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solveig

Bewertungen

Insgesamt 471 Bewertungen
Bewertung vom 06.04.2015
Voran, voran, immer weiter voran
Bartelmay, Ryan

Voran, voran, immer weiter voran


sehr gut

Richtig oder falsch?

„Das Leben ist nichts
als ein Loch in der Erde
und du kommst nicht raus.“

Zu dieser ernüchternden Erkenntnis gelangt Chic Waldbeeser.
Eigentlich wünscht er sich nur eine richtige Familie und einen ganz normalen, ruhigen Lebensverlauf. Doch dieser schlichte Lebensentwurf scheint schwieriger zu erfüllen als gedacht, obwohl er dafür alles tut, was seiner Meinung nach das Richtige oder Normale ist. Er gerät immer wieder in Schwierigkeiten; denn ohne ein echtes Vorbild oder einen Ratgeber zu haben, handelt er so, wie er glaubt, dass es von ihm erwartet wird.
So wie Chic sind fast alle Menschen, die Chics Lebensweg kreuzen, auf der Suche nach dem „richtigen“ Leben, nach einem Sinn.
Ihre Probleme, Entscheidungen zu treffen, ihre seelischen Nöte, Ängste, Wünsche, all die Widersprüche, die sich ergeben, beschreibt der Autor sehr eindrücklich und nachhaltig. In kurzen Kapiteln lässt er seine Figuren Höhepunkte und Schicksalsschläge erleben und darauf reagieren. In ruhigem Stil und gut verständlicher Sprache legt Bartelmay ihr Verständnis der Welt einfühlsam, aber auch schmerzhaft offen dar und lässt den Leser hautnah teilhaben an ihrer verzweifelten Suche nach Orientierung.
Bereits das Cover weist auf die Widersprüchlichkeit hin, der abgebildete Wegweiser in einer monotonen, tristen Landschaft: welches ist die richtige Richtung zu einem zufriedenen, sinnvollen Leben? Jeder Mensch erlebt die Suche auf andere Art: Einige Personen des Romans finden einen Weg zur Zufriedenheit, manche suchen weiter. Gibt es überhaupt ein „Richtig“ oder „Falsch“?
Das einzige, was sicher ist: Die eigene Lebenszeit geht unerbittlich weiter, einmal gemachte Fehler oder Fehlentscheidungen sind nicht rückgängig zu machen: „Voran, immer weiter voran.“ Und immer wieder sind wir gezwungen, uns mit unseren Entscheidungen auseinanderzusetzen.

Bewertung vom 28.03.2015
Roter Lavendel
Nestmeyer, Ralf

Roter Lavendel


sehr gut

Im Bann der Geschichte

Hochsommer in Südfrankreich: ein deutscher Modefotograf besucht die Provence, um Lavendelmotive für einen Kalender zu fotografieren. In Avignon zieht ihn ein Mitreisender, Monsieur Perras, ins Vertrauen und bittet ihn, ein Päckchen mit historischen Briefen und Fotos für ihn aufzubewahren, da er einen Bekannten treffen wolle. Als der Fotograf am nächsten Tag abreisen will, ist Monsieur Perras, der Besitzer der Dokumente, verschwunden. Daher fährt er weiter nach Raboux und widmet sich seiner Arbeit. Doch der Gedanke an Monsieur Perras und seine geheimnisvollen Briefe lassen ihm keine Ruhe, und er begibt sich auf Spurensuche …

Ruhig und langsam entwickelt Nestmayer seine Erzählung. Aus dem Blickwinkel des Fotografen entdeckt der Leser das Besondere an provenzalischen Landschaften und Städten; er wird gewissermaßen durch die Umgebung geführt und genießt die sommerlich-entspannte Atmosphäre.
Doch die Reise in die Provence zur Zeit der Lavendelblüte erweist sich nicht nur als eine Exkursion in einen provenzalischen Mythos. Sie wird für den Protagonisten zugleich eine Reise in die Vergangenheit. Nicht so sehr das aktuelle Verbrechen steht im Vordergrund; der Schwerpunkt liegt eher auf der Recherche: Monsieur Perras´ alte Briefe enthüllen private Schicksale während des Zweiten Weltkriegs. In einem gepflegten Stil und präziser Sprache schildert der Ich-Erzähler historische Fakten; die politische Situation der 40er Jahre während der deutschen Besatzungszeit in Frankreich wird lebendig, Aktionen von Kämpfern der Résistance, deutsche Vergeltungsmaßnahmen - Ereignisse, deren Folgen bis in die Gegenwart reichen und Monsieur Perras zum Verhängnis werden.
Mit seinem ersten Kriminalroman legt Ralf Nestmeyer ein anspruchsvolles und unterhaltendes Werk vor.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 24.03.2015
Der blauen Sehnsucht Tod / Frank Liebknecht ermittelt Bd.2
Pons, Brigitte

Der blauen Sehnsucht Tod / Frank Liebknecht ermittelt Bd.2


ausgezeichnet

Kunst und Krimi


Feierstimmung in Vielbrunn! Ausgelassen begehen Einwohner und Festgäste die Tausendjahrfeier des Ortes. Polizist Frank Liebknechts Feststimmung wird jedoch jäh abgebrochen: die schöne, junge Linda wird ermordet aufgefunden. Heikel für Frank; denn er hat am Tag zuvor noch ein Techtelmechtel mit ihr gehabt. Offiziell darf er also in diesem Fall nicht ermitteln. Doch dann erhält er Hinweise vom Ehemann der Toten, die beweisen, dass Linda nach dem Verbleib eines berühmten Gemäldes geforscht haben soll. Frank geht ihnen nach, entdeckt eine Spur und gerät selbst in Gefahr …

In frischem, sehr lebendigem Stil entwickelt die Autorin eine aufregende Geschichte, in der es um Kriegserlebnisse, Kunstraub, Beutekunst - und natürlich Mord geht, angesiedelt im ländlichen Ambiente des hessischen Dörfchens Vielbrunn.
Ein guter Schuss Humor gibt dem Geschehen zusätzlich Würze. Wie in einem Protokoll werden Datum, Uhrzeit, Ort und Akteur kapitelweise festgehalten, so dass der Leser den Ermittlungen detailliert folgen kann. Bis zum Schluss bleibt der Roman spannungsgeladen und voller unerwarteter Wendungen.
Warmherzig und lebendig schildert Brigitte Pons ihre Figuren, allen voran den Protagonisten Frank Liebknecht, als unverwechselbare Charaktere.
Wer bereits den ersten Teil um den Frank und seiner Erbacher Kollegen kennt, kann bestens die persönlichen Entwicklungen der einzelnen Personen nachvollziehen. Aber auch ohne das erste Buch zu kennen, ist es kein Problem, die Geschichte mitzuverfolgen.
Ein spannender, lehrreicher Kriminalroman!

Bewertung vom 24.03.2015
Rocco Calzone
Bertram, Rüdiger; Schulmeyer, Heribert

Rocco Calzone


sehr gut

Pfiffiges Leseabenteuer


Rocco hat es nicht leicht! Er ist das „weiße Schaf“ der Familie Calzone und vollauf damit beschäftigt, die (Un-)Taten seiner Familienangehörigen wieder in Ordnung zu bringen. Eigentlich wünscht er sich nichts sehnlicher, als dass diese ihre recht unkonventionellen „Berufe“ an den Nagel hängen und keine krummen Touren mehr machen. Doch zu Opas Freude und Roccos Schrecken will die Familie endlich einen ganz großen Coup starten.

Die Eskapaden der Familie Calzone sind witzig und flott geschrieben, wie der junge Leser es von Autor Bertram gewohnt ist. Mit Rocco, dem liebenswerten Protagonisten, mag sich bestimmt so manches Kind identifizieren. Temporeich und spannend erzählt Bertram von dem neuesten Familienunternehmen, bei dem Rocco seine Findigkeit unter Beweis stellen und sogar zu besonderen Mitteln greifen muss.

Locker und humorvoll illustriert Heribert Schulmeyer das Buch mit ganzseitigen Schwarz-Weiß-Zeichnungen, die harmonisch den Text ergänzen. Lustige Idee: die gezeichneten Porträts der ungewöhnlichen Calzone-Familie zieren die Vorsatzblätter.
Mein Fazit: „Rocco Calzone“ ist ein lustiges, sehr unterhaltsames Leseabenteuer für Kinder ab 8 Jahren.

Bewertung vom 22.03.2015
Hawelka & Schierhuber laufen heiß
Pfeifer, Günther

Hawelka & Schierhuber laufen heiß


sehr gut

Originell


Mit den gewohnt smarten Tatort-Kommissaren haben sie nicht viel gemeinsam: die beiden Wiener Kommissare Hawelka und Schierhuber entsprechen eher dem Bild von Männern in den besten Jahren, denen man ihre Vorliebe für gutes Essen und Trinken ansieht. Doch ihre Gemütlichkeit täuscht.
Ihr Vorgesetzter, der „Erzherzog“ , schickt sie in das Dorf Vestenötting an der Thaya, wo sie klären sollen, wer den Bauern Birnstingl mittels seiner eigenen Kreissäge umgebracht hat. Für diesen Einsatz wählen sie als zentrale Ermittlungsstelle das Wirtshaus, Mittelpunkt jeder Dorfgemeinschaft und Umschlagsort wichtiger Nachrichten. Obwohl die Einwohner über einige Informationen zu verfügen scheinen, geben sie sich jedoch hartnäckig unwissend. Und daher sieht es zunächst so aus, als ob die zwei Kommissare außer durchzechten Nächten nichts erreichen. Doch ihre Beharrlichkeit zahlt sich aus, und schließlich kommt Bewegung in die zähen Ermittlungen …

Locker und frisch geschrieben, mit viel Witz und Ironie entwickelt sich der Roman; der Leser nimmt angeregt an den privaten und beruflichen Erlebnissen Hawelkas und Schierhubers in Niederösterreich teil und ist an der Suche nach dem „Mordbuben“ beteiligt. Der leicht anklingende österreichische Dialekt verleiht dem Erzählton eine besondere Note. Auch die Dörfler-Mentalität, mit einem Augenzwinkern geschildert, die Stammtisch-Atmosphäre im Wirtshaus und die typischen Männergespräche, die Pfeifer sehr stimmungsvoll eingefangen hat, unterstreichen das authentische Ambiente.
Ein kurzweiliger, origineller Krimi mit Lokalkolorit!

Bewertung vom 22.03.2015
Blätterrauschen / Zeitreise Bd.1
Rahlens, Holly-Jane

Blätterrauschen / Zeitreise Bd.1


ausgezeichnet

Ein anregendes Leseabenteuer

Zeitreisen - wer wäre nicht von dieser Idee fasziniert?
In ihrem neuen Roman erzählt Holly-Jane Rahlens von drei Kindern, die diese Reise eher unfreiwillig antreten. Iris, Oliver und Rosa, die einem Lesezirkel angehören, erleben eines Nachmittags Merkwürdiges in Cornelia Eichfelds Buchhandlung „Blätterrauschen“: sie treffen auf Colin, einen Jungen aus einer zukünftigen Zeit, werden von unheimlichen Männern verfolgt und landen schließlich im Berlin des Jahres 2273. Zunächst finden sie ihr Abenteuer noch interessant und abwechslungsreich, zumal ihre Buchhändlerin Cornelia sich als erprobte Zeitreisende erweist. Doch dann wird es zunehmend ungemütlicher für sie ….

Temporeich und spannend führt die Autorin durch die phantastischen Erlebnisse der Protagonisten und gewährt ihren Lesern einen Blick in die ferne Zukunft. Sie entwirft ein farbiges Bild dieser Zeit, lässt aber genug Spielraum für eigene Phantasien.
Flüssig, locker geschrieben, dabei auch gut verständlich spricht sie die Altersgruppe der 10- bis 12jährigen Bücherfreunde an.
Nicht nur die aufregende Handlung und humorvollen Details fesseln den Leser; denn Rahlens erzählt nicht einfach ein Zeitreise-Abenteuer, sondern verpackt auch einige wichtige Botschaften in der Geschichte. Der Wert echter Freundschaft wird hervorgehoben, die den Zusammenhalt stärkt und Trost spendet, und der Appell „Ihr seid die Autoren eurer Zukunft" soll junge Menschen ermutigen, selbst aktiv zu werden, Dinge zu verändern.
Während ihrer Reise in die Zukunft erfahren die Kinder, dass zwar jede Geschichte ein Ende hat, aus jedem Ende aber wieder ein neuer Anfang entsteht: „Geschichten gehen immer weiter. Wie die Zeit selbst.“
Ein spannendes Leseabenteuer, das zum Nach- und Weiterdenken anregt.

Bewertung vom 19.03.2015
Hinrichtung
Stanzl, Werner

Hinrichtung


sehr gut

Krimi mit Niveau

Es ist Ferragosto in Italien und außerdem sind die Vorbereitungen zum Besuch des Papstes in vollem Gang - da wird der norditalienische Ort Cormons Zeuge einer modernen Steinigung! Während Commissario Bruno Vossi und sein Team ermitteln, laufen auch die Medien zu Hochtouren auf. Bei „La Gazzetta“ geht der Hinweis auf ein Scripsi ein, das Vossis Annahme, es handle sich hier um ein religiöses Mordmotiv, zu bestätigen scheint. Während die Polizei fieberhaft weiter forscht, geschieht ein weiterer Mord. Schon bald schaltet sich der vatikanische Geheimdienst ein und die NSA-Abteilung in Rom. Aber die Suche nach dem Serienmörder gestaltet sich weiterhin schwierig…

In ansprechendem, gewähltem Stil schildert Werner Stanzl die Arbeit Vossis und der diversen Sicherheitsdienste, wobei er an aktuelle politische Themen anknüpft. Beschreibungen lokaler Eigenheiten und Erklärungen historischer Hintergründe runden die Geschichte ab.
Der sympathische Kommissar, welcher „der Werbefigur auf den Plakaten für Birra Moretti“ ähnelt, liebt gutes Essen, Ausflüge in die Geschichte und die Gegend zwischen Gorizia und Cormons, wo er lebt. Er ist nicht der Typ James Bond, sondern eher Intellektueller und zeichnet sich durch Humor, Gelassenheit und ruhiges Nachdenken aus. Da steht er ganz im Gegensatz zu den Mitarbeitern der Security-Abteilung des Vatikan; denn die „… schießen erst und fragen später.“ Vossi ist durchaus eine Figur, mit der sich der Leser identifizieren kann.

Sehr spannend, aber auch humorvoll und oft ironisch, erzählt der Autor, der für seine Reportagen beim „Stern“ und ORF-Fernsehen bekannt ist, und unterhält dabei bestens.
Ein besonderer Krimi auf hohem Niveau.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 17.03.2015
Madame Picasso / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.1
Girard, Anne

Madame Picasso / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.1


sehr gut

"Ma Jolie'"

Lebhaft und ausdrucksstark entwirft Anne Girard in ihrem Roman ein facettenreiches Bild der „Belle Epoque“ in Frankreich. Sie versteht es wunderbar, die Atmosphäre der Zeit des beginnenden 20. Jahrhunderts einzufangen, die Aufbruchstimmung des gehobenen Bürgertums und seine Offenheit für alles technisch und kulturelle Neue zu schildern. Bereits das Buchcover gibt einen Eindruck der Lebensart wieder: schick und modern gekleidet geht die junge Eva Gouel selbstbewusst auf das Symbol moderner Architektur ihrer Zeit zu, den Eiffelturm.
Dieses Selbstbewusstsein hat sich Eva Gouel, Tochter einfacher Leute aus Vincennes, in Paris erst erarbeiten müssen. Unter dem Namen Marcelle Humbert erwirbt sie als geschickte, einfallsreiche Näherin den Respekt der Künstler im Moulin Rouge und arbeitet sich zielstrebig empor. Sie fühlt sich wohl in dieser lebendigen Stadt mit ihren vielfältigen Kunstströmungen und Möglichkeiten. Als sie den damals bereits berühmten Maler Pablo Ruíz Picasso kennenlernt, steht für sie fest: Er ist die Liebe ihres Lebens. Sie ist bereit, alles für ihn zu tun. Auch Picasso verliebt sich in die zarte Eva, „ma jolie“, wie er sie zärtlich nennt. Doch einem gemeinsamen Glück stehen zahlreiche Hindernisse im Weg.
Sensibel beschreibt die Autorin, wie Pablo und Eva zu einander finden, welche Probleme sie zu überwinden haben. Sie lässt den Leser miterleben und mitleiden; er schließt zusammen mit Eva Bekanntschaft mit berühmten Künstlern, die das Kulturleben prägten, wie Guillaume Apollinaire, Mistinguette, Georges Braques.
Ein sehr einfühlsam geschriebener Roman über das Leben einer starken Frau an Picassos Seite, eine wahre Liebesgeschichte.