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Frankfurt

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Insgesamt 718 Bewertungen
Bewertung vom 23.05.2022
Bauhaus - Die illustrierte Geschichte
Grande, Valentina

Bauhaus - Die illustrierte Geschichte


ausgezeichnet

Walter Gropius und sein Lebenswerk

Dieses Buch ist ein ganz besonderes. Vereint es doch mehrere Ansprüche zugleich: Eine Graphic Novel, die eine Geschichte zu erzählen vermag. Ein geschichtlicher Stoff, der hier glänzend in Szene gesetzt wird und das unter einem künstlerischen, aber auch einfach konsumierbarem Ansatz!
Mir hat „Die illustrierte Geschichte – BAUHAUS“ sehr gut gefallen. Vor allem bei künstlerischen Themen wie auch Architektur ist die Visualisierung solch ein wertvolles Instrument, dem man sich bei einer Graphic Novel bedienen kann.
Es ist die Geschichte einer bahnbrechenden Erneuerung des architektonischen Gedanken der uns hier erzählt wird. Es werden Hauptepisoden aus den Jahren 1919 bis 1933 erzählt und welches Lebensgefühl Walter Gropius und seine damalige Entourage begleitete. Beim Blättern und Lesen lässt einen die Inszenierung an der Um- und Aufbruchsstimmung der 20er Jahre des letzten Jahrhunders teilhaben.
Sehr gut sind die Illustrationen von Sergio Varbella, die nicht nur starr einen Zeitstahl abbilden, sondern auch durch künstlerische Elemente ein Flair der Zeit einfangen. Dazu die Texte von Valentina Grande, die durch gekonnte Kniffe und interessante Erzählperspektiven die Visualisierung komplementieren.
Fazit: Für alle Architekturinteressierten und diejenigen, die es noch werden wollen.

Bewertung vom 23.05.2022
Krisenkinder
Fokken, Silke

Krisenkinder


ausgezeichnet

Lasst die Kinder nicht im Stich!

Ein Buch das auf dem Nachttisch aller Bundestagabgeordneten liegen sollte – nein, eigentlich bei allen, die politischen Einfluss üben! Es ist in der Corona-Pandemie wieder einmal überdeutlich geworden, dass Kinder in Deutschland keine Lobby haben.
„Man braucht sich nur die Schultoiletten in Deutschland anzusehen, dann weiß man, wie viel beziehungsweise wenig Wertschätzung Schülerinnen und Schüler entgegengebracht wird.“ (S 296)
Krisenkinder von Silke Fokken arbeitet die Corona-Pandemie für Kinder auf, alle bildungsrelevanten Einrichtungen werden hier beleuchtet. Kindergarten bis Schulabschluss und alle Facetten darin. Es zeigt die eklatante Kluft zwischen dem Lippenbekenntnis eines Bildungslandes zu dem was wirklich getan wird. Das Buch ist extrem faktenstark und hat für fast alles eine Referenz zur Hand. Angereichert durch persönliche Erfahrungsberichte und Interviews aus Wissenschaft und Pädagogik machen es sogar zu einem kurzweiligen Lesen. Klar, mehr als einmal habe ich beim Lesen den Kopf geschüttelt und das Gelesene arbeitet noch stark nach.
Dieses Sachbuch ist in grob 4 Teile gegliedert. „Was von dem Leben im Kokon bleibt“ nimmt uns noch mal mit in die Familien zu den Ängsten und Sorgen, die hier vorherrschten und wie man Kinder schlichtweg zum Teil vergessen hat und die staatlichen Auffangnetze für Kinder schlicht nicht vorhanden waren. Hier wird auch auf spezielle Herausforderungen eingegangen wie Alleinerziehende, Kinder mit Behinderungen, Missbrauch.
„Fast jedes dritte Kind zeigen psychische Auffälligkeiten. Vor der Krise war es nur jedes fünfte.“ (S. 121) Dann folgt der Themenblock „Wie die Pandemie die Psyche belastet“ und zeigt u.a. auf was Isolation, häufiger Medienkonsum und der Fernunterricht (wenn es einen gab) mit unseren Heranwachsenden tat und immer noch tut. Frappierend!

Der dritte Block beschäftigt sich mit „Welche Folgen die Krise fürs Lernen hat“ und gibt uns einen differenzierten Einblick. Nicht alle fanden die veränderte Situation schlimm, aber natürlich hat die Mehrheit gelitten – ganz klar, hier gibt es Handlungsbedarf. Es kann nicht sein, dass der Schulerfolg vom einzelnen Lehrer abhängt, es müssen Standards geschaffen werden.
Hier besteht nun die Chance endlich die verkrustete Schulpolitik aufzubrechen und durch die vielen vielen Fehler zu lernen die nicht nur in den vergangenen 2 Jahren gemacht wurde. Daher folgt dann der Abschnitt „Wo die Politik umsteuern muss“ und ein Ausblick. Es gibt Ideen und viele Meinungen, wir müssen es als einer DER politischen Baustellen der nächsten 10-20 Jahre angehen und zwar: JETZT.
Ein Hinweis noch, der Blurb auf dem Cover verspricht was Eltern helfen könnte, dass ist leider eine Irreführung zum Inhalt des Buches und sollte bei Auflage 2 entfernt werden. Handelt es sich doch eher um eine gesellschaftliche Aufarbeitung.
Fazit: Bildung ist DER Schlüssel unserer Gesellschaft in vielen Hinsichten zu wachen und anstatt die nächsten Milliarden in „Inflations-Ausgleiche“ zu stecken, lasst es uns in unsere Zukunft investieren: Unsere Kinder – ja, gilt auch für die Kinderlosen, denn die profitieren genauso stark und vergessen das gerne mal!

Bewertung vom 20.05.2022
Rom verstehen
Scheid, John

Rom verstehen


sehr gut

Ein Buch für history nerds!

Manchmal darf es detaillierter sein und was ist besser als etwas gut visualisiert präsentiert zu bekommen! Ich gebe zu, ich lese gerne ab und zu auch mal ein Buch, dass nur so vor Wissen strotz und mit dessen Inhalt ich vorher nur ungefähr was anfangen konnte. So auch hier mit ‚Rom verstehen – Das Römische Reich in Infografiken‘. Infografiken find ich super, wenn sie auch mal „out of the box“ gedacht sind. Dieses Buch strotzt wirklich nur so davon. Jede Doppelseite ein neues Thema in neuem Gewand. Und was innovativ ist und Charm hat, kann auch anstrengend werden, denn es dauert bei manchen Übersichten wirklich eine Weile sich einzufuchsen und zu verstehen was gezeigt wird. Aber definitiv detailliert ausgearbeitet! Diese innovativen Infografiken sind wirklich erstaunlich gut von Nicolas Guillerat, der ein Meister seines Faches ist.
Fun fact: Dieses Buch ist nicht wie zu erwarten auf Italienisch erschienen im Original, nein, ein französisches Buch geschrieben von John Schneid und Milan Melloco und aus dem Französischen gut übersetzt von Martin Bayer.
Das Buch hat drei thematische Schwerpunkte mit „Gebiete und Bevölkerung des Römischen Reichs“, „Verwaltung, Verehrung, Versorgung“ und zu guter Letzt „Die römische Militärmacht“. Was Vor-und Nachteil zugleich ist in jeder Sektion: Die Themen stehen lose nebeneinander. Es fehlte für den cover-to-cover Leser der rote Faden an dem man die Themen verbinden könnte. Andererseits erlaubt es auch kreuz und quer zu lesen und zu entdecken. Jede Doppelseite enthält Grafik sowie einen kurzen Text.
Fazit: Das große Format, etwas größer als DIN A4, lädt ein das Römische Reich zu erkunden und sein Wissen zu erweitern.

Bewertung vom 20.05.2022
Nachtwanderung
Achenbach, Cornelia

Nachtwanderung


ausgezeichnet

Left in the dark

Eine sehr prägende Erfragung für jede:n ist die erste Person außerhalb der Familie zu der man ein inniges Verhältnis hat und alles mit dieser Person teilen will und kann. Auch hier geht es genau um diese so wertvolle wie zerbrechliche Beziehung. In „Nachtwanderung“ werden zwei Frauen be- und ausgeleuchtet was ihre Freundschaft zueinander angeht. Das Buch hat eine sehr klare Struktur, die mir gut gefallen hat. Wir versetzen uns zunächst in die Perspektive der Ines, dann in die von Kirsten und zum Schluss kommt eine gemeinsame: Ines und Kirsten, Kisten und Ines. Aber keine Sorge, es wird mit einem Zeitsprung erzählt. Zunächst lernen wir beide kennen und wie sie gemeinsam in die Pubertät rutschen und allerbesten Freundinnen werde in den späten 80er Jahren und vor allem in den 90er Jahren. Dann Cut und sie treffen sich auf einen Klassentreffen 20 Jahre später wieder. Es kommt zum Wiedersehen und ausgesprochen wird nun endlich warum die eine auf einmal das Leben der anderen verlies.
Den Titel des Romans finde ich gut gewählt, denn die Nachtwanderung hat eine besondere Stellung im Text! Nun hört es sich alles nach melancholischer Aufarbeitung einer Freundschaft an, aber dieses Buch ist neben der Tiefe der Freundschaft auch einfach sehr gutgeschrieben und witzig! Ja, wirklich amüsant!
Natürlich spricht mich das Buch extrem an, teile ich doch nicht nur mit der Autorin Cornelia Achenbach einige Eckdaten: weiblich, zu Beginn der 80er geboren, im Westen des Landes sozialisiert…und genau das merkt man den beiden Protagonistinnen auch an. Ich erkannte mich wieder und es ist super gut wie sie den Vibe der 90er einfängt, die Stimmung unserer Generation. Was treibt und belastet.
Dies Buch habe ich wirklich gerne gelesen.
Fazit: Wieder zueinander finden.

Bewertung vom 16.05.2022
Reisehandbuch Europa mit dem Zug
Ruch, Cindy

Reisehandbuch Europa mit dem Zug


ausgezeichnet

PERFEKTER ANSTOSS UM EINE BAHNREISE IN EUROPA ZU PLANEN

Triggerwarnung – wer dieses Reisehandbuch aufschlägt will sofort in den Zug steigen und auf und davon fahren. Ein herrlicher Nebeneffekt.
Dieses tolle Buch „Europa mit dem Zug“ fühlt sich in der Tat an wie eine Ansammlung von guten Tipps von Freunden und das auch noch grandios durchdesigned. Also, dass muss man dem Reisedepeschen Verlag echt lassen. Die Illustrationen und Grafiken sind genau meines und extrem gut gelungen. Mich spricht es total an. Aber der Reihe nach bevor ich hier mit meiner Euphorie davon galoppiere.
Dies ist ein wunderbarer Einstieg in die Welt der Zugreisen durch Europa. Ist man wenig bewandert auf diesem Gebiet und möchte sich klimaschonend und zudem günstig auf Reisen in die europäische Nachbarschaft aufmachen, dem kann hier geholfen werden ohne zu Überfordern. Übrigens auch ein Pluspunkt aller Bücher des Reisedepeschen Verlags!
Das Buch teilt sich auf in eine ultrakurze Einleitung, wo auch ich noch ein Aha-Erlebnis hatte…und dann gibt es die regionalen groben Abgrenzungen: Norden, Osten, Westen, Südwesten und Südosten.
Jeder Teil ist wirklich extrem gut durchdacht angeordnet und startet mit einer Übersichtskarte der Strecken mit anfahrbaren Orten. Was gibt es noch jeweils pro Land: Infos über das Streckennetz, Züge, Preise und Fahrkarten. Mich hat besonders die Sektion ‚Lieblingsstrecken` angesprochen und die Bahnlektüre-Empfehlungen. Alles kurz und knackig!
Da dieses Buch zwar federführend von Cindy Ruch erstellt wurde, aber Tipps von einer ganzen Community einfloss, sind die Tipps reichhaltig und mannigfaltig. Nicht nur die Brille einer Person bekommen wir hier geliehen, nein, es sind zum Glück viele!
Aufgelockert wird das Ganze durch kurze Texte von verschiedensten Autoren zu verschiedensten Strecken. Toll daran fand ich, dass hier zum Teil deren Blog-Namen oder Instagram @-Name steht und man sich weitere Anregungen holen könnte. Ohnehin, dieses Buch ist nicht nur eine Liebeserklärung an das Reisen mit Bahnen, sondern eine Anregung und ein Anstoß für die nächste Urlaubsplanung!
Abgerundet um die Planung dann wirklich in Angriff zu nehmen sind hinten die Direktverbindungen aus Deutschland verzeichnet sowie die Nachtzüge.
Fazit: Wir fassen den Norden für die Sommerferien ins Auge – und ihr?

Bewertung vom 13.05.2022
#Datendetektive. Band 4. Jagd nach Blackhack
Konecny, Jaromir

#Datendetektive. Band 4. Jagd nach Blackhack


ausgezeichnet

Blackhack gibt nicht auf!

Die Reihe #Datendetektive von Jaromir Konecny ist eine gelungene Kombination aus Wissensvermittlung und spannender Lektüre für Grundschüler. Wer diesen Satz liest, denkt: ja ja…. Und so erging es mir als Elternteil auch, ABER ich wurde überzeugt. Denn die Geschichte um die vier Kinder (Laurin, Theo, Vicky und Lina) zusammen mit dem Brabbelbot (einem Roboter) und Leo (ein Hund) ist wirklich gut konzipiert.
In Band 4 der Reihe „Jagd nach Blackhack“ versucht Blackhack mal wieder die Ruhe an der Schule zu stören! Es gibt eine neue Tennisballmaschine, die der Direktor natürlich gebührend einweihen will. Aber was fliegt da am Himmel? Eine Drohne stört die Feier und kündigt Chaos an. Wer steckt dahinter? Natürlich mal wieder Blackhack. Erfahren wir endlich wer hinter dem Angreifer steckt?
Die Geschichte nimmt ihren Lauf und immer, wenn es neue Begriffe gibt, die in der Geschichte auftauchen, dann kommt Vicky ins Spiel und erklärt mit ihrer (auch optisch hervorgehobenen Sektionen) ‚Vickys Media‘ diese Wörter. Super mit den Kästen, so kann man auch später noch mal nachlesen, wenn man was vergessen hat. Dieses Mal sind Begriffe wie schwitzender Roboter, KIone und Raspberry Pi (nein, ich hab mich nicht verschrieben….) dabei. Und mir als Elternteil lag viel daran, dass es kindgerecht erklärt wird und sich die Grundschüler gut abgeholt fühlen.
Abgerundet ist das Buch mit tollen und sehr passenden Illustrationen von Marek Bláha, die haben uns allen auch mächtig gut gefallen! Ach und die Schriftgröße ist auch optimal für mittelgute Grundschulleser:innen. Sprich für alle die Erstleserbücher bis Stufe 3 schon durch haben und nun mal was spannenderes lesen wollen ohne vom Text erschlagen zu werden.
Dies ist eine gute Reihe, die bisher 5 Bände umfasst und mit EUR 10 pro Band eine super Sache. Hochwertige Hardcover mit bunten Bildern, dass ist wirklich ein gutes Preis-Leistungsgefüge.
Fazit: Spannung, Computerwissen und eine neue Freundschaft die entsteht!

Bewertung vom 13.05.2022
#Datendetektive. Band 3. Die Zeit läuft!
Konecny, Jaromir

#Datendetektive. Band 3. Die Zeit läuft!


ausgezeichnet

Wettbewerb mit Tricks gewinnen?

Die Reihe #Datendetektive von Jaromir Konecny ist eine gelungene Kombination aus Wissensvermittlung und spannender Lektüre für Grundschüler. Wer diesen Satz liest, denkt: ja ja…. Und so erging es mir als Elternteil auch, ABER ich wurde überzeugt. Denn die Geschichte um die vier Kinder (Laurin, Theo, Vicky und Lina) zusammen mit dem Brabbelbot (einem Roboter) und Leo (ein Hund) ist wirklich gut konzipiert.
In Band 3 der Reihe „Die Zeit läuft ab!“ steht dieses Mal der sonst so sehr ruhige Theo im Mittelpunkt. Er ist super schnell im lösen des Zauberwürfels und darf an einem Wettbewerb im Haus Rakete teilnehmen. Aber wo sind den zwei seiner Konkurrenten abgeblieben? Merkwürdig. Natürlich passiert auch das eine und andere unfreiwillig, aber dadurch wird es in Summe noch spannender!
Die Geschichte nimmt ihren Lauf und immer, wenn es neue Begriffe gibt, die in der Geschichte auftauchen, dann kommt Vicky ins Spiel und erklärt mit ihrer (auch optisch hervorgehobenen Sektionen) ‚Vickys Media‘ diese Wörter. Super mit den Kästen, so kann man auch später noch mal nachlesen, wenn man was vergessen hat. Dieses Mal sind Begriffe wie Reset, KI und Transfer Learning dabei. Und mir als Elternteil lag viel daran, dass es kindgerecht erklärt wird und sich die Grundschüler gut abgeholt fühlen.
Abgerundet ist das Buch mit tollen und sehr passenden Illustrationen von Marek Bláha, die haben uns allen auch mächtig gut gefallen! Ach und die Schriftgröße ist auch optimal für mittelgute Grundschulleser:innen. Sprich für alle die Erstleserbücher bis Stufe 3 schon durch haben und nun mal was spannenderes lesen wollen ohne vom Text erschlagen zu werden.
Dies ist eine gute Reihe, die bisher 5 Bände umfasst.
Fazit: Spannung, Computerwissen und eine neue Freundschaft die entsteht!

Bewertung vom 13.05.2022
Alt-Buckower Geschichte(n)
Christians, Hartmut

Alt-Buckower Geschichte(n)


ausgezeichnet

Buckower Lebensgeschichten

Mit viel Liebe zum Detail hat Hartmut Christians seine gesammelten Buckower Geschichten hier versammelt. Dies ist bereits die dritte aktualisierte Auflage im kleinen L&H Verlag.
Ein hochwertiges kleines Büchlein, in dem uns zuerst die geschichtlichen Rahmenparameter über Buckow erklärt werden. Dieser Teil ist recht kurz gehalten, ist aber sehr informativ und setzt die eigentlichen Geschichten über die Buckower in den richtigen Kontext. Der Kern dieses Buches bilden die Lebensgeschichten der einzelnen Höfe, der Bewohner und ihrer Familiengeschichten und -schicksale ab.
Diese besondere Sammlung beginnt immer mit der heutigen Hausnummer. Man könnte entsprechend mit dem Buch Buckow erkunden und sich vor Ort ein aktuelles Bild machen zu den einzelnen Geschichten.
Was diesen Band besonders ausmacht, sind die unzähligen Bilder, Karten und abgedruckte Dokumente, die Hartmut Christians hier angesammelt hat. Nicht nur in der Einführung bekommen wir ein schon recht rundes Bild des Neuköllner Stadtteils, auch bei den einzelnen Geschichten der Familien und der Habs (auch das Wort Hab wird natürlich erklärt) sind alte sowie neuere Fotos der Menschen und Gebäude abgedruckt. Sehr gelungen.
Besonders spannend fand ich die Verbandelungen der einzelnen Familien und deren gemeinsame Historie. Natürlich ist auch die Familie Christians, die des Autors hier enthalten. Auch so manches Detail, dass im Alltag immer wieder Thema ist wie die „An den Achterhöfen“ wird hier ein wenig erklärt und führte für mich persönlich zu Aha-Erlebnissen!
Ein gutes und kompaktes Buch, dass einen einlädt eine Entdeckungstour durch Buckow zu unternehmen. Ein großartiges Beispiel wie sehr lokale historische Aufarbeitung unterhaltsam zusammengefasst werden kann. Natürlich steckt hier viel Arbeit und Muse im Buch – dafür herzlichen Dank an Hartmut Christians.

Bewertung vom 12.05.2022
Die Paradiese von gestern
Schneider, Mario

Die Paradiese von gestern


ausgezeichnet

Frankreich, die Liebe, das Leben – ein gelungener Roman

„Es bleibt eben nichts, wie es ist. Weil sich alles verändert. Weil man nichts festhalten kann. Es gibt keine Beständigkeit. Nirgendwo und für niemanden.“ (S. 109)
DAS perfekte Buch für einen Frankreichurlaub oder einfach nur faul in der Sonne liegend. Mario Schneider hat einen großartigen Roman über die Liebe, die Vergänglichkeit, die Offenheit und das Leben an sich geschrieben. Gebettet in das Frankreich Anfang der 90er Jahre.
Wir begleiten die zwei Ostdeutschen Ella und René, die kurioserweise beide Französisch sprechen und sich mit ihrem Wartburg aufmachten Frankreich zu erkunden. Kaum Francs in der Tasche, aber mit viel Entdeckerlust sind die beiden unterwegs. In der Nähe von Bordeaux suchen sie eine Bleibe für die Nacht und stoßen auf dieses alte Schlosshotel. Eigentlich zu teuer so wie es scheint, aber sie werden für einen lächerlichen Betrag aufgenommen. Es bleibt nicht bei einer Nacht, es bleibt nicht nur beim Schloss. Paris wird der andere Schauplatz dieses Romans, der gebührend mit der Oberschicht in Szene gesetzt wird.
Im Grunde ist die Handlung banal, aber so großartig inszeniert: Ella ist Schauspielerin und fließt über vor Emotionen und Sehnsüchten. Ihr Freund René ist nüchtern, zurückhaltend, eher der ruhige Typ. Sie stellt seine Liebe in Frage.
„Die Sehnsucht des Menschen ist sein Verhängnis“ (S. 407)

Der zweite Strang hat die Familie des Anwesens im Blick, die adeligen de Violet. Auch hier wieder eine Frage der Liebe, auch das Verhältnis zum Sohn ein schwieriges. Obendrauf kommt eine gesellschaftliche Komponente, einerseits die ostdeutsche Perspektive auf das kapitalistische Frankreich und Neuland für die beiden sowie die eigenen französische „Altes-Geld“-Perspektive auf die Neureichen und überhaupt auf die gnadenlosen Bewertungen untereinander. Das schnelle Abrutschen aus den angesehenen Kreisen.
„Das ist eigentlich das Schlimmste am Älterwerden, dass man immer klarer sieht, was man für Fehler in seinem Leben gemacht hat und dass man nichts mehr daran ändern kann. Sinnlose Erkenntnisse, die einen auf dem Weg zum Grab begleiten.“ (S. 523)

Die knapp 550 Seiten waren eine große Freude zu lesen, wirklich gekonnt geschrieben und ein stimmiges Buch. Es passiert einiges und doch so wenig. Die Auseinandersetzungen und wirklich guten Gespräche in diesem Roman machen es so lesenswert. Und ja, am Ende blieben die Augen bei mir nicht trocken. Ach, da muss ich noch anfügen, es ist in keinsterweise kitschig, ganz im Gegenteil, fast nüchtern und intensiv analytisch geschrieben in einer luftigen sommerlichen Prosa.

Ich wünsche diesem tollen Roman viele Leser:innen!!! Grandios - kommt auf jeden Fall in meine Top 10 des Jahres 2022!

Bewertung vom 12.05.2022
Diebe des Lichts
Blom, Philipp

Diebe des Lichts


sehr gut

Der Alltag des Fußvolkes zu unwirtlichen Zeiten

Kleine Warnung vorab, denn dieser historische Roman ist brutal und beschreibt das Niedermetzeln des gemeinen Volkes nur zu eindringlich. Es ist erschütternd zu lesen, dass ohne Geld, Macht und Ansehen, dass eigene Leben ständig in Gefahr war. Daher die kleine Warnung, dass der Roman stellenweise bei mir Atemnot hervorbrachte, weil die menschlichen Grausamkeiten so genau beschrieben wird.
Genauso startet der Roman im Jahr 1572 in dem eine Krähe einen brutalen Überfall spanischer Soldaten in Flandern auf einem Hof beobachten. Die beiden Söhne des Hofes, Sander und Hugo können sich in den Wäldern verstecken und überleben. Es ist die Zeit in der Fernando Alvarez de Toledo die Calvinisten niedermetzelte in Flandern, die sich gegen die katholische Kirche aufgelehnt hatten.
Die beiden Brüder verschlägt es im Laufe des Romans nach Rom, den Sander hat eine Begabung. Er zeichnet und malt hervorragend Blumen, Gestecke, Stillleben. Er heuert bei einem berühmten Maler in dessen Werkstatt an und wird ein gefragter Maler. Hugo, der verstummte Bruder, weicht nicht von seiner Seite und wird sein Assistenz. Außerdem ist da noch die Tochter des Meisters: Chiara. Das Leben könnte etwas Glück für die beiden bereithalten, aber leider trifft es sie erneut und im zweiten Teil verschlägt es die beiden auf weniger schöne Art nach Neapel. Mittlerweile ist es 1601 und ihr neuer Herr ist ein spanischer Kardinal. Auch er durch Rücksichtslosigkeit, Gier und eigenem Vorteil getrieben.
Philipp Blom hat ein extrem gut recherchiertes Buch geschrieben, ist er doch von Hause aus Historiker und präsentiert hier die Fakten außerordentlich gut. Auch besonders gut an diesem Roman ist die Würdigung des normalen Volkes und die klare Tatsache, dass man ohne Macht, ohne Geld und ohne jeglichen Schutz der Welt und dem Tod täglich ausgesetzt war durch Hunger, Krankheiten, Kriege und Angriffe. Dieser Kontrast ist hervorragend ausgearbeitet. Auch das Malereihandwerk wird vortrefflich beschrieben.
Auf knapp 450 Seiten wird ein Bild vom damaligen Europa als fiktionale Geschichte gestrickt, die einem diese Epoche weit näherbringt als viele trockene historische Sachbücher. Durch die detaillierten Beschreibungen muss man aber ein Faible für historische Stoffe haben, wenn man zu diesem Roman greift.