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Furbaby_Mom

Bewertungen

Insgesamt 469 Bewertungen
Bewertung vom 03.10.2019
Der Preis der Liebe
Hunter, Denise

Der Preis der Liebe


ausgezeichnet

Ein absolutes Herzensbuch!
Ich liebe, liebe, liebe diesen wundervollen Roman!! Selten hat mich ein Werk so rundum begeistert, hat der Gesamteindruck so perfekt gepasst. Der Begriff 'perfekt' klingt beinahe zu langweilig; 'hinreißend', 'berührend' und 'realitätsnah' trifft es schon viel eher.

Noch während der Lektüre der ersten Kapitel wanderten bereits fünf weitere Bücher der mir bis dahin gänzlich unbekannten Autorin auf meine Wunschliste und dieses Werk hier hat es mir sogar so angetan, dass ich es wohl zusätzlich auch in der englischen Fassung, unter der Titel "On Magnolia Lane", lesen werde.

Den typischen Charme der U.S.-Südstaaten, den ich auf vielen Reisen schon erleben durfte, habe ich direkt in den atmosphärischen Beschreibungen des idyllischen kleinen Städtchen Copper Creek in Georgia (- dem fiktiven Ort der Handlung -) sowie in den Gemeindeaktivitäten, dem Zusammenhalt und der Herzlichkeit der Einwohner wiedererkennen können. Die Autorin schreibt mit unheimlich viel Gefühl, gleitet allerdings nie ins Kitschige oder Unglaubwürdige ab. Ihre Figuren habe ich so liebgewonnen, dass ich richtig melancholisch wurde, als ich die letzte Seite erreicht hatte. Nicht nur die Hauptcharaktere, auch viele der Nebenfiguren sind unheimlich tiefgründig und facettenreich gestaltet worden. So oft standen mir vor Rührung die Tränen in den Augen!

Drei zentrale Themen sind Vergebung, Gottesvertrauen und Hilfsbereitschaft – jedoch nicht auf moralisierende Weise, sondern eher so als würde man mit einer guten Freundin im Spätsommer auf der Veranda sitzen, im Schaukelstuhl wippen und sich bei Sweet Tea und Cookies darüber austauschen…während im Hintergrund leise Country-Musik aus dem Radio ertönt. Apropos Gespräche: Die Dialoge sind durch und durch glaubwürdig, auch Humor kommt nicht zu kurz. Ich hatte während des Lesens immer wieder den Gedanken, dass das Buch sich verfilmt gehört. Zwar mag die Grundidee an den Klassiker "E-Mail für Dich" erinnern, aber die Geschichte um Daisy und Pastor Jack zeichnet sich durch bedeutend mehr aus als lediglich durch Irrungen und Wirrungen von Internetbekanntschaften in Datingportalen! (So lässt die Autorin beispielsweise gekonnt das Problem Legasthenie in die Handlung einfließen.) Erzählt wird abwechselnd aus den Perspektiven der beiden Hauptfiguren; die Nebenfiguren bilden eine angenehme Ergänzung (und ich freue mich schon, sie in ihren 'eigenen' Romanen der Blue Ridge-Reihe wiederzutreffen).

Ich kann nur sagen: Sobald ich dieses Buch beendet hatte, wollte ich es am liebsten gleich ein weiteres Mal lesen…es macht einfach glücklich. Ein Wohlfühl-Werk par excellence und ab sofort eines meiner Lieblingsbücher!!

Bewertung vom 02.10.2019
Kastanienjahre
Baumheier, Anja

Kastanienjahre


sehr gut

Eine emotionale Reise in die Vergangenheit.
Ich habe Anja Baumheiers Werk als Hörbuch genießen dürfen, wundervoll interpretiert und stimmungsvoll gelesen von Sprecher Wolfgang Berger, dessen Stimme eine ausgezeichnete Wahl für diesen Roman war. Besonders hervorheben möchte ich Herrn Bergers angenehmes Lesetempo, wohl gewählte Intonation und seine deutliche Aussprache, welche die ohnehin mitreißende Wirkung der Geschichte noch verstärkt haben.
Als junges Mädchen hätte sich die modebewusste Elise nie träumen lassen, dass sie eines Tages ihre eigene Boutique in Paris leiten würde. Die französische Hauptstadt war seit jeher ihr Sehnsuchtsort gewesen, hatte sie fasziniert und zum Lernen der Sprache motiviert – doch sie hatte sich damit abgefunden, dass eine Reise dorthin wohl für immer Wunschdenken bleiben würde, denn Elise lebte in der DDR. Während die Gedanken eines jeden Menschen frei sein mögen, waren die Einwohner des kleinen (fiktiven) mecklenburgischen Dorfes Peleroich, Elises Heimat, alles andere als das. Sie lebten ein eingeschränktes Leben, geprägt von Mangel an Konsumgütern, Angst vor Stasi-Bespitzelung und dem Parteifanatismus ihres Bürgermeisters Ludwig, der Peleroich zum Vorzeigeort des Sozialismus machen wollte. Und doch fanden sie einen Weg zwischen Anpassung und Aufgabe, lernten zu improvisieren und ihr Glück in dem Erreichbaren zu suchen.
Dies ist eine Geschichte über die Menschen, die einst in Peleroich (das nun, bald 30 Jahre nach der Wende, abgerissen werden soll) gelebt haben. Das idyllisch gelegene Örtchen, umgeben von dichtem Wald und nahe des Ostseestrandes, ist mittlerweile wie ausgestorben. Die meisten Läden haben vor Jahren geschlossen, die Einwohner sind verstorben oder haben sich ein neues Zuhause gesucht. Manche von ihnen waren bereits zu DDR-Zeiten plötzlich wie vom Erdboden verschluckt und hinterließen eine klaffende Lücke in der Gemeinschaft. – So wie Jakob, für den Elise immer einen besonderen Platz in ihrem Herzen bewahrt hat; Jakob, den sie von klein auf gekannt und als junges Mädchen verträumt angeschaut hatte. Was war ihm zugestoßen?
Paris, 2018: Noch immer hängt das Gemälde mit dem treffenden Titel 'Verpasste Chancen', das sie einst von Jakob geschenkt bekommen hatte, an Elises Wand. Noch immer denkt sie manchmal wehmütig an ihn zurück…und an ihre Zeit in Peleroich, an ihre Familie. "Das Herz hat Gründe, die der Verstand nicht kennt." Da erreicht sie ein anonymes Schreiben – der Verfasser behauptet, über Informationen zu verfügen, die Elises gesamtes Weltbild ins Wanken bringen werden. Um endlich Antworten auf all ihre Fragen zu erhalten, macht sich Elise zusammen mit ihrer Schulfreundin Marina auf den Weg in die Heimat…
Erzählt wird aus mehreren Perspektiven, verteilt auf zwei Zeitebenen: Vergangenheit und Gegenwart wechseln sich ab. Anfangs hatte ich befürchtet, dass es sich bei diesem Roman hauptsächlich um eine Dreiecksbeziehung zwischen Elise, Henning und Jakob drehen würde – dies ist nicht der Fall. Stattdessen erzählt die Autorin eindringlich, schonungslos ehrlich und zugleich einfühlsam, wie das Alltagsleben in der DDR ausgesehen hat. Peleroich ist stellvertretend für so viele ehemalige DDR-Gemeinden und ihre Bürger. Der fesselnde Schreibstil hat mich sofort in die Handlung hineinkatapultiert. Mit der Zeit lernt man die wichtigsten Bewohner des Dorfes kennen und gewinnt sie richtig lieb, verfolgt den Lauf ihres Lebens und hat das Gefühl, ein Stück (Zeit-)Geschichte hautnah mitzuerleben. Freud und Leid liegen oft nah beieinander, dennoch verliert sich die Autorin nicht in Schilderungen von Negativität und Verzweiflung; vielmehr lässt sie uns am Leben ihrer Figuren teilhaben, so wie es eben war. Die lebensbejahende Einstellung der DDR-Bürger lässt sich vielleicht am besten mit den Worten von Elises gutem Freund Tarek beschreiben: "Kannst du kein Stern am Himmel sein, sei eine Lampe im Haus."
Fazit: Authentisch, berührend und intensiv.

Bewertung vom 30.09.2019
Unter einem guten Stern
Darke, Minnie

Unter einem guten Stern


gut

Mal was Anderes! Vielleicht keine Sternstunde der Literatur, aber lockere Unterhaltung.
Noch ehe ich die vielversprechende Inhaltsangabe gelesen hatte, war ich schon hingerissen von dem wunderschönen Cover: es zeigt einen tiefblauen Sternenhimmel voller funkelnder Sterne (die tatsächlich im Dunkeln leuchten), die Silhouette einer jungen Frau, die nach den Sternen zu greifen scheint, und darüber prangt ein großer goldglitzernder Schriftzug. Wie passend für ein Werk, in dem es um Astrologie geht! Hier wurde bei der Covergestaltung ganze Arbeit geleistet.

Auch die Idee zur Story kann sich sehen lassen. Die junge Justine ist das Mädchen für alles beim beliebten Hochglanzmagazin 'Star' und hofft, eines Tages eine Volontariats-Stelle zu ergattern. Wie es der Zufall will (oder die Sterne), darf sie überraschend den Posten der Redaktionsmanagerin übernehmen. Als sie ihrer Sandkastenliebe Nick Jordan in die Arme läuft und erfährt, dass dieser fest an das Horoskop glaubt, welches der ebenso mysteriöse wie prominente Astrologe Leo Thornbury regelmäßig im 'Star' veröffentlicht, wird es richtig interessant – denn die Kontrolle des Horoskop-Layouts obliegt ab sofort Justine… Um ihrem Glück mit Nick auf die Sprünge zu helfen, nimmt sie spontan ein paar kleine Umformulierungen für sein Sternzeichen (Wassermann) vor und ist überzeugt, dass er die versteckten Hinweise erkennen wird (– sowie seine Zuneigung zu ihr). Nicht nur, dass Nick leider die völlig falschen Schlüsse zieht - es gibt auch jede Menge andere Wassermänner, die den Hinweisen der Sterne folgen und ihr Leben danach ausrichten; Chaos ist vorprogrammiert. Das Schicksal lässt sich jedoch nicht so leicht ins Handwerk pfuschen…

"Zeit verging. Monde umkreisten Planeten. Planeten umrundeten die hellsten Sterne. Galaxien funkelten. Und je mehr Jahre ins Land gingen, desto mehr Satelliten kamen hinzu." Der Schreibstil der Autorin hat etwas Entrücktes und Verträumtes – diese Geschichte liest sich ein klein wenig wie ein modernes Märchen und strotzt vor Phantasie. Das Thema Astrologie findet sich konsequent durch das ganze Werk hindurch wieder, was sehr stimmig ist.

Justine und Nick stehen im Vordergrund, doch zahlreiche Nebenfiguren (deren Lebenswege auf wundersame Weise alle irgendwie miteinander verbunden sind)/Nebenplots nehmen einen relativ großen Teil der Story ein. Einzelne Episoden davon haben mich berührt, insbesondere das Schicksal des Hundes Brown, auf andere hätte ich gut verzichten können. Es war unterm Strich einfach zu viel des Guten. Ein paar hundert Seiten weniger, dafür mehr Fokus auf die Hauptfiguren – schon wäre ein ganz anderer Leseeindruck entstanden. Insgesamt habe ich mich - und das ist eine Seltenheit - für keine der Figuren wirklich erwärmen können; sie blieben für mich oberflächliche Charaktere, mit denen ich nicht mitfiebern konnte, und wenn ich mich noch so sehr darum bemühte (weil die Story-Idee mir richtig gut gefallen hatte). Was ursprünglich als interessante Abwechslung angefangen hatte (- so wurden Figuren beispielsweise auf folgende Weise vorgestellt: "Drew – Waage, Agrarberater, begeisterter Amateur-Flieger, Pink-Floyd-Kenner und gefürchteter Schlafzimmerspiegel-Luftgitarrist" –) verlor schnell seinen Reiz aufgrund der Überzahl an Charakteren. Auch die ellenlangen gedanklichen Dialoge zwischen Justine und ihrem Gehirn trafen nicht meinen Geschmack bzw. häuften sich zu sehr, was unnötig den Lesefluss drosselte und die Geschichte des Öfteren recht langatmig wirken ließ. Erwähnenswert ist auf jeden Fall die kreativ-witzige Wortwahl in den sehr (!) detaillierten Beschreibungen, die manchmal etwas vom eigentlichen Geschehen ablenkten.

Fazit: Super Idee, in der Umsetzung eher mittelmäßig und deutlich ausbaufähig, gerade im Hinblick auf den schmucken Umfang von knapp 550 Seiten. Eventuell von Interesse für alle Fans von "Die fabelhafte Welt der Amélie".

Bewertung vom 10.09.2019
Die Malerin des Nordlichts / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.10
Johannson, Lena

Die Malerin des Nordlichts / Mutige Frauen zwischen Kunst und Liebe Bd.10


sehr gut

Die Kunst war ihr Leben: größte Freude und letztlich einziger Trost.
Signe lebt für die Kunst. Sie ist 38 Jahre alt & geschieden – ihre Ehe zum zackigen Offizier Johannes, der im Sinne einer klassischen Rollenverteilung erzogen worden war & dies auch von seiner Ehefrau erwartete (der Mann verdient das Geld, die Frau ist zuständig für den Haushalt), war auf ihren eigenen Vorschlag hin aufgelöst worden. - Nicht, weil Johannes sich längst zu einer anderen Frau hingezogen gefühlt hatte, sondern weil er Signes Passion für die Kunst, die Malerei weder gutheißen noch nachvollziehen hatte können. Zwar fand er ihre "Bildchen", ihr "Gekleckse" teilweise ganz nett, aber es stand außer Frage, d. Signe ihre Werke verkaufen dürfte. Sollten die Leute etwa denken, d. er seine Frau nicht ernähren & ausreichend versorgen könne? Das wäre eine Blamage! Signe entschied sich gegen ihren Mann & für die Kunst. Unterstützt wird sie in diesem Entschluss von der lebensfrohen Lilla, ihrer 20-jährigen Kommilitonin an der Kunsthochschule. Diese steht mit ihrem frivol-koketten, energiegeladenen, leicht naiven Wesen in starkem Kontrast zu Signe, die deutlich besonnener & bodenständiger wirkt. "Nicht nur achtzehn Jahre trennten sie, sondern im Grunde ihr ganzes Leben. Und doch waren sie Freundinnen geworden."
Signe hat ihr Talent für die Malerei quasi geerbt, denn ihr Onkel Edvard war niemand Geringerer als der berühmte Maler Edvard Munch. Er hatte sie gelehrt, d. wahre Kunst jene sei, die es verstünde, Gefühle in den Menschen zu wecken bzw. den Menschen dabei zu helfen, sich über ihre Emotionen klarzuwerden. Im Rahmen ihres Stipendiums hatte Signe ihre Technik in Paris verfeinert & nimmt sogar Unterricht beim Sohn von Paul Gauguin. Sie kann sich nicht vorstellen, je etwas mehr lieben zu können als die Kunst. Dann begegnet sie eines Tages Einar Siebke – er wird ihre große Liebe.
Beim Lesen des Klappentextes kam mir sofort der Titel von Munchs Gemälde 'Der Schrei' in den Sinn: ein Kunstwerk, d. mittlerweile selbst dem größten Kunstverächter ein Begriff sein dürfte. Leider war mir bis dato überhaupt nicht bekannt, dass auch Signe Munch eine Kunstgröße gewesen war. In der Tat hatte ich ihren Namen noch nie gehört & war umso gespannter darauf, mehr über sie zu erfahren.
Es ist kein temporeiches Werk, vielmehr bezaubert es durch seinen Schreibstil: mitreißend, atmosphärisch & einladend, oftmals humorvoll & direkt, dann wieder verträumt und melancholisch. Man kann mühelos in die Geschichte, die im Jahre 1922 in Norwegen beginnt, eintauchen - Oslo hieß damals noch Kristiania. Die weibliche Hauptfigur ist sehr greifbar gestaltet worden; ich habe mich sofort mit Signe identifizieren können; ihre Gedankengänge sind durch & durch nachvollziehbar und lassen tief in ihren Charakter blicken. In diesem Punkt hat mich der Roman sogar mehr überzeugt als Johannsons Werk "Die Villa an der Elbchaussee". Auch die fundierte Recherche der Autorin muss gelobt werden.
Das Cover des Romans an sich finde ich (- Achtung, Wortspiel! –) absolut 'malerisch', ein ganz typisches Merkmal für die historischen Werke des Aufbau Verlags, deren Covergestaltung stets bedacht, stilvoll-elegant und einfach wunderschön ist.
Nun könnte man meinen, die Geschichte habe einzig & allein Malerei im Fokus – dies ist nicht der Fall, auch wenn mich speziell die detaillierten Farbbeschreibungen in ihrer Intensität begeistert haben. Stattdessen erfährt man unheimlich viel über die geschichtlichen Hintergründe Norwegens, das im Jahr 1940 von deutschen Truppen besetzt wurde, und wie harsch mit Widersachern umgegangen worden ist. Es ist bewundernswert, wie sehr Signe sich für ihren Traum von der Malerei eingesetzt hat. Die Tatsache, d. der Großteil ihrer Gemälde seit der Beschlagnahmung durch die Gestapo verschollen geblieben ist, wiegt umso schwerer, da ich das Gefühl hatte, sie dank dieses Romans ein Stück weit kennengelernt zu haben & zu wissen, wieviel Herzblut sie in ihre Bilder gesteckt hatte.

Bewertung vom 08.09.2019
Aufbruch und Entscheidung / Die Charité Bd.2
Schweikert, Ulrike

Aufbruch und Entscheidung / Die Charité Bd.2


sehr gut

Solide!
Aufgrund einer vielversprechenden Leseprobe, in der man sowohl die Hauptfiguren dieses in Berlin angesiedelten Romans als auch den Haupthandlungsort (- die königliche Charité -) kennenlernt, wagte ich mich an den Folgeband dieser Buchreihe heran, obwohl mir der 1. Teil noch unbekannt war. Mein Eindruck hatte mich nicht getäuscht & dieses inhaltlich in sich geschlossene Werk kann durchaus ohne Kenntnis des Vorgängerbandes gelesen werden.
Eine Frau, die als Ärztin praktiziert - das ist kurz nach Beginn des 20. Jahrhunderts in Deutschland noch eine Seltenheit. "Inzwischen hatte der Bundesrat beschlossen, auch in Deutschland Frauen zum medizinischen Staatsexamen zuzulassen, doch die einzelnen Länder ließen sich Zeit, die Vorgabe umzusetzen. Allen voran Berlin, das seine Universitätstüren für Frauen noch immer nicht geöffnet hatte." Als die ambitionierte, in Zürich ausgebildete junge Dr. Rahel Hirsch im Jahre 1903 in Berlin eintrifft, schlägt ihr das Herz bis zum Hals – sie wird ihre 1. Stelle als Ärztin antreten! Dank ihres Großvaters, der ein bekannter Rabbiner gewesen war & die fortschrittliche Meinung vertreten hatte, d. Frauen in sämtlichen Aspekten des Lebens Gleichberechtigung gebührt, war ihr zunächst die Ausbildung zur Lehrerin & später im medizinischen Bereich ermöglicht worden. Damit hat Rahel eine mehr als privilegierte Position im Vergleich zu ihren Zeitgenossinnen, deren Alltag, sofern sie sich nicht reich verheiraten können, aus knochenharter Arbeit besteht, natürlich für lediglich einen Hungerlohn. Ein Beispiel für dieses andere Frauenschicksal ist die junge Barbara, die in der Hoffnung auf Arbeit vom Land in die Großstadt gezogen war & nun bei ihrer Tante Marlene lebt. Nur mit viel Glück gelingt es ihr, eine Anstellung in der Wäscherei der Charité zu ergattern. Rahel & Barbara könnten unterschiedlicher nicht sein, doch durch eine schicksalhafte Begegnung kreuzen sich ihre Wege. Bald schon zeigt sich, wie wichtig ihre gemeinsame Freundschaft für jede von ihnen werden wird.
Die Autorin hat für dieses Werk eine meisterhafte Recherchearbeit geleistet (- was auch anhand von authentischen Dialogen & fachspezifischen medizinischen Begriffen deutlich wird -) und viele reale geschichtliche Ereignisse & Figuren in den Roman eingebunden, angereichert durch einen Hauch Fiktion. Nach der auf die weiblichen Hauptfiguren fokussierten Einleitung hatte ich erwartet, d. auch im Laufe der Lektüre deren persönliches Schicksal im Vordergrund stehen würde. Zwar sind sowohl Rahel als auch Barbara Dreh- & Angelpunkt der Story, aber aufgrund des allgemein gehaltenen Schreibstils & des massiven Umfangs der (realen) Hintergrundinformationen wirken sie auf mich eher wie Randfiguren; ich konnte mit keiner von ihnen warmwerden. Ein Bsp. dafür ist die Bindung zwischen Rahel & ihrer Schwester Theresa, die mittels häufigen Briefkontakts als besonders innig dargestellt wird, allerdings für meinen Geschmack zu dünn & unglaubwürdig ausgearbeitet worden ist, um zu überzeugen. Auch Rahels Liebesbeziehung zum Piloten Michael hat mich nicht berühren können. Sehr sympathisch & bedeutend tiefgründiger erschien mir hingegen die Darstellung von Rahels Kollegen Dr. Brugsch.
Mir kam es ehrlich gesagt so vor, als würde ich ein sachliches Geschichts(-lehr-)buch lesen, in das ein paar Beispielcharaktere zum besseren Verständnis eingestreut worden waren. Auch die ungewöhnlich großen Zeitsprünge erschweren es, ein Gefühl von Alltag aufkommen zu lassen; oft umfasst ein Kapitel gleich 1-2 Jahre. Hier hätte es mir besser gefallen, wenn etwas Tempo herausgenommen worden & stattdessen die Erzählung eindringlicher angelegt, evtl. auf einen kürzeren Zeitraum beschränkt worden wäre. Der abschließende Zeitsprung zwischen 1919 & 1938 hätte z.B. als Einleitung für einen Folgeroman mehr Sinn gemacht.
Wenn man sich darauf einstellt, d. hier kein gefühlsbetonter Roman, sondern eher eine faktische Erzählung vorliegt, ist dieseine wunderbare Quelle des Wissens.

Bewertung vom 07.09.2019
Bis ihr sie findet / DCI Jonah Sheens Bd.1
Lodge, Gytha

Bis ihr sie findet / DCI Jonah Sheens Bd.1


ausgezeichnet

Ein Pageturner der Extraklasse – einfach genial!
Schon das Cover erweckt einen unbehaglichen Eindruck: ein nebliger Wald, keine Menschenseele in Sicht. Es ist eine für das Genre durch & durch treffende Covergestaltung, die neugierig auf den Inhalt macht.
Ich kann nur sagen: Wow! Dieses Werk hat mich komplett positiv überrascht & ich bin so froh, mich darauf eingelassen zu haben. Ich lese gerne mal einen Krimi/Thriller, oftmals lässt sich allerdings anhand des Klappentextes bereits die Auflösung erahnen & dann entscheide ich je nach verfügbarer Freizeit, ob ich den Roman trotzdem lesen werde. Hier war dies von Anfang an anders. Gleich 6 Verdächtige, darunter die Schwester der Toten. Ich musste unbedingt herausfinden, wie diese Konstellation aufgelöst werden würde & mit dem Ergebnis hatte ich tatsächlich nicht gerechnet. Ein meisterhaft verwobener Plot! Als ich erfahren habe, d. dieses Werk der 1. Band einer Krimireihe um DCI Sheens ist, habe ich mir den Namen der Autorin gleich notiert & freue mich jetzt schon auf Band Nr. 2!
Südengland, 1983. 7 Jugendliche verbringen im Sommer eine Nacht im Wald. Sie wollen gemeinsam zelten, tanzen, Spaß haben – inkl. Drogen & Sex. Unter ihnen ist die 14-jährige, in all diesen Sachen völlig unerfahrene, verträumte Aurora, die jüngere Schwester der hübschen Topaz. Normalerweise hängt Aurora nie mit der Clique ab, die an der ganzen Schule bekannt ist. Brett, der Schwarm aller Mädchen, ist auch mit von der Partie. "Er war der ältere Junge, in den alle verknallt waren, der Star-Sportler, dem sofort ein Dutzend Mädchen zusah, wenn er bloß im Schwimmbecken der Schule trainierte." Sie kann es kaum fassen, d. ausgerechnet sie mit ihm Zeit verbringen darf & er auch noch so unerwartet freundlich zu ihr ist. "Sie empfand eine Mischung aus Dankbarkeit und Ängstlichkeit." Topaz hingegen ist schwer genervt; ihr ist die Anwesenheit ihrer kleinen Schwester peinlich. Aurora nervt sie - wie eine lästige Fliege, die einfach nicht verschwinden will. Und flirtet sie etwa mit Brett, mit dem Topaz ganz eigene Pläne hat?! Topaz ist sexy & sich ihres guten Aussehens – & ihrer Wirkung auf Jungs – voll bewusst. Sie & ihre beste Freundin Coralie spielen diesen Sex-Appeal gerne aus. Vor allem aber bekommt Topaz immer das, was sie will. Die unbeschwerte nächtliche Party im Wald nimmt ihren Lauf, gefolgt von einem ernüchternden Morgen, der sich in Grauen verwandelt, als sich herausstellt, d. Aurora spurlos verschwunden ist. 30 Jahre später stolpert ein Kind, das mit seiner Familie dort einen Campingurlaub verbringt, über menschliche Knochen. Schnell stellt sich heraus: es sind die sterblichen Überreste Auroras. Und mit einem Mal wird der Cold Case um ihr Verschwinden brennend heiß.
Gegenwart & Vergangenheit wechseln sich als Erzählzeit ab. Mal findet man sich als Leser mitten in den aktuellen Ermittlungen der Polizei wieder, die den Fall um Aurora nun groß wieder aufrollt, wobei es äußerst interessant ist, die mittlerweile erwachsenen Mitglieder der damaligen In-Clique 30 Jahre nach der verheerenden Nacht zu erleben, ihren Verhören zu lauschen & vergleichen zu können, wie sehr ihr Wesen sich verändert hat. Kaum jemand hätte beispielsweise dem Troublemaker Connor damals zugetraut, d. er eines Tages Professor werden & ein sittsames Leben führen würde. Oder geahnt, d. die besten Freundinnen Topaz & Coralie sich je entfremden würden. Andererseits stellt sich ohnehin die Frage, wie gut sie alle einander wirklich gekannt hatten. Eine Nacht hatte alles verändert.
Parallel dazu taucht man in die Perspektive von Aurora ein & findet sich plötzlich inmitten des Waldes, in einer warmen Juli-Nacht des Jahres 1983, wieder. Keines der Story-Elemente wird in der Ich-Perspektive erzählt, dennoch werden insbesondere die Gedanken und Gefühle der jungen Aurora so eindringlich beschrieben, d. sie mich – vor allem aufgrund Auroras kindlicher Reinheit, Unbekümmertheit & ihrer menschlichen Güte - schlichtweg an dieses Buch gefesselt haben.

Bewertung vom 03.09.2019
Dunkelsommer
Jackson, Stina

Dunkelsommer


sehr gut

Spannung aus Schweden!
Hin & dürstet es mich zwischen all meinen heiß geliebten Romantik- & historischen Romanen nach einem Thriller - und da mich ein Kriminalroman mit ähnlicher Thematik vor einiger Zeit völlig in den Bann gezogen hatte (Charlotte Links Pageturner "Die Suche") war ich gespannt, ob das Werk der Autorin Stina Jackson, von der ich bisher noch nie gehört hatte, seinem Hype als 'bester schwedischer Spannungsroman' gerecht werden würde.
Am düsteren, beinahe angsteinflößenden Cover lässt sich bereits das Genre erkennen & das Motiv, ein Auto mit aufblendenden Scheinwerfern, das durch einen finsteren Wald fährt, triggert sogleich eine Vielzahl von Assoziationen.
Seitdem Lelles Tochter Lina vor 3 Jahren spurlos von einer Bushaltestelle verschwand, ist er von einer zermürbenden Rastlosigkeit befallen – das Nicht-Wissen, die Angst um sein Kind, die Selbstvorwürfe lassen ihm keine Ruhe. Sommer für Sommer, Nach für Nacht fährt er jene Straße ab, an der alles seinen Anfang genommen bzw. Lelles persönliches Ende begonnen hatte. Seine Ehe mit Anette ist mittlerweile zerbrochen, der Alkohol sein bester Freund. Linas Mutter verarbeitet die Situation auf andere Weise, flüchtet sich in Facebook-Posts, Schlaftabletten & in die Arme ihres Therapeuten. Plötzlich verschwindet ein weiteres Mädchen, das Lina wie aus dem Gesicht geschnitten ist… Lelle ist überzeugt davon, d. die beiden Fälle zusammenhängen müssen. Auch Teenager Meja, die gerade mit ihrer psychisch labilen Mutter Silje nach Norrland gezogen ist, hat eine Außenseiterrolle – zumindest bis sie die Bekanntschaft mit dem jungen Carl-Johan macht, einem der Nachbarssöhne. Könnte dieses Kaff im Nirgendwo, in das ihre Mutter sie geschleppt hat, vielleicht doch ein paar Annehmlichkeiten bereithalten? Nach diversen Umzügen hatte Meja nie irgendwo richtig heimisch werden und bedeutende Bindungen aufbauen können; sie musste viel zu früh die Erwachsenenrolle übernehmen. Kein Wunder, d. sie sich nach wahrer Nähe verzehrt. Immerhin scheint die aktuelle Affäre ihrer Mutter, Torbjörn, das Herz am rechten Fleck zu haben.
Lelles Verzweiflung wird schonungslos & direkt beschrieben, auch in seinem Alltagstrott, in dem er komplett verloren wirkt, sowie in seinen Handlungen; einerseits möchte man ihn manchmal schütteln, weil er gegen sämtliche Ratschläge immun zu sein scheint & stets sein eigenes Ding durchziehen muss, andererseits sind der Wunsch, endlich die Wahrheit über Linas Verschwinden zu erfahren & der winzige Funken an restlicher Hoffnung, sie eventuell doch eines Tages wiederzusehen, nur allzu nachvollziehbar.
"Als er sich der Bushaltestelle näherte, begann sein Herz zu pochen. In ihm lebte ein kleiner Teufel namens Hoffnung, der jedes Mal erwartete, Lina dort stehen zu sehen […], so wie er sie dort zurückgelassen hatte. Drei Jahre war das jetzt her, aber diese verdammte Bushaltestelle schaffte es immer wieder, ihm den Atem zu rauben. […] Er weigerte sich zu glauben, dass sie tot sein könnte."
Wahrscheinlich würde kein liebendes Elternteil, solange es keine Gewissheit gibt, jemals die Suche nach dem eigenen Kind aufgeben. Wenn die quälenden Fragen nie beantwortet werden, wie soll man dann jemals trauern können und zu einem Abschluss gelangen?
Durch den nüchternen, klaren Schreibstil & die sehr umgangssprachlich gehaltenen Dialoge wirken die Figuren durch und durch glaubwürdig. Nach einem eindringlichen Start ließ die Spannung gegen Mitte des Werks zwar kurz nach, aber dennoch blieb die Entwicklung interessant & ich konnte erste Verdächtigungen anstellen. Im Nachhinein war es genau jenes Herausnehmen des Tempos, das einen noch stärkeren Eindruck von unterschwelliger Bedrohung erzeug hat – ein mutiger Zug der Autorin. Über allem liegt eine trostlose, deprimierende Stimmung, gekonnt erzeugt Jackson eine so drückend melancholische Atmosphäre, d. man am liebsten flüchten möchte. Die Naturbeschreibungen des Waldes schreien förmlich Einsamkeit und Abgeschiedenheit.

Bewertung vom 03.09.2019
Mittwoch also
Elstad, Lotta

Mittwoch also


weniger gut

Ein provokantes Thema, unterkühlt abgehandelt und mit unsympathischen Figuren gestraft.
Das in knalligen Signalfarben gehaltene Cover hat einen hohen Wiedererkennungswert und ist ein absoluter Hingucker: modern und kess verspricht es einen alles andere als langweiligen Roman und spricht durch sein modernes Design auch jüngere Generationen an – vielleicht sogar jene Leser/innen, die ansonsten für gewöhnlich vor einem Roman mit solch tiefgründiger, provokanter Thematik eher zurückschrecken würden. Daher kann ich das Cover mit seinem Eye-Catcher-Effekt definitiv als gelungen bewerten.

Die weibliche Hauptfigur, Hedda - nach einem One-Night-Stand plötzlich schwanger und mit dem Gedanken an ein Baby komplett überfordert - war mir gänzlich unsympathisch. Obgleich ich ihrer teilweise unreifen und übertrieben toughen Einstellung zunächst etwas kritisch gegenüberstand und mich schwer in sie hineinversetzen konnte, hatte ich die Hoffnung, dass sich dies im Laufe des Romans noch ändern würde. (Mit zynischen, sarkastischen Charakteren habe ich auch im realen Leben immer meine Probleme; ich finde, sofern man mit einer Person nicht wirklich vertraut ist, kann ein bissiger Humor schnell mit Bosheit und/oder Verbitterung verwechselt werden.) Fairerweise muss man Hedda zugestehen, dass es gerade knüppeldicke für sie kommt: Job als Journalistin futsch, Wunschpartner weg – und nach einer kopflosen Odyssee durch Europa dann auch noch schwanger von einem Urlaubsflirt, dem Aussteiger Milo. Die vom Staat vor einer Abtreibung vorgeschriebene Bedenkzeit tut Hedda als lästiges Übel ab, kommt dann allerdings doch mehr ins Grübeln als erwartet.

Vorweg möchte ich festhalten, dass ich es enorm wichtig finde, dass in einem modernen Frauenroman auch einmal das Selbstbestimmungsrecht der Frau thematisiert wird – gerade im Hinblick auf eine Schwangerschaft. Noch immer gelten Abbrüche als Gesellschaftstabu, oftmals ohne die jeweiligen Gründe für die Entscheidung der betreffenden Frau zu kennen. Es war mir also von vornherein klar, dass der Inhalt dieses Werkes wahrscheinlich polarisieren würde und ich war gespannt darauf, mit wie viel Ernsthaftigkeit die Autorin Heddas Auseinandersetzung mit einem Schwangerschaftsabbruch behandeln würde. Aber daraus gleich ein Rundherum-Feminismus-Werk mit allerlei politischen Phrasen zu machen…ich weiß nicht. Das erschien mir etwas zu viel des Guten – vor allem, da die entsprechende Tiefe fehlt und mir Heddas Verhalten oftmals oberflächlich und ihre Gedankenansätze zu verkrampft-hip und ach-wie-individuell vorkamen. Ehrlich gesagt hatte ich aufgrund des Klappentextes erwartet, dass der Fokus hauptsächlich auf Heddas Entscheidungszeit liegen würde und ihren Zweifeln, Zukunftsängsten, möglichen Lösungsansätzen (- und weniger auf ihrem Liebesleben -) …weit gefehlt. Zwar wurde die Handlung durch einige humorvolle Elemente aufgelockert, das Ganze behielt für mich jedoch einen unterkühlten Beigeschmack. Den Schreibstil der Autorin kann ich definitiv als 'eigen' bezeichnen, ein gedankliches Hin und Her in Form langer Schachtelsätze – das ist Geschmackssache; wenn man sich einmal darauf eingelassen hat, lässt sich das Werk schon am Stück lesen.

Fazit: Inhaltlich anders als erwartet – eine stark polarisierende Hauptfigur, deren Verhalten ich größtenteils nicht nachvollziehen konnte, daher fällt mir eine Empfehlung eher schwer. Eventuell von Interesse für Liebhaber von schwerer Kost oder Fans von düsterem Humor.

Bewertung vom 02.09.2019
Die Wege der Liebe / Die Ärztin Bd.3
Sommerfeld, Helene

Die Wege der Liebe / Die Ärztin Bd.3


sehr gut

Krönender Abschluss der Historien-Saga um die Ärztin Ricarda Thomasius!
Dieses war der 1. Roman des Autoren-Ehepaars, den ich gelesen habe. Normalerweise versuche ich stets, die Reihenfolge der Werke einer Buchreihe einzuhalten, um ein besseres Verständnis von den Figuren und ihren Hintergrundgeschichten zu erlangen – folglich machte ich meine Lektüre dieses Buches von der Leseprobe abhängig, die mich schließlich so überzeugt hat, dass ich es nicht erwarten konnte, weiterzulesen. Dieser Roman ist in sich abgeschlossen und kann ohne Vorkenntnis der Vorgänger einwandfrei verstanden werden. Alle wichtigen Figuren werden – der Handlung entsprechend – kurz charakterisiert und vorgestellt; zudem findet sich vorab ein Personenregister, das einen Überblick über die Familienverhältnisse gewährt.
Erzählt wird aus verschieden Perspektiven, die sich regelmäßig und auch recht zügig abwechseln, dennoch ist der Szenen- und Perspektivenwechsel stets stimmig gewählt worden: immer, wenn man meint, die Spannung erreicht ihren Höhepunkt oder wenn man gerade besonders intensiv mit den Protagonisten mitfiebert, findet man sich plötzlich im Erzählstrang eines anderen Charakters wieder. Somit wird der Plot stetig vorangetrieben und man kann das Buch – obgleich seiner für manch Leser vielleicht einschüchternd hohen Seitenanzahl – kaum aus der Hand legen.
Der Schreibstil besticht durch emotionsgeladene Wortwahl, bildgewaltige Beschreibungen und authentische Dialoge. Humorvolle Elemente wechseln sich ab mit einer Tragik, deren Bandbreite mir die Tränen in die Augen getrieben hat. Allerdings werden Schicksalsschläge nie ausgeschlachtet, es überwiegt dauerhaft der lebensbejahende Tenor 'immer voran'. Immerhin blieb den Menschen der damaligen Zeit keine andere Wahl, man durfte nicht aufgeben und musste auf eine bessere, eine friedliche Zukunft hoffen.
Dieses Werk ist eine besondere Empfehlung für alle historisch interessierten Leser, da es einen ausgezeichneten Einblick in das Alltagsleben der deutschen Bevölkerung, speziell der Frauen, in den Jahren 1914-1920 bietet. Ricardas Berufswahl ist dahingehend außergewöhnlich, da Frauen in medizinischen Berufen damals noch eine große Ausnahme waren. Durch das Leben von Ricardas Tochter Henny, die es in die USA verschlägt, wird auch der American Way of Life beleuchtet, die Schnelllebigkeit und Oberflächlichkeit der Filmbranche, die Faszination, die schon damals die Stadt der Engel, Los Angeles, ausmachte. Henny erlebt aber auch die Schattenseiten des glamourösen Hollywoods – ihre Bekanntschaft mit der charismatischen Hedda wird ihr Leben grundsätzlich prägen und die Weichen für ihre Zukunft stellen. Bald wird Henny, einen Ozean entfernt von ihrer Heimat, sich entscheiden müssen, wem sie vertrauen kann.
In Deutschland herrscht derweil Chaos – der Große Krieg zerfrisst das Land, das von Hungersnöten geplagt wird und im Elend zu versinken droht. An den baldigen Sieg glauben inzwischen nur noch die wenigsten. Die frisch aus China zurückgekehrte Ärztin Ricarda hatte die Eheschließung ihrer Tochter Henny mit Victor, Sohn der wohlhabenden Florentine von Freystetten, nicht verhindern können. Der junge Mann, gegen den Ricarda zwingende Einwände vorbrachte, ist nun ihr Schwiegersohn und hat ihre geliebte Tochter mit über den großen Teich genommen. Während Ricarda mit mütterlicher Sorge um ihre Älteste bangt, wird auch Töchterchen Antonia flügge – Toni wünscht sich nichts sehnlicher, als im städtischen Zoo arbeiten zu dürfen; ihre Zeit verbringt sie am liebsten mit Tieren, die so viel friedfertiger sind als die Menschen, bei denen sich alles nur um Krieg dreht.
Vielen Familien bleibt statt der Rückkehr ihrer Geliebten nur eine Meldung mit dem trostlosen Hinweis: "Gefallen auf dem Feld der Ehre". Es sind harte Zeiten, doch Ricarda stellt sich mit unglaublicher Stärke den Herausforderungen, die das Schicksal ihr auferlegt.
Fazit: Ein sehr empfehlenswerter historischer Roman über couragierte Frauen, die ihrer Zeit voraus

Bewertung vom 30.08.2019
Das Geheimnis der Fjordinsel
Kabus, Christine

Das Geheimnis der Fjordinsel


sehr gut

Emotionaler und erstaunlich spannender Norwegenroman!

Dieses war mein erstes Werk der Autorin Christine Kabus und zeitgleich auch mein erster Norwegen-Roman. Dank des Klappentextes hatte ich eine ungefähre Ahnung, welche Handlung mich erwarten würde, jedoch war ich nicht vorbereitet gewesen auf die Intensität und Tiefgründigkeit, mit der die Autorin diese unwahrscheinlich fesselnde Geschichte voller atemberaubender Landschaftsbeschreibungen und starker Charaktere zum Leben erwecken würde.

Ostfriesland, 1980. Rike ist bei ihrem Großvater aufgewachsen. Als dieser stirbt, bricht für die junge Frau eine Welt zusammen. Während sie noch mit ihrer Trauer kämpft, stößt Rike auf Ungereimtheiten in ihrer Familiengeschichte. Wieso hatte ihre Großmutter Johanne sie alle einst verlassen? Rikes Mutter ist in dieser Angelegenheit keine große Hilfe, im Gegenteil – sie scheint richtig wütend auf Johanne zu sein und verweigert ihrer Tochter jegliche Auskunft. Rike beschließt, sich selbst auf Spurensuche zu begeben, um endlich Klarheit über ihre verworrenen Familienverhältnisse zu erlangen und mehr über das Leben ihrer Großmutter zu erfahren. Ihre Suche führt sie nach Norwegen… Parallel dazu erhalten wir mittels einem in der Vergangenheit angesiedelten Erzählstrang auch einen Einblick in Johannes Leben. Gekonnt wechselt die Autorin stets dann die Perspektive, wenn die Spannung gerade am größten ist und man unbedingt erfahren möchte, was denn nun als nächstes geschieht. Somit kann man das Buch gar nicht aus der Hand legen – ich habe es in einem Rutsch durchgelesen. Anfangs hatte ich die Befürchtung, dass ich aufgrund des ständigen Wechsels zwischen den beiden Zeitebenen – Rike in der Gegenwart und Johanne in der Vergangenheit – mit keiner der beiden Figuren wirklich warmwerden würde, was sich als völlig unbegründet herausgestellt hat. Beide Charaktere haben mich mit ihrer Stärke und Entschlossenheit beeindruckt und waren gleichermaßen als sympathische Protagonisten ausgearbeitet. Johannes Perspektive (- insbesondere ihre Beziehung zu Leif -) hat mich vielleicht etwas mehr mitgerissen; vor allem die Auflösung des Plots hat mich sehr gerührt.

Das Personenregister sowie die Landkarte zu Beginn des Romans waren eine willkommene Ergänzung, allerdings ist die Handlung wirklich gut strukturiert und nachvollziehbar aufgebaut.

Man merkt, dass die Autorin dieses Land liebt und sich intensiv mit dessen Kultur beschäftigt haben muss. Die Landschaftsbeschreibungen haben mich umgehauen und den Wunsch verstärkt, eines Tages selbst das Land der Fjorde zu bereisen. Auch sprachlich tauchen immer wieder norwegische Begriffe auf, deren Bedeutung sich stets aus dem Zusammenhang erklärt. Für zukünftige Ausgaben wäre vielleicht zusätzlich ein Vokabular-Register von Vorteil, auch im Hinblick auf das Plattdeutsch und die Begriffe aus der Seefahrt.

Fazit: Eine klare Leseempfehlung! Familiengeheimnisse, große Gefühle und jede Menge Norwegen-Flair, gepaart mit historischen Informationen zur Prohibitionszeit und interessanten Einblicken in die Kultur dieses faszinierenden Landes.