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sleepwalker

Bewertungen

Insgesamt 467 Bewertungen
Bewertung vom 14.02.2020
Helltal
Aicher, Mathias

Helltal


schlecht

„Glaub bloß nicht, dass mir das Spaß macht! Es ist deine Schuld, dass ich das tun muss!“ - mit einer Szene häuslicher Gewalt beginnt Mathias Aicher seinen Roman „Helltal“. Und nimmt seinen Leser mit in die tiefste Provinz des idyllischen Pfälzerwaldes, in eine Gegend wo nichts wirklich so ist, wie es scheint. Helltal, eine fiktive 2000-Einwohner-Gemeinde im Landkreis Kaiserslautern ist wohl auch die Hölle für einige der Einwohner.
Der ehemalige Kriminalbeamte Maik Madsen ist einer, der es aus dem Ort rausgeschafft hat. Allerdings nur scheinbar, denn die wahre Hölle trägt der von Geldschulden und –eintreibern verfolgte ex-Polizist mit sich herum. Und so tritt er mit dem Leser im Schlepptau eine Reise in die eigene Geschichte an, trifft Freunde und Dämonen seiner Vergangenheit und versucht, sich selbst von dem zu befreien, was er so lange verdrängt hat. Ein Mord, eine kaputte Ehe, zerstörte Freundschaften, viele Erinnerungen an schöne und unschöne Zeiten – die Geschichte an sich klingt spannend und der Klappentext verlockend. Das Buch an sich war für mich eine große Enttäuschung.
Die Sprache, derer sich der Autor bedient, kann ich beim besten Willen nicht flott und modern finden, sie ist mir zu derb und grob und die Wortwahl würde dazu führen, dass kein Portal meine Rezension veröffentlicht. Dazwischen sind für meinen Geschmack viel zu viele englische Zitate und komplette Passagen, die voraussetzen, dass der Leser die Sprache beherrscht, dazu pfälzischer Dialekt – für mich einfach zu viel des Guten. Dazu Macho-Gehabe, Sexismus und eine verworrene Geschichte aus Gegenwart und Vergangenheit – das Buch konnte mich zu keinem Zeitpunkt irgendwie begeistern und auch der ziemlich überraschende Schluss war nur das Ende einer für mich sehr faden Geschichte mit durchweg unsympathischen Charakteren. Schade. Denn die Idee an sich ist gut, nur die Umsetzung fand ich äußerst mangelhaft.
Leider keine Lese-Empfehlung. 1 Punkt.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.02.2020
Die Mozarts
Lemster, Michael

Die Mozarts


ausgezeichnet

Hör ich den Namen Mozart, denke ich unweigerlich an Wolfgang Amadeus und eventuell noch an seinen Vater Leopold – aber dann endete bislang mein bescheidenes Wissen um diese Familie. Dabei gab es im Laufe der Zeit so viel mehr Mozarte, die es wert wären, erwähnt zu werden. Und eben das hat sich Michael Lemster zum Thema gemacht: eine Chronik ALLER Mozarts. Begonnen hat die (nachvollziehbare) Geschichte der Familie wohl um 1487 mit Andris Motzhart. Enden wird die Geschichte rund 500 Jahre später mit dem Tod des letzten bestätigten Nachkommen.
Der Autor führt den Leser durch viele Generationen der Familie Mozart und verflicht dabei gekonnt und höchst unterhaltsam Geschichte mit Geschichten, Fakten mit Vermutungen. Er nimmt den Leser mit nach Augsburg und Salzburg, streift den 30jährigen Krieg und zeigt den Aufstieg der ehemaligen „Schmutzfinken“ (das Wort Mozart kommt vermutlich von „Mot“, dem mittelhochdeutschen Wort für schwarze Erde, Moder, Sumpf. Die Mozarts waren die, die im Morast wohnten. Die Schmutzfinken vielleicht.“) in Berufe wie Maurer, Baumeister, Architekten und Buchbinder. In der Familie steckte offensichtlich viel Ehrgeiz, aber auch sehr viel Fleiß und Talent.
Am ausführlichsten geht der Autor natürlich dennoch auf die Familie rund um Wolfgang Amadé ein. Über die gibt es auch die meisten nachvollziehbaren Fakten, es existiert Korrespondenz und Literatur. Aber in der „Companie Mozart“ ist es nicht nur „Wolferl“, der zählt, auch wenn er heute schlicht DER Mozart ist.
Nebenher erfährt der Leser sehr vieles über die jeweilige Epoche, ihre Sitten und Gebräuche, aber auch den Stand der Medizin und was man damals in der Freizeit so machte und welche Kleidung modern war. Diese Fakten unterfüttern den sonst zum Teil spekulativen Roman und machen ihn sehr informativ über das Thema Musik hinaus. Eines sei dem Autor allerdings gesagt. Seine Passage über Constanzes (Wolfgangs Frau) Krankheit ulcus curis ist so nicht richtig und eigentlich ein Schlag ins Gesicht aller Betroffener. „Diese Erkrankung ist heute leicht beherrschbar und allenfalls unangenehm und lästig“ – nein, sie ist nicht leicht beherrschbar. Sie ist auch heute noch oft sehr schwer in den Griff zu bekommen, oft chronisch nicht heilend und äußerst schmerzhaft, nicht nur unangenehm und lästig. So sorgfältig er sonst für das Buch recherchiert hat – da liegt der Autor meilenweit daneben.
Man muss kein Fan klassischer Musik sein, um dieses Buch faszinierend zu finden. Obwohl mich Musikunterricht in der Schule stets gelangweilt hat, hat mich das Buch begeistert. Und ich bewundere die Gründlichkeit der Recherche, die Kreativität der „kann-so-gewesen-sein“-Passagen und die Herangehensweise des Autors an die Familie. Nie wieder werde ich beim Wort Mozart nur an DEN EINEN denken, denn da sind doch noch so viele andere, die es wert sind, dass man an sie denkt. Klare 5 Punkte.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 10.02.2020
Phoebe
Krauser, Uwe

Phoebe


sehr gut

Eines vorneweg: „Phoebe, eine Straßenhündin checkt ein“ von Uwe Krauser ist keine überragende schriftstellerische Leistung und ganz sicher keine große Literatur. Weder sprachlich noch inhaltlich ist das Buch preisverdächtig, will es vermutlich aber auch gar nicht sein. Denn es fängt seine Leser anders ein, als mit komplizierten Formulierungen, umfangreichem Wortschatz oder herausragender Geschichte. Das Buch ist nämlich voller Gefühle. Gefühle geschildert aus der Sicht einer kleinen Hündin, die den ersten Teil ihres Lebens erst in Kroatien auf der Straße und dann im Tierheim verbrachte. Von dort wurde sie von Uwe Krauser und seinem Partner Oliver adoptiert.
Mit sehr viel Humor schildert Phoebe ihren Alltag als Hotelhund (ihre Besitzer führen im bayerischen Bodenmais ein Hotel), wie sie ihre Herrchen erzieht (oder besser gesagt: um die Pfoten wickelt), Freund- und Feindschaften schließt und in ihrem ersten Jahr im neuen Zuhause so allerlei erlebt. Uwe Krauser lässt die Hündin ihren Alltag komplett menschlich erzählen – inhaltlich sehr unterhaltsam, hirnphysiologisch natürlich nicht korrekt. Das Nachdenken über Konsequenzen und folgerichtiges Handeln ist beim caninen Gehirn nicht wirklich stark ausgeprägt.
Andererseits kann man Hunden Gefühle und emotionale Handlungen nicht absprechen. Sie empfinden auf jeden Fall Empathie, Trauer und Freude und sind (so auch Phoebe) zu manchen Streichen aufgelegt. Außer ganz viel (Hunde)Gefühl beinhaltet das Buch auch ein bisschen Tiefgängiges. So streift der Autor auf seinem Weg durch Phoebes erstes Jahr allerlei: verschiedene Ansätze der Hunde-Erziehung (von seriöser Hundeschule bis sehr esoterisch angehauchter „Erziehung“), Überfütterung, Straßenhunde in Ländern wie Kroatien und Italien, Belohnung mit Leckerlies kommen ebenso vor wie ein Hauch von Homophobie und oberflächlicher Intoleranz gegenüber der eher ungebildeten Verwandtschaft. Aber am Schluss haben sich aber eigentlich alle sehr lieb und sind tolerant und es herrscht Friede-Freude-Hundekuchen.
Dafür, dass mich das Buch an einem stürmischen Nachmittag ein paar Stunden lang sehr gut unterhalten hat, verzeihe ich ihm die zum Teil enorme Oberflächlichkeit und die sprachlichen Schwächen, denn es ist sehr niedlich und anschaulich geschrieben und nett zu lesen, ein Unterhaltungsroman wie er im Buche steht – vier Sterne.

Bewertung vom 03.02.2020
Dr. Food für Seele, Gehirn & Nerven
Vormann, Jürgen;Hobelsberger, Bernhard;König, Ira

Dr. Food für Seele, Gehirn & Nerven


ausgezeichnet

Wie bereits das Buch „Dr. Food für Magen, Darm und Verdauung“ ist auch das vorliegende Buch sehr informativ und gut zu lesen. „Dr. Food für Seele, Gehirn und Nerven“ von Prof. Dr. Jürgen Vormann, Bernhard Hobelsberger und Ira König ist gut strukturiert, sauber und verständlich aufbereitet und zum Teil wirklich hilfreich. Natürlich dürfen am Ende Rezepte nicht fehlen.
Der erste Teil dreht sich um die Physiologie. Die Hardware wie Gehirn, Nerven und die Blut-Hirn-Schranke samt deren Aufbau und Funktion. Dazu dann als Software die Botenstoffe und natürlich die Erklärung, wie Darm und Hirn zusammen arbeiten – oder auch nicht. Der Leser bekommt schwierige biochemische und pharmakologische Zusammenhänge einfach und verständlich serviert und erfährt vieles darüber, wie die richtige Ernährung Krankheiten wie Alzheimer, AD(H)S, Angststörungen, Depression, Morbus Parkinson, Schizophrenie oder Migräne zwar nicht verhindern oder heilen kann, aber eventuell lindern und verzögern. Ess-Störungen werden ebenfalls nicht ausgelassen. Angenehm finde ich dabei, dass die Nahrungsmittel zwar in „gut“ und „böse“ eingeteilt werden, aber ich habe nirgendwo einen erhobenen Zeigefinger gesehen und kein „auf keinen Fall“ oder gar „verboten!“ gelesen, sondern ein höfliches „bitte meiden“.
In Teil 2 geht es dann ans Eingemachte. Welche Nährstoffe braucht der Körper, um so lange wie möglich so gut wie möglich zu funktionieren. Da ist einiges sehr interessant, vor allem, weil es über die „Zeitschriften-Inhalte“ hinausgeht. Geben wir es doch mal zu: das Thema Ernährung in Zusammenhang mit Gehirn und Nerven kennt doch praktisch jeder aus den Zeitschriften, die in Wartezimmern oder beim Frisör ausliegen.
Manches war mir allerdings zu pauschal, bei ein paar Themen ist die Studienlage noch nicht ganz so klar, wie das Buch sie darstellt. Bei manchen Empfehlungen wird auch außer Acht gelassen, dass es immer wieder Ausnahmen gibt, bei denen die Aussagen schlicht nicht stimmen und sie sind dadurch einfach zu pauschal. Manche Empfehlungen sind auch einfach nur „in“ (Kurkuma, goldene Milch, Ingwer) – aber wissenschaftlich nicht unbedingt belegt. Trotzdem ist alles in sich stimmig und hilfreich. Besonders gut gefallen hat mir aber auch die Hervorhebung, wie wichtig Essen für die Seele ist. Vor allem gemeinsames Essen (und dann auch noch das „Richtige“).
Den Abschluss des Buchs bilden 30 Rezepte für alle möglichen Gelegenheiten und Geschmäcker, samt Varianten. Die Rezepte sind ansprechend bebildert, da bekommt man vom Anschauen schon Hunger.
Alles in allem ist das Buch informativ, an sich schwierige und komplexe Themen gut und launig aufbereitet und für alle verständlich dargebracht. Die Illustrationen sind simpel gehalten, bringen aber das Wichtigste auf den Punkt. Das Buch ist auf jeden Fall empfehlenswert für alle, die eine komplette Übersicht über und einen tieferen (auch wissenschaftlichen) Einblick in das Thema haben wollen, sei dieses Buch wärmstens ans Herz gelegt.
Klare Lese-Empfehlung und 5 Punkte.

Bewertung vom 02.02.2020
Codex 632. Wer war Christoph Kolumbus wirklich?
Dos Santos, José R.

Codex 632. Wer war Christoph Kolumbus wirklich?


sehr gut

Nachdem ich „Vaticanum“ von J.R. Dos Santos gelesen hatte, habe ich mich sehr auf „Codex 632 – Wer war Christoph Kolumbus“ gefreut. Und ich wurde nicht enttäuscht. Wieso die Bücher der Reihe um den Historiker Tomás Noronha in Deutschland allerdings in anderer Reihenfolge erscheinen, als im Original, ist mir nicht ersichtlich, aber ist im Endeffekt auch egal. Vor allem, wenn man wie ich kein Interesse am Privatleben von Tomás Noronha hat und diese Stellen eher quer liest.
Das Buch ist für mich eine gekonnt umgesetzte Mischung aus historischem Sachbuch und Roman. Krimi ist es allerdings absolut keiner, eher ein geschichtlicher Wissenschaftsroman für’s Volk, gespickt mit (für mich) zu viel Privatleben der Hauptperson und ein paar Krimi-Aspekten. Diese wilde Mischung macht aber auch die Faszination aus, die das Buch praktisch von der ersten Seite an auf mich ausgeübt hat.
Zum Inhalt kann man nicht viel sagen. Oder, wie ein ehemaliger Dozent von mir sagte: Jede Geschichte ist schon einmal erzählt worden, nur die Blickwinkeln sind verschieden. Und der Blickwinkel, aus dem dieses Buchs die Person Christoph Kolumbus behandelt, ist die Frage, ob die Italiener ihn für sich beanspruchen „dürfen“, oder die Portugiesen. War er nun ein ungebildeter Seidenweber aus Genua, der viel Glück hatte oder ein intellektueller Seemann und Navigator? Ein bisschen Verschwörung hier, ein bisschen Durcheinander da, dazwischen ganz viel Mystik, Mythen, Mauscheleien – und fertig ist ein durchaus gut zu lesender Geschichts-Krimi mit Querverweisen auf Umberto Eco, Michel Foucault, Exkursen zum Judentum und Simon Wiesenthal, was mich alles zum Weiterlesen anregte.
Auch die Lektüre des vorliegenden Buchs war durchaus kurzweilig und zeitweise sogar spannend, vor allem, weil die „Jagd“ nach der Lösung der Rätsel, die der zu Anfang des Buchs verstorbene Historiker Martinho Toscano hinterlassen hat, zum Teil packend geschrieben ist. Das in dem Buch reichlich beschriebene Privatgeplänkel um den Historiker Noronha hätte ich allerdings nicht gebraucht, das sorgt zum Teil für unnötige Längen. Aber das ist in dem Fall eben das Gesetz der Serie, schließlich ist das Buch ein Teil einer Reihe. Das Buch ist, wie ich es von J.R. Dos Santos erwartet habe, sauber recherchiert und hat mich auch sprachlich angesprochen. Ich mag seine journalistisch angehauchte Schreibe mit der ausgewogenen Mischung aus reißerischen und deskriptiven Elementen.
Einzig eine wirklich holprig übersetzte Stelle fiel mir auf:
„Ich wüsste gerne Ihre Meinung dazu.“
- „So, würden Sie das?“
Da ist das „würde“ ganz sicher nicht richtig.
In seinem Nachwort erklärt J.R. Dos Santos seine Herangehensweise an da Buch – bleibt allerdings eher vage. Vieles, was er in seinem Buch schreibt, ist historisch belegt, anderes nicht. Was bleibt ist ein ja-nein-vielleicht -Gefühl, aber das Buch hat mich gut unterhalten, daher von mir 4 Sterne.

Bewertung vom 31.01.2020
Dr. Food für Magen, Darm & Verdauung
Storr, Martin;Hobelsberger, Bernhard

Dr. Food für Magen, Darm & Verdauung


ausgezeichnet

Als Partner eines an Morbus Crohn erkrankten Mannes hat mich das Buch „Dr. Food für Magen, Darm und Verdauung“ von Bernhard Hobelsberger, Prof. Dr. med. Martin Storr und Ira König natürlich besonders interessiert. Zwar ist es nicht speziell auf diese Art chronisch entzündlicher Darmerkrankung ausgerichtet, aber dennoch sehr informativ. Es bietet einiges an Hilfe für den Alltag, der oft durch Verdauungsbeschwerden bestimmt wird.
Insgesamt ist das Buch gut aufgemacht und gut strukturiert. Ein Theorie-Teil über die Verdauung, die beteiligten Organe, ihre Aufgaben und die verschiedenen Erkrankungen (von Magen-Darm-Infekt über Reizmagen bis CED und Magengeschwüre), ein Teil über die verschiedenen Nahrungsbestandteile und die Wirkungen, die sie haben können und gekrönt wird alles von einem gut bebilderten Rezept-Teil. Eine Liste mit hilfreichen Adressen zum Beispiel von Selbsthilfeverbänden und Bücher zur weiterführenden Lektüre dürfen natürlich auch nicht fehlen.
Alles in allem ist das Buch wirklich gut und hilfreich. Vor allem ist es auch für den Laien gut verständlich und durch die Bilder ist alles sehr anschaulich und nachvollziehbar erklärt. Die Rezepte scheinen gut und leicht umsetzbar und bei den meisten stehen mögliche Varianten/Ab- und Umwandlungen dabei, da ist vermutlich für jeden etwas dabei.
Manche Aussagen, die im Buch getroffen werden, fand ich allerdings zu pauschal.
Die Aussage „Bitte meiden“ für Antibiotika zu treffen, finde ich fatal. Kaum jemand wird Antibiotika zum Vergnügen einnehmen und bei potenziell lebensbedrohlichen Krankheiten sind sie schlicht nicht zu vermeiden! „Als Folge bekommen bis zu 25 Prozent der behandelten Patienten Durchfall. Zwar erholt sich die Darmflora wieder, das dauert aber ein paar Monate“ – das nimmt man doch zur Heilung schwerer, eventuell potenziell tödlicher Krankheiten in Kauf! Mit solchen pauschalisierten Aussagen schüren die Autoren die Angst der Leser vor Antibiotika doch geradezu, was schwerwiegende Folgen haben kann.
Auch die Aussage „Lieber fein geschrotetes Vollkornbrot, Vollkornreis oder Quinoa statt Weizenprodukten, grobem Vollkorn oder Kartoffeln“ liest man immer wieder, dabei gibt es doch auch Weizen-Vollkorn! Vollkorn ist nicht nur Dinkel und Co! Dafür steht Hafer ohne Einschränkung auf der Liste der glutenfreien Lebensmittel. Das ist so zwar richtig, denn Hafer hat von Natur aus KEIN Gluten, allerdings sind Haferflocken/Haferkleie/Haferschrot und Lebensmittel, in denen das verarbeitet wird, oft durch Kreuzkontamination doch nicht glutenfrei. Daher hätte ich mir auf jeden Fall den Hinweis gewünscht, dass auch da nur Produkte zu empfehlen sind, die explizit als glutenfrei deklariert sind.
Für die hervorragende Verständlichkeit, die (zum Teil eher flapsige, aber dennoch professionellen) Erklärungen und die Rezepte von mir 4 Sterne.

Bewertung vom 31.01.2020
Die ganze Welt ist eine große Geschichte, und wir spielen darin mit
Roth, Charlotte

Die ganze Welt ist eine große Geschichte, und wir spielen darin mit


sehr gut

„Die ganze Welt ist eine große Geschichte und wir spielen darin mit“ ist die romanhaft aufgearbeitete Biografie des Schriftstellers Michael Ende. Sein Leben könnte so passiert sein, oder auch nicht. Das Buch ist ein Roman, keine Biografie, daher strebt die Autorin Charlotte Roth keine Korrektheit des Inhalts an, obwohl das Buch durch Roman Hocke, einen Freund und Kenner von Michael Ende inhaltlich kuratiert wurde. Da ich mit „Momo“, „Die unendliche Geschichte“ und „Jim Knopf“ aufgewachsen bin, haben mich das Buch und der darin beschriebene Mann hinter den Büchern meiner Kindheit sehr interessiert.
Sprachlich finde ich, dass der der Autorin Charlotte Roth ein ganz wundervolles Buch gelungen ist, bildstark und wohlformuliert. Sie nimmt den Leser in die (fiktive) Kindheit des Schriftstellers mit, vom Kennenlernen seiner Eltern über seine Geburt, den Krieg, Umzüge, Existenzsorgen und seine Schwierigkeiten in der Schule. Man erlebt seine ersten Fantasiewelten mit und spürt die unendliche Liebe, die seine Eltern ihm entgegenbringen. Man erlebt aber auch, wie bei den Eltern Edgar und Luise aus der großen Liebe die große Gleichgültigkeit wird, die dann zur Trennung führt. Das Dasein der Mutter drehte sich wohl jahrelang nur um Mann und Sohn. Und dann, mit Pubertät und Adoleszenz, verliert Michael den sonst so guten Draht zu den Eltern, sie entfremden sich allesamt voneinander. Dabei wiederholt Michael Ende sehr vieles, was seine Eltern ihm vorgemacht haben: mit der Schauspielerin Ingeborg Hoffmann heiratet er eine hingebungsvoll liebende ältere Frau (die bereits ein Kind aus einer früheren Ehe hat), betrügt sie während der Ehe (auch sein Vater hatte die Mutter betrogen) und auch sonst ist die Ehe zwischen zwei Künstlern eher schwierig. Er liebte seine Freiheit und bestand darauf, sie musst es hinnehmen, hatte im Leben keinen Platz für „kleine Eifersüchteleien“.
Interessant und bedrückend wahr und aktuell sind manche Zitate aus dem Umfeld der Familie zum damaligen Nationalsozialismus. So sagt sein Vater nach der Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft auf die Aussage, die Nazis seien nun weg: „Die sind nie weg, die Braunen. Die kleiden sich jetzt nur in Grau“. Ein Bekannter hatte schon Jahre zuvor orakelt: „Wem 1931 auf den Magen schlägt, dem rate ich, sich vor 1933 den Darm amputieren zu lassen.“
Persönlich gestört haben mich die am Anfang sehr vielen Querverweise auf Rudolf Steiner, den Begründer von Anthroposophie und Waldorfschulen, aber auch Antisemit durch und durch. Michael Ende hatte einen großen Hang dazu und zur Christengemeinschaft nach Rudolf Steiner. Die Weltoffenheit und Fantasiebegabung von Ende und der Antisemitismus und die sonstige Haltung Steiners passen für mich nicht zusammen. Vieles, was in seinen Büchern sehr kindlich und verklärt erscheint, sehe ich jetzt in einem anderen Licht – und das ist nicht immer positiv. Für mich jedenfalls haben die Bücher Michael Endes ihren Zauber verloren.
Ich habe mich insgesamt in dem Buch teilweise irgendwie verloren gefühlt. Zeitsprünge ohne Jahreszahlen machten mir die Orientierung nicht leichter. Auch hat es einige Längen, die es mir schwer gemacht haben, mich in die Geschichte wirklich einzufinden. Sprachlich hat mir das Buch gefallen, inhaltlich ist es über einen Menschen, der mir nicht sympathisch ist. Da die Autorin dafür nichts kann, vergebe ich für das Buch vier Punkte.

Bewertung vom 29.01.2020
In der Tiefe der Nacht / Lloyd Hopkins Trilogie Bd.2
Ellroy, James

In der Tiefe der Nacht / Lloyd Hopkins Trilogie Bd.2


sehr gut

Dr. John Havilland ist Psychiater. Aber er ist auch Doctor John the Night Tripper. Soziopathisch, psychopathisch, manipulativ und ein Puppenspieler. Nur, dass die Puppen, mit denen er spielt, echte Menschen sind, die er fast sektenartig als Jünger um sich schart. Schlimmer noch: es sind Menschen, die seine Hilfe als Psychiater und Arzt gesucht haben. Genau sie missbraucht er wie bei einem Schachspiel für seine Zwecke. Mithilfe von Drogen und Medikamenten macht er sie skrupellos und rücksichtslos zu seinen Handlangern. Ihm gegenüber steht mit Sergeant Lloyd Hopkins ein gründlich und zum Teil verbissen arbeitender Polizist.
Ich kannte James Ellroy vorher nicht, aber auch ohne den Vorgänger-Band („Blut auf dem Mond“) zu kennen, hatte ich keine Schwierigkeiten, der Handlung zu folgen. Zwar gibt es ein paar Verweise auf den Vorgänger („Ich kenne die ganze Geschichte, die dir letztes Jahr passiert ist“), aber man kann das Buch trotzdem problemlos verstehen.
Bezüglich der Handlung muss ich sagen, dass mir „In der Tiefe der Nacht“ sehr gut gefallen hat. Die seelischen Abgründe, intensiven Emotionen und das manipulative Verhalten von Dr. Havilland sind vom Autor sehr bedrückend realistisch geschildert und geben dem Buch einen verstörenden und finsteren Anstrich. Das perfide, schonungslose Ausnutzen von Vertrauen und Abhängigkeiten ist vom Autor sehr treffend gezeichnet. Und auch die Arglosigkeit, mit der die Menschen ihm begegnen und sich in seine Hände begeben ist sehr authentisch.
Die Sprache, in der das Buch geschrieben ist, ist lebendig, realistisch und derb. Mir lag die Wortwahl nicht immer, der zur Schau gestellte Rassismus ist sicher alltagsnah, aber dennoch für mich schwer zu ertragen. Damit passt das Buch zwar gut in die 1980er Jahre (die Erstausgabe erschien 1984), aber sehr weit weg von der heutigen political correctness.
Dennoch: das Buch war sehr spannend, nach anfänglichen Schwierigkeiten, mich in die Geschichte einzufinden, konnte ich es nicht mehr aus der Hand legen.
4 Punkte

Bewertung vom 28.01.2020
Himmel, Hölle, Rock'n'Roll
Rohr, Chris von

Himmel, Hölle, Rock'n'Roll


sehr gut

„Gott liegt im Detail!“ dachte sich wohl auch Chris von Rohr und lieferte mit seiner Autobiografie ein Buch mit über 700 Seiten ab. Aber er ist inzwischen fast 70 Jahre alt, fast gut 45 davon ist er im Musikgeschäft – da kann man halt auch eine Menge erzählen. Kann man, muss man nicht unbedingt. Daher kann ich ganz klar sagen, dass das Buch für jeden, der sich für die Materie und/oder Chris von Rohr, Kaktus, Gotthard und Co. interessiert, ein echter Lesegenuss ist. Für alle anderen ist es eine pure Selbstdarstellung, ein Wust aus Reisen, Business, Frauen, Drogen und viel zu vielen Namen.
Ich muss sagen, dass mir der Stil des Autors nach und nach immer mehr missfiel. Anfangs mögen seine endlos aneinandergereihten Anglizismen, die verwirrenden Spitznamen für die Menschen in seinem Umfeld und seine schweizerisch-hochdeutsch-englische Schreibe lustig und frisch sein, mit der Zeit wird es aber abgedroschen und fade. Ja, er ist weit herumgekommen, weltmännisch und wortgewandt – aber dass er dies praktisch in jedem zweiten Satz plakativ zur Schau stellt, wird mit der Zeit öde. Sehr interessant und zum Teil höchst philosophisch, fand ich hingegen seine Belesenheit, die man anhand der von ihm verwendeten literarischen Zitate erahnen kann. Das unterscheidet ihn vermutlich von sehr vielen seiner Musiker-Kollegen.
Andererseits bedient er in seinem Buch praktisch jedes Klischee, nährt alles, was man über Rockmusiker so lesen und hören kann: Sex, Drugs, Rock’n’Roll sind auch bei ihm keine leeren Worthülsen. Man erlebt seinen Weg vom Wirtshausschrammler zu Krokus, zum Musikjournalismus, zurück zu Krokus, zu Gotthard und wieder zurück zur schreibenden Zunft. Interessant, schonungslos sich selbst gegenüber, aber auch zum Teil rücksichtslos seinen Wegbegleitern gegenüber. „Der Gilde der Diplomaten gehörte ich auch nie an“, schreibt er. Wie wahr! Allerdings schafft er es trotz der vielen Differenzen, die er mit Kollegen, Management und so weiter im Lauf der Jahrzehnte hatte, dass das Buch nicht in die Boshaftigkeit einer Abrechnung abgleitet. Dafür scheint Chris von Rohr zu reflektiert und durchaus auch selbstkritisch zu sein.
Und er kann über Begegnungen mit ganz großen Persönlichkeiten der Musikwelt berichten. Allen voran (für mich eines der bewegendsten Kapitel): Udo Jürgens. Auch die emotionalen Zeilen, die er Freunden und Kollegen widmet, die er auf seiner (Lebens-)Reise verloren hat, fand ich berührend und sehr wohlformuliert. Witzig finde ich, was er über Willy de Ville sagt: „Willy war ein glühender und leidenschaftlicher, wenn auch etwas selbstgefälliger Erzähler.“
Und ja, genau das ist Chris von Rohr auch. Selbstgefällig und häufig sehr egozentrisch. Drogen und Frauengeschichten – er hat praktisch nichts ausgelassen, seine Beziehungen hatten eher kurze Halbwertszeiten, denn für ihn steht praktisch nur er selbst im Mittelpunkt: „Ich bin treu … treu meinen Bedürfnissen“. Und „Mein Problem lag eher im Bereich der Nachhaltigkeit und der Nähe“.
Alles in allem ist es ein Buch für Freunde der von Musik und modernen (Auto)Biografien im Allgemeinen und von Krokus und Chris von Rohr im Speziellen. Ich muss sagen, dass das Buch handwerklich sehr gut ist, schreiben kann der Autor auf jeden Fall. Es liest sich flüssig und lebhaft und trotz der mehr als 700 Seiten hat es mich bestens unterhalten. Wegen der zum Teil inflationär gebrauchten Anglizismen, die zu seiner Alltagssprache gehören mögen, zu meiner aber nicht und wegen der zum Teil narzisstischen Selbstdarstellung (der Autor ist in weiten Teilen des Buchs der „Macher“, der „Checker“ und der, ohne den nichts läuft) – 4 Punkte.

Bewertung vom 28.01.2020
Totenstille
Dean, Will

Totenstille


gut

20 Jahre ist es her, dass in der Schwedischen Einöde mehrere Morde verübt wurden. Sie wurden dem „Medusa-Killer“ angelastet. Ist er zurück? Denn innerhalb kurzer Zeit passieren neue Morde. Wie jeder, der journalistisch tätig ist, hofft die Reporterin Tuva Moodyson, einen Scoop (also eine exklusive Top-Geschichte) landen zu können. Schließlich ist sie keine Feld-Wald-und Wiesenjournalistin, sondern nur wegen ihrer todkranken Mutter wieder aus London zurück nach Schweden gezogen.
Und so recherchiert sie für das wöchentlich erscheinende Lokalblatt und macht sich nach und nach fast jeden zum Feind, denn die Gegend ist wirtschaftlich stark vom Tourismus abhängig. Dazu trifft sie auf einiges, von dem sie wohl nie zu träumen gewagt hätte: verschrobene Einsiedler, komische Kauze und – mein persönlicher Ekel-Favorit: zwei kunsthandwerkende Schwestern, die in ihren Holztrollen nicht nur heimische Hölzer, sondern auch echte Haare, heimische Zähne (vom örtlichen Zahnarzt) und heimische Finger- und Zehennägel verarbeiten. Die Beschreibung des Autors der Eigenarten der Einheimischen nimmt sehr viel Platz im Buch ein – vielleicht, weil der Autor selbst keiner ist, er ist gebürtiger Engländer. Aber mit der Zeit beginnt die Geschichte eintönig zu werden: Tuva recherchiert – ihre Hörgeräte werden nass. Tuva recherchiert – die Batterien ihrer Hörgeräte sind leer, die Hörgeräte piepsen. Immer wieder. Ja, vermutlich realistische Szenen aus dem Leben einer Person mit Hörgeräten, aber das so zum roten Faden eines Krimis zu machen, fand ich dann doch etwas nervig.
An sich war das Buch nicht schlecht. Aber auch nicht gut. Irgendwie eine Achterbahnfahrt aus Spannung, Langeweile, Ekel, Grusel, Langatmigkeit und dazwischen immer wieder Tuvas eigene Probleme. Der Verlust ihres Vaters vor Jahren hat ihre Familie praktisch zerstört, die Presse spielte dabei eine unehrenhafte Rolle, jetzt ist ihre Mutter todkrank und sie schwankt zwischen der Pflicht, sie zu besuchen und der Willkommenheit von Ausreden, es nicht tun zu müssen. Dazu hat Tuva panische Angst vor dem Wald, die sie während ihrer Recherche fortlaufend bekämpfen überwinden muss.
Insgesamt war mir in dem ganzen Buch kein einziger Charakter sympathisch, die meisten fand ich sogar eher unsympathisch. Vor allem Tuva konnte bei mir ganz selten punkten. Sie kommt eher oberflächlich rüber, oft bildet sie ihre Urteile sehr vorschnell („„Afrika gehört mein Herz“, sagt er mit so viel Arschlochprahlerei, wie er aufbringen kann“ – überhaupt ist „Arsch“ ein Wort, dass sie sehr häufig gebraucht).
Wieso die zurückliegenden Morde „Medusa-Morde“ hießen, weiß ich nicht wirklich. Medusa ist die Gestalt der griechischen Mythologie, die durch ihre Schlangenhaare bekannt ist, nicht durch fehlende Augen oder ähnliches (dass sie „glühende Augen“ hatte, hat mit den Morden auch nicht wirklich was zu tun, denn den Opfern wurden die Augen entfernt). Und nicht nur da fehlt mir in dem Roman die Logik. Der deutsche Titel „Totenstille“ ist sehr gut gewählt, besser als der Originaltitel „Dark Pines“ (dunkle Kiefern). Die Stille im Wald, durchbrochen von typischen Geräuschen wie Knacken oder Rascheln, aber auch Schüssen und Tier-Geräuschen, ist nicht nur für Tuva bedrückend, sondern gibt dem ganzen Buch einen sehr düsteren Anstrich.
Gegen Ende wird der Krimi dann noch spannend und konnte mich auf den letzten gut 40 Seiten dann auch noch fesseln, überzeugen oder gar begeistern konnte er mich dennoch nicht. Und auch der Schluss und die Auflösung fand ich eher flach und psychologisch sehr an den Haaren herbeigezogen. Die Idee war gut, der Schauplatz ganz hervorragend gewählt, sprachlich war das Buch gut zu lesen, es ist gut übersetzt, aber in einem Großteil der Geschichte fehlte die Spannung. In Erinnerung werden mir von diesem Buch nur wenige Dinge bleiben: Hörgeräte können ihren Trägern wirklich große Probleme machen können und die Einheimischen in der Schwedischen Einöde sind seltsam. Das Buch ist auf jeden Fall keine Werbu