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Wedma

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Insgesamt 546 Bewertungen
Bewertung vom 07.11.2017
Im Leiden beginnt mein Sterben - Das kurze Leben der Großherzogin Caroline von Sachsen-Weimar-Eisenach, Prinzessin zu Reuß, ä. L., 1884-1905
Ellenbeck, Silke

Im Leiden beginnt mein Sterben - Das kurze Leben der Großherzogin Caroline von Sachsen-Weimar-Eisenach, Prinzessin zu Reuß, ä. L., 1884-1905


sehr gut

Die historische Romanbiographie der Großherzogin Caroline von Sachsen-Weimar-Eisenach, Prinzessin zu Reuß, ältere Linie, 1884-1905, aus der Feder von Silke Ellenbeck ist ein sehr gutes, bemerkenswertes Werk, das Einsichten in nahezu alle Aspekte des Lebens der jungen Frau am Weimarer Hof gewährt und sichtlich mit viel Herzblut und schriftstellerischem Können geschrieben wurde. Caroline, wie auch die anderen Figuren, werden auf den Seiten des Romans wieder lebendig: ihre Freuden, Hoffnungen, Ängste und Sorgen. Die damalige Zeit, das Leben am Hof mit all den Feinheiten der Etikette, den freundlichen und missgünstigen Hofdamen, den Gerüchten und Intrigen, die sich um Caroline rankten, uvm sind so zum Greifen nah, dass man sich dorthin versetzt fühlt und alles mit eigenen Augen zu sehen und mit eigenen Ohren zu hören glaubt.
Die Romanbiographie ist im Wesentlichen in Form von Carolines Tagebucheinträgen verfasst worden. Man lernt eine sensible, romantische, aber auch starke junge Frau kennen, die ihren Pflichten am Hof und im Privaten nachgehen musste, sich gern stark sozial engagierte und dafür ausgezeichnet wurde, sich aber auch die Freiheiten herausnahm, die man nach heutigen Maßstäben als harmlos bezeichnen würde. Caroline hat ihre Familie, ihre Schwestern und den Bruder sehr geliebt, früh haben sie ihre Eltern verloren, und war über jede Minute froh, die sie mit ihnen verbringen konnte. Caroline spielte auch sehr gut Klavier, ritt wie eine Rittmeisterin, was ihr viel Respekt ihres Gatten einbrachte. Dieser war ein Preuße durch und durch, mit unglücklicher Kindheit und der obligatorischen Militärausbildung im Hintergrund, was das Zusammenleben, besonders in den ersten Wochen und Monaten, sehr schwer machte: sie waren Feuer und Stein, was für hitzige Diskussionen und Streit sorgte. Sie haben sich aber auch bemüht, eine Familie zu werden, denn ein männlicher Nachfolger musste her. Dieses Aufeinandergehen, das langsame Vorantasten, was Interessen und Wünsche des jeweils anderen angeht, ist bildhaft, anhand von Szenen, und Carolines Gedanken geschildert worden, sodass man immer quasi live dabei war. Hier kommen Themen wie Rolle und Rechte der Frauen gut zur Geltung.
Man trifft auch andere Adelige der damaligen Zeit, denn Caroline hat einen hohen Stand und verkehrt in höchsten Kreisen. Auf der Karte der Bundesfürstinnen von 13 Damen insg. ist sie rechts von der Kaiserin abgebildet. Man bekommt auch interessante Einblicke ins damalige gesellschaftliche Leben.
Es gibt aber auch einiges aus dem Bereich Politik und ähnl. „In unserer Kolonie in Deutsch-Südwest Afrika gärt es.“ Die Kommentare werden dann schon mal ironisch, was Carolines klaren Verstand und gut gebildetes Urteilsvermögen vor Augen führt. Aber auch die Armut, v.a. Armut der Kinder, keine Aussichten auf ein besseres Leben in Carolines Reich wurden thematisiert, deshalb engagierte sie sich, da sie dem etwas entgegen setzen wollte.
Man merkt dem Werk an, dass es nicht nur penibel recherchiert wurde, man sieht, dass es ein besonderes Anliegen der Autorin war, Carolines Wesen und ihr leider zu kurzes Leben den Lesern nahezubringen. Und das ist zweifelsohne sehr gut gelungen.
Es gibt viele Fotos, passend zum Text im Buch geordnet, die sowohl Caroline, ihre Familie als auch andere Personen dem Leser vor Augen führen. Zum Schluss erfährt man, wie es ihren Schwestern und ihrem Gatten nach ihrem Tod ergangen war. Es gibt viele Kinderbilder a. d. Zeit. Total süß.

Fazit: Eine sehr lesenswerte Romanbiographie, die sowohl Caroline als auch die damalige Zeit und ihre Sitten und Gepflogenheiten aufleben lässt. Wer gerne historische Romane oder Frauenromane mit historischem Hintergrund liest, kann hier gut zugreifen, man wird einige erfülle Lesestunden verleben. Besonders hell leuchtende vier Sterne und eine Leseempfehlung.

Bewertung vom 02.11.2017
Ein Leben ist zu wenig
Gysi, Gregor

Ein Leben ist zu wenig


ausgezeichnet

Die Autobiographie von Gregor Gysi (GG) habe ich sehr gern gelesen. Sie hat mir seltene wie bereichernde Sichtweisen geöffnet, die man woanders kaum finden kann.
Ich habe mich auf gutem Niveau und in vielerlei Hinsicht prima unterhalten gefühlt. GG erwies sich als ein vorzüglicher Erzähler, ein starker wie wohl geübter Entertainer.
Mal saß ich bis ein Uhr morgens lachend, als es um die Schuljahre und Berufsausbildung ging. GG hat einen tollen Humor, kluger, elaborierter Natur, und gute Prise Selbstironie, die bis zum Schluss erhalten bleiben und einen hier und da zum Schmunzeln und Auflachen verleiten. Die spannenden Ausführungen zu seinen Ahnen ganz zu Anfang stimmten mich nachdenklich, wie die später geschilderten Geschehnisse im Bundestag der 90-ger Jahre, oder auch manche Sätze wie: „Denkpause. Ist es eine Pause zum oder vom Denken?“ Es gibt noch mehr davon, gleichmäßig im Buch verteilt, die jedes Zitatenheft zieren können.
Die Kapitelübergänge sind prima: man kann nicht anders, als doch noch nächstes Kapitel anzufangen und noch paar Seiten dranghängen usw. Selbst wenn eine Pause mal zustande kam, war ich bald wieder gedanklich beim Buch: Und wie geht es da weiter?
In dieser Autobio wurde ein Stück deutscher Geschichte erzählt: das Ende der DDR, deren Übernahme vom Westen, v.a. die Art, wie das getan wurde, GG benennt konkrete Fehlerbeispiele, die anschließenden Diskussionen um die Auflösung der Partei, das Verhalten Mitglieder anderer Parteien im Bundestag, die Arroganz des Westens, und als Kontrastprogramm, wie GG und seine Parteifreunde im Ausland, in Israel, aufgenommen wurden: „Neu und fremd war für mich, dass vor dem Hotel unseretwegen eine bundesdeutsche Flagge gehisst wurde. In Deutschland selbst wurden wie unter der Flagge, die über dem Bundestag wehte, wie Leute behandelt, die nicht dazugehörten.“ Auch weitere, krassere Beispiele, wie mit Gerhard Riege, gibt es hier. Da ist sehr klar, wie nicht einfach es für ihn war, seine polit. Arbeit fortzuführen. Ein dickes Fell und viel Durchhaltevermögen gehören dazu.
GG geht auch ausführlich auf die Unterstellungen der westlichen Medien ein, die ihm vorgeworfen haben, er hätte im Auftrag der StaSi gehandelt, und klärt alles lückenlos auf.
Seine Kommentare bestimmter politischer Ereignisse, seine Sicht, wie es das eine oder andere erlebt hat, die Schlussfolgerungen sind spannend und auf jeden Fall wert, sie kennenzulernen: Ein ganz anderer Blickwinkel, interessante Argumentation, alles wirkt sehr erfrischend im Vergleich zu dem, was man in Massenmedien tagein tagaus serviert bekommt.
Von seinen Weggefährten und Parteifreunden hört man einiges Interessantes, nur Gutes.
Auch von der privaten Seite erzählt er, gerade so viel, wie man wissen mag.
Der Schwerpunkt liegt aber deutlich auf seinem Beruf. GG ist der Mann der Politik, daher ist es logisch, dass es in seiner Bio um die polit. Ereignisse geht.
Auch über Jugoslawienkrieg findet GG klare Worte und erklärt, warum dieser Krieg direkten Einfluss auf die Ukraine-Krise von 2014 hat. Manches wirkt als düstere Prophezeiung, die heute eingetroffen ist, s. Kap. 39. Bildhaft schildert er auch, was für Sachen SPD/Grüne-Regierung beschlossen hat, uvm.
Fazit: Diese Bio ist wie ein gutes, reichhaltiges Gespräch aufgebaut und ich war sehr gern dabei. Sie ist schon deshalb lesenswert, weil sie GGs Meinung zu vielen Ereignissen darstellt, die so erfrischend und bereichernd ist, dass man definitiv vieles verpasst, wenn man sie nicht kennt.
Gleichzeitig konnte ich mich des Eindrucks nicht erwehren, dass hier nur ein Teil der Geschichte erzählt wurde, vermutlich nur das, was dem antizipierten Leser ohne Weiteres zugemutet werden konnte. Aber auch dieser Teil ist sehr interessant: Tolle Sprüche, Gedankengänge, Schlussfolgerungen, insb. Kap. 48-50, Fragen, Interpretationen, insg. die Sicht der Dinge. Sehr lesenswert.

5 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.11.2017
Makrobiotik
Guemoes, Madhavi

Makrobiotik


sehr gut

Das Buch ist recht überschaubar mit 240 Seiten der TB-Ausgabe. Es gibt einen „theoretischen Teil“ und den „Praktischen“ mit vielen Rezepten vom Frühstück über Mittag/Abendessen bis zu selbst gemachten Pralinen, Snacks, Immun-Kicks, etc.
Im theoretischen Teil erklärt Madhavi Guemoes kurz, wie sie mit Makrobiotik angefangen hat, was sie im Laufe der Jahre dazu gelernt hat, in dem Buch soll die Essenz daraus sein, und was Makrobiotik nach ihren Begriffen sein soll. Diese Ausführungen ließen mich an TCM (Traditionelle Chinesische Medizin) denken und damit verbundene Empfehlungen bezüglich des gesunden Essens. Die Autorin teilt Lebensmittel nach Yin und Yan, darunter extrem Yin wie Zucker, Honig, Käse, Quark, Joghurt; ausgewogen Yin wie Reismalz, Amazake, Nüsse; extrem Yan wie Fleisch, Eier, Salz und die Produkte, die in der Mitte anzusiedeln sind wie Getreide, Gemüse, Hülsenfrüchte, Algen, Samen, etc. Danach wird ein Teller zusammengestellt, das aus 50-60% aus gek. Vollkorngetreide bestehen soll, 25-30% Gemüse, 3-5% Algen und ca. 10% Eiweiß, damit ist eher etwas Veganes wie Tofu gemeint. Es wurde aber auch gesagt, dass manche Makrobiotiker auch mal Fisch essen.
Interessant fand ich das Kapitel über die Lebensmittel, die man meiden sollte. Zwiebel und Knoblauch, Nachtschattengewächse wegen Solonin, Milchprodukte, scharfe Gewürze, Zucker, alle Fertigprodukte, uvm.
Die im zweiten Teil vorgestellten Rezepte sind ganz gut beschrieben, alles, was man an Begriffen der asiatischen Küche als „normalessender“ Mensch nicht kennt, wird erklärt und wo man dies auch bekommt. Ein gut sortierter Asia-Laden in Bioqualität in der Nähe wäre da sehr hilfreich. Zu jedem Rezept gibt es ein hübsches Foto des fertigen Gerichts.
Mikrobiotisches Essen wäre schon eine große Umstellung für einen „normal“- Essenden, deshalb rät die Autorin auch, nach und nach die Produkte zu ersetzen, z.B. die Milch durch Pflanzenmilch usw. Die Rezepte sind im Grunde einfach nachzukochen, aber man muss erstmal gut im Bio-Asia-Laden eingekauft haben und ob es einem schmecken wird, da man so etwas nicht gewohnt ist? Eine Art Brei zum Frühstück zu kochen, da gehört schon eine Portion Motivation zu.
Der Erzählton ist locker, wie unter guten Freundinnen. Die Sprache hat mich allerdings etwas irritiert: Sie ist mehr als mir lieb war von Anglizismen und anderen Fremdwörtern durchwirkt.
Fazit: Wer sich für alternative Nahrungsart interessiert/ mal was anderes ausprobieren möchte oder gar muss, kann hier gut zugreifen. Man bekommt Rezepte, die relativ einfach sind und, wie die Autorin sagt, gut schmecken. Etwas von der „Theorie“ ist auch dabei, wobei mir hier einfach gute Begründungen fehlten: Warum soll es so sein? Dadurch wirkt das Ganze eher dogmatisch, wobei es gerade das ist, was die Autorin unbedingt meiden wollte. Wer mit dem Korngetreide so seine Probleme hat, der muss dann schon variieren und diese in den Rezepten durch etwas Glutenfreies ersetzen. Aber insg. als Anfang einer gesünderen Ernährung finde ich das Buch ganz gut.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 30.10.2017
Meine Hochsensibilität positiv gelebt
Strauch, Silvia Christine

Meine Hochsensibilität positiv gelebt


ausgezeichnet

„Meine Hochsensibilität positiv gelebt. Persönliche Einsichten aus einem langen, bewegten Leben“ von Silvia Christine Strauch ist ein nett geschriebener Erfahrungsbericht einer Frau, die sich als Hochsensible versteht. Sie gibt Hilfestellungen, wie man Hochsensibilität erkennt und damit umgeht.
Das Buch hat drei Kapitel: „Persönliche Lebenserfahrungen“, „Die Eigene Entwicklung voranbringen“, „Im Alltag Ruhe finden“, die in mehrere Unterkapitel unterteilt sind, plus Vorwort und Schlusswort auf rund 177 Seiten.
Vor jedem Unterkapitel gibt es 4-6 Fragen, die vermutlich helfen sollen zu verstehen, ob man hochsensibel ist, z.B. „Halten Sie sich ungern unter vielen Menschen auf? Fühlen Sie sich in einer Gruppe schnell überfordert?“ Oder: „Können Sie Gefühle anderer leicht nachempfinden? Fällt es Ihnen schwer, Grenzen zu ziehen?“ Oder: „Brauchen Sie lange, um intensive Erlebnisse zu verarbeiten? Bevorzugen Sie eine ruhige, wenig chaotische Umgebung?“, usw. Nach den Ausführungen, die auf den Lebenserfahrungen der Autorin basieren, in eher kurzen Kapiteln, gibt es Resümee mit Ratschlägen, wie man sich als hochsensible Person in verschiedenen Situationen verhalten, seine Zeit besser organisieren, das Leben insg. meistern kann.

Das Buch kann man in einem Rutsch durchlesen, es liest sich sehr leicht. Man kann aber auch an jedem Kapitel verweilen und nachdenken, ganz wie es einem passt. Man fühlt sich durchwegs wohl: Man hört gern von einer Frau, die ihr Leben gut zu organisieren wusste, wie sie ihre Hochsensibilität gemeistert hat. Ihre Ratschläge mögen sich vllt manchmal nicht so spektakulär anhören, man hat so etwas ggf. in anderen Ratgebern zu ganz anderen Themen gelesen, aber es schadet gewiss nicht, dies sich vor Augen nochmals zu führen, insb. wenn man Optimierungspotential im eigenen Leben sieht oder sich gerade als hochsensible Person identifiziert hat. Vllt kann man das eine oder andere übernehmen und es kann sich durchaus als hilfreich erweisen.

Fazit: Für die erste Auseinandersetzung mit dem Thema „Hochsensibilität“ ist das Buch eine gute Adresse, denn die Fragen helfen einem zu verstehen, ob man zu Hochsensiblen zählt. Man bekommt auch die Ratschläge, wie man damit umgehen kann. Natürlich sind die Fragen und die Ausführungen nicht ausschöpfend und passen nicht auf alle Hochsensible, denn von einer Person kann man nicht auf alle schließen, aber eine gute Richtung kann man mit Hilfe dieses Buches doch schon einschlagen. Man bräuchte aber dann weiterführende Literatur und der Verlag dielus edition bietet einige Titel auf diesem Gebiet auch an.

Bewertung vom 30.10.2017
Beobachtungen aus der letzten Reihe (eBook, ePUB)
Gaiman, Neil

Beobachtungen aus der letzten Reihe (eBook, ePUB)


sehr gut

Beobachtungen aus der letzten Reihe von Neil Gaiman ist ein größeres Werk: 576 Seiten der gebundenen Ausgabe auf zehn Kapitel mit etlichen Unterkapiteln verteilt.
Der Autor stellt sich vor, spricht über seine Ansichten zu diversen Bereichen des kulturellen Lebens wie Kino, Filme, Comics, Fantasy, SciFi und natürlich über die Bücher insg. und ihre Rolle. Insb. im ersten Kapitel erzählt Gaiman, wie wichtig die Bücher für ihn als Kind waren, wie und wie sehr sie ihn geprägt haben, und warum es notwendig ist, dass es auch heute Büchereien und Bibliotheken gibt, wo die Kinder unmittelbare Begegnungen mit Büchern machen könnten.
Mal sind es seine Reden, in denen er sich als ein geschickter Redner präsentiert, der sein Publikum zu unterhalten und zu fesseln weiß und der die Spannung bis zum letzten Satz gekonnt aufrechterhält. Mal sind es Essays oder Erinnerungen, z.B. an Treffen mit Freunden beim Filmfestival 2010 oder an eine Buchtournee mit seinem alten Freund Terry Pratchett zum Buch, das sie zusammen geschrieben haben. Mal spricht er über die Werke anderer Autoren und die Autoren selbst, so charmant, dass man sie auch gern kennenlernen möchte.
Drei Kapitel: 1, 8 und 9 werden mir länger in Erinnerung bleiben. Im ersten Kapitel liest man hpts. seine Reden, manches wiederholt sich, aber unter einem anderen Aspekt, insg. sind es so tolle Texte, die ich nicht mehr missen möchte, insb. Credo ganz am Anfang. Aber auch weitere Beiträge wie „Warum unsere Zukunft von Büchereien, Lesen und Tagträumen abhängt“ hat mir viel Freude bereitet: „Wir müssen unseren Kindern auf die Leseleiter helfen: Alles, was ihnen Spaß macht, führt sie Sprosse für Sprosse hinauf zu Bildung.“ Oder: „Empathie ist ein Werkzeug, um aus Menschen Gruppen zu formen. Empathie erlaubt uns, mehr zu sein als ichbesessene Einzelgänger.“ Oder: Büchereien stehen für Freiheit: für die Freiheit zu lesen, die Freiheit der Ideen und die Freiheit der Kommunikation.“ Oder auch: „Bücher sind echte Orte. Vergessen Sie das nicht.“
Im achten Kapitel erzählt er über sein Märchen Sternwanderer, das später verfilmt wurde. Sehr interessant, was er über die Märchen insg. und über sein Märchen und warum er es geschrieben hat sagt!
Das neunte Kapitel besteht aus nur einer Rede, aber einer ganz großartigen, mit dem Titel „Macht gute Kunst“ an der Uni of Arts in Philadelphia 2012. Wie auch in anderen Reden erzählt Gaiman über seinen Werdegang als Schriftsteller, über die Schwierigkeiten, die er hatte. Er macht auch viel Mut und gibt den angehenden Künstlern Rat, wie auch sie die Hürden ihres Berufes meistern könnten. Sagt aber auch ganz einfache Dinge: „Macht nur das, was ihr am besten könnt. Macht gute Kunst. Auch an guten Tagen.“ Oder auch das hier: „Der Moment, in dem ihr – vielleicht – das Gefühl habt, nackt die Straße entlangzugehen, zu viel von eurem herzen preiszugeben, von euren Gedanken und eurem Innenleben, das Gefühl, zu viel von euch zu offenbaren, das ist der Moment, in dem ihr vermutlich auf dem richtigen Weg angekommen seid.“
Da sind noch einige tolle Gedanken und Sätze, mit denen man die Zitatenhefte füllen und einfach Spaß am Lesen haben kann.

Fazit: Manche Themen sprechen einen mehr, manche weniger an, aber insg. ist es ein lesenswertes, aufschlussreiches Werk voller toller Zitate über das Lesen, Bücher, Literatur uvm. geworden, recht locker erzählt, leicht humorig, mal selbstironisch. Oft hat man den Eindruck, als unterhalte man sich mit Gaiman, in einem gemütlichen Sessel sitzend vor einem Kamin bei einem guten Getränk. Ziemlich viel Selbstdarstellung und Selbstbeweihräucherung haben zum einen Stern Abzug geführt, aber sonst ist es ein ganz gutes, lesenswertes Buch geworden.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 18.10.2017
Eiszeit
Krone-Schmalz, Gabriele

Eiszeit


ausgezeichnet

„Eiszeit“ von Gabriele Krone Schmalz (GKS) habe ich sehr gern gelesen und empfehle weiter, insb. an diejenigen, die ihre Meinung über Russland und damit verbundenen Konflikte aus Leitmedien erfahren. Für solche Leser kann das Buch zum Augenöffner werden, denn GKS füllt die Lücken aus, die die Meinungsmacher in den letzten Jahren durch ihre fragmentierte Berichterstattung hinterlassen haben. GKS liefert Daten, Fakten, Hintergründe, Ursachen, Zusammenhänge, messerschafte Analysen uvm. Großes Kino.

Die Art der Stoffdarbietung ist optimal: Nicht nur die fehlenden Puzzleteilchen der Konflikte in Syrien, Ukraine, Georgien (Blitzkrieg 2008) usw., werden gegeben, GKS ergänzt das Erzählte durch Vorgeschichten, durch Schilderung von Russlands geopolitischen Interessen und damit verbunden Unsicherheiten. GKS stützt zudem ihre Ausführungen auf zuverlässige Quellen, u.a. den Dokumenten der Wikileaks, die mal als secret eingestuft waren. So ergibt sich Gesamtbild der komplexen Situationen.

Im Kap. „Wer bedroht wen“ geht GKS auch auf die heutige angespannte Situation ein und führt bildhaft vor Augen, anhand konkreter Beispiele, die gefährliche Vorgehensweise des Westens, die seit geraumer Zeit praktiziert wird, z.B.: Russland wird in Sachen NATO-Osterweiterung oft vor beschlossene Tatsachen gestellt und so getan, als ob russische geopolitische Interesen nicht von Belang wären und nicht berücksichtigt werden müssten. So entsteht tiefes Misstrauen auf beiden Seiten, das bereits zu Konflikten und Auseinandersetzungen geführt hat und noch sehr gefährlich werden kann.

GKS beschränkt sich aber nicht darauf, das Vorgehen des Westens zu kritisieren und die Dreistigkeit mancher Politiker vor Augen zu führen: Die mehr als fragwürdigen Machenschaften von McCain und H. Clinton sorgen dabei für manche brisante Note. GKS schlägt Auswege aus der heutigen Situation vor.
Nach jeder Ausführung eines Sachverhalts stellt GKS Fragen, um dem Leser die Chance zu geben, selbst die Schlüsse zu ziehen und zu eigenem Verständnis der Lage zu kommen. Diese Fragen sind großartig!

Toll ist auch: GKS beschönigt nichts, die nennt die Dinge beim Namen, und was noch wichtiger, sie lässt nichts Relevantes aus: Ihre Schilderungen sind adäquat, differenziert, die Sachverhalte sind klar, logisch und leicht verständlich dargestellt, in einer aussagestärken, griffigen, knappen Sprache. Der Ton ist ruhig, besonnen, sachlich, auch bei all der Brisanz. Feine Ironie blitzt hier und dort durch. Herrlich.

Zu dem in den Leitmedien zu einem „Helden“ aufgebauten Nawalny gibt es auch Pikantes, was man sonst von den Meinungsmachern nicht erfährt. Unter der Berücksichtigung seiner stark nationalistischen Gesinnung, und anderen weniger heldenhaften Dingen, ob das so gut wäre, wenn er nach vorn käme.

Das letzte Kapitel ist auch toll:

„Meinungsfreiheit gilt nicht nur für Profis… Demokratie ist auf ein breites Meinungsspektrum angewiesen und darauf, dass angstfreie Debatten möglich sind. Es ist ein Jammer, dass dieser Luxus einer Demokratie von zwei Seiten in die Zange genommen wird. Auf der einen wettern rechte Demagogen und hasserfüllte Wutbürger, auf der anderen intolerante Mainstream-Journalisten und überhebliche Expertokraten, die alles zu wissen meinen, in den letzte Jahren immer wieder spektakulär danebenlagen.“ S. 259.

Ein gutes Buch ist gut auf jedes Seite. Gut wäre hier aber eine Untertreibung: Es ist ganz große Klasse. Ein klares must read in diesem polit. Leseherbst.

Man muss kein Studium der Politikwissenschaften abgeschlossen haben, um diese Inhalte zu begreifen, jeder wird klarkommen, wer wissen will „Wie Russland dämonisiert wird und warum das so gefährlich ist.“

Gekürzt gem. Anforderung.

6 von 7 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 15.10.2017
Homo Deus
Harari, Yuval Noah

Homo Deus


sehr gut

Homo Deus von Harari sticht deutlich aus der Reihe von Sachbüchern hervor, die man zum Thema Zukunft der Menschheit heute lesen kann. Auf jeden Fall ist es ein Buch, das man gelesen/gehört haben muss.
Zweifelsohne ist es kein Wohlfühlbuch. Ganz im Gegenteil. Harari hat gezielt darauf angelegt, die Leser zu provozieren, sie aus der Komfortzone zu locken, über den Tellerrand eigener Überzeugungen und Vorstellungen von Gut und Böse zu schauen, uvm. Bei vielen seiner Ausführungen lässt er bewusst einige wichtige Aspekte des Menschseins aus und hebt ganz andere hervor. So dargestellt stehen Menschen eher wie ferngesteuerte Zombies da und man fragt sich, ob das nur Hirngespinste eines „verrückten“ Professors sind oder ist da mehr dran, bzw. ob das insg. angehen kann.
Harari serviert seine Sicht der Dinge durchaus so, dass einem, je nach Gemüt und seelischer Verfassung, die Haare zu Berge stehen, man ggf. einen dicken Hals kriegt und evtl. gute Lust bekommt, das Ganze in die hinterste Ecke zu pfeffern. Aber das ist Teil seiner Show, da liegt u.a. das Geheimnis seines Erfolges. Durch gezielt provozierende Äußerungen bekommt er seine Leser aus der (antizipierten) Egal-Haltung heraus und, was noch wichtiger ist, überhaupt dazu, über solche Themen nachzudenken und sich solche Fragen zu stellen, die man sich nicht unbedingt jeden Tag stellt, wie: Was heißt es eigentlich, Mensch zu sein? Was gehört dazu? Und was nicht? Und warum? Wo geht das alles hin? Warum unbedingt so und nicht anders? Wollen wir es überhaupt? Und was ist mit ethischen Aspekten solcher Entwicklungen? Können wir uns nicht einen anderen Ausweg überlegen, andere Zukunftsvisionen entwickeln, die vllt nicht so brutal ausfallen, und uns daran machen, diese auch umsetzen? uvm. In der Hinsicht liest sich Hararis Werk wie eine düstere Dystopie.
Von der Infoseite her liefert er nicht wirklich viel Neues, vielmehr größtenteils gutes altes, bloß unter etwas anderem Blickwinkel betrachtet und recht reißerisch dargeboten. Infotainmenteinlagen gibt es reichlich, man kennt den Stoff aber auch schon von woanders, wenn man paar Sachbücher zu dem oder auch verwandten Themen gelesen hat. Das Spannendste war für mich das Wie des Erzählten.
Seine Art zu argumentieren erschien mir reichlich fragwürdig, so gar nicht professorlike. Steile Thesen wurden in den Raum geworfen und wenig bis nicht begründet dagelassen, aber immerhin eindrucksvoll zur Sprache gebracht. Zudem wiederholte er sich recht oft, er wiedersprach sich selbst auch oft genug. Aus diesem Blickwinkel betrachtet ist er eher ein passionierter Entertainer, ein Showman, dem die Stringenz seiner Logik, die Unerschütterlichkeit seiner Beweise nicht so wichtig erscheinen, dafür aber der Eindruck, den er mit seinem Auftritt hinterlässt, der Grad der Aufrüttelung, der Anteilnahme seiner Leser/Zuhörer und dergleichen. Polemisieren war wohl eher sein Ziel, was er auch erreicht hat.
So oder so: Harari schafft es, seinen Lesern genug Stoff zum Nachdenken und Diskutieren zu bieten. Darin sehe ich seinen Verdienst.
Bei Homo Deus muss man nicht zu allem Ja und Amen sagen, um das Buch gut zu finden, bzw. es in vollem Umfang zu schätzen wissen, aber gelesen und darüber nachgedacht haben, sollte man es.

Das Buch habe ich auch gehört. Jürgen Holdorf hat sehr gut gelesen. Gut geübte, wohlklingende Profi-Stimme, die er effektvoll einzusetzen weiß und die zu der Geschichte insg. ganz gut passt. Ich hatte keine Probleme, stundenlang zuzuhören. Seine Art vorzutragen hat die Wirkung des Harari Werkes gut verstärkt, sodass die Zukunftsvisionen&Co. so bestimmt klangen, als ob sie im Stein gemeißelt wären. Vllt war es auch eine gezielte Wirkung, die dann auch sehr gut gelungen ist.
Hörbuch, Spieldauer 17 Stunden und 13 Minuten, ungekürzte Ausgabe.

0 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 13.10.2017
Origin / Robert Langdon Bd.5
Brown, Dan

Origin / Robert Langdon Bd.5


gut

„The da Vinci Code“ von Dan Brown habe ich vor gut zehn Jahren gelesen und fand das Buch ganz gut. Nun war ich auf Band 5 der Reihe neugierig: Diese prächtige Kathedrale auf dem Cover versprach neue Verheißungen um das Thema Glauben und Kirche uvm. Im Grunde wünschte ich mir ähnliches wie Da Vinci Code, vllt paar gute Denkanstöße noch dazu, gute Unterhaltung aber auf jeden Fall. Zum Teil war das, was Dan Brown für mich bisher ausgezeichnet hat, auch da: Die wohl bekannten Handlungsmuster wie Rätselspiele, Schnitzeljagd, gefährliches Duelle Langdons mit dem Bösewicht, eine schöne Frau als Begleiterin bei seinen Abenteuern, einiges zum Thema Glaube und Kirche samt Fragen woher kommen wir, wohn gehen wir, all das wurde geliefert und unterhielt auf eine bestimmte Art. Wenn man also ein großer Fan des Autors, der Reihe insg. ist, der wird, schätze ich, auf seine Kosten kommen.

Mir war aber das Ganze einfach zu primitiv und unglaubwürdig, in vielerlei Hinsicht.

Die futurologischen Themen wurden eher oberflächlich behandelt, frei nach dem Motto: bloß nicht den Leser überfordern. Wer aber z.B. „Homo Deus“ von Harari und ähnliches gelesen hat, der wird sich bei den als Sensation angepriesenen Errungenschaften des Futurologen Edmond Kirsch bloß ein mildes Lächeln abringen können. Das Ganze aufgebauschte Drumherum um seine Präsentation erscheint dann umso lächerlicher.

Die Figuren: ob Langdon, seine schöne Begleiterin Ambra Vidal oder auch die gesamte Guardia Civil und fast alle Figuren agieren unglaubwürdig. Ein Professor aus Harvard und eine Frau in der Position von Ambra denken anders und agieren auch deutlich anders. Langdon und Ambra handelten wie zwei unbedarfte Teenager, die man leicht von A nach B schicken kann und die nicht so recht über die Konsequenzen ihres Tuns nachdenken (mögen). Die Guardia Civil & Co. sind einfach Stümper, die kaum etwas zustande bekommen.

Auch die Handlung stellt in weiten Strecken das alte wohl Bekannte dar, das hier, nochmals aufgewärmt und mit anderen Details angereichert, bemüht wurde. Im Großen und Ganzen ist die Handlung eher unglaubwürdig, vordergründig aber mit einigen bombastischen Elementen versehen, und am Ende nicht so wirklich spektakulär: Zu viel versprochen und nicht sonderlich viel halten können. Zudem kann man in etwa ab der Mitte durchblicken, wer hinter dem ganzen Trara steckt.

Die Sprache brillierte streckenweise mit der darstellerischen Dürftigkeit und dem Armut des Ausdrucks: „war“, „hatte“, „sagte“ wohin das Auge reicht. Oft musste ich schon aus diesem Grunde Pausen einlegen. Alles zusammen genommen: wenig spannende, fadenscheinige Handlung voller ausgelatschten Muster, Unglaubwürdigkeit, armselige Sprache, etc. bescherte mir oft genug schlechte Laune.

Gut fand ich, dass so manches aus literarischen Werken von William Blake, das berühmte Gemälde von Paul Gauguin, die Werke vom bekannten spanischen Architekten Gaudí in den Erzählteppich eingewoben wurden und so womöglich mehr Aufmerksamkeit der Leser auf sich und ihre Werke ziehen werden.
Einige gute Ideen zum Schluss haben meine Meinung über das eher bescheidene Gesamtergebnis etwas mildern können. Das reicht gerade mal für drei Sterne.

Oft kam mir der Gedanke, dass dieses Werk auf eine genau ausgetüftelte Zielgruppe zugeschnitten wurde: diejenigen, die sowohl einen sehr dürftigen Wissensstand haben und zudem wenig gebildet/nicht gewohnt sind, selbst zu denken und den gelieferten Stoff zu hinterfragen, denn der ist so dargeboten worden.

Das Buch ist schön gemacht: Festeinband, Umschlagblatt, leider ohne Lesebändchen.

Fazit: Dürftige, dünne, nach Schema F konstruierte und bescheiden geschriebene Geschichte, die nun als ein must read überall angepriesen wird. Für manche Leserkreise ist sie vllt auch ein Highlight, je nach Standpunkt der Betrachtung.
Ich vergebe hier drei Sterne mit viel Wohlwollen.

5 von 5 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.