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Leseratte
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Frankfurt

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Insgesamt 132 Bewertungen
Bewertung vom 05.11.2023
Nightbitch
Yoder, Rachel

Nightbitch


ausgezeichnet

Mit ihrem Buch „Nightbitch“ nimmt uns Rachel Yoder mit auf eine seltsame und bizarre Reise. Die am Anfang namenlose Hauptfigur ist eigentlich Künstlerin. Nach der Geburt ihres Sohnes sitzt sie zuhause und langweilt sich, während ihr Mann permanent auf Geschäftsreise ist. Die Tage mit dem Kleinkind sind ermüdend und anstrengend, ebenso wie die Beziehung zu den anderen Müttern. In dieser Situation erlebt die Hauptfigur eine beunruhigende Verwandlung. Sie verwandelt sich in einen Hund. Das schließt die Freude am Jagen und am Töten von Tieren mit ein. Es dauert nicht lange und die Mutter wird zur Nightbitch, einem mächtigen, Wesen, das zwischen Mensch, Tier und Göttin changiert.

Die Autorin schafft es meisterlich, die Lage der Frau zu beschreiben und den / die Leser*in in die Gedankenwelt der Protagonistin mit einzubeziehen. Die Treffen mit anderen Muttis, die ein Faible für Kräuterverkäufe und Vorlesenachmittage in der Bibliothek haben, befremden sie. Yoder schildert diese Begegnungen sehr treffend und mit bitterem Humor. Auch der Leser fühlt sich von den teilweise undurchsichtigen Aktivitäten dieser Mütter befremdet, Horror- und Splatterelemente verstärken die surreale Atmosphäre und die Irritation.

Yoder stellt in ihrem Buch die Frage nach der Bedeutung von Mutterschaft und inwieweit es für Frauen mit Kindern möglich ist, sich selbst zu verwirklichen. Dabei thematisiert sie auch Gefühle wie Liebe und Aggression. Yoder zeigt auf, wie beide Elemente zusammenhängen können und auch in der Beziehung zum eigenen Kind präsent sein können. Durch ihre Verwandlung in einen Hund kann Nightbitch ihre aggressiven Tendenzen zum Ausdruck bringen, was zu einer intensiven Auseinandersetzung mit den eigenen Gefühlen und letztendlich zu einer Verbesserung im Verhältnis zu ihrem Sohn führt. Am Ende findet Nightbitch eine Möglichkeit ihre „tierische“ Natur positiv für ihr Leben zu nutzen.

Der Stil ist locker und unterhaltsam, die Charaktere sind sehr gut beschrieben und ich konnte mich - teilweise - sehr gut mit ihnen verbinden.

Nightbitch ist ein faszinierendes provokantes Buch. Die Mischung aus Humor, Horror und Surrealem in Verbindung mit der Thematisierung von Mutterschaft, Liebe, Aggression und der Stellung der Frau in der Gesellschaft macht das Buch zu einem wirklich eindrucksvollen Lesererlebnis.

Bewertung vom 26.10.2023
Die Erfindung des Lächelns
Hillenbrand, Tom

Die Erfindung des Lächelns


ausgezeichnet

In seinem Buch „Die Erfindung des Lächelns“ entführt uns Tom Hillenbrand in das Paris des frühen 20. Jahrhunderts. Ausgangspunkt ist seiner Geschichte ist die (wahre) Geschichte vom Raub der Mona Lisa aus dem Louvre. Vor diesem Hintergrund entrollt Hillenbrand ein breites Panorama an Figuren und Handlungssträngen, Picasso, Apollinaire, Aleister Crowley und Isabella Duncan spielen eine wichtige Rolle und mittendrin Commissaire Lenoir auf der Suche nach dem Bild.

Tatsächlich war für mich die Kriminalgeschichte und die Aufklärung des Falls nur zweitrangig – auch, weil ich (dummerweise) nach dem Raub der Mona Lisa gegoogelt hatte und deshalb wusste, wer der Dieb war. Das hat mein Lesevergnügen aber in keinster Weise beeinträchtigt. Vor allem hat mich beeindruckt, wie der Autor es schaffft, die Atmosphäre des damaligen Paris einzufangen. So zeichnet er ein lebendiges Bild der Epoche und der Stadt, die damals der Hauptanziehungspunkt für Künstler*innen aus aller Welt war.

Die Charaktere sind überzeugend und originell ausgearbeitet. So verliert der / die Leser*in trotz der Fülle der auftretenden Charaktere nie den Überblick und liest gefesselt weiter, weil man wissen will, wie sich die vielen verschiedenen Personen und Stränge dann einmal verbinden.

Der Stil des Autors ist sehr angenehm und obwohl die Geschichte sich über mehr als 500 Seiten erstreckt, kommt bei der Lektüre keine Langeweile auf. Man merkt dem Buch an, wieviel Recherche und Fachwissen der Autor in sein Buch gesteckt hat. Diese Authentizität spürt man und sie trägt für mich ebenfalls zum Lesevergnügen bei.

Fazit: Eine klare Leseempfehlung für Kunst- und Kulturgeschichte, die sich auf eine spannende Spurensuche begeben und sich auf eine komplexe Geschichte einlassen möchten.

Bewertung vom 25.10.2023
Um 1500
Schmitz-Esser, Romedio

Um 1500


ausgezeichnet

In dem Buch „Um 1500 -Europa zur Zeit Albrecht Dürers“ nimmt uns der Autor Romedio Schmitz-Esser mit auf eine Zeitreise in die Vergangenheit. Zu erst einmal fällt die hochwertige Gestaltung des Buchs auf. Es ist ein echtes Schwergewicht, das durch sein festes, glattes Papier einen sehr hochwertigen Eindruck macht. Die wunderschönen farbigen Illustrationen laden – allesamt Werke Albrecht Dürers, die den einzelnen Kapiteln vorangestellt sind, laden zum Staunen ein und begeistern durch ihre hohe künstlerische Qualität.
Das Buch ist in insgesamt 50 Kapitel unterteilt, die allesamt einen Aspekt des Lebens der Zeit um 1500 behandeln. Wir erfahren eine Menge über Dürers Leben, aber auch sehr viel über die jene Zeit. Das beginnt bei ganz kleinen Dingen – Haushalt, Ernährung, Essen – erstreckt sich über Religion, Politik, Philosophie sowie das Verhältnis der Menschen zu Geburt, Leben, Alter und Tod.
Naturgemäß kann der Autor bei der Breite der behandelten Themen nicht bei jedem Bereich in die Tiefe gehen, sondern gibt einen groben Überblick über den Sachverhalt. So bleiben einige Fragen offen und oft haben sich mir die Zusammenhänge nicht ganz erschlossen, weil ich den Eindruck hatte, dass der Autor eine Menge Wissen voraussetzt. Einige Abschnitte habe ich mit größerem Interesse gelesen als andere, was aber bei der Vielfalt der Themen ganz normal ist. In der Gesamtheit hat mir das Buch einen sehr guten Eindruck vom Künstler Dürer, seinem Leben sowie seiner Zeit vermittelt. Ich habe es mit großem Gewinn gelesen und kann es Kunst- und Geschichtsinteressierten wärmstens empfehlen.

Bewertung vom 25.10.2023
Schwaben. Meine kulinarische Heimat
Mangold, Matthias

Schwaben. Meine kulinarische Heimat


ausgezeichnet

In dem Buch „Schwaben – Meine kulinarische Heimat“ stellt der Autor Matthias F. Mangold die reiche kulinarische Tradition der schwäbischen Küche vor. Die Mischung aus stimmungsvollen Fotos, bewährten Rezepten, gut beschriebenen Zubereitungsarten und interessanten Hintergrundgeschichten zu den Gerichten und Gastronomen, Winzern und Produzenten ist absolut gelungen. So ist das Buch ein Muss für Fans der schwäbischen Küche und Gourmets, die es noch werden möchten.
Die Auswahl der Rezepte ist vielfältig. Egal, ob deftige Hauptgerichte wie Maultaschen, süße Leckereien wie Ofenschlupfer, leckere Vorspeisen wie Flädlesuppe oder ein schmackhafter Zwiebelkuchen – hier ist alles versammelt, was die schwäbische Küche ausmacht. Die Rezepte sind gut beschreiben und machen Lust darauf, sofort mit dem Kochen loszulegen. Auch weniger erfahrene Köch*innen werden keine Probleme bei der Umsetzung haben. Obwohl viele Gerichte fleischhaltig sind, gibt es doch auch einige vegetarische Speisen, was mir sehr gut gefällt.
Besonders beeindruckt haben mich die schönen Fotos, die die Atmosphäre von Land und Leuten perfekt einfangen. Die interessanten Geschichten, die die Rezepte und die Fotos begleiten, verleihen dem Buch eine persönliche Note und lassen den / die Leser*in noch tiefer in die schwäbische Küchentradition eintauchen.
Sehr positiv zu vermerken ist, dass alle Rezepte ohne komplizierte und schwer zu beschaffende Zutaten auskommen. Die meisten Zutaten sind in jedem Supermarkt erhältlich. Zusätzlich sind Bezugsadressen und Kontaktdaten zu den einzelnen Erzeugern aufgeführt. So kann ich auch außerhalb Schwabens an die berühmten Alblinsen oder die echten Maultaschen kommen.
Fazit: Das Buch ist ein echtes Highlight. Ein praxistaugliches Kochbuch, das gleichzeitig zum Schmökern und Betrachten der schönen Fotos einlädt.

Bewertung vom 11.10.2023
Lichtspiel
Kehlmann, Daniel

Lichtspiel


ausgezeichnet

Daniel Kehlmann legt mit „Lichtspiel“ einen fast 500 Seiten langen Roman über Georg Wilhelm Pabst vor. Pabst gehörte zusammen mit F.W. Murnau und Fritz Lang zu den berühmtesten Regisseuren der Weimarer Republik, wir verdanken ihm Klassiker wie „Die freudlose Gasse“ mit Greta Garbo. In Amerika konnte er nicht an seine alten Erfolge anknüpfen, sein Hollywood-Film floppt. Als er aus privaten Gründen nach Österreich reist, bricht der Zweite Weltkrieg aus, Pabst fehlt es an Energie, um die mühevolle Rückkehr zu organisieren und so bleibt er. Mehr und mehr gerät er in die Fänge der Nazis und arrangiert sich mit ihnen. Entgegen seiner eigentlichen Überzeugung beginnt er, Filme zu drehen, weil er glaubt, die Situation beherrschen zu können.
Kehlmann spricht in seinem Buch die wichtige Frage nach der Moral und dem Gewissen an. Kann man in finsteren Zeiten seine Integrität bewahren und ist es möglich, Charakter zu zeigen innerhalb eines menschenverachtenden Regimes?
Neben diesen philosophischen Fragen bietet der Roman auch einen guten Einblick in die Filmindustrie. Ich habe mich gefreut, von Filmgrößen wie Greta Garbo und Louise Brooks, aber auch von Peter Alexander oder Heinz Rühmann zu lesen. Man merkt dem Roman an, wie intensiv der Autor recherchiert hat, man erfährt auch eine Menge Interessantes über Filmtechnik und das Handwerk des Filmemachens. Das alles macht den Roman für mich zu einem äußerst spannenden und intensiven Leseerlebnis.

Bewertung vom 11.10.2023
Südstern
Staffel, Tim

Südstern


ausgezeichnet

„Südstern“ ist ein höchst aktueller Großstadtroman, der in Berlin spielt. Der Autor wirft einen schonungslosen Blick auf das Leben in der Metropole, in der die meisten Menschen ihr Dasein nur durch Drogenkonsum zu ertragen scheinen. Vielleicht wirkt das aber nur so auf den / die Leser*in, denn eine der beiden Zentralfiguren ist Vanessa, die ihr Geld u.a. als Apothekenkurier verdient. Dadurch ist sie konfrontiert mit allen möglichen Menschen, die sie - illegal - mit Psychopharmaka versorgt, damit diese weiterhin am Rande der permanenten Überforderung „funktionieren“ können. Permanent überfordert ist auch Deniz. Als Streifenpolizist ist er ebenfalls mit allen möglichen Widrigkeiten und Menschen am Rande der Gesellschaft konfrontiert. Um etwas Geld dazu zu verdienen, fährt er Doppel- und Dreifachschichten und pflegt in seiner knapp bemessenen Freizeit seinen an Parkison erkrankten Vater. Vanessa und Deniz begegnen sich und zwischen beiden entspannt sich eine zarte Liebesgeschichte.

Der Roman ist in einem temporeichen Stil aus den Blickwinkeln von Vanessa und Deniz geschrieben. Er verzichtet weitestgehend auf Absätze, Anführungszeichen und ähnliche den Text gliedernde Elemente. So wirkt er auf den ersten Blick etwas abschreckend und man fragt sich, wie man durch diese Textwüste wohl durchsteigen soll. Aber schon nach ein paar Seiten entwickelt der Roman einen ungewöhnlichen Sog, was auch an der intensiven, rhythmischen Sprache des Autors liegt. Die beiden Hauptfiguren wirken absolut authentisch und ich konnte mich sehr gut mit ihnen identifizieren. Vor allem Deniz ist mir im Laufe der Lektüre sehr ans Herz gewachsen.

Im Laufe der Geschichte werden verschiedene Probleme unserer Zeit angesprochen: Häusliche Gewalt, Pflegenotstand, Drogenkonsum, prekäre Lebensumstände. Inmitten dieser Tristesse gibt es kleine hoffnungsvolle Elemente, beispielsweise die aufkeimende Liebe zwischen Deniz und Vanessa. In die Geschichte eingewoben sind einige märchenhaft-magische Elemente, mit denen der Roman einen Gegenpol zur knallharten Realität setzt.

Ich habe den Roman bis zur letzten Seite von der ersten bis zur letzten Seite mit größtem Interesse gelesen. Er schildert auf eindrucksvolle und dichte Weise die aktuelle Realität und wird bei mir noch lange nachhallen.

Bewertung vom 08.10.2023
Psyche und Eros
McNamara, Luna

Psyche und Eros


ausgezeichnet

Mit ihrem Buch „Psyche und Eros“ entführt uns Luna McNamara in die antike Welt. Eros, der Gott der Liebe, verliebt sich in Psyche, die Tochter des Königs von Mykene. Diese Liebe ist jedoch durch einen Fluch belastet, denn wenn die beiden einander im hellen Tageslicht begegnen sollten, würden sie für immer voneinander getrennt werden.

Diese reizende Geschichte erzählt die Autorin immer abwechselnd aus Psyches und Eros Perspektive. Wir erfahren eine Menge über Psyches Leben am mykenischen Königshof sowie Eros Vorgeschichte. Als die beiden schließlich zusammentreffen, scheint das Glück perfekt, wenn da nicht der Fluch wäre. Irgendwann wird Psyches Neugier, ihren Geliebten von Angesicht zu Angesicht zu sehen, zu groß...

McNamaras Neuerzählung verleiht den Figuren einen modernen Touch. Bei ihr sind die mythologischen Figuren Menschen aus Fleisch und Blut, sie schafft es ausgezeichnet, Eros und Psyche Leben einzuhauchen und den / die Leser*in in die antike Welt eintauchen zu lassen. Neben Eros und Psyche treten noch viele andere Figuren aus der Mythologie auf und es war für mich ein großes Vergnügen, Iphigenie, Achill oder Helena zu begegnen. Im Laufe der Lektüre wird deutlich, wie intensiv die Autorin sich mit der griechischen Mythologie befasst hat und dass sie über ein umfassendes Fachwissen verfügt. Dabei ist es durchaus legitim, einige Kleinigkeiten zu ändern und umzudeuten.

Fazit: Das Buch war für mich ein großes Lesevergnügen und bietet spannende Unterhaltung mit märchenhaften Elementen und griechischem Flair.

Bewertung vom 28.09.2023
Die weite Wildnis
Groff, Lauren

Die weite Wildnis


ausgezeichnet

„Die weite Wildnis“ entführt den Leser nach Nordamerika in die Zeit der ersten Siedler. Im Zentrum der Handlung steht ein namenloses Mädchen, das nach einem schrecklichen Erlebnis aus ihrer Siedlung in die Wälder flieht. Sehr eindrucksvoll schildert die Autorin den Überlebenskampf des Mädchens inmitten einer unwirtlichen Natur, ihre Anstrengungen, der unmenschliche Kälte, dem beißenden Hunger und den übermächtigen Schmerzen zu trotzen. In Rückblenden wird die Vorgeschichte geschildert und erst langsam entrollt sich das Drama, das sich in der Siedlung abgespielt hat.
Besonders bemerkenswert ist die Sprache der Autorin. Sie wirkt archaisch, manchmal fast biblisch, was dem Buch eine authentische Atmosphäre verleiht. Dabei gelingen der Autorin eindrucksvolle Beschreibungen der elenden Lebensbedingungen der frühen Siedler sowie des Leids, dem eine Frau in jener Zeit ausgesetzt war. Mich haben vor allem die wunderbaren, eindrücklichen und bildhaften Naturbeschreibungen beeindruckt, man spürt die Kälte, riecht den Duft des Waldes, schmeckt das Wasser, sieht die mit Eis überzogenen Bäume und fürchtet sich mit dem Mädchen vor den unnennbaren Schrecken sowie den ganz realen Bären und Wölfen. Im Laufe ihrer Flucht macht die Protagonistin eine eindrucksvolle Entwicklung durch und beginnt, ihr bisheriges Leben und die Werte, die ihr beigebracht wurden, infrage zu stellen. Dabei geht es auch um die Stellung des Menschen und sein Verhältnis zu Gott und der Natur. Schließlich trifft sie eine folgenschwere Entscheidung.
Das Buch ist eines der stärksten, das ich in diesem Jahr gelesen habe. Die Mischung aus Abenteuergeschichte, historischem Roman und persönlichem Entwicklungsroman sowie die poetische, starke Sprache der Autorin haben mich sehr beeindruckt. Eine ganz klare Leseempfehlung.

Bewertung vom 19.09.2023
Picassos Friseur
Czernin, Monika;Müller, Melissa

Picassos Friseur


ausgezeichnet

Bei dem Buch „Picassos Friseur – Die Geschichte einer Freundschaft“ handelt es sich um eine Neuauflage des bereits im Jahr 2001 erschienen Buchs. Hierin erzählen die Autorinnen Monika Czernin und Melissa Müller von zwei Männern, dem weltberühmten Maler Pablo Picasso und seinem Friseur und Freund Eugenio Arias. In vielen Gesprächen hat Arias den beiden Autorinnen Einblicke in seine Freundschaft zu Picasso und ihrer beiden Leben gewährt. Arias ist 2008 verstorben und hat also die Neuauflage des Buchs nicht mehr erleben dürfen.

Die Autorinnen beginnen ihr Buch mit der Schilderung der Kindheit und Jugend der beiden Männer. Die Freundschaft zwischen den beiden auf den ersten Blick so ungleichen Männer begann im Jahr 1947 und währte bis zu Picassos Tod im Jahr 1973. Der spanische Bürgerkrieg nimmt eine wichtige Rolle im Leben der beiden Männer und innerhalb des Buchs ein und die Autorinnen verstehen es ausgezeichnet, die historischen Fakten in ihre Erzählung einzubinden, sodass der / die Leser*in einen guten Einblick in diese dunkle Zeit erhalten. Sie machen auch klar, wie sich Picasso und Arias als Franco-Gegner und Antifaschisten den Herausforderungen dieser Zeit stellten.

Arias hat ein gutes Gedächtnis und das Buch lebt von seinen Erzählungen und den interessanten Anekdoten. Darüber hinaus haben die Autorinnen aber auch sehr gründlich recherchiert und ein umfangreiches Literaturverzeichnis ergänzt das Buch, ebenso wie zahlreiche Illustrationen und Fotografien, die Picasso als Privatmensch zeigen.

„Picasso und sein Friseur“ ist für mich Künstlerbiographie und gleichzeitig Zeugnis für eine wunderschöne, von Achtung, Respekt und Vertrauen geprägte Männerfreundschaft. Sie schildert den Menschen Picasso, den wir als weltberühmtes Künstlergenie, aber auch als unsympathischen Macho mit enormem Frauenverschleiß kennen, als großzügigen und treuen Freund – ein neuer Blickwinkel, mit dem die Autorinnen dem Bild Picassos eine interessante Facette hinzufügen.

Bewertung vom 12.09.2023
Zeiten der Langeweile
Becker, Jenifer

Zeiten der Langeweile


sehr gut

„Zeiten der Langeweile“ ist ein flüssig geschriebener, flotter Roman, der sich mit der Welt der digitalen Welt und den Auswirkungen auf das Leben der Menschen auseinandersetzt. Die in Berlin lebende Protagonistin Mila nimmt sich eine Auszeit, indem sie alle Verbindungen zur digitalen Welt und zu den sozialen Medien kappt, weil sie plötzlich Angst vor der öffentlichen Sichtbarkeit und dem Gecancelt-Werden verspürt. Schon bald merkt sie, dass sie vereinsamt und dass ihre Freundschaften auseinanderbrechen. Aber immer stärker und paranoider wird ihr Drang, aus der (digitalen) Welt zu verschwinden.
Die Autorin versteht es sehr gut, Milas psychische Belastung von Mila und zeichnet ihren sozialen Abstieg, ihre Isolation und ihre sich ständig verstärkende Paranoia nach. Die Lektüre des Buchs hat mich über den Einfluss und die Auswirkungen der sozialen Medien auf unser tägliches Leben nachzudenken. Es zeigt die Gefahren der digitalen Abhängigkeit auf, schildert aber auch, wie unverzichtbar das Internet und die sozialen Medien im Alltag sind und welche Folgen es hat, wenn man sich aus allem ausklinkt.
Der Schreibstil der Autorin ist angenehm, sie schreibt atmosphärisch und kenntnisreich über ein bestimmtes akademisches, großstädtisches Milieu, die Menschen und ihren Lebensstil. So habe ich den Roman mit großem Interesse gelesen und kann ihn weiterempfehlen.