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Insgesamt 431 Bewertungen
Bewertung vom 29.11.2017
Herrn Haiduks Laden der Wünsche
Beckerhoff, Florian

Herrn Haiduks Laden der Wünsche


gut

Herrn Haiduks Laden der Wünsche, Roman von Florian Beckerhoff, 256 Seiten, erschienen bei HarperCollins Germany.
Alma findet ein Lotterielos mit einem Gewinn von 13 Millionen, zusammen mit Herrn Haiduk ist sie auf der Suche nach dem glücklichen Gewinner. Kann derjenige so viel Glück überhaupt vertragen?
Herr Haiduk ist einst nach Berlin, der Liebe wegen gekommen. Die Liebe schwand, geblieben ist ihm ein kleiner Zeitschriftenladen, eingezwängt zwischen zwei großen Geschäftshäusern, hier verkauft er mit seinem Gehilfen Adamo, Zeitschriften, Tabakwaren, Süßigkeiten, dazu betreibt er eine Lottoannahmestelle. Gern gesehene Kundin ist Alma, die „stumme Studentin“ sie liest, regelmäßig in einer ruhigen Ecke, Zeitschriften. Anschließend kauft sie ein Exemplar und Kaugummi. Eines Tages sind alle Lottokunden aufgeregt, in Herrn Haiduks Laden wurde ein Lotterielos verkauft welches den Gewinn von 13 Millionen verspricht. Doch der Gewinner meldet sich wochenlang nicht. Alma hat das Los gefunden und will den Gewinner, bzw. den, der das Vermögen wert ist ermitteln. Es beginnt ein Lotteriecasting im kleinen Laden.
Von der Leseprobe zu diesem Buch war ich wirklich begeistert. Ein unvorstellbar hoher Gewinn, eine ehrliche Finderin und auf einmal sehr viele „Anwärter“. Leider war ich von der Geschichte mehr als enttäuscht. Es war schlichtweg langweilig. Ich konnte die Lektüre zu jeder Zeit aus der Hand legen und liegen lassen, um ein paar Tage später weiterzulesen. Spannung war keine vorhanden. Emotionslos wurden die einzelnen gecasteten Anwärter befragt. Schade, denn die Charaktere waren so uninteressant nicht. Erich und Karl, die gläubige Frau, die Ängstliche oder der junge Kettenraucher. Beckerhoff hatte eine tolle Idee und nichts daraus gemacht. Der junge Schriftsteller, dessen einziges Buch Herr Haiduk schon lange hütet, hat die Erwartungen des Ladeninhabers am Ende auch nicht erfüllt. Die Episode über den Engel mit dem abgebrochenen Stift, auf der Gruft, die als Hintereingang zum Hinterhof von Herrn Haiduk, vom Friedhof aus benutzt wird, hat sich auch nur in eine schwache Erzählung aufgelöst. Irgendwie fehlte in der ganzen Geschichte der Knaller. Haiduk und sein Angestellter Adamo waren sympathische Figuren, über Adamo hätte ich gerne noch mehr erfahren. Die Person Alma, blieb mir bis zum Ende fremd. Naiv, schüchtern und als Gutmensch dargestellt. Auch Paul der Schriftsteller blieb m. M. ziemlich blass. In der Realität wäre diese Geschichte mit Sicherheit anders verlaufen, so blieb der Plot für mich unglaubwürdig. Das Ende des Romans ist auch sehr seltsam.
Herrn Haiduks Laden kann ich nur eingeschränkt empfehlen. Leser sollten nicht zu viel erwarten. Kann man lesen, muss man nicht. Dafür fand ich das Cover sehr schön, gutgemeinte 3 von 5 Sternen von mir.

Bewertung vom 26.11.2017
Böses Kind
Krist, Martin

Böses Kind


sehr gut

Böses Kind, Thriller von Martin Krist, 320 Seiten, erschienen im R&K Verlag.
Der erste Fall für Kommissar Frei.
„Es gibt Fehler die sind zu ungeheuerlich für Reue“. Vorliegender Thriller beginnt mit zwei Zitaten, dieses von Roger Smith ist eines davon. Aufgeteilt in 63 Kapitel dazwischengeschoben mit besonderen Kapitel- Zeichen versehene „Intermezzi“. Gedanken oder laute Ausrufe, sowie betonte Aussagen, auch Sätze in anderen Sprachen sind kursiv gedruckt um sie deutlich hervorzuheben. Im auktorialen Erzählstil mit lebendigen Dialogen versehen, gelingt es hier dem Autor, den Leser zu fesseln. Besonders gut gefallen hat mir das Cover mit den unheimlichen Augen, die einen anzustarren scheinen. Zwischen dem Autorennamen und dem Titel ist in einer anderen Schrift und Farbe der Name Alanna zu erkennen, was es damit auf sich hat, wird im Verlauf der Geschichte erklärt.
Auf einer Baustelle wird ein erschlagenes und gekreuzigtes Opfer entdeckt. Jacqueline, 14jährige Tochter von Suse, einer heillos überforderten, allein erziehenden Mutter, wird vermisst. Bei dem Mordopfer wird der Rucksack von Jaquie und ihr toter Hund gefunden. Was ist mit dem Mädchen passiert? Kriminalhauptkommissar Frei und sein Team ermitteln. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt.
Der Spannungsbogen, der schon auf den ersten Seiten beginnt, bleibt bis zur Aufklärung des Falls auf den letzten Seiten unerträglich hoch. Oft endet ein Kapitel mit einem heftigen Cliffhanger. Bei der Lektüre hatte ich des Öfteren ein beklemmendes Gefühl. Schwebt Jacqueline in Lebensgefahr und kann die Polizei sie noch rechtzeitig aufspüren? Diese Fragen ließen mich durch die Seiten geradezu fliegen. Die Hauptpersonen wurden gut beschrieben und haben Charaktertiefe. Suse, der überforderten Mutter konnte ich ihre Verzweiflung unbedingt nachfühlen. Interessant fand ich auch die Figur Henry Frei, ein Kommissar mit einem Ordnungszwang, einer Teenie-Tochter und einem Sohn mit Asperger-Syndrom. Seine Kollegen, die dauernd Möhren kauende Albers, und Phan Cha Lee genannt Charlie, blieben leider etwas blass, was sich in den fortsetzenden Bänden hoffentlich noch ändert. Martin Krist hat es geschafft, dass ich den Folgeband unbedingt lesen muss, zum Einen um Oskar Marek näher kennen zu lernen. Henrys früheren Vorgesetzten und Freund, der seine eigenen Probleme hat, in die Frei womöglich involviert ist. Zum Anderen scheint der Mord an Sina Weinstein auch noch nicht geklärt zu sein. Besonders spannend erzählt fand ich, als der kleine Dennis „etwas Ekliges“ auf dem Bett seiner Schwester fand. Durch mehrere Kapitel habe ich gefiebert um was es sich dabei handeln könnte, noch aufregender hätte Krist dies nicht inszenieren können. Leider war die Aufklärung in den letzten Kapiteln durch eine Wendung, zu schnell, zu hektisch und nicht ausführlich genug erklärt. Ich finde, hier ist noch Platz nach oben. Trotzdem kann ich diesen Thriller empfehlen, und vergebe knappe 4 von 5 möglichen Sternen.

Bewertung vom 22.11.2017
Der gefährlichste Ort der Welt
Johnson, Lindsey Lee

Der gefährlichste Ort der Welt


sehr gut

Der gefährlichste Ort der Welt, Roman von Lindsey Lee Johnson, 304 Seiten, erschienen im dtv Verlag.
Eine Geschichte über Mobbing in sozialen Medien und die Folgen für Opfer und Täter.
Tristan Bloch ist ein Außenseiter, etwas linkisch, seltsam gekleidet und von seiner alleinerziehenden Mutter überbehütet. So darf man nicht sein in Mill Valley, das Luxus-Städtchen über der Bucht von San Francisco, dort wo die Reichen und Schönen wohnen. Da ist dieser Druck, herausragend zu sein in einer Stadt, in der nichts Geringeres akzeptiert wird (Emma). Eines Tages offenbart sich Tristan seiner „Angebeteten“ Calista Broderick und das auch noch in einem handgeschriebenen Liebesbrief. Cally übergibt diesen Brief ihren Freunden und kurz darauf wird er auf Facebook gepostet. Der sensible Junge kann dem, über ihn hereinbrechenden Shitstorm, nicht mehr entkommen. Er ist „unten durch“ wird gehatet und in den sozialen Medien fertig gemacht. Das Paradies ist für ihn zur Hölle geworden. Eines Tages nimmt er sein Fahrrad, radelt zur Golden Gate Bridge und springt in den Tod. Diese Tat verändert auch das Leben seiner „Hater“, nichts ist mehr wie es scheint und niemals mehr so wie es war.
Das Buch ist in drei Teile gegliedert. Zuerst die 8. Klasse, als sich Tristan das Leben nahm, dann im zweiten Teil nach 3 Jahren und im letzten Teil fünf Jahre später. Jedes einzelne Kapitel ist mit einer Überschrift versehen und ändert die Erzählperspektive. Es gibt im vorliegenden Roman keinen Protagonisten jeder Charakter wird einmal zum „Hauptdarsteller“ in den einzelnen Kapiteln. Am Anfang hatte ich Mühe bei diesem speziellen Stil, dem Verlauf der Geschichte zu folgen. Der Einstieg in diese Erzählung hat mich sofort gefesselt, der Plot hatte im Mittelteil einige Längen um am Ende wieder anzuziehen. Den Buchtitel "Der gefährlichste Ort der Welt" finde ich ungeschickt gewählt, es hätte sicher passendere gegeben, ob das Leben in Mill Valley schön ist, schlecht zu urteilen, gefährlich ist es sicher nicht. Evtl. bezieht sich das „gefährlich“ auch auf einen anderen Ort, was mir bei der Lektüre aber nicht klar wurde. Trotzdem hat mich das Buch gefesselt, ja betroffen gemacht. Anfangs meinte ich die Jugendlichen, die Tristan so zusetzten, leben ihr Leben weiter, haben Spaß, haben den Vorfall vergessen, doch nach und nach kristallisiert sich heraus. Tristan ist tot, die anderen leben noch aber getroffen hat es alle. Und sie müssen erkennen dass sie weiterleben müssen mit dem was sie getan haben. Mitreißend geschrieben, die Charaktere zu jederzeit authentisch und sympathisch.
Eine unbedingte Leseempfehlung für Jugendliche und auch deren Eltern. Für alle Leser die sich für Mobbingopfer-Geschichten interessieren und/oder Diejenigen, die Highschool-Erzählungen begeistern. Von mir dafür 4 von 5 Sternen.

Bewertung vom 20.11.2017
Der Frauenchor von Chilbury
Ryan, Jennifer

Der Frauenchor von Chilbury


ausgezeichnet

Der Frauenchor von Chilbury, Hörbuch von Jennifer Ryan, 6 CD, Gesamtlaufzeit 7 Stunden, 46 Minuten. Aus dem Englischen von Andrea O’ Brian, erschienen im Argon Hörbuch-Verlag.

England 1940, der 2. Weltkrieg hat die Insel erreicht. Als immer mehr Männer eingezogen werden, schließt der Pfarrer den Gemeindechor. Das wollen die tapferen Frauen von Chilbury nicht so einfach hinnehmen. Warum nicht den Chor verändern wenn Frauen jetzt auch Männerjobs machen? Als die Musikprofessorin Primrose Trent im Ort unterkommt, gründen sie mit ihrer Hilfe einen reinen Frauenchor, denn sie wollen sich nicht sang- und klanglos ergeben.

Als ich das Hörbuch geschenkt bekam war ich anfangs sehr skeptisch, denn ich hatte noch nie eine Rezension für ein Hörbuch verfasst. Aber je mehr ich von dieser wunderbaren Geschichte hörte, desto mehr war ich begeistert. Der Frauenchor von Chilbury ist ein Roman der unbedingt auditiv wahrgenommen werden sollte. Bei der Lektüre des Buches entgeht dem Leser nämlich der Genuss der herrlichen Stimmen des Frauenensembles Encantada! Bei CD 2 angekommen, auf der das Ave Maria von Schubert erklingt, konnte ich meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Immer wenn und m. M. nach viel zu selten, der schöne Gesang des Frauenensembles erklang, lief mir eine Gänsehaut den Rücken hinunter.
Vier verschiedene Frauen und Mädchen aus Chilbury schildern in Briefen und Tagebucheinträgen die harten Zeiten und die Geschehnisse in der schweren Kriegszeit. Die Vorlesestimmen passen perfekt zu den jeweiligen Figuren, dadurch konnte ich mir die Frauen auch sehr gut vorstellen. Allen voran Edwina Paltry, die mit zwielichtigen Machenschaften in ihrem Beruf als Hebamme, dem Brigadier Winthrop zu einem Erben verhelfen soll, hervorragend gesprochen von Andrea Sawatzki. Viel Freude hatte ich auch beim Zuhören der beiden Schwestern Kitty (gesprochen von Jasna Fritzi Bauer) und Venetia Winthrop (Monika Oschek), die sich nicht immer so gut leiden können wie Schwestern es sollten. Denn Kitty steht manchmal im Schatten ihrer hübschen Schwester. Meine Lieblingsfigur jedoch war auf jeden Fall die Krankenschwester Mrs. Tilling von Elena Wilms überwältigend vertont. Sie ist der gute Geist des Ortes, eine tolle, resolute Frau, eine Witwe, deren einziger Sohn David ebenfalls am Krieg teilnimmt. Sie behält in den schlimmsten Situationen den Überblick und holt so manchem Bewohner von Chilbury in den schwierigsten Lagen, die Kohlen aus dem Feuer.
Da die erzählenden Personen oft dieselbe Situation schildern ist es dem Zuhörer möglich, die Geschehnisse aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Durch die meisterhaft gelesenen Passagen ist es mir zu jeder Zeit gelungen, der Geschichte zu folgen und auch die jeweiligen Charaktere zu identifizieren. Die handelnden Personen zeigen Charaktertiefe und ihr Handeln ist plausibel. Obwohl ich eine wirklich leidenschaftliche Leserin bin, bedaure ich es nicht, diesen Roman gehört zu haben.
Eine absolute Empfehlung für diesen tollen Roman. Und als besonderen Genuss das Hörbuch wählen! Wohlverdiente und gerne verliehene 5 von 5 Sternen.

Bewertung vom 16.11.2017
Ermordung des Glücks / Jakob Franck Bd.2
Ani, Friedrich

Ermordung des Glücks / Jakob Franck Bd.2


sehr gut

Die Ermordung des Glücks, Kriminalroman von Friedrich Ani, 317 Seiten, erschienen im Suhrkamp Verlag.
Der zweite Teil der Reihe um den Exkommissar Jakob Franck.
Als der 11-jährige Lennard Grabbe nicht nach Hause kommt und 34 Tage später seine Leiche aufgefunden wird, verschwindet für seine Eltern und Angehörigen das Glück. Die ermittelnden Beamten treten auf der Stelle. Exkommissar Franck überbringt den Eltern die schreckliche Nachricht und macht es sich zur Aufgabe den Mörder des Jungen zu finden. Er verbringt Stunden am Tatort geht die Protokolle und Zeugenaussagen immer und immer wieder durch, auf der Suche nach dem „Fossil“ wie er es nennt. Das Fossil, das Puzzleteil, das den Fall zur Aufklärung bringt. Kann es Franck, mit seiner Beharrlichkeit und der ihm eigenen Gedankenfühligkeit schaffen?
Am Anfang stehen einige Zeilen des Songtextes „I’ll remember you von Bob Dylan, was den Leser sogleich auf die Geschichte einstimmt. Das Buch umfasst 21 Kapitel mit römischen Zahlen und zum Inhalt des Kapitels passenden Überschriften. Ohne den Vorgängerband zu kennen ist es leicht, der in sich geschlossenen Erzählung zu folgen.
Bei vorliegender atmosphärisch dichter Geschichte handelt es sich nicht um einen gewöhnlichen Kriminalroman. In erster Linie um einen Roman, der menschliche Abgründe, atemlose Spannung und grenzenlose Melancholie in eindringlicher, bildhafter Sprache zum Ausdruck bringt. Das ist Friedrich Ani in seinem poetischen ganz eigenen Stil wirklich sehr gut gelungen. Von Anfang an wurde ich, schon bei der Schilderung der Todesnachricht in den Bann der Erzählung gezogen die mich bis zur Auflösung des Falls nicht mehr losließ. Die Trostlosigkeit, die tiefe Trauer, die Hoffnungslosigkeit der Mutter haben mich zutiefst berührt. Ani hat das Gefühl, keine Mutter mehr zu sein, gut eingefangen. Das Schlimmste, das Eltern überhaupt passieren kann, der Tod ihres geliebten Kindes wurde mit jedem Wort glaubhaft und nachvollziehbar geschrieben. Bis zur überraschenden Wendung am Schluss, kann man den Täter nicht erahnen. Auch die Rat- und Hilflosigkeit des Vaters ist hervorragend erzählt, die Familiensituation die sich aus der Tat ergibt hat mich sehr betroffen gemacht, dazu passt auch die Jahreszeit, die düsteren dunklen Wintermonate. Jakob Franck, der hartnäckige Exkommissar angetrieben vom Bedürfnis, den Eltern zu Klarheit zu verhelfen und auch von schmerzhaften Erinnerungen aus der eigenen Vergangenheit ist ein unglaublich fesselnder, toller Charakter, gerne würde ich noch mehrere Fälle mit ihm lösen. Einzig die Verbindung von Tanja Grabbe und ihrem Bruder Max waren stellenweise m. M. nach etwas überzogen und mir auch nicht immer ganz klar. Dazu kommt, dass mich die ganze Traurigkeit des Romans ziemlich schwermütig zurückgelassen hat, denn nicht nur Lennards Leben wurde durch die Tat zerstört, sondern auch das von Menschen in seinem Umfeld.
Diesen Krimi möchte ich gerne weiterempfehlen, an Leser die tiefgründige emotionale Kriminalromane mögen. Gerne gebe ich 4 von 5 möglichen Sternen.

Bewertung vom 10.11.2017
Underground Railroad
Whitehead, Colson

Underground Railroad


sehr gut

Underground Railroad, Roman von Colson Whitehead, 352 Seiten, erschienen im Carl Hanser Verlag.
Colson Whitehead widmet sich in seiner Erzählung der Entrechtung, Unterdrückung und Vernichtung von Schwarzen durch Weiße in den USA.
Die Geschichte von Cora einer jungen Schwarzen, geboren in der Sklaverei, wird von Caesar einem Leidensgenossen aufgefordert, zusammen mit ihm zu fliehen. Die Beiden begeben sich auf eine abenteuerliche Reise vom Süden Amerikas in den Norden. Ob die Flucht gelingt und was den beiden bei ihrer spektakulären Flucht mit der Underground Railroad alles zustößt wird hier im schonungslosen Stil beschrieben.
Das Buch ist aufgegliedert in 12 Kapitel die abwechselnd mit US-Bundesstaaten und Personennamen benannt sind. Am Anfang eines jedes Staaten- Kapitels erscheint eine Suchanzeige für einen entlaufenen Sklaven. Die Geschichte wird im auktorialen Stil erzählt. Whitehead beschreibt in nüchterner bildhafter Sprache die grausamen Geschehnisse die in der Zeit der dunkelsten Geschichte Amerikas stattfanden. Er erhielt dafür den National Book Award 2016 und den Pulitzer Preis 2017.
Der Anfang über Ajarry, Coras Großmutter, ihre Mutter und Coras Kinderzeit und wie sie sich in der Sklavengemeinschaft auf der Baumwollfarm in Georgia behauptet fand ich ungemein spannend, spannend beginnt auch ihre Flucht und was dazu führte. Leider lässt die Spannung zwischendurch nach um am Ende wieder anzuziehen. Leider konnte ich der Geschichte nicht immer folgen, denn der Verlauf wurde durch die Personenkapitel die dazwischen gestreut waren unterbrochen. Das Leben von Charakteren die an diesem Punkt schon verstorben waren wurde aufgegriffen, auch kam es vor, dass Cora bei ihrer Flucht schon an einem anderen Ort angekommen war mit anderem Setting und Personen, im nächsten Kapitel aber beschrieben wurde wie ihre Befreiung von Statten ging. M.E. sind die Kapitel im Roman etwas unglücklich angeordnet. Gut fand ich, dass das Schicksal von Mabel am Ende noch aufgeklärt wurde, was mich wieder mit der Geschichte versöhnt hat. Homo, homini lupus – der Mensch, dem Menschen ein Wolf. So zitiert Plautus und so wird es im vorliegenden Buch auch aufs Grausamste und grauenvoll beschrieben. Die Lektüre hat mich sehr betroffen gemacht, gefesselt und tief bewegt. Die Geschichte der Underground Railroad und des Abolitionismus wird mich wohl auch noch einige Zeit beschäftigen. Die Underground Railroad wird im Buch als eine tatsächliche „Untergrundbahn“ beschrieben, was sie in Wirklichkeit aber nicht war. Zwischen 1810 und 1860 wurde durch dieses „Fluchtnetzwerk“ mit geheimen Routen, geheimen Stationen und Menschen die für ihre Hilfe mit dem Leben bezahlten, 50 000 Sklaven vom Süden in die freien Nordstaaten und Kanada gebracht. Bisher wusste ich nicht, dass es diese „Fluchthilfe“ gab und ich bin dankbar, dass ich es durch diesen Roman erfahren durfte.
Es handelt sich hier absolut um kein Wohlfühlbuch“, sondern um eine Lektüre, die zum Nachdenken anregt, ja etwas für danach mitgibt. Eine absolute Kaufempfehlung, für die Leser die sich für die Bewegung zur Abschaffung der Sklaverei interessieren, die etwas über die „Underground Railroad“ erfahren wollen. Und von mir 4 von 5 möglichen Sternen.

Bewertung vom 05.11.2017
QualityLand Bd.1 (schwarze Ausgabe)
Kling, Marc-Uwe

QualityLand Bd.1 (schwarze Ausgabe)


weniger gut

QualityLand, Zukunftssatire von Marc-Uwe Kling, 384 Seiten, erschienen im Ullstein Verlag.
Bei vorliegender Geschichte handelt es sich um eine gesellschaftskritische Dystopie. Geschrieben im auktorialen Stil und zwei Erzählsträngen. Zum Einen die Geschichte von Peter Arbeitsloser, von Beruf Verschrotter, der eines Tages einen pinkfarbenen Delfin-Vibrator zugeschickt bekommt, den er weder bestellt, noch gewünscht und schon gar nicht mehr loswerden kann. Zum Anderen die Story um die Wahl des nächsten Präsidenten von QualityLand.
In der Zukunft im QualityLand ist alles paletti, die Antwort auf alle Fragen lautet OK und alles existiert nur in Superlative. QualityLand ist kein besonderes Land – es ist das besonderste. Trotzdem kommt es Peter so vor, dass mit seinem Leben etwas nicht stimmt, er ist unzufrieden. Wenn alles so perfekt scheint, warum gibt es dann Kampfroboter mit posttraumatischer Belastungsstörung, Drohnen mit Flugangst und Großrechner mit Burnout?
Das Besondere an diesem Buch ist, das es in zwei verschiedenen Ausgaben erscheint. Die helle und die dunkle Version. Zwischen den Kapiteln, die die Geschichte erzählen sind schwarze Seiten (dunkle Variante) die pessimistische Nachrichten, dazu passende Leserbriefe oder Meldungen beinhalten. In der weißen Version sind die Nachrichten dementsprechend optimistisch. Dazu kommen zwischen den „normalen“ Kapiteln und zwischen hellen und schwarzen Seiten, Kapitel die QualityLand erklären - wie QualityLand funktionert, erkennbar gemacht durch die Überschrift „Qualityland“ dein persönlicher Reiseführer und einfach skizzierter Landschaft.
Das Buch hat mir leider überhaupt nicht gefallen, weder fühlte ich mich gut unterhalten, noch war in keinster Weise Spannung vorhanden ich konnte die Lektüre zu jeder Zeit ohne Bedauern abbrechen. Emotionslos und in einfacher Sprache, wird die Geschichte von Peter Arbeitsloser sowie dem Präsidentschaftskandidaten John of us erzählt. Dabei möchte ich dem Autor eine gewisse Art von Humor nicht absprechen, es gilt hier für mich das Zitat: “Humor ist, wenn man trotzdem lacht.“ Ich finde die Zukunftsvision von Marc-Uwe Kling nicht komisch, sondern Angst einflößend. Dabei war mir zu jeder Zeit bewusst, dass viele Dinge, die hier beschrieben sind, wohl in nicht allzu ferner Zukunft mit ein wenig Entwicklung und Forschung tatsächlich eintreten könnten, bzw. die es so ähnlich längst gibt. Ich finde die Scheinwelt im Cyberspace schon jetzt erschreckend genug. Wobei die Figur John of us, ein Androide oder die Bewohner von Peters Keller, verschiedene defekte künstliche Intelligenzen, menschlicher schienen als die humanen Charaktere. Vermutlich liegt es wohl daran, dass ich einfach nicht in die Ziel-Altersgruppe der Leser gehöre und kann mir vorstellen, dass das Buch jüngeren Lesern gut gefallen könnte.
Fazit: Das ist der Algorhythmus bei dem ich nicht mehr mit muss, dafür von mir nur 2 Sterne.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 31.10.2017
Winterengel
Bomann, Corina

Winterengel


ausgezeichnet

Winterengel, Weihnachtsroman von Corina Bomann, 352 Seiten, erschienen im List Verlag. Ein neuer bezaubernder Weihnachtsroman von Corina Bomann.
Es beginnt wie im Märchen. 1895, die Halbwaise Anna Härtel muss nach dem Tod ihres geliebten Vaters für ihre kleine Schwester Elisabeth und ihre kranke Mutter sorgen. Da nach dem Tod des Vaters, der sich zu Lebzeiten verspekuliert hatte, nur Schulden übrig waren, musste die familieneigene Glasbläserei verkauft werden. Anna hat vom Vater die Glasbearbeitung gelernt, bei einem Glasmacher im Nachbarort kann sie für das tägliche Brot arbeiten. Nebenbei stellt sie kleine Weihnachtsengel als Christbaumschmuck her, die sich zusätzlich verkaufen lassen. Eines Tages kurz vor Weihnachten als die Not am größten ist erreicht die Härtels ein Brief von Ihrer Majestät Queen Victoria, der Königin von England. Anna soll nach England reisen und Ihrer Majestät ihre Engel vorstellen. Victorias Gemahl , Prinz Albert hat tatsächlich am englischen Hof, den deutschen Brauch des Christbaums eingeführt, den Victoria mit Annas Engel schmücken will. Auf der Reise an den englischen Hof werden Anna die Engel gestohlen. Was Anna erlebt und ob sich am Ende, wie im Märchen, alles zum Guten wendet und ob das arme Mädchen am Ende ihren „Prinzen“ bekommt, es war einmal….
Die Geschichte ist im personalen Stil, aus der Sicht Annas geschrieben, durch 37 Kapitel, die Kapitelanfänge mit Sternen verziert, leitet die Autorin in einem bildhaften deutlichen Sprache und märchenhaftem Erzählstil , flüssig durch die Geschichte. Ein Winter bzw. Weihnachtsroman sehr passend in die Vorweihnachtszeit. Bomann schaffte es spielend mich in die viktorianische Zeit zu versetzen.
Den Duft von Punsch und Gewürzen, sowie die schneidende Kälte der verschneiten Landschaft konnte ich geradezu riechen bzw. fühlen. Ich versank tatsächlich in der Geschichte, fühlte und litt mit der Protagonistin. Corina Bomann hat mich mit ihrem Roman regelrecht verzaubert. Die Charaktere waren alle sympathisch und glaubwürdig. Lebendige Dialoge, ein emotionsgeladener aufwühlender Plot, dazu eine Liebesgeschichte, malerische Landschaftsbeschreibungen ziehen den Leser hinein in die Erzählung. Nebenbei erfährt man noch Einiges über britische Weihnachtsbräuche. Spannend berührend, interessant. Wieder ein Buch im gewohnt hervorragenden Stil der Autorin und sicher nicht mein letztes. Dazu von mir 5 Sterne.

Bewertung vom 18.10.2017
Nachts am Brenner / Commissario Grauner Bd.3
Koppelstätter, Lenz

Nachts am Brenner / Commissario Grauner Bd.3


ausgezeichnet

Nachts am Brenner, Kriminalroman von Lenz Koppelstätter, 336 Seiten, erschienen im Verlag Kiepenheuer & Witsch.
Der Südtiroler Commissario Grauner ermittelt in seinem persönlichsten Fall.
Alpenidylle zwischen Österreich und Italien, der sagenumwobene Brennerpass. Hier wurde ein alter Mann grausam ermordet. Er lebte sehr zurückgezogen, sein einziger Kontakt, seine Kartelrunde. Als die in die Jahre gekommenen Freunde befragt werden sollen, verschwindet einer von Ihnen spurlos. Grauner und sein neapolitanischer Kollege Saltapepe beginnen mit den Ermittlungen. Ein alter Lederkoffer bringt den Ermittler auf eine Spur, die mit dem ungeklärten Mord an seinen Eltern in Zusammenhang steht. Da der Commissario befürchtet, dass ihm wegen Befangenheit der Fall entzogen werden könnte, beginnt er im Geheimen zu ermitteln. Auch Saltapepe begibt sich auf den Spuren des Mörders in Lebensgefahr. Ein ungesühntes Verbrechen und geheime, illegale „Machenschaften“ tun sich auf. Kann das Ermittlerduo diesen komplizierten Fall lösen?
Die im auktorialen Erzählstil geschriebene Geschichte erstreckt sich über einen Zeitraum von 3 Tagen. Die einzelnen Kapitel sind mit einer Zeitangabe versehen und in Abschnitte unterteilt, was mir sehr dabei geholfen hat, den Überblick zu behalten, dabei hilfreich waren auch die Landkarten die auf die inneren Umschlagseiten gedruckt sind. Ein wortgewaltiger Krimi in einer düsteren Sprache, Briefe, Eigennamen und besondere Textstellen erscheinen kursiv gedruckt. Viele Dialoge – auch in italienischer Sprache machen die Erzählung äußerst lebendig. Koppelstätter konnte mich wieder einmal mit seinem bildhaften Erzählstil und der eindrucksvollen Sprache restlos begeistern. Sätze wie: „ Es ist nicht die Nacht, die das Unheil bringt, sondern ihr verschwinden“ oder „ Weil sie daherkommt diese Höllenstund‘, in der das dunkle Schwarz und das helle Blau um den Himmel ringen“, erzeugen Gänsehaut bzw. ein wohlig schauriges Gefühl. Der Spannungsbogen beginnt im Prolog und bleibt gleichbleibend hoch bis zum Ende. Trotz verschiedener Erzählstränge und der atmosphärisch dichten Handlung, war es ein Leichtes dem Plot zu jeder Zeit zu folgen. Im Epilog ergab sich noch eine überraschende Wendung, die auf eine Fortsetzung hoffen lässt. Gut gefallen hat mir die Zusammenarbeit von Grauner und Saltapepe, eine Vertrautheit die sich im Verlauf der insgesamt 3 Bände langsam entwickelt hat. Der Ispettore aus Neapel scheint in Norditalien angekommen zu sein. Grauner, der seine Heimat und die Natur liebende Kommissar ist mir trotz seiner Ängste und seiner kauzigen Art sehr ans Herz gewachsen. Die Szene mit seinem neuen Fiat brachte mich zum Schmunzeln. Alles in allem habe ich die Lektüre sehr genossen. In Südtirol fühle ich mich wohl, das Buch gab mir ein herrliches „Urlaubsgefühl“, denn die verschiedenen Orte des Settings sind mir vertraut. Ein Krimi der sich von selber liest. Es bleibt die Hoffnung auf ein „Wiedersehen“ mit den Ermittlern in einer weiteren Folge. Von mir dafür 5 begeisterte Lesesterne und eine klare Leseempfehlung.