine Kindheit möglich, ihr Leben wurde durch Fingerübungen und höchst strapaziöse Konzertreisen bestimmt. Der dominante Vater managte erfolgreich, reglementierte aber selbst die privatesten Bereiche im Leben seiner Tochter. So nahm er beispielsweise ihre Tagebucheintragungen vor, erst als junge Frau durfte sie selber schreiben, wobei er aber jeden Eintrag kontrollierte und, wo er es für richtig empfand, korrigierte. Wie sich die 19jährige Clara von ihm loskämpft, um (natürlich gegen den Willen des Vaters) Robert Schumann, die große Liebe ihres Lebens, zu heiraten, ist sehr berührend und nötigt Respekt ab.

Kämpfen musste sie auch später oft. Als ihr Mann starb, war sie erst 37 Jahre alt und Mutter von 7 Kindern. Entgegen dem, was gesellschaftlich üblich gewesen wäre, heiratete sie nicht neu, sondern führte ihr erfolgreiches Künstlerinnenleben auch als Alleinerziehende weiter und entsprach dadurch in keiner Weise dem bürgerlichen Frauenbild ihrer Zeit. Dies führte sie konsequent weiter, leitete zu einem späteren Zeitpunkt eine Klavierklasse an Dr. Hoch’s Konservatorium in Frankfurt am Main und war damit die erste und für lange Zeit einzige Frau in einer solchen Position. Clara Schumann erhielt zahlreiche Auszeichnungen und Ehrungen und wurde über ein halbes Jahrhundert auf den Konzertbühnen Europas gefeiert.

Zweifelsfrei war Clara eine ungewöhnlich moderne Frau, die Autorin stellt in ihrem Buch aber die Künstlerin in den Mittelpunkt. Clara liebte und lebte die Musik, sie spielte und komponierte, übte stetig und ausdauernd, um die gewünschte Perfektion und Brillanz zu erlangen bzw. zu erhalten. Tapfer nahm sie alle Strapazen der Konzertreisen auf sich und genoss den Lohn der ihr entgegengebrachten Ovationen. Die Musik gab ihr Halt auch in schweren Zeiten und als ihr das Musizieren im Alter krankheitsbedingt nicht mehr möglich war, ahnt man als Leser schon, dass dies ihr Lebensende eingeläutet hat.

Indem man ihr Leben verfolgt, liest man auch vieles über das ihres Mannes Robert Schumann und das eines ihrer engsten Freunde, Johannes Brahms. Obwohl das gezeigte Bild von Clara überwiegend positiv ist, finden auch ihre schlechteren Eigenschaften Erwähnung. Nicht jede ihrer Verhaltensweisen mag man gutheißen, aber man kann leicht nachvollziehen, wie sie zu dem Menschen wurde, der sie war. Als Künstlerin ist sie über jeden Zweifel erhaben und ihre mutige Rolle als moderne Frau verdient auf jeden Fall Respekt.

Die Biographie liest sich leicht und angenehm, ist chronologisch aufgebaut und in logische Kapitel gegliedert. Eingestreut in den Text finden sich immer wieder passende Bilder und Fotos. Bei ihrer sorgfältigen Recherche konnte die Autorin auch die bisher unveröffentlichten Jugendtagebücher Claras einsehen und auswerten.

Fazit: Hochinteressantes Porträt einer ungewöhnlichen Frau und brillanten Künstlerin. Der Untertitel des Buchs lautet »Ein Leben für die Musik« und trifft voll auf den Punkt.

Bewertung vom 26.05.2019
Lena Halberg: Der Cellist
Nybørg, Ernest

Lena Halberg: Der Cellist


ausgezeichnet

»Die Frage ist, … ob du dir nicht ein weniger brisantes Thema überlegst und die Angelegenheit auf sich beruhen lässt.«
»Damit diese Mistkerle davonkommen und noch größere Schweinereien anzetteln? Niemals! … Siehst du denn nicht, was die machen? Die verschieben die Gewinne auf Schwarzgeldkonten, erpressen ganze Staaten und bringen Leute um!«

Die Journalistin Lena Halberg reagiert auf Ungerechtigkeiten ungefähr so, wie der sprichwörtliche Stier auf das rote Tuch. So nimmt sie auch jetzt den Kampf auf, entgegen diverser gutgemeinter Ratschläge und Warnungen. Und tatsächlich wird sie sich wieder in große Gefahr begeben…

Der angebliche Selbstmord eines Bankers hatte ihre Aufmerksamkeit erregt und die Neugierde geweckt, denn der Name des Toten fiel im Zusammenhang mit den Panama Papers. Bei Recherchen stößt sie schnell auf einige brisante Infos rund um den angeblich so seriösen Banker Martin Kurkov, der sich der Öffentlichkeit als großer Kunstliebhaber präsentiert und einen jungen, begabten Cellisten fördert. Lena wird klar: Hinter der biederen Fassade steckt ein ganz, ganz mieser Kern.

Dieser Thriller sorgte bei mir wieder für ordentlich Wut im Bauch, manche Menschen gehen einfach mit unglaublicher Skrupellosigkeit vor. Vermutlich mag ich Lena so, weil sie versucht, diesen gemeinen Subjekten das Handwerk zu legen. Was sie aufdeckt, geht weit über dubiose Bankgeschäfte hinaus, entsprechend wirken ihre Nachforschungen wie ein Stich ins Wespennest. Es wird also sehr spannend!

Wer nicht so im Thema ist, was mit den Panama Papers und Offshore-Diensten gemeint ist, muss sich keine Sorgen ums Verständnis machen, denn es gibt grundlegende Infos zu diesen Punkten. Auch die Kenntnis der vorherigen Bände der Lena-Halberg-Reihe ist nicht notwendig, die früheren Handlungen sind abgeschlossen und man kann problemlos mit diesem Band einsteigen.

Neben Lena, einer starken Frau, gibt es einige interessante Nebencharaktere. Ein Schauplatz der Handlung liegt in Bolivien, außerdem verfolgen wir die Wege des titelgebenden Cellisten. Beides hat mir sehr gefallen und ich war gespannt, wie die Fäden am Ende zusammenlaufen. Im Anhang sind einige „Facts“ aufgeführt, die erschreckend deutlich machen, wie realistisch die Handlung des Thrillers ist.

Fazit: Skrupellose Finanzgeier und eine taffe Journalistin – spannend!