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Juti
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Bewertungen

Insgesamt 664 Bewertungen
Bewertung vom 30.07.2024
Magellan
Zweig, Stefan

Magellan


sehr gut

Heldenverehrung

Die Biografie, die Zweig in seiner kunstvollen Art in den 30er Jahren schrieb, leidet unter einem seltsamen Mangel: Er, der seit Beginn stets Abstand vom Führer nahm, zeichnet Magellan als demokratischen Helden, der er nie war.

Mag ja sein, dass nach der Ankunft der „Victoria“, des letzten Schiffes seiner Armada,Magellan nicht die verdienten Lorbeeren erntete, weil er bereits auf einer kleinen philippinischen Insel sein Leben in einer Strafexpedition verlor – ein Umstand, der wohl kaum zum Demokraten passt.

Dass letztlich ein erster Meuterer als Kapitän den Heimathafen erreicht und den Ruhm erntet, mag anfangs so gewesen sein, doch auch Zweig hat schon erkannt, dass die Ehre nur von kurzer Dauer ist, weil Pigafetta den wohl wichtigsten Reisebericht schrieb, der erst Ende des 18. Jahrhunderts in verkürzter Form in Mailand wieder entdeckt wurde. Er steht treu und fest auf Seiten Magellans.

Nichtsdestoweniger beschreibt der Autor alle Probleme der Reise treffend: Erst die Zeitverschwendung am Rio de Plata – wie wir ihn heute nennen, wo Magellan die Durchfahrt in den Pazifik vermutete, dann die Überwinterung weiter südlich in die Pampa, das Finden der Magellan mit dem Desertieren des wichtigsten Lebensmittelschiff. Auf dem Pazifik, dessen Breite er unterschätzte herrschte deswegen an Bord Hunger und Elend. Dann die Auseinandersetzungen mit den falsch verstandenen Sitten der Einheimischen, der Falle eines Königs, das Ende der „Trinidad“ – Magellans Schiff auf den Molukken und schließlich das heimsegeln der „Victoria“ an den Portugiesen vorbei mit der Flucht von den Kapverdischen Inseln.
So kommen im Heimathafen Sevilla letlich von ursprünglich etwa 250 Männern gerade einmal 18 zurück.

Gerade Stefan Zweigs sprachliches Können macht dieses Werk zu einem Genuss – 4 Sterne.

Bewertung vom 26.07.2024
Magellan
Jostmann, Christian

Magellan


sehr gut

feine Biografie

Eigentlich erst im letzten Kapitel, was eigentlich ein Nachwort ist, wurde mir klar, warum es diese Biografie gibt: Nach dem Tod des Helden lebt er weiter in der Literatur.

Und wenn nicht um 1800 in Mailand eine Abschrift des Tagebuchs von Pigafetta gefunden worden wäre, dann wäre Magellan längst vergessen. Mit dieser Abschrift hatte Magellan mit Humboldt einen so großen Fürsprecher, dass selbst die beiden Sternennebel der Südhalbkugel nach ihm benannt sind, obwohl er kein Astronom war.

Ist Pigafetta nicht der eigentliche Held dieser Reise? Er hat alles aufgezeichnet, wurde nie krank und gehörte zu den wenigen Überlebenden, die nach Europa heimkehrten.


Wer sich fragt, warum nach Stefan Zweig es noch ein Magellan-Biografie geben muss, der wird belehrt, dass Magellan doch einen sehr autoritären Führrungsstil hatte und es mit den Strafexpeditionen übertrieben hat, so dass sein Tod auf den Philippinen verständlich erscheint. Aus heutiger Sicht eignet er sich nicht mehr uneingeschränkt als Held. Zweigs Sprache wird aber nicht erreicht, so dass das Buch sich mit 4 Sternen begnügen muss.

Zitat: [Ein schönes Mädchen sah] einen Nagel, länger als ihr Finger. Den nahm sie mit großer Vornehmheit und Anmut an sich, schob ihn zwischen die Lippen ihres Geschlechts und verschwand plötzlich, wobei sie sich ganz klein machte. (170)

Bewertung vom 24.07.2024
KUNTH Bücherorte
Lipps, Susanne

KUNTH Bücherorte


sehr gut

Danke UNESCO

Man mag es kaum glauben, aber weil man geliebtes Heidelberg der UNESCO-Welterbetitel ungerechterweise verwehrt blieb, hat die Stadt als Konzessionsentscheidung frisch aus dem Kölner Keller als erste in Deutschland den Titel der Literaturstadt von der UNESCO bekommen.

Als Dank wird die Perle des Neckartals gleich an dritter Stelle aufgeführt. Ich habe die Unesco-Liste nicht mit dem Inhaltsverzeichnis verglichen. Sie könnte sehr ähnlich sein.

Als Reiseführer eignet sich der Band nicht, dafür sind die Orte zu verstreut. Der zweite Abschnitt "Wo die wilden Bücher wohnen" behandelt dann eher die großen Metropolen - gut auch Görlitz.

Wenn schon nicht als Reiseführer, dann darf sich die Leserin über schöne Fotos freuen und der Leser erfährt über einige Nobelpreisträger - gut auch Harry Potter - noch ein paar Zeilen, wobei Heine in den Harz zu verorten doch ein bisschen zu kurz kommt. Aber noch länger, dann könnte diesen Ziegelstein ja keiner mehr tragen. 4 Sterne

Bewertung vom 22.07.2024
Tag der Befreiung
Saunders, George

Tag der Befreiung


weniger gut

Unverständlich

„Denis Scheck erklärt George Saunders“ könnte ein Buchtitel lauten. Ich hatte nämlich das große Glück in der Sendung „lesenswert“ seine Erklärung zur Titelgeschichte zu hören und konnte diese – mit Abstand längste – Kurzgeschichte dann auch verstehen.

Sonst ist mir kein Ende der Geschehnisse in Erinnerung geblieben. Es fängt immer ganz nett an, biegt dann ins Dystopische ab und endet unverständlich.


Der Autor soll Dozent für kreatives Schreiben sein. Wir wollen alle hoffen, dass er nicht zu viele Schüler hat, sonst wird die zukünftige Literatur harte Kost. Dank Denis Scheck habe ich bis zum Ende durchgehalten und nur deswegen gibt es 2 Sterne. Scheck selbst sieht Saunders als eine Art Nachfolger von David Forster Wallace. Ich nicht. Wallace schrieb verständlich.

Bewertung vom 18.07.2024
Zeit, sich aus dem Staub zu machen
Petkovic, Andrea

Zeit, sich aus dem Staub zu machen


sehr gut

Einblicke hinterm Platz

Was passiert eigentlich, wenn die Tennisspielerin auf ihr Match wartet. Sie schaut in der Kabine auf dem Monitor sich die vorherigen Partien an.

Und wie bereitet sie sich vor? 50 Prozent ist Psychologie. Gegen Serena Williams versuchte Petkovic nicht aufzufallen. Gelang nicht ganz.

Der Anfang des Buches erinnert an den Corona-Wahnsinn. In der Quarantäne vor den Australian Open muss sie mit ihrem Partner sogar das Klo selbst reparieren.

Und dann das Altern, das im Leistungssport schon mit Ende 20 beginnt. Nicht zu vergessen sind auch die Menstruationsbeschwerden, die die Autorin freimütig in ihrer Badewanne beschreibt.

Das alles war ziemlich spannend. Weniger interessant waren aber die endlosen Gespräche mit ihren Freundinnen und Freunden. Deswegen nur 4 Sterne. Auch der Verlag sollte überlegen, ob das Kapitel September II nicht als September 11 gelesen werden kann.

Bewertung vom 13.07.2024
Lichtenstein.
Hauff, Wilhelm

Lichtenstein.


weniger gut

erster Heimatroman

Wenn wir dem Autor etwas zugutehalten wollen, dann hat er mit diesem Werk ein neues Genre erschaffen: den Heimatrom.

Doch erfüllt diese Geschichte genau den Kitsch, den wir mit diesem Genre verbinden: eine Liebe mit Hindernissen und kriegerische Kämpfe.

Das einzige, was man aus diesem Buch ist die Geschichte des Schwabenlandes um 1520. Ich hoffe, dass dies nicht fiktiv, die Geografie scheint nämlich zu stimmen. 2 Sterne

Bewertung vom 12.07.2024
Die Heidelberger Bergbahnen - Stationen der Romantik

Die Heidelberger Bergbahnen - Stationen der Romantik


ausgezeichnet

Lobenswerter Überblick

Was erwartest du von einem Buch über Bergbahnen:
die Technik, die Geschichte und die Umgebung.
All das bietet dieses Buch, ja es bietet sogar Gedichte über Heidelberg.

Auf S.79 findet sich der Aussichtsturm auf dem Königsstuhl, der bis 1960 die Touristen anzog und dann über Nacht abgerissen wurde.

Über Nacht ist ein gutes Stichwort: Wegen der Katasstrophe in Kaprun am 11.11. 2000 in Österreich galt die Heidelberger Bergbahn über Nacht als nicht mehr sicher. Millionen mussten investiert werden, um den neuen Sicherheitsstandards zu genügen.


Wie gesagt: Ein Buch, in dem nichts fehlt. Also 5 Sterne

Bewertung vom 28.06.2024
LONELY PLANET Bildband Legendäre Zugreisen
Planet, Lonely

LONELY PLANET Bildband Legendäre Zugreisen


sehr gut

Ideen für die Ewigkeit

Bei 3sat gibt es die Serie „Legendäre Zugabenteuer“ und hier ist das passende Buch dazu. 3sat hat nur 6 Folgen, hier findest du 60 Reisen, vom Geheimtipp bis zum Klassiker wie die Transsibirische Eisenbahn. Aber auch die Baikal- Amur Bahn fehlt nicht.

Ich träume – und werde es hoffentlich nochmal machen – einmal mit dem Toytrain nach Darjeling zu fahren. Aber auch in Südindien kannst du mit einem Dampfzug in die Berge reisen.


Als Reiseführer ist das Buch zu schwer, Bildband ist der passende Ausdruck, etwa die Zugfahrt durch Peru mit der Bahn mit dem größten Höhenunterschieden wirkt verführerisch. Aber praktische Tipps, wie bei Lonely Planet sonst üblich, bietet dieses Buch kaum – etwa möchte man doch wissen, wo sich aussteigen lohnt. Dafür musst du wohl in das Buch des jeweiligen Landes schauen. Dennoch 4 Sterne

Bewertung vom 27.06.2024
Männer töten
Reisinger, Eva

Männer töten


sehr gut

Auf nach Engelhartskirchen

Mir gefällt es, wenn das Thema Gewalt gegen Frauen satirisch überspitzt wird und alle Männer in einem oberösterreichischen Dorf, die Frauen Gewalt angetan haben, getötet werden. Mir gefällt, dass sogar der katholische Pfarrer nicht ausgespart wird und mit Helga eine Frau das Pfarramt übernimmt. So bekommt die Kirche gleich noch eins mit ausgewischt.

Auch die Auflösung des Ganzen erscheint mir gelungen, wird hier aber nicht gespoilert.

Einen Stern muss ich dennoch abziehen, weil ich gewissen Längen im Buch verspürt habe und nicht so gepackt war, wie für 5 Sterne nötig gewesen wäre. Also 4 Sterne.

Zitat: Sie war bereit gewesen, alles zu geben und kein Leben zu haben. Ihre Karriere, falls das so genannt werden konnte, war seither wie ein Vibrator, der jedes Mal kurz vor dem Orgasmus ausging und nie neue Batterien zu Hause waren. (44)

Bewertung vom 24.06.2024
Nichts tun
Odell, Jenny

Nichts tun


schlecht

Einfach zu lang

Der Titel ist schon Botschaft genug. Aber ja, die ersten Seiten habe ich gerne gelesen. Dass „Nichts tun“ neue Ideen bringt und die Aufmerksamkeit schärft. Ich hörte es gerne, als der Vater seine Arbeit in jungen Jahren einfach niederlegte.

Doch mit der Zeit merkte ich, dass es dem Buch an neuen Ideen mangelte. Ferner störte mich, dass ich weder den Rosengarten kannte, in dem die Autorin die meiste Zeit ihres Nichts tuns verbrachte, noch die im Buch genannte Künstler kannte.

Die einzige Ausnahme ist John Cage, der der Komponist des berühmten über 600 Jahre dauernden Werks in Halberstadt ist. Im Buch wird ein Klavierstück von ihm beschrieben, bei dem kein Ton auf dem Klavier gespielt wird, sondern allein auf das Hüsteln, Stühle rücken und andere Geräusche des Publikums geaich nchtet wird. Mein Beifall.


Keine Autorin wird sich wahrscheinlich so gefreut haben, dass ein Leser ihr Buch auf Seite 152 aus den Händen legt und der Maxime des Nichts tun folgt wie Jenny Odell. Und selten zuvor habe ich so ungern nur 1 Stern vergeben wie heute. Aber nach meinen Regeln für abgebrochene Bücher darf es nicht mehr geben. Möge die nächste Bewerterin von mir noch mindestens einen Stern hinzufügen.