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MaWiOr
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Halle

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Insgesamt 3573 Bewertungen
Bewertung vom 10.11.2022
Chagall

Chagall


ausgezeichnet

Der französisch-russische Maler Marc Chagall (1887-1985) zählt zu den bedeutendsten Künstlern des 20. Jahrhunderts und der europäischen Moderne. Seine Werke beeindrucken vor allem mit ihrer Leichtigkeit, Farbfreudigkeit und den oft schwebenden Figuren, sodass sie oft als träumerisch, verspielt und heiter beschrieben wurden. Die Ausstellung „Welt in Aufruhr“ in der Frankfurter Schirn (vom 4. November 2022 bis 19. Februar 2023 – und anschließend im Henie Onstad Kunstsenter, Høvikodden (Norwegen) - zeigt nun eine bislang wenig bekannte, aber wichtige Seite seines Schaffens – die Werke der 1930er- und 1940er-Jahre, in denen Chagalls Werk aufgrund von Nationalsozialismus und Antisemitismus düsterer wurde und er 1941, knapp den Nazis entronnen, in die USA emigrierte. Mit rund 60 eindringlichen Gemälden, Papierarbeiten und Kostümen zeichnet die Ausstellung die Suche des Künstlers nach einer Bildsprache im Angesicht von Vertreibung und Verfolgung nach.

Im Hirmer Verlag ist der umfangreiche und reich illustrierte Begleitkatalog zu dieser bemerkenswerten Ausstellung erschienen. Im Essayteil gibt die Kuratorin Ilka Voermann zunächst einen Überblick über Chagalls künstlerische Auseinandersetzung mit der Bedrohung der jüdischen Kultur und seiner Suche nach einer neuen Bildsprache. Anschließend beleuchtet die Kunsthistorikerin Ziva Amishai-Maisels Chagalls jüdische Identität in den 1930er- und 1940er-Jahren, wo er sich mit dem Judaismus über die „Bibel“ und das Heilige Land mit jüdischen Ausgestoßenen, Geflüchteten und Opfern solidarisch zeigte.

Während sich der Philosoph Leon Joskowitz mit Chagalls Motiv des jüdischen Jesus auseinandersetzt, stellt die Slawistin Sabine Koller das jiddische literarische Vermächtnis von Chagalls Ehefrau vor, das meist eine Erinnerungsprosa war. Die Texte bieten vielfältige Anregungen zur Betrachtung der im umfangreichen Katalogteil präsentierten Ausstellungswerke - in ganzseitigen Farbabbildungen. Im Anhang findet sich dann noch eine mehrseitige Biografie des Künstlers, die mit einigen historischen Aufnahmen versehen ist. Fazit: Der Ausstellungskatalog taucht tief in die phantastische Traumwelt Chagalls ein und legt zugleich seine Inspirationsquellen offen.

Bewertung vom 10.11.2022
München, lesen und lesen lassen
Schleicher, Michael

München, lesen und lesen lassen


ausgezeichnet

Die Buchhandlung L. Werner in München wurde 1878 durch Louis Werner in der Residenzstraße gegründet – zunächst nur als Architekturbuchhandlung. 1890 erfolgte der Umzug in die Ludwigstraße, später ging es dann an den Maximiliansplatz. Mit jedem Um-zug (bis 1969 gab es immerhin acht Umzüge) vergrößerte sich das Angebot. Heute zählt die Buchhandlung mit ihren mehr als 140 Jahren zu den ältesten noch existierenden der Stadt.

Der Münchner Journalist Michael Schleicher beleuchtet in seinem neuen Buch „München, lesen und lesen lassen“ besondere Momente der bewegenden Geschichte der traditionsreichen Buchhandlung – von den Anfängen im 19. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Im Ersten Weltkrieg, in den anschließenden Revolutionswirren und in der Weimarer Republik erlebte die Buchhandlung schwere Zeiten. Oder 1943, geriet Josef Söhngen, Geschäftsleiter seit 1929, als Sympathisant der „Weißen Rose“ ins Visier der Gestapo und wurde schließlich zu sechs Monaten Haft verurteilt.

Daneben gibt der Autor auch einen Überblick über das literarische Potpourri der Isar-Stadt in den letzten hundert Jahren, wo viele bekannte Schriftsteller*innen ihre künstlerische Heimat hatten oder für einige Zeit hier weilten. Der literarische Streifzug durch München besticht nicht nur durch die vielfältigen Hintergrundinformationen sondern auch durch zitierte Gedichte (z.B. Ringelnatz) und vor allem durch die ganzseitigen Collagen von Lili Aschoff, die die Neuerscheinung wunderbar illustrieren. Fazit: Aspekte der Münchner Literaturgeschichte, die sicher auch für Auswärtige interessant sind.

Bewertung vom 10.11.2022
Goethe und München
Rapp, Franz

Goethe und München


ausgezeichnet

Johann Wolfgang Goethe besuchte München nur ein einziges Mal und auch nur für einen Tag: am 6. September 1786, als er von Karlsbad kommend in schneller Reise nach Italien wollte. Inkognito stieg er im Gasthof „Zum Schwarzen Adler“ ab und nutzte den Tag, um sich die Sehenswürdigkeiten der Stadt anzusehen. Bereits am nächsten Morgen um 5 Uhr reiste er weiter in Richtung Innsbruck.

Trotz dieser kurzen Stippvisite gab es lebenslang überaus enge und vielfältige Beziehungen von Goethe zu München und Münchner Persönlichkeiten. Der Kunsthistoriker und Theaterwissenschaftler Franz Rapp (1885-1951) hat diese Beziehungen bereits vor 90 Jahren eingehend recherchiert und anlässlich Goethes hundertstem Todestag im Jahre 1932 publiziert. Nun ist eine Neuauflage im Klinkhardt & Biermann Verlag erschienen, die zunächst die Leistung von Franz Rapp würdigt.

Anschließend folgt die Korrespondenz, die Goethe mit verschiedenen Münchner Persönlichkeiten führte – u.a. mit König Ludwig I. von Bayern, den Bildhauer Christian D. Rauch, den Philosophen Friedrich Heinrich Jacobi oder den Komponisten Felix Mendelsohn Bartholdy. Vor allem nach 1804 wurden die Beziehungen enger. Meist wurden kunsthistorische Fragen erörtert, die Goethe interessierten. Aber er wurde von München aus auch als Kunstkenner um Rat gebeten. Außerdem gingen Sendungen mit Abhandlungen und Kunstgegenstände hin und her. Auch ein Austausch von Künstlern fand statt.

Die Neuausgabe (wie auch die Erstausgabe von 1932) bringt eine Auswahl aus einem sehr umfangreichen Material, ergänzt durch einige historische Abbildungen und Goethe-Porträts. Fazit: Eine interessante Publikation, die einen bisher weniger bekannten Aspekt in der Goethe-Biografie beleuchtet.

Bewertung vom 10.11.2022
Johann Gottfried Schadow

Johann Gottfried Schadow


ausgezeichnet

Der Zeichner und Bildhauer Johann Gottfried Schadow (1764-1850) war einer der bedeutendsten Vertreter des deutschen Klassizismus und Begründer der Berliner Bildhauerschule. Die Alte Nationalgalerie in Berlin stellt vom 21.10.2022 bis zum 19.02.2023 in der Ausstellung „Berührende Formen“ Schadows bildhauerische, grafische und kunsttheoretische Hauptwerke vor.

In der Sammlung der Nationalgalerie befindet sich mit ca. 150 Arbeiten der weltweit um-fassendste Bestand an plastischen Werken Schadows, darunter die beiden Originale der Prinzessinnengruppe, die auch im Mittelpunkt der Ausstellung stehen. Schadow schuf dieses lebensgroße Doppelstandbild der Prinzessinnen Luise und Friederike von Preußen in den 1790er Jahren (Gipsmodell 1795, Marmorausführung (1797). Die Skulptur wird als das Hauptwerk seines vielseitigen Schaffens angesehen.

Im Hirmer Verlag ist der umfangreiche Begleitkatalog zu dieser bemerkenswerten Ausstellung erschienen. Im Essayteil beleuchten renommierte Kunsthistoriker*innen den künstlerischen Werdegang und das Werk Schadows. Ausführlich wird über die Restaurierung des Originalgipsmodells berichtet, wobei neue Wege in der Gipsrestaurierung beschritten wurden. Durch die große Beliebtheit der Figurengruppe entstanden in der Vergangenheit unzählige Vervielfältigungen. Die Kuratorin Yvette Deseyve beleuchtet diese Praxis zwischen „Raubguss, Abguss und Replik“. Großen Raum nimmt neben der Rezeption seines Werkes auch das internationale Netzwerk ein, das Schadow als Kunstvermittler aufgebaut hatte.

Das über 100seitige Ausstellungskapitel präsentiert nicht nur Werke und Dokumente von Schadow sondern auch Doppelbildnisse anderer Künstler (Chodowiecki, Tischbein, Slevogt oder Marcks). Im Anhang findet sich dann neben einer Standortgeschichte der Gips- und Marmorausführung der Prinzessinnengruppe auch eine ausführliche und illustrierte Biografie Schadows.

Bewertung vom 06.11.2022
Miss Marple - Alle 12 Fälle
Christie, Agatha

Miss Marple - Alle 12 Fälle


ausgezeichnet

Agatha Christie (1890-1976) ist die wohl erfolgreichste Autorin aller Zeiten. Sie begründete den modernen britischen Kriminalroman und avancierte im Laufe ihres Lebens zur bekanntesten Krimiautorin aller Zeiten. 1971 wurde sie in den Adelsstand erhoben. Ihr umfangreiches Werk liegt in über 130 Sprachen vor und umfasst neben 80 Prosawerken auch circa 23 Bühnenstücke. Ihre Romanfiguren Hercule Poirot und Miss Marple wurden Kult.

Die scharfsinnige und etwas schrullige Amateurdetektivin Marple ermittelte in 12 Kriminalromanen und 20 Kurzgeschichten, die zwischen 1927 und 1976 erschienen. Die umfangreiche Edition aus dem Hörverlag versammelt auf zehn mp3-CDs ihre zwölf Kriminalfälle. Die Lesungen haben immerhin eine Spieldauer von über fünfundsiebzig Stunden. Als Sprecher*innen fungieren Ursula Illert, Gabriele Blum, Katharina Thalbach und Thomas Loibl.

Am bekanntesten sind sicher die beiden Kriminalfälle „Mord im Pfarrhaus“ und „16 Uhr 50 ab Paddington“. „Mord im Pfarrhaus“ (1930) ist der erste Marple-Roman. In der Pfarrei von Reverend Leonard Clement wird der verhasste Colonel Protheroe auf dem Schreibtisch kopfüber erschossen aufgefunden. Viele Dorfbewohner geraten in Mordverdacht, doch mit ihrer Menschenkenntnis kann Miss Marple den seltsamen und komplexen Fall lösen. In „16 Uhr 50 ab Paddington“ hat es Miss Marple mit einem besonders gerissenen Mörder zu tun. Er mordet in einem fahrenden Zug und nur durch Zufall gibt es dafür eine Zeugin. Doch es wird keine Leiche gefunden und auch niemand vermisst. Wo kein Opfer, da kein Täter! Aber nicht für Miss Marple.

Die anderen Kriminalfälle sind nicht minder spannend. Außerdem bietet das Booklet zahlreiche Informationen zu „Wie Miss Marple entstand“ (von Agatha Christie), zu den Sprecher*innen und den beteiligten Personen der einzelnen Kriminalfälle. Fazit: Über 75 Stunden Hör- und Krimivergnügen und dazu eine exzellente Geschenkebox.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 06.11.2022
Troja / Mythos-Trilogie Bd.3
Fry, Stephen

Troja / Mythos-Trilogie Bd.3


ausgezeichnet

Der Mythos Troja fasziniert bis heute. Wer kennt sie nicht die Geschichte vom Untergang der blühenden Stadt, die Geschichte von dem unerbittlichen Krieg, hervorgerufen durch den Streit um die schöne Helena. Homer gilt als der literarische Urvater dieser Legende und danach haben noch viele Schriftsteller*innen diesen Stoff bearbeitet.

Der britische Schriftsteller Stephen Fry, der sich mit „Mythos“ und „Helden“ (beide ebenfalls im Aufbau Verlag) bereits der griechischen Götterwelt und den antiken Sagen widmete, hat nun eine Neuerzählung des Trojanischen Krieges vorgelegt. Zunächst erfährt man einige hilfreiche Informationen zur Welt von Troja und den Olympiern. Danach wird ein weiter Bogen gespannt von der Ankunft Herakles in Troja über die Entführung Helenas, dem Aufbruch des griechischen Heeres unter Agamemnons Führung, der Ankunft der Flotte vor Troja, den erbitterten Kämpfen vor den Toren der Stadt, Odysseus List mit dem hölzernen Pferd bis hin zur Eroberung und Zerstörung Trojas.

Stephen Fry erzählt die Geschichte von Troja, als würde sie nicht drei Jahrtausende zurückliegen sondern gerade nebenan passieren … und das ohne jeglichen Pathos sondern flüssig in unserer gegenwärtigen Alltagssprache mit realen Dialogen. Mit dieser bildhaften und unterhaltsamen Darstellung macht Fry die antiken Sagen wieder lesbar und er versteht es, die Leser*innen in seinen Bann zu ziehen.

In einem zweiteiligen Anhang beschäftigt sich Fry dann noch mit der Frage, wie viel von der Geschichte Trojas historisch belegt ist – und wie viel davon Mythos ist. Fazit: Die Neuerzählung ist ein exzellenter Lesespaß – daher eine uneingeschränkte Empfehlung.

Bewertung vom 06.11.2022
Das aufgeklärte Berlin
Bienert, Michael

Das aufgeklärte Berlin


ausgezeichnet

Nachdem Friedrich I., der erste preußische König, um 1700 Berlin zu einer international beachteten Residenz machte, entwickelte sich die Stadt nicht nur architektonisch sondern auch kulturpolitisch. So war Berlin in der Mitte des 18. Jahrhunderts ein Zentrum der europäischen Aufklärung. In der Stadt gibt es noch heute zahlreiche Zeugnisse dieser Epoche zu entdecken.

In seinem neuen Buch nimmt der Autor Michael Bienert, der schon zahlreiche Publikationen zum literarischen Berlin (E.T.A. Hoffmann, Döblin, Keun und das romantische Berlin) veröffentlicht hat, die Leser*innen mit auf einen Rundgang durch das „aufgeklärte Berlin“. Zunächst wandelt er auf den Spuren von Anna Louisa Karsch, die bereits im 18. Jahrhundert lyrische Spaziergänge in Berlin unternahm. Weitere Stationen sind der Lustgarten, wo Voltaire und der junge Lessing Augenzeuge des höfischen Vergnügens waren, oder das Opernhaus, das erste freistehende Theatergebäude in Berlin. Sogar militärische Schauplätze der Stadt haben mitunter einen literarischen Hintergrund wie der Exerzier-platz.

Natürlich sucht Bienert auch das Lessinghaus auf, wo der Dichter 1765/1766 lebte und in dieser Zeit seine kunsttheoretische Abhandlung „Laokoon oder über die Grenzen der Mahlerey und Poesie“ verfasste. Im Nicolaihaus war von 1910 bis 1936 das Lessing-Museum untergebracht. Den Abschluss des Rundganges bildet schließlich der Tempelhofer Berg, wo einst der Dichter Karl Philipp Moritz zu seinem Gedicht „Sonnenaufgang über Berlin“ inspiriert wurde.

Die Neuerscheinung kann nachdrücklich empfohlen werden (nicht nur für Literaturfreunde), denn sie vermittelt eine kurzweilige, umfassende und hervorragend recherchierte Darstellung des „aufgeklärten Berlins“. Ergänzt durch zahlreiche historische Abbildungen und aktuelle Farbfotos. Besser kann man sich als kulturell Interessierter mit dieser Thematik nicht bekanntmachen

Bewertung vom 05.11.2022
Hogwarts Schulbücher
Rowling, J. K.

Hogwarts Schulbücher


ausgezeichnet

Die Hogwarts Schulbücher sind unverzichtbare Begleitbände zu den Harry-Potter-Geschichten von J.K. Rowling. Sie sind Pflichtlektüre an der Hogwarts-Schule für Hexerei und Zauberei.
„Phantastische Tierwelten“ bietet eine Einführung in die Tierwesen der magischen Wesen. Sie werden u.a. alphabetisch sortiert vorgestellt - von Acromantula bis Zentaur. Einige der Tierwesen werden Lesern der Harry-Potter-Bücher bekannt sein: der Hippogreif, der Basilisk oder der Ungarische Hornschwanz.
Der Band „Die Märchen von Beedle dem Barden“ enthält eine Sammlung von fünf fiktiven Märchen, die der Harry-Potter-Welt entstammen: ,,Der Zauberer und der hüpfende Topf“, ,,Der Brunnen des wahren Glücks“, ,,Des Hexers haariges Herz“, ,,Babbitty Rabbitty und der gackernde Baumstumpf“ und das ,,Märchen von den drei Brüdern“. Jedem Zaubererkind werden sie abends vorgelesen.
„Quidditch im Wandel der Zeiten“ ist ein sehr interessantes und vor allem informatives Buch über die Entwicklung des Quidditch, einer fiktiven Sportart, die von Zauberern und Hexen auf fliegenden Besen gespielt wird.

Die Hör-Edition bietet eine vollständige Lesung (6 CDs mit einer Laufzeit von 5h 41min) von Hogwarts Schulbüchern mit bekannten Sprecher*innen wie Rufus Beck, Timmo Niesner, Simone Kabst, Alexander Brem, Thomas Nicolai, Vanida Karun, Dela Dabulamanzi, Cathlen Gawlich und Uve Teschner. Hervorzuheben ist auch die äußerst repräsentative Ausstattung der Edition.

Bewertung vom 04.11.2022
Maß für Maß
Martin, Piero

Maß für Maß


ausgezeichnet

Zahlen, Maße und Formeln faszinieren uns. Mit ihnen wollen wir die uns umgebende Welt erklären. Alles ist messbar: unsere Körpertemperatur, die Einwohnerzahl einer Stadt, die Geschwindigkeit auf der Autobahn oder die Umlaufbahn des Mondes. Dabei braucht es nur sieben Einheit, die unsere Welt erklären. So der Untertitel der Neuerscheinung des italienischen Physikers Piero Martin.

Genauer gesagt, brauchen wir nur die sieben Maßeinheiten Meter, Kilogramm, Sekunde, Ampere, Kelvin, Mol und Candela, um die Welt zu erklären. Ohne Maß können die Wissenschaft und selbst die Gesellschaft nicht existieren. Unsere Zivilisation ist ohne Messinstrumente nicht denkbar.

Der Autor erklärt in umfangreichen Kapiteln ausführlich und anschaulich – mitunter spielerisch - die sieben Basis-Maßeinheiten. Dabei beleuchtet er die historischen Hintergründe und die wissenschaftliche Zusammenhänge … und das in einem eher erzählerischen Stil, der angereichert ist mit zahlreichen wahren Begebenheiten und Anekdoten - z.B. der lange Weg bis zum Urmeter oder wie die erste Atomuhr mit auf einen Linienflug genommen wurde und auch Nobelpreisträger können sich irren.

So erfährt man, wie die Naturkonstanten im Laufe der Zeit immer genauer bestimmt worden sind. Neben nachvollziehbaren Erklärungen, die kaum wissenschaftliche Kenntnisse voraussetzen, muss der Autor natürlich auch manchmal etwas wissenschaftlich werden oder eine Formel herleiten. Trotzdem wurde selten physikalisches Wissen so verständlich und unterhaltsam vermittelt. Eine interessante Lektüre für Laien und Experten.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 31.10.2022
Fabelhafte Rebellen
Wulf, Andrea

Fabelhafte Rebellen


ausgezeichnet

Die Literaturepoche der Romantik wird auf die Jahre 1795 bis 1848 datiert. Sie kann in drei Phasen unterteilt werden: Frühromantik (bis 1804), Hochromantik (bis 1815) und Spätromantik (bis 1848). Die Jahre zwischen 1790 und 1800 markieren dabei das überaus produktive Wirken der Frühromantik. Friedrich Schlegel (1772-1829) und Friedrich von Hardenberg, später Novalis, (1772-1801), zwei wichtige Romantiker, waren die ersten, die diesen Namen für die Literatur gebrauchten.

Ihren Ursprung hatte die Frühromantik in Jena, weshalb sie auch Jenaer Romantik genannt wird. Die thüringische Kleinstadt mit ihrer Universität Jena war um 1800 ein wichtiges Zentrum des deutschen Geisteslebens. Hier hielten z.B. Fichte und Schelling ihre Vorlesungen. In die Literaturgeschichte eingegangen ist der Jenaer Freundeskreis um die Brüder Schlegel, Novalis, Schelling, Fichte und Ludwig Tieck (1773-1853). Neben dem Physiker Johann Wilhelm Ritter (1776-1810) und dem Philosoph Friedrich Immanuel Niethammer (1766-1848) hatten in dem Literaturkreis auch die Frauen Dorothea Veit (Schlegel) und Caroline Böhmer (Schlegel-Schelling) eine tragende Rolle. Hier entstanden erste programmatische Dichtungen der Frühromantik.

Die deutsch-britische Kulturhistorikerin Andrea Wulf erzählt in ihrem neuen Buch „Fabel-hafte Rebellen“ von dem wohl turbulentesten Freundeskreis der deutschen Literaturgeschichte. Die kurze Spanne von zwei Jahren sollte ein Höhepunkt des frühromantischen und philosophischen Schaffens werden: u.a. mit „Heinrich von Ofterdingen“ (Novalis), „Florentin“ (D. Schlegel), „Die Bestimmung des Menschen“ (Fichte), „Romantische Dichtungen“ (Tieck) oder „Über den wahren Begriff der Naturphilosophie und die richtige Art ihre Probleme aufzulösen“ (Schelling). Nach 1801 löste sich die Gruppe jedoch langsam auf. Das hatte verschiedene Gründe: die Enttäuschung über die französische Revolution, die mit der Machtübernahme Napoleons endete, der frühe Tod von Novalis, das fehlende Interesse, die gemeinsame Zeitschrift „Athenäum“ fortzusetzen, und letztendlich auch die persönlichen Befindlichkeiten der Mitglieder und die daraus resultierenden Zerwürfnisse zwischen ihnen.

In ihrem inspirierenden Buch beleuchtet die Autorin neben dem Jenaer Freundeskreis auch die die historischen Hintergründe, die von der Französischen Revolution geprägt waren, und die Erfindung des Ichs, des freien Individuums. Ergänzt wird das Sachbuch, das sich wie ein „fabelhafter Roman“ liest, durch zahlreiche historische Abbildungen.