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Lesendes Federvieh
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München
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Hinter dem Namen Lesendes Federvieh verbirgt sich das Blogger-Duo kathiduck und Zwerghuhn. Wir lesen querbeet alles, was uns zwischen die Finger kommt und veröffentlichen die Rezensionen dazu auf unserem Blog (lesendes-federvieh.de). Dort gibt es übrigens noch viele weitere Beiträge rund ums Thema Buch. :)

Bewertungen

Insgesamt 539 Bewertungen
Bewertung vom 09.03.2019
Das Seehospital
Glaesener, Helga

Das Seehospital


sehr gut

Frida kehrt 1920 nur widerwillig zur Beerdigung ihres Großvaters auf ihre nordfriesische Heimatinsel Amrum zurück. Denn er hatte für sie zuletzt kein gutes Wort übrig, da er ihren Traum nach der Schwesternausbildung in Hamburg Medizin zu studieren für rasch vergehende Weiberflausen hielt. Als dem nicht so war, drehte er ihr kurzerhand den Geldhahn zu, obwohl der Insel-Patriarch eine vertrauenswürdige Ärztin in seinem kleinen Seehospital, in welchem lungenkranke Waisenkinder vom Festland genesen sollen, gut hätte gebrauchen können. Nach seinem Tod steht die Familie vor ihrem finanziellen Ruin und Fridas herrische Mutter will das Seehospital soll zu einem lukrativen Kurhotel umfunktionieren und die kranken Waisenkinder zurück nach Hamburg schicken. Von ihren drei Geschwistern kann Frida nicht viel Unterstützung erwarten und doch lässt sie ihr Medizinstudium ruhen, um für die Zukunft des Seehospitals und der Kinder zu kämpfen. Dass dieser eiserne Wille das ohnehin schon instabile Familiengerüst gehörig ins Wanken bringt, ahnt sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht.

"Das Seehospital" ist mir aus zweierlei Gründen ins Auge gefallen, zum einen wäre da das wunderschöne in hellen Blautönen gehaltene Cover, das an die dänischen Skagenmaler erinnert und mich eine lockere, leichte Geschichte erwarten lies. Zum anderen hatte ich nach der Fernsehserie "Die Charité" rund um die junge Hilfswärterin Ida, der ein Medizinstudium in Deutschland zur Kaiserzeit als Frau verwehrt wurde, richtig Lust auf eine starke weibliche Protagonistin, die für ihren Traum als Ärztin zu praktizieren kämpft. Ida Lenze und Frida Kirschbaum trennen knapp vierzig Jahre, in denen sich in der Medizin in Sachen Gleichberechtigung einiges getan hat. Allerdings spielt die Medizin in diesem Buch eher eine hintergründige Rolle, vielmehr handelt es sich um ein Portrait einer Familie, die nach einer Erbschaft an ihrer eigenen Habgier und dem Wunsch nach hohem gesellschaftlichem Ansehen zusehends auseinanderbricht. Die älteste Tochter, Frida, ist die kühle, berechnende Vernunft der Familie, die ihr Medizinstudium pausiert, um das Fortbestehen des Inselhospitals zu sichern. Sie ist die einzige, die offen Widerworte gegen ihre Mutter und ihren Stiefvater ausspricht, etwas das sich die beiden jüngeren Schwestern nie trauen würden, was ihnen letztlich zum Verhängnis wird. Die bedrohliche finanzielle Situation der Familie als Druckmittel verwendend, da Großvater zeitlebens scheinbar über seine Verhältnisse gelebt und einen Großteil des Erbes verprasst hat, verlangt die Mutter von ihren jüngsten Töchtern einen reichen Insulaner zu heiraten, worauf Louise und Emily mit unterschiedlichen Folgen in ihr Verderben schlittern. Generell hatte ich beim Lesen häufig den Eindruck, die Geschichte schlängele sich durch einen dichten Nebel in einem düsteren Wald aus Intrigen und Leid, das kein Ende findet.

"Das Seehospital" erzählt die fesselnde Geschichte einer Familie in den 1920er Jahren, deren ohnehin marodes Gerüst durch Intrigen, Schicksalsschläge und jede Menge Leid zunehmend ins Wanken gerät. Dabei dient das Seehospital, ein Ort zur Genesung für lungenkranke Waisenkinder, auf der nordfriesischen Insel Amrum als atmosphärischer Ausgangsort des Dramas.

Bewertung vom 05.03.2019
Triumph und Fall
Archer, Jeffrey

Triumph und Fall


sehr gut

Charlie Trumper verkauft im Londoner East End bereits in jungen Jahren gemeinsam mit seinem Großvater auf der Straße Obst und Gemüse. Trotz seiner ärmlichen Verhältnisse träumt er davon mit 30 Jahren Millionär zu sein und das größte Kaufhaus der Welt zu besitzen. An Engagement und kreativen Ideen mangelt es dem jungen Mann nicht, allerdings sind die Zeiten hart und der Erste Weltkrieg lässt Charlie seine kühnen Träume vorerst hintanstellen. Doch selbst zahlreiche Widrigkeiten des Lebens, hinterlistige Gegner und einer tragischen Liebesgeschichte können Charlie Trumper nicht von seinem ehrgeizigen Bestreben abbringen.

Mittlerweile traue ich mich sogar ohne Blick auf das Cover bei lediglicher Betrachtung der atmosphärischen Art des Erzählens zu sagen, bei welchem Roman es sich um einen klassischen Archer handelt. "Triumph und Fall" bildet dabei keine Ausnahme, denn von der ersten Seite an befindet man sich mitten im Geschehen und verfolgt gebannt die verzweigten Lebenswege des jungen Charlie Trumpers, der bereits als kleiner Junge als Obst- und Gemüseverkäufer neben seinem Großvater auf der Straße stand und seinen Kunden ihre Wünsche von den Augen ablas. Charlies Geschichte beginnt 1900 und erstreckt sich in einem mitreißenden Epos, das zwei Weltkriege umfasst, bis ins späte 20. Jahrhundert. Dabei wechselt die Erzählperspektive stets, sodass aus der Lebensgeschichte Charlies und seiner langjährigen Weggefährten, Freund wie Feind, ein vielschichtiges Portrait geschaffen wird, da die Handlung aus vielerlei Blickwinkeln erzählt wird ohne dabei den essentiellen roten Faden zu verlieren. Denn die Geschichte schlängelt sich geschickt durch die historischen Gegebenheiten, die Wirren des Ersten Weltkrieges, als Charlie an der Front kämpft und sich die Wege der Trumpers und Trenthams das erste Mal schicksalshaft kreuzen, werden genauso authentisch und lebhaft geschildert wie die drohende Hungersnot zur Zeit Churchills. Mein persönliches Highlight war jedoch Mr. Charlie Trumper selbst, der mit einem Witz, Charme und dem grenzenlosen Enthusiasmus und Optimismus nahezu jeden Menschen auf seine Seite zog, ausgenommen einer bösartig intriganten Dame der Oberschichte, die ihm immer wieder schwere Brocken in den Weg wirft. Wie es bei solch einer Fülle an Seiten beinahe nicht anders zu erwarten ist, verlor die Geschichte für meinen Geschmack im Mittelteil etwas an der zuvor so erzählerischen wie ereignisreichen Raffinesse. Denn darin taten für die Handlung scheinbar weniger relevante Personen ihre Sicht auf die Dinge kund, die eigentlich bereits ausreichend Erwähnung gefunden hatten.

"Triumph und Fall" ist ein weiterer fulminanter Epos von Jeffrey Archer, der von einem einfachen Obst- und Gemüseverkäufer namens Charlie Trumper handelt, der sich in seiner liebenswürdig charismatischen wie zielstrebig kreativen und cleveren Art aus den Gassen Whitechapels in die Welt der Reichen und Mächtigen befördert.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.02.2019
Anatomie eines Skandals
Vaughan, Sarah

Anatomie eines Skandals


ausgezeichnet

Sophie und James Whitehouse sind ein Vorzeigeehepaar. Beide haben in Oxford studiert und gehören zur Oberschicht. James steht als strahlender, beliebter Parlamentspolitiker vor einer großen Karriere. Doch dann wird er von seiner Assistentin der Vergewaltigung beschuldigt. Ein riesiger Skandal droht. Die Presse wetzt schon ihre Messer. In einem aufsehenerregenden Prozess, der von der erfolgreichen Staatsanwältin Kate Woodcroft auf Seiten der Krone vertreten wird, wird das ganze Drama vor der Öffentlichkeit ausgebreitet.

"Anatomie eines Skandals" hat mir sehr gut gefallen, denn die Autorin seziert, wie es in der Anatomie ja üblich ist, den Skandal in seine kleinsten Puzzleteile. Kraftvoll und fesselnd von der ersten Seite an widmet sie sich dem Thema sexuelle Gewalt und Macht. Im Prozess wird die vermeintliche Vergewaltigung Olivias durch James, einem Mitglied der politischen Elite, aufgearbeitet.

Der Fall ist logisch aufgebaut und wirkt erschreckend authentisch, Sarah Vaughan arbeitet die menschlichen Schwächen und Abgründe hervorragend heraus, ihre Charaktere sind vielschichtig und bilden auf durchaus unheimliche Weise sehr deutlich unsere Gesellschaft ab. Durch Rückblenden in die Studentenzeit in Oxford kann man die Hintergründe des Prozesses noch besser verstehen, denn die Autorin lässt die Zeit wilder Partys, das Gefühl privilegiert zu sein und sich alles erlauben zu können ohne mit Konsequenzen rechnen zu müssen, eindrucksvoll wieder aufleben.

Dem gegenüber sind die Szenen im Gericht kompakt und so kraftvoll geschrieben, dass man Olivias Pein und James‘ Überheblichkeit und Beherrschung spüren kann, ebenso Kates absoluten Willen den Fall zu gewinnen. Eindringlich wird dargelegt, wie schwer es für ein Vergewaltigungsopfer ist generell glaubwürdig zu erscheinen und wie weit Macht vor jeglichen Konsequenzen schützt oder nicht. Aber auch die Auswirkungen auf die Familie des Angeklagten, auf Sophie und die Kinder, werden ausführlich geschildert.

Unerwartete Wendungen machen diese Geschichte spannend und lebendig bis zum Ende, das diesen Roman, man könnte auch sagen die Anatomie einer Gesellschaft, klug abrundet. Alle wichtigen Fragen sind geklärt, dennoch gibt es noch genügend Potential für die eigene Phantasie.

Fazit: Im Grunde ist dieses Buch nicht nur eine erstklassige Anatomie eines Skandals, sondern einer ganzen Gesellschaft. Ich schließe mich den euphorischen Pressestimmen gerne an, mich hat dieser Roman vollkommen überzeugt.

Bewertung vom 13.02.2019
Someone New / Someone Bd.1
Kneidl, Laura

Someone New / Someone Bd.1


sehr gut

"Someone New" ist äußerlich ein absoluter Hingucker und passt in vielerlei Hinsicht so perfekt zu der Erzählung, was man aber erst nach Beenden des Buches in vollem Umfang realisieren und verstehen kann. In diesem Buch wird ein Thema ganz groß geschrieben und das ist Diversität. Den Grundgedanken dahinter finde ich wirklich genial, vor allem das Geheimnis, das hinter Julians Verhalten steckt und es ist traurig betonen zu müssen, wie toll und bewundernswert ich es finde, dass Laura Kneidl sich an dieses explosive Thema herangetraut hat. Zu diesem Aspekt möchte ich eigentlich gar nicht recht viel mehr sagen, weil es ansonsten einen Teil der Spannung herausnehmen würde. Allerdings muss ich zugeben, dass ich schon sehr früh erahnt habe, worauf das schlussendlich rauslaufen wird und die feinen, versteckten Hinweise deshalb ziemlich offensichtlich waren. Spätestens bei den Narben hätte auch Micah langsam aber sicher stutzig werden sollen, doch sie war bis zum großen emotionalen Showdown vollkommen ahnungslos, was mich dann doch ein bisschen gewundert hat, aber das ist noch im Rahmen des Vorstellbaren. Was mich hingegen zunehmend gestört hat, war die Fülle an Randgruppen mit all ihren eigenen Problemen, die in dieser Erzählung thematisiert wurden. Ich verstehe und bewundere Laura Kneidls Begeisterung und Engagement für die unverstandenen, teils übel beschimpften und ausgestoßenen Minderheiten sowie ihr edles Bestreben für Aufklärung und Verständnis zu sorgen, doch manchmal ist weniger einfach mehr. Neben dem homosexuellen Bruder, der von Zuhause rausgeworfen wird, spielen der dunkelhäutige Kumpel, der sich in LARP-Veranstaltungen auslebt, die Teenie-Mom, die mit der Unterstützung von Freunden und Familie ihren Highschool-Abschluss nachholt sowie die pakistanische Kommilitonin, die zu ihrem Glauben steht und neben dem Jurastudium erfolgreich einen Foodblog betreibt, tragende Rollen. Nicht zu vergessen, dass Micah Vegetarierin ist und dann gibt es natürlich noch das große Geheimnis rund um Julian. Irgendwann war mir das einfach zu viel, was die Geschichte an Glaubhaftigkeit hat einbüßen lassen. Viele Tretminenthemen wurden angerissen, aber richtig vertieft wurde eigentlich keine, was ich rückwirkend betrachtet ziemlich schade finde, vor allem wenn man bedenkt, dass einige der Protagonisten einen eigenen Folgeband bekommen werden. Selbst die Liebesbeziehung von Micah und Julian, die wunderschön zu verfolgen ist, wird auf den letzten Seiten meiner Meinung nach zu abrupt zu einem runden Abschluss gebracht, obwohl es in meinen Augen doch einige offene Fragen gibt, zumal Micah wirklich vollkommen ahnungslos war. Ich an ihrer Stelle hätte eine Million Fragen gehabt und das Ganze auch erstmal sacken lassen wollen. Davon abgesehen fand ich den Charakter von Micah aber genial, denn sie ist eindeutig nicht auf den Mund gefallen und steht zu den Menschen, die sie liebt. Ihre schamlosen, trockenen Kommentare während der verpflichtenden Dinner-Parties mit ihren Eltern, die ein Teil des Deals als Gegenleistung für die Finanzierung ihrer eigenen Wohnung sind, brachten mich jedes Mal zum Lachen, vor allem weil sie in dem eingestaubten, versnobten Klischee einer pikfeinen, reichen Familie, die jedes Wort mit Bedacht auf die Waagschale legt, so erfrischend natürlich heraussticht. Manchmal schießt sie zwar auch darüber hinaus, weshalb ich nicht in ihrer Haut stecken möchte, aber herrlich zu lesen ist es allemal.

"Someone New" thematisiert wichtige Aspekte rund um die Frage nach der eigenen Identität, Akzeptanz und Toleranz sowie dem Ausbleiben selbiger. Dabei wird die Erzählung, die sich ab und zu in kleine Seitenstränge verirrt, von einem mitreißenden Schreibstil in gewohnter Laura Kneidl Manier getragen, die mit diesem Buch edel für mehr Verständnis für Diversität strebt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.02.2019
Nudel im Wind
Lippe, Jürgen von der

Nudel im Wind


sehr gut

Lisa, Justus und Gregor kreieren eine neue Fernsehshow. Was sie dabei so alles erleben, ist hier auf kurzweilige Weise beschrieben.

Diese Rezension möchte ich diesmal mit einem dicken Lob auf das Cover beginnen, das angenehm auf den Büchertischen hervorsticht und wunderschön gezeichnet ist. Darauf abgebildet ist ein entspannter Autor vor seinem Laptop, der gerade dabei ist einen kurzweiligen Roman zu schreiben. Und das ist "Nudel im Wind" (auf solch einen Titel muss man erstmal kommen) auch.

Jürgen von der Lippe schreibt über die Entstehung eines neuen Showkonzeptes bis hin zur Umsetzung im Fernsehprogramm. Er gewährt dem Leser auf amüsante Weise Einblicke hinter die Kulissen der Medienwelt. Locker und flüssig geschrieben, mit dem für den Autor so eigenen Schreibstil, verfliegen die Seiten im Nu. Seinen Wortwitz mochte ich schon in seinen zahlreichen Fernsehshows sehr gerne.

Die Charaktere sind natürlich auch vom Feinsten, liebevoll ausgearbeitet, schrullig und mit Ecken und Kanten. Witzig finde ich auch die Passagen im Gespräch mit seiner Frau. Deren Meinung zu seinem bisher Geschriebenen und seine Reaktion darauf lockern die Geschichte erfrischend auf. Dieses Buch als Hörbuch bringt den Humor sicher noch besser zur Geltung, jedoch musste ich bei der Printversion oft genug lachen. "Nudel im Wind" ist eine unterhaltsame Lektüre, genau so wie ich es mir von Jürgen von der Lippe erwartet habe.

Fazit: Eine Fernsehshow zum Lesen, das hat was!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 12.02.2019
Dunkelgrün fast schwarz
Fallwickl, Mareike

Dunkelgrün fast schwarz


sehr gut

Seit ihrer ersten Begegnung auf dem Spielplatz sind Raffael und Moritz, fortan nur noch als Raf und Motz bekannt, unzertrennlich. Raf mit seinem in Stein gemeißelten Gesicht, den eisblauen Augen und dem entwaffnenden Lächeln geht voran, während ihm der sanftmütige Motz, in dem eine zarte Künstlerseele schlummert, ohne Widerrede überallhin folgt. Motz Mutter Marie sollte sich eigentlich über die Freundschaft der beiden freuen, denn als Zugezogene hat die Familie es nicht leicht Anschluss in dem kleinen konservativen Dorf zu finden, doch sie erkennt scheinbar als einzige das Böse, Teuflische, das von Raf ausgeht und alle um ihn herum in den Abgrund zu ziehen droht. Als in der letzten Klasse der Schule ein neues Mädchen in ihre Klasse kommt, weitetet sich das Band zwischen Motz und Raf zu einem fatalen Dreieck, dessen scharfe Kanten niemanden unverletzt lassen. Sechzehn Jahre nach einigen verheerenden Ereignissen treffen die drei erneut aufeinander und innerhalb kürzester Zeit fallen sie wieder in ihre alten Rollen zurück, bis die Vergangenheit sie einholt und alles zu eskalieren droht.

Der unheildrohende Titel "Dunkelgrün fast schwarz" in Kombination mit dem düsteren Einband ist in vielerlei Hinsicht passend für dieses sprachgewaltige Debüt, das den Leser zusehends in einen Strudel aus verzehrender, zerstörerischer Freundschaft, Sehnsucht, Verzweiflung und nicht zuletzt Liebe hineinzieht, dem man sich nur schwerlich entziehen kann. Die klare Erzählstimme ist intensiv und zeigt ungefiltert die dunklen Seiten sämtlicher agierender Charaktere auf. Sei es die jahrelange Affäre zur Befriedigung körperlicher Begierden, die zunehmende Eskalation einer entmündigenden, asymmetrischen Freundschaft oder die Selbstaufgabe in der Hoffnung auf bedingungslose wertschätzende Liebe. Interessanterweise entspinnt sich die Geschichte aus den Erzählsträngen dreier Personen - Marie, Moritz und Johanna - der Zugang zu Raffaels Gedanken bleibt verwehrt und doch ist er es, der die Handlung durch sein Handeln und das Ausbleiben von selbigem dominiert. Er ist das zerstörerische Bindeglied, unter dessen attraktiver Oberfläche ein Monster schlummert, das nach außen hin so undurchsichtig ist. Selten habe ich es erlebt, einen Charakter so schlecht einschätzen zu können, da er sich - wie bei genauer Betrachtung die gesamte Personenkonstellation - jeglichem herkömmlichen Erzählschema entzieht. Motz, Raf, Jo und auch Marie sind rau, ungeschliffen, jeder auf seine Weise Außenseiter, die in einer unbarmherzigen Welt ihren Platz suchen. In erschreckender Eindringlichkeit wird hierbei eine große Bandbreite an menschlichen Abgründen aufgezeigt, in deren Abnormität man sich förmlich in einem Wald voller Intrigen, Verzweiflung und Verrat verirrt, dessen dunkelgrüne Blätter in den Facetten der Freundschaft schillern, wo sich Licht und verdunkelnde Gewitterwolken abwechseln. Dunkelgrün fast schwarz beschreibt Moritz, der die Welt mit all ihren vielfältigen Eindrücken wahrnimmt, die Aura, die seinen einstmals besten Freund umgibt, als dieser ihm nach sechzehn Jahren Funkstille plötzlich gegenübersteht. Die Wiedersehensfreude währt nur kurz, denn schon bald verfällt Moritz, der sich mit seiner hochschwangeren Freundin Kristin endlich sein eigenes Leben aufgebaut hat, in alte Muster und wird der unterwürfige Motz, der zu seinem unerreichbaren Vorbild Raf bewundernd aufsieht und zusehends in dessen Strudel aus dunkler, manipulativer Verzweiflung gezogen wird, was schlussendlich unvermeidlich in ein furioses Finale gipfelt.

"Dunkelgrün fast schwarz" ist zweifelsohne ein herausragendes Debüt einer vielversprechenden Autorin, das den Leser durch die immense sprachliche Eindringlichkeit, die scharfkantigen Charaktere sowie den unnachahmlichen Erzählton in einen Sog aus menschlichen Abgründen zieht, der von zarten Lichtstrahlen der Hoffnung und Liebe durchbrochen wird.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 11.02.2019
Der Kruzifix-Killer / Detective Robert Hunter Bd.1
Carter, Chris

Der Kruzifix-Killer / Detective Robert Hunter Bd.1


ausgezeichnet

In Los Angeles wird die Leiche einer einst wunderschönen Frau gefunden, zu Tode gequält und bestialisch verstümmelt. Der Fundort weist keinerlei Spuren auf den Täter aus, der lediglich ein Symbol im Nacken des Opers hinterlassen hat, was Detective Robert Hunter die Haare zu Berge stehen lässt. Denn dieses Doppelkreuz ist ein Teufelsmal, das Erkennungszeichen eines hingerichteten Serienkillers. Hunter wird schnell klar, dass der Kruzifix-Killer lebt und auf spektakuläre Art und Weise weitermordet. Stets ist er den Profilern einen Schritt voraus, denn er kennt Hunter besser, als dieser ahnt.

Auf Chris Carter bin ich Ende letzten Jahre bei einer Lesung zu seinem neuesten Thriller "Blutrausch" aufmerksam geworden, was ich innerhalb kürzester Zeit verschlungen habe, weshalb ich umso neugieriger auf den ersten Band der Krimireihe rund um Profiler und Detective Robert Hunter und seinen Partner Carlos Garcia war. "Der Kruzifix-Killer" ist nichts für Zartbesaitete, wie schon in den ersten Szenen offenkundig wird, denn neben einem unmittelbaren Spannungsanstieg wird es mit dem Fund der Leiche blutig wie grausam abschreckend. Unvorstellbar scheint jene Grausamkeit, beinahe schon unrealistisch, doch genau das Gegenteil ist der Fall: Durch seine jahrelange Arbeit als Kriminalpsychologe muss Chris Carter nicht auf Filmszenen zurückgreifen, sondern schildert die eindringlichen Bilder, die sich ihm ins Gedächtnis eingebrannt haben. In ihrer schonungslosen Eindringlichkeit und Authentizität wirken jene Szenen somit übelkeiterregend realistisch, was den schnörkellosen Erzählstil Carters auszeichnet. Er verzichtet auf ausschweifende Darstellung der familiären Verhältnisse und psychischen Probleme seiner Protagonisten und fokussiert sich stattdessen auf den Kriminalfall, wodurch das ohnehin hohe Spannungslevel sich nur in eine Richtung entwickelt, nach oben. Die allesamt sehr kurzen Kapitel, die stets mit einem Cliffhanger enden, auf welche meist obendrein ein Perspektivwechsel folgt, tragen weiterhin dazu bei, dass der arme Leser noch weiter auf die Folter gespannt wird. Das Konzept des genialen Profilers Hunter funktioniert gerade deshalb so gut, weil er einen höchst psychopathischen und nicht minder intelligenten Killer als Gegenspieler hat, dessen Raffinesse man nur mit eigener Genialität und Einfallsreichtum übertrumpfen und schlussendlich besiegen kann. Sein neuer Partner Carlos Garcia, der zweifelsohne eine makellose Vita mit hervorragenden Beurteilungen besitzt und ebenfalls einen hohen IQ aufweist, könnte daneben scheinbar blass wirken, möchte man beinahe meinen, doch Hunter und Garcia funktionieren als Team perfekt, gerade weil sie in einigen Lebensbereichen so unterschiedlich sind und sich dennoch innerhalb kürzester Zeit blind vertrauen können. Grandios ist die Auflösung des Falles auf den letzten Seiten, auf die man als Leser unmöglich kommen kann, da einige dafür relevante Informationen diesbezüglich geschickt die ganze Geschichte über heimlich still und leise in Nebensätze eingestreut werden und andere wiederum keinerlei Erwähnung finden und der Aufarbeitung eines alten Falles dienen.

"Der Kruzifix-Killer" ist der mitreißend Auftakt des grandiosen Ermittlerduos Hunter und Garcia, die es im Morddezernat mit besonders grausamen und psychopathischen Killern zu tun bekommen, wovon man hier einen sehr eindrucksvollen blutigen Vorgeschmack auf die Irrungen der menschlichen Psyche und ihrer Abgründe bekommt.

Bewertung vom 11.02.2019
BECOMING
Obama, Michelle

BECOMING


ausgezeichnet

"BECOMING" von Michelle Obama ist eines derjenigen Bücher, auf das ich mich letztes Jahr am meisten gefreut habe, denn sie ist eine wahre Inspiration. Sie steht für weibliche Stärke, das Vertrauen in das eigene Können, für seine Rechte auf beispielsweise Bildung einzustehen und vor allem Durchhaltevermögen in jedweder scheinbar aussichtslosen unlösbarer Situation. Diese Autobiografie, die sehr geschickt in die Abschnitte "Becoming Me", "Becoming Us" und "Becoming More" untergliedert ist und so von den unterschiedlichen Lebensbereichen ihres immer noch andauernden Prozesses des Werdens erzählt, ist schonungslos ehrlich, authentisch und vor allem echt geschrieben. Darin beschönigt Michelle Obama nichts und hat keine Probleme damit, ihre Schwächen und Fehler zuzugeben, von ihren mitunter wiederkehrenden Selbstzweifeln zu schreiben eben doch nicht gut genug zu sein, was die nach außen hin so starke, scheinbar unnahbare First Lady menschlich macht, denn jeder Mensch hat Phasen, in denen er an sich selbst zweifelt. Sie gibt einen sehr persönlichen Einblick in ihr Leben ab der frühesten Kindheit, erzählt auf berührende Art und Weise von den Menschen, die sie geprägt haben, ohne sie dabei allzu sehr zu glorifizieren, vielmehr analysiert sie ihre Lebensbegleiter rückwirkend und zeigt dabei die guten Eigenschaften wie die kleinen und großen Eigenheiten auf. Selbst das Kennenlernen mit ihrem zukünftigen Ehemann Barack Obama, der ihr zunächst als Sommerpraktikant in der Anwaltskanzlei Sidley & Austin unterstellt war, wie auch ihre Eheberatung, spart sie dabei nicht aus. Michelle Obama hält nicht viel von Politik und kann sich auch nur schwer mit den diesbezüglichen Ambitionen ihres Mannes anfreunden, wenngleich sie ihn immer tatkräftig unterstützte und hierin einen Einblick in die frustrierende Welt der Politik gibt: Trotz Baracks zahlreicher grandioser Ideen, die das Leben zahlreicher Menschen hätten verbessern können, schmetterten die Republikaner diese im Kongress rigoros ab, aus dem einzigen traurigen Grund, dass sie Obama scheitern sehen wollten. Dieses Bestreben stellten sie über das Wohl der Bevölkerung Amerikas, was einiges über die Missstände in der Politik aussagt, sei es nun in Amerika oder in anderen Ländern dieser Welt. Unter dem Aspekt "Becoming More" erzählt Michelle Obama kritisch von den Privilegien und der damit verbundenen Verantwortung als First Family, wie sie ihren beiden Töchtern ein möglichst normales Leben zu ermöglichen versuchten, Michelle unter den bösen Stimmen der Presse zu leiden hatte und im Hintergrund an ihren insgesamt vier nachhaltig erfolgreichen Initiativen zur gesünderen Ernährung für Kinder, Gewährung von Bildungschancen für benachteiligte Kinder und Mädchen auf der ganzen Welt sowie einer Unterstützung für die Hinterbliebenen von Kriegsversehrten arbeitete. Besonders in Erinnerung geblieben sind mir ihre amüsanten Anekdoten zu ihren Begegnungen mit der Queen, die sie als gewitzte, feine Dame beschreibt, ihrer Nervosität vor ihrer Gesangseinlage mit James Corden bei Carpool Karaoke und den musikalischen Auftritten im Weißen Haus. Gänsehautmomente lässt Michelle Obama ebenfalls nicht vermissen, indem sie auf den letzten Seiten das schwierige Thema des Verlustes anspricht, von Beerdigungen junger Menschen erzählt, die infolge einer Verwechslung mit einer rivalisierenden Gang auf dem Schulweg erschossen wurden oder von ihren nachhallenden Begegnungen mit Soldaten und ihren Angehörigen im Militärkrankenhaus. Ein weiteres meiner zahlreichen persönlichen Highlights in dieser fesselnden Biografie ist Michelle Obamas Umgang mit dem amtierenden Präsidentin Donald Trump, den sie verbal ordentlich in die Schranken verweist, ohne sich dabei auf sein Niveau herabzulassen: "Dominanz ist eine Form der Entmenschlichung, selbst wenn sie nur als Drohung daherkommt. Sie ist die hässlichste Form von Macht."

4 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 07.02.2019
Das kleine Café in Kopenhagen / Romantic Escapes Bd.1
Caplin, Julie

Das kleine Café in Kopenhagen / Romantic Escapes Bd.1


sehr gut

Kate arbeitet in einer renommierten PR Agentur in London. Sie hat endlich den ganz großen Auftrag an Land gezogen, denn sie soll die Werbekampagne von Lars Wilders für die Eröffnung seines dänischen Kaufhauses Hjem organisieren. Dazu ist erstmal eine Pressereise nach Kopenhagen vorgesehen, um ausgewählten Journalisten nahezubringen, warum die Dänen als glücklichste Nation der Welt gelten. Innerhalb kürzester Zeit muss Kate sechs Journalisten für diese Reise finden. Bis auf den bärbeißigen Journalisten Benedict Johnson lassen sich alle schnell überzeugen. doch Ben ist ein harter Brocken - auch in Kopenhagen...

Als großer Dänemarkfan stand dieses Buch natürlich ganz oben auf meiner Leseliste - und ich wurde nicht enttäuscht. Kopenhagen ist so toll beschrieben, dass ich sofort wieder dort war und alles ganz genau vor mir sehen konnte. Wenn ich nicht schon im wunderschönen Kopenhagen gewesen wäre, würde ich sofort meine Koffer packen.

Julie Caplin schafft es mühelos das ganz besonders angenehme Lebensgefühl der Dänen dem Leser zu vermitteln. Kates Reisegruppe kann sich diesem Gefühl ebenso wenig entziehen. Diese zusammengewürfelte Gruppe ist einfach genial zusammengestellt. Das liegt vor allem an den teilweise sehr eigenwilligen Charakteren, die gerade deshalb perfekt zusammenpassen. Gerade ihr Verhalten ist authentisch und lebendig geschildert. Da sind die grazile, verwöhnte Avril, der Genießer Conrad, die begeisterte Sophie, der schlecht gelaunte Ben, die eher zurückhaltende Fiona, der ruhige David und Kate, die für die Gruppe verantwortlich ist und ihren Job besonders gut machen möchte, um endlich einmal auch Karriere zu machen und nicht immer übersehen zu werden. Sie ist eine liebenswürdige und sympathische Protagonistin und es ist schön zu lesen, wie sie es schafft ihrem "Hamsterrad" zu entkommen und neue Wege zu gehen. Kate hat Hygge eben verstanden, ebenso ihre Reisebegleiter, denn auch sie alle haben begriffen, dass kleine Freuden und Freundschaften viel zu einem glücklichen Leben beitragen.

"Das kleine Café in Kopenhagen" ist eine richtig schöne Lektüre um abzuschalten und den grauen Alltag zu vergessen. Fluffig und flott geschrieben, verfliegen die Seiten im Nu. Ganz nebenbei schleicht sich das Hygge Wohlgefühl von Buchstabe zu Buchstabe in das Leserherz ein.

Fazit: Hygge macht nicht nur Dänen glücklich!

Bewertung vom 07.02.2019
Der Andere
Svensson, Anton

Der Andere


sehr gut

Leo beseitigt die Blutlachen im Flur, in der Küche und versucht alle Spuren der Tat seines Vaters zu beseitigen. Doch die Tatsache, dass die eigene Mutter vom eigenen Ehemann beinahe tot geprügelt wurde, das werden die drei minderjährigen Brüder Leo, Felix und Vincent niemals vergessen.
Jahre später wird Leo nach einer Serie von Raubüberfällen aus dem Gefängnis entlassen. Doch er kann seine dunkle Seite nicht reinwaschen, er steht kurz vor seinem finalen großen Coup. Diesmal ohne seine Brüder, die es geschafft haben sich eine bürgerliche Existenz aufzubauen. Sein neuer Partner ruft Kriminalinspektor Broncks, seinen Erzfeind, erneut auf den Plan und die Jagd auf Leo beginn von Neuem...

"Der Andere" ist ein ganz besonderer Thriller, der mich von der ersten Seite an fasziniert hat. Er ist spannend und mitreißend geschrieben und bis zum Ende hin undurchsichtig, wie sich die Entscheidung zwischen Leo und Broncks entwickelt. Obwohl dies das Folgebuch zu "Der Vater" ist, den ich noch nicht gelesen habe, war es überhaupt kein Problem den Protagonisten zu folgen.

Der große Coup, der für Leo das große Ziel ist, ist detailliert und authentisch geschildert und so fiebert man bis zum Schluss mit, ob er gelingen kann. Die Geschichte spielt in zwei Zeitebenen, durch einige Rückblenden in die Vergangenheit, die von tatsächlichen Ereignissen inspiriert ist, entsteht ein gruseliges Gänsehautfeeling. Es ist erschreckend, welche Weichen in der Kindheit gestellt werden können. Das steigert für mich das Thrillerpotential dieses Buches noch einmal erheblich.

Durch die klare, kühle Sprache wird eine Atmosphäre geschaffen, die perfekt zur logischen und gut aufgebauten Handlung passt. Obwohl das Buch taff geschrieben ist, sind die Charaktere facettenreich, sensibel und authentisch geschaffen. Das Verhältnis von Leo zu seinen Brüdern, der brüchige Familienfrieden, all das ist so realitätsnah geschildert, dass man die Konflikte und Spannungen förmlich spüren konnte.

Dem Autorenduo Anders Roslund und Stefan Thunberg, das diesen Thriller unter dem Pseudonym Anton Svensson veröffentlichten, ist ein mitreißendes und fesselndes Buch gelungen, das mir spannende Lesestunden beschert hat.

Fazit: Spannend und durch Bezüge zu tatsächlichen Ereignissen in der Vergangenheit ein ganz besonderer Thriller

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.