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Raumzeitreisender
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Ahaus
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Buchwurm, der sich durch den multidimensionalen Wissenschafts- und Literaturkosmos frisst

Bewertungen

Insgesamt 739 Bewertungen
Bewertung vom 17.12.2016
Fallensteller
Stanisic, Sasa

Fallensteller


gut

„Eine Libelle küsste die eigene Reflexion im See.“ (229)

„Magie ist nicht das, was ich mache. Magie ist, was ihr nicht seht, dass ich mache.“ (11) Die erste Geschichte über den Illusionisten Ferdinand Klingenreiter ist so eine Art Einführung in das, was die Leser im Buch erwartet. Die Vorführung des in die Jahre gekommenen ehemaligen Sägewerksarbeiters und Erinnerungen an seine Jugendzeit und Familie wechseln einander ab.

Das Buch besteht aus 12 Kurzgeschichten mit teilweise verwirrenden Texten. Manche Protagonisten kommen mehrmals vor. Der Autor erweist sich als Sprachakrobat. Seine bildhafte Sprache hat mehr Wiedererkennungswert als der Inhalt seiner skurrilen Kurzgeschichten. Erwähnenswert ist die Erzählung „Fallensteller“, die nicht nur hinsichtlich des Namens, sondern auch inhaltlich dem Buchtitel am nächsten kommt.

Saša Stanišić macht das, was ein Schriftsteller tun sollte, er experimentiert mit Sprache und Ausdrucksvermögen. Die Melancholie, die in dem Buch mitschwingt, spiegelt die eigene Lebensgeschichte des Autors wider, so mein Eindruck. Der Roman ist nicht massenkompatibel, was für sich allein gesehen kein Nachteil ist. Aber der schwer einzuordnende diffuse Stil fesselt auch nicht, jedenfalls mich nicht.

Bewertung vom 11.12.2016
Kant
Scruton, Roger

Kant


sehr gut

Eine anspruchsvolle Einführung in Kants Philosophie

„Der Leser sollte daher nicht überrascht sein, wenn er diese Einführung mehr als einmal lesen muss, um Kants Sicht der Dinge richtig einschätzen zu können.“ (7)

Um es vorweg zu nehmen: Der Autor hat recht. Kants Philosophie ist komplex und besitzt Tiefe. Insofern ist es eine besondere Herausforderung für einen Autor, sie verständlich darzustellen und eine besondere Herausforderung für die Leser, sie wenigstens in Grundzügen verstehen zu wollen. Dafür ist es notwendig, in Kants Begriffswelt und Strukturierung einzutauchen.

Autor Roger Scruton, Professor für Philosophie in London, schwafelt nicht, sondern kommt auf den Punkt. Er bietet auf nur 140 Seiten viel Inhalt. Es handelt sich um eine strukturierte und komprimierte Einführung in Kants Denken. Dabei scheut sich der Autor nicht, Widersprüche in Kants Philosophie aufzuzeigen, deren Analyse für das Verständnis und die Einordnung in einen größeren Rahmen erforderlich ist.

Im Fokus stehen die drei Hauptwerke Kants „Kritik der reinen Vernunft“, „Kritik der praktischen Vernunft“ und „Kritik der Urteilskraft“. Im ersten Werk geht es um „Denken und Erkennen“, im zweiten Werk um „Wollen und Handeln“ und im dritten Werk um „Gefühl und Fantasie“. Marksteine seines Werkes sind die „kopernikanische Revolution“, in der dem Erkenntnisvermögen das Primat eingeräumt wird (44) und der „kategorische Imperativ“, eine auf Vernunft gegründete Handlungsanweisung (98).

Bei diesem Buch handelt es sich zwar um eine Einführung, aber um eine Einführung für gehobene Ansprüche. Daher würde ich das Buch nur Lesern empfehlen, die sich schon mit Philosophie beschäftigt haben.

Bewertung vom 04.12.2016
Ich glaub, mich trifft der Schlag
Müller, Jochen;Dirnagl, Ulrich

Ich glaub, mich trifft der Schlag


ausgezeichnet

Wie das Gehirn tickt

In diesem Buch gehen Ulrich Dirnagl und Jochen Müller der Frage nach: „Wie macht das Gehirn das, was es macht?“ Um Antworten zu finden, betrachten sie neurologische Erkrankungen, da aus Fehlfunktionen wichtige Rückschlüsse gezogen werden können. Im Fokus stehen sechs bekannte Krankheiten des Gehirns. Hierzu zählen Kopfschmerz bzw. Migräne, Schlaganfall, Epilepsie, MS, Parkinson und Demenz bzw. Alzheimer.

Zu Beginn der Hauptkapitel werden in kurzen Steckbriefen charakteristische Merkmale der Krankheiten zusammengefasst. Es gibt zwar Bezüge zwischen den Kapiteln und Parallelen zwischen den Krankheiten, jedoch können alle Kapitel auch einzeln gelesen werden. Da selbst in einem populärwissenschaftlichen Werk Fachbegriffe nicht immer vermieden werden können, finden die Leser am Ende des Buches ein Glossar mit Begriffserläuterungen.

Die Erläuterungen sind anschaulich. Da wird der Körper mit einer Firma verglichen (19), um die Informationsverarbeitung zu verdeutlichen und Bakterien, die die Blut-Hirn-Schranke im Gehirn überwinden, werden als Hooligans tituliert. (82) Skizzen symbolisieren die Funktionsweise des Nervensystems. Das gilt z.B. für Signalfehler, wie sie für MS typisch sind (173) oder für die synaptische Plastizität, die bei Demenz genutzt wird, um Lernvorgänge zu verbessern. (274)

Hinsichtlich der Ursachen der Krankheiten und möglicher Therapien beschreiben die Autoren den derzeitigen Stand der Forschung. Aussagen wie „Vermutlich reagiert das Gehirn von Menschen mit Migräne zu sensibel auf Reize von außen, auch scheinen Hirnregionen manchmal nicht richtig miteinander zu kommunizieren.“ (57) machen deutlich, dass sich Wissenschaftler vorsichtig äußern, aber auch, dass noch vieles im Argen liegt. Bei den alternativen Therapien zur Migräne wird zwar auf gesunde Ernährung hingewiesen (54), aber kein konkreter Bezug zur ketogenen Ernährung (Umstellung des Fettstoffwechsels) hergestellt.

Die Autoren relativieren den Begriff Arterienverkalkung im Zusammenhang mit Gefäßverschlüssen und machen deutlich, dass primär eingelagerte Blutfette und Entzündungszellen in der Gefäßwand als Ursache für Gefäßverschlüsse angesehen werden müssen. (71) In der Rehabilitationsbehandlung von Schlaganfällen gibt es Erfolge zu verbuchen, da mit viel Übung einige verloren gegangene Funktionen zurückgewonnen werden können. Die Anpassungsfähigkeit des Gehirns lässt es zu, dass Aufgaben durch andere Hirnareale übernommen werden können.

Eine Epilepsie wird durch synchron erregte Nervenzellen ausgelöst. Hinsichtlich der Frage, was die Synchronizität verursacht, tappen die Forscher derzeit noch im Dunkeln. Auch gibt es zahlreiche Formen von Epilepsie. Wenngleich eine Epilepsie leicht an den Symptomen erkannt werden kann, liegen die Verhältnisse bei MS völlig anders. Es handelt sich um eine Erkrankung des Nervensystems, die auch von Spezialisten nur schwer diagnostiziert werden kann.

Die Autoren verdeutlichen, dass sich die Parkinsonsche Erkrankung, die sich motorisch äußert und Demenz, die sich kognitiv äußert, nur darin unterscheiden, wo sich Proteine verklumpen. In beiden Fällen wird das Nervensystem zerstört. Warum es zur Degeneration kommt, ist weitgehend unbekannt. Insofern ist es zwar möglich, den Krankheitsverlauf zu verlangsamen, aber es ist nicht möglich, ihn aufzuhalten.

In diesem Buch wird der aktuelle Stand der Erforschung neurologischer Erkrankungen von kompetenten Autoren für ein breites Publikum beschrieben. Die Erkenntnisse sind erhellend, manchmal auch ernüchternd und es wird deutlich, dass die Wissenschaft zwar in der Analyse der Krankheiten weit ist, aber hinsichtlich der wirklichen Ursachen noch am Anfang steht. Letztere müssen bekannt sein, um wirksame Therapien entwickeln zu können. Das Buch ist verständlich; Metaphern, Skizzen und Vergleiche in Verbindung mit einem lockeren Schreibstil sowie kurzen Kapiteln tragen ihren Teil dazu bei.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 03.12.2016
Abendländische Weisheiten
Barthel, M

Abendländische Weisheiten


gut

„Weisheiten aus 2500 Jahren Kulturgeschichte“

„Nicht die Dinge selbst, sondern nur unsere Vorstellungen darüber machen uns glücklich oder unglücklich.“ (22) Dieser tiefsinnige Spruch von Epiktet ist über 2000 Jahre alt, könnte aber genauso gut von dem Kommunikationswissenschaftler und Psychotherapeuten Paul Watzlawick stammen. Insofern wird die Zeitlosigkeit vieler Weisheiten deutlich.

Das Buch enthält auf über 300 Seiten Weisheiten aus der europäischen Kulturgeschichte. Der Herausgeber verzichtet auf Prolog und Epilog, Kategorien und Stichwortverzeichnis. Als einziges Ordnungskriterium ist ein chronologischer Aufbau erkennbar. Ein Quellenverzeichnis ist vorhanden. Es ist nicht möglich, gezielt nach Sprüchen zu suchen.

Das Buch enthält eine Vielzahl von Autoren aus der Geschichte und aus der Neuzeit. Sämtliche Sprüche werden konkreten Personen zugeordnet. Von einigen Autoren sind Portraits vorhanden. Bekannte Persönlichkeiten wie Cicero, Voltaire, Lichtenberg oder Hesse kommen mehrfach vor.

„Die Natur macht keine Sprünge.“ (68) Es ist bezeichnend und dem Zeitgeist entsprechend, wenn Leibniz, Schöpfer der Infinitesimalrechnung, zu diesem Ergebnis kommt. Die Quantelung der Energie, also die Definition von Energieportionen, war zu seiner Zeit noch kein Thema.

Es müssen nicht alle Sprüche gefallen, aber einige sind es wert, festgehalten zu werden. In diesem Sinne markiere ich lesenswerte Sprüche, um sie zu einem späteren Zeitpunkt nachzuschlagen. „Du kannst dein Leben nicht verlängern, noch verbreitern, nur vertiefen.“ (Gorch Fock) (279)

Bewertung vom 13.11.2016
Johann Wolfgang v. Goethe: Faust I - Buch mit Info-Klappe
Komp, Andrea

Johann Wolfgang v. Goethe: Faust I - Buch mit Info-Klappe


sehr gut

Analyse eines Werkes der Weltliteratur

„Faust I“ von Johann Wolfgang Goethe gilt als das prominenteste und meistzitierte Werk der deutschen Literatur. Es enthält Themen und Motive aus der Bibel, aus Mythen und Sagen, aus verschiedenen Dichtungen und auch Bezüge zur Philosophie und zur Naturwissenschaft. Goethe verarbeitet in diesem Werk bedeutsame Erfahrungen und Erkenntnisse der Menschheitsgeschichte.

Autorin Andrea Komp beschreibt auf wenigen Seiten Thematik und Handlung dieses großen Werkes. Sie erläutert den Hintergrund (Kurzbiografie und Werke Goethes), äußert sich zu Entstehung, Struktur (Aufbau des Textes) und sprachlicher Form und gibt Anregungen zur Textanalyse. Zum Schluss stellt sie Aufgaben für den Schulunterricht vor, deren Lösungen sie anreißt.

Der „Lektüre Durchblick“ hält was er verspricht. Die Leser erhalten einen verständlichen Überblick über den Inhalt, über die verschiedenen Charaktere und insbesondere über die Beziehungen zwischen den Protagonisten. Das Figurendreieck Mephisto – Faust – Gretchen wird analysiert und auch grafisch präsentiert. Daneben erhalten die Leser Anregungen für die Vertiefung.

Bewertung vom 11.11.2016
Marina
Ruiz Zafón, Carlos

Marina


sehr gut

Erinnerungen an das, was nie geschah

Der Roman enthält autobiographische Elemente. Hierzu zählen Óscars Streifzüge durch das nächtliche Barcelona, die beschriebene Gefühlswelt, das katholische Internat und Mädchen wie Marina. Die Geschichte selbst ist erfunden oder das Abbild einer Innenwelt, wie unschwer zu erkennen ist, wenn man sich im letzten Drittel des Buches befindet.

Carlos Ruiz Zafón ist in Barcelona geboren und hat dort die Jesuitenschule in Sarriá besucht. Auf seinen Streifzügen durch das nächtliche Barcelona schlenderte er durch einsame Gassen, erforschte verfallene Villen und überquerte finstere Friedhöfe. Auch Mädchen, die Marina gleichen, lernte Zafón in seiner Jugend kennen. Damit enden die autobiographischen Züge in diesem Roman. „Ich glaube, ich habe versucht, damit auszudrücken, dass dies der erste von mir geschriebene Roman ist, der sich wie „ich“ anfühlt und nicht so, als ob ich versuchte, jemand anderes zu sein.“ Es ist mehr die Gefühlswelt und weniger der reale Gehalt des Romans, mit dem sich der Autor identifiziert.

„Marina“ ist eine Mischung aus Abenteuer, Krimi, Liebesgeschichte und Horror. Diese Vielschichtigkeit ist ein Element, welches die Leser auch aus Zafóns anderen Büchern kennen. „Marina“ wirkt wie ein phantastischer und ein wenig abgedrehter Übergangsroman zu seinem Bestseller „Der Schatten des Windes“. Auffallend sind Zafóns Ausdrucksstärke, seine zahlreichen Metaphern und Bilder, die seine Bücher geheimnisvoll und mystisch wirken lassen und seine Szenebeschreibungen und die schicksalhaften Begegnungen. Wenn man den Autor aus anderen Büchern kennt, erkennt man ihn in „Marina“ wieder.

Die Geschichte selbst lässt am Anfang noch nicht erahnen, in welche Richtung sie sich bewegen wird. Auch wenn dieser Stil für Spannung sorgt, gleitet die Geschichte derb ins Phantastische ab. Werden hier Traumwelten und jugendliche Gefühlswallungen literarisch verarbeitet? Ist nur auf diese Weise der „Zugang zu diesem Dachgeschoss der Seele“ möglich? Die Antworten kennt nur der Autor.

„Der Schatten des Windes“ stand für mich unter dem Motto „Im Bann des Schicksals“. Dies trifft auch auf „Marina“ zu. Auch hier geht es um einen Entwicklungsprozess. Diesmal ist es nicht Daniel Sempere, sondern der Autor selbst, der einen Reifungsprozess durchmacht. „Marina“ ist nicht der beste Roman von Carlos Ruiz Zafón. Die Fans seines verzaubernden Stils werden es dennoch lesen.

Bewertung vom 09.11.2016
Wer die Nachtigall stört ...
Lee, Harper

Wer die Nachtigall stört ...


ausgezeichnet

Ein amerikanischer Roman über Rassismus

Der Roman "Wer die Nachtigall stört ..." wurde 1960 erstmals publiziert und spielt im Süden der USA in den 1930er Jahren. Es ist der einzige Roman von Harper Lee, die damit einen Klassiker der Weltliteratur geschaffen hat. Das Buch wurde bereits 1962 verfilmt mit Gregory Peck als Atticus Finch.

Zu dem großen Erfolg tragen einige Elemente bei. Das Buch ist in einfacher Sprache verfasst aber dennoch tiefsinnig. Das zentrale Thema, der Rassismus, ist aktueller den je. Wie schwierig es ist, nicht in die Falle der Vorurteile zu tappen, wird an Details deutlich, z.B. als die Lehrerin von Jem und Scout Hitler verurteilt, weil dieser Juden verfolgt, aber im gleichen Atemzug blind ist für ihre eigenen Vorurteile gegenüber der schwarzen Bevölkerung im eigenen Land.

Die Charaktere sind sehr markant. Das gilt für Atticus und Ich-Erzählerin Scout, aber auch für Randfiguren wie z.B. Mrs. Dubose. Lehrreich auch, dass einige Protagonisten ihr Licht unterm Scheffel halten, um die Ordnung im Dorf nicht durcheinander zu bringen, z.B. ist die farbige Hausangestellte Calpurnia viel intelligenter, als die durchschnittliche Dorfbevölkerung, zeigt es aber nicht.

Der Fall selbst, der in dem Roman vor Gericht verhandelt wird, dürfte Anfang der 1960er Jahre in den USA als Tabubruch gewertet worden sein. Aber es sind diese Widersprüche zwischen Schein und Sein, die den Roman lesenswert machen. Die Leser werden ständig herausgefordert. Letztlich ist auch positiv zu werten, dass Atticus wenigstens einmal gegen seine eigenen Prinzipien verstößt und sich damit als Mensch offenbart. "Wer die Nachtigall stört ..." ist ein gesellschaftskritischer lehrreicher Roman, der wunderbar in die heutige Zeit passt.

Bewertung vom 06.11.2016
Die Bücherdiebin
Zusak, Markus

Die Bücherdiebin


ausgezeichnet

Literatur, wie sie sein soll

Mit diesem emotional anrührenden Roman ist Markus Zusak ein ganz große Wurf gelungen. Die Geschichte macht betroffen und weckt Hoffnungen, ist gleichzeitig poetisch und aufklärend, einfühlsam und dramatisch. „Die Bücherdiebin“ ist kein spezieller Jugendroman, sondern ein Roman, der alle Generationen anspricht. Er beschreibt das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte aus der Perspektive des Todes. Aber der Tod hat menschliche Züge. Er ist nicht Verursacher, sondern eher Knecht einer Aufgabe, der er nachgehen muss. Und das tut er nicht sadistisch, sondern achtsam. Zur Protagonistin Liesel Meminger hat er ein besonderes Verhältnis.

Zum Inhalt braucht man bei der großen Anzahl veröffentlichter Rezensionen nicht mehr viel zu sagen. Auch wenn einige wenige Rezensenten es anders sehen: Die Zeitsprünge überfordern den Leser nicht. Sie werden kompensiert durch kleine überschaubare Kapitel in einfacher Sprache, denen zudem ansprechende erläuternde Überschriften vorangestellt wurden. Für erläuterungsbedürftig halte ich die Frage, warum Liesel Meminger Bücher stiehlt. Immerhin wurde der Buchtitel danach benannt. Ist es ihre Leidenschaft nach Büchern oder handelt es sich um ein Ventil, um aus dem tristen Alltag entfliehen zu können? Dieser Charakterzug liefert Stoff für Interpretationen.

Es gelingt nur wenigen Autoren so zu schreiben, dass man als Leser mit allen Sinnen in die Romanwelt eintaucht. „Die Bücherdiebin“ verzaubert die Leser und kann ich sehr empfehlen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 05.11.2016
Haut nah
Adler, Yael

Haut nah


sehr gut

Schnittstelle zwischen Innen- und Außenwelt

Für den Laien ist es schon schwierig, trockene Haut und fettige Haut voneinander zu unterscheiden. Hautärztin Yael Adler erklärt, warum das so ist. Eindeutige Aussagen sind möglich, wenn die Hautschuppen näher untersucht werden. Ohne genauen Befund ist keine wirksame Therapie möglich. Und so führt die Selbstbehandlung manchmal zur Verschlimmerung des Ekzems.

Das Buch gliedert sich in 5 Teile. Im ersten Teil des Buches stellt die Autorin ausführlich die drei „Stockwerke“ der Haut vor und erläutert deren Aufbau, Eigenschaften und Abhängigkeiten. Deutlich wird, dass es sich beim Stockwerkmodell, bestehend aus Oberhaut, Lederhaut und Unterhaut, nur um ein grobes Raster handelt, denn die drei Hautschichten lassen sich weiter untergliedern.

Die Leser erfahren, warum es unterschiedliche Hautfarben gibt, warum Frauen von Cellulite betroffen sind und warum Hautcremes keine Falten wegzaubern können. Ihre Wirkstoffe gelangen dank Hautbarriere gar nicht da hin, wo sie hin müssten, um Falten zu straffen. Auch neigen die Menschen dazu, sich zu viel zu waschen und zu oft zu duschen mit der Folge, dass die Haut sehr belastet wird.

Eine starke Belastung erfährt die Haut auch durch intensive Sonnenbestrahlung, wie die Autorin im zweiten Teil des Buches deutlich macht. So angenehm es auch ist in der Sonne zu liegen, so schädlich ist ein Übermaß an Sonnenbestrahlung. „Heute kämpfen wir mit den Folgen des allzu sorglosen Sonnenkontakts. Mit einer Verzögerung von 20 bis 30 Jahren erhalten wir die Quittung und haben den höchsten Hautkrebsstand seit je ….“ (151)

Während der Kontakt mit der Sonne negative Folgen haben kann, hat der Hautkontakt zum Partner bzw. zur Partnerin positive Auswirkungen. Im Gehirn wird Oxytocin ausgeschüttet, was beruhigend wirkt, die soziale Bindung fördert und Ängste reduziert. Zudem wirkt Sex sich positiv auf die Haut aus. Häufig wechselnde Partnerschaften sind dagegen mit Risiken verbunden. Die Autorin klärt über Geschlechtskrankheiten und deren Übertragbarkeit auf.

Eine weitere wichtige Einflussgröße für den Zustand der Haut ist die Ernährung. Die Medizinerin beschreibt Nährstoffe und ihren Einfluss auf die Haut. Zahlreiche Nahrungsmittelallergien sind bekannt. Die Autorin erläutert, wie sich Industriefett und Umweltgifte auswirken können und warum manche Menschen Probleme mit Weizen oder Milchprodukten haben.

Im fünften Teil des Buches, der nur wenige Seiten umfasst, widmet sich die Autorin dem Einfluss der Psyche auf die Haut. Gefühle wirken sich auf der Haut aus und machen den Menschen ungewollt transparent. Die Haut ist das Aushängeschild des Menschen und so ist es auch verständlich, dass Hautkrankheiten für die Betroffenen unangenehm sind.

Der Schwerpunkt des Buches liegt, abgeleitet aus der Länge der Kapitel, beim Aufbau der Haut (Schichtenmodell) und deren Beeinflussung durch Sonne, Körperpflege und Faltenbehandlung. Die Themen Ernährung, Erotik und Psyche sind deutlich kürzer gefasst. Hierzu könnten eigene Bücher geschrieben werden.

„Hautnah“ ist kein typischer Ratgeber, aber auch kein Buch für Fachleute. Es ist ein Buch für Menschen, die sich einen verständlichen Überblick zum Thema verschaffen möchten. „Wer der Haut wirklich Gutes tun will, sollte nicht zu viel tun“ ist eine zentrale Aussage aus dem Buch.

5 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 21.10.2016
Gott und die moderne Physik
Davies, Paul

Gott und die moderne Physik


sehr gut

Urgründe des Universums

„Mit wahrhaft herzerfrischender Unbekümmertheit rückt Davies hier so mancher antiquierten theologischen Aussage auf den Leib – unter anderem etwa der Forderung nach einer Anerkennung übernatürlicher, die Naturgesetze außer Kraft setzender göttlicher Eingriffe in den Weltlauf.“ (10) Hoimar von Ditfurth bringt in seinem Vorwort auf den Punkt, wo Davies die Grenze zieht zwischen Religion und Naturwissenschaft. Mit der Naturwissenschaft ist ausschließlich ein deistisch verstandenes Gottesprinzip vereinbar.

Paul Davies, von Haus aus Theoretischer Physiker, klärt die Leser über Grundlagen der Kosmologie auf. Dabei geht es um die Strukturen des Mikrokosmos (Materie, Quantentheorie) und um Fragen des Makrokosmos (Relativitätstheorie, Schwarze Löcher). Er diskutiert Grenzfragen wie „Warum gibt es ein Universum?“ oder „Kommt das Universum aus dem Nichts?“ aus dem Blickwinkel der etablierten Forschung und erläutert die Schwierigkeiten, die sich aus der Beziehung zwischen physikalischer und geistiger Welt ergeben.

Aufschlussreich sind die Ausführungen in „Freier Wille und Determinismus“, weil Davies hier u.a. Wechselwirkungen zwischen Quanteneffekten und Neuronen diskutiert. Auch thematisiert er Kategoriefehler, wenn es um die Beziehung von Geist und Gehirn geht. „Ohne Zweifel lenkt die moderne Physik die alte Frage nach dem freien Willen und nach der Vorbestimmung in eine neue Richtung, aber sie löst sie dadurch nicht.“ (189)

Das Buch ist verständlich und der Stil der Argumentation ausgewogen und angenehm. Davies ist kein Guru. Er klärt auf, aber er belehrt nicht. Auffallend sind die vielen Fragezeichen und wenigen Ausrufezeichen, die er setzt, wenn es um Grenzfragen geht. Damit erweist er sich als verantwortungsbewusster Autor. Was ich nicht teilen kann, ist den Optimismus in seinem Vorwort. „Tiefgreifende existenzielle Fragen – Wie entstand das Universum und wie wird es enden? Was ist Materie? Was ist Leben? Was ist Geist? - sind nicht neu. Neu ist, dass wir möglicherweise nahe daran sind, sie zu beantworten.“ (13/14)

Das sind Aussagen, die typisch sind für Klappentexte aufklärender Bücher. Hier wird den Lesern suggeriert, dass Grenzfragen bald beantwortet werden können, ungeachtet der Tatsache, dass ontologische Fragen, also Fragen nach dem Sein (Materie, Leben, Geist) nicht von Wesen beantwortet werden können, die selbst Teil dieser Welt sind. Vielleicht liegen die Antworten eher in der Erfahrung als in der rationalen Analyse.