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Juti
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HD

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Insgesamt 681 Bewertungen
Bewertung vom 10.09.2024
September
Mattern, Jean

September


sehr gut

Tagebuch des Versagens

Jahrelang steht diese Buch auf meiner Liste der zu lesenden Bücher. Jetzt, im September, habe ich es wegen der Kürze und des großen Drucks an den Badesee mitgenommen.

Diese Novelle behandelt die Olympischen Spiele in Münschen 1972 aus der Sicht eines BBC-Reporters, der sich in den Journalisten Sam einer amerikanischen jüdischen Zeitung verliebt.
Und während er zu Beginn der Spiele sich die Themen aus den Finger saugen muss – der Höhepunkt ist dank Sam das Exclusivinterview mit dem Superschwimmstar Marc Spitz – , wird er am Morgen des 5.Septembers geweckt, weil es im israelischen Haus im olympischen Dorf eine Geiselnahme gegeben hat.

Dank Sam erhält er Exclusivinformationen vom israelischen Geheimdienst. Gerüchte sagten nachher, er war nicht da. Aber es gab wohl zwei Beamten, die vor dem Blutbad in Fürstenfeldbruck jedoch nicht gefragt wurden. Es stellte sich heraus, dass die bayerische Polizei in der Lage völlig überfordert war. Dem BBC-Reporter gelingt es mit einem Beamten zu reden, der berichtet, dass sie eine Lufthansacrew darstellen sollten, die die Geiselnehmer zum Einsteigen in die Boeing verleiten sollten. Da sie aber zu wenige waren und gegen die Terroristen sich chancenlos fühlten, haben sie den Befehl verweigert und sind in den Tower geflüchtet. So entstand auf dem Flugplatz ein Blutbad, bei dem keine Geisel und keiner der Terroristen überlebte.

Trotz des bekannten Ausgangs ist die Geschichte spannend erzählt, einzig ob die Schwulenstory dazu sein musste ist die Frage. Deswegen gibt es von mir nur 4 Sterne.

Bewertung vom 09.09.2024
Leben für Versöhnung
Werner Keller

Leben für Versöhnung


gut

Der Nazi-Gegner in Heidelberg

Geboren wurde Hermann am 5.8.1877, als Sohn eines evangelischen Pfarrers in Gengenbach. Er wuchs in Gernsbach auf und hatte dank der überkonfessionellen Schule schon in dieser Zeit einen jüdischen Freund.

Mehrfach wird die Anekdote erzählt, dass er als Neunjähriger mit seinem Vater die ungeteilte Heiliggeistkirche in Heidelberg erlebte, der Stadt in der er studierte, bis sein Onkel, bei dem er wohnte, nach Mannheim zog und er mitging. Vorher war er in Straßburg, wo er Albert Schweizer kennenlernte, der in später immer wieder in Heidelberg besuchte.
Maas war zunächst Vikar in Rheinbischofsheim, Weingarten, Pforzheim und Lörrach bevor er Dorfpfarrer in Laufen wurde. Der spätere Kriegsgegner ließ sich zu Beginn des Ersten Weltkriegs von der nationalen Kriegsbegeisterung anstecken, bis er 1915 auf die Pfarrstelle in Heidelberg wechselte.

Maas theologische Ansichten werden seitenlang diskutiert. Ellenlang wird aus seinen Aufsätzen in den Süddeutschen Blättern diskutiert, deren Leiter er von 1913 bis 22 war. Maas gehörte zu den liberalen Theologen. Schon früh war er Teilnehmer am Weltkongress, wobei sich seine ersten Teilnahmen aber nicht belegen lassen. Maas riet zwar zur Wahl von Hindenburg als Reichspräsident, weil ihm sein Konkurrent Marx zu katholisch war, aber ihn als Doktor der Theologie auszuzeichnen, hielt er für übertrieben. Maas arbeitete im Weltbund für die Ökumene und setzte sich mit den immer stärker werdenden Vorläufer der Deutschen Christen auseinander.

Nach diesem ersten inhaltlichem Einschub beschäftigt sich die Biografie mit seiner Arbeit als Heidelberger Pfarrer. Er war zuständig für den östlichen Teil der Heiliggeistpfarrei, wo seinerzeit, wie es dreimal im Buch heißt, so arme Leute lebte, dass sie sich nicht einmal Kleidung für den Sonntagsgottesdienst leisten konnten. 1921 wollte die Bonner Pfarrei ihn abwerben, aber die Unterstützung der Heidelberger war so groß, dass er am Neckar blieb.
Er arbeitete viel: „Menschen, die mich brauchen, stören nie.“ Ersten Ärger bekam der Pfarrer, als er auf Wunsch der evangelischen Schwester den aus der Kirche ausgetretenen Reichspräsidenten Ebert mit beerdigte. Glück im Unglück hatte Heidelberg am 1. Weihnachtstag 1928. Im Heizungsraum der Heiliggeistkirche brach ein Feuer und konnte gerade noch gelöscht werden, bevor schlimmeres passierte.

Neu für mich war die Gründung der Finanzabteilung am 18.5.1938, die faktisch dafür sorgte, dass die badische Landeskirche in die Hände der Nazis fiel. Sie schloss die Heiliggeistkirche, angeblich wegen Renovierungen. Dies war umso bedauerlicher, weil seit dem 24.6.1936 die Scheidemauer in der Heiliggeistkirche nicht mehr stand. Die Gemeinde musste in die Peterskirche ausweichen (198), bis diese nach Kriegsende durch Brand beschädigt war und man in die Providenzkirche umziehen musste. Herunterfallende Steine ließen schon 1928 Wiedervereinigungsdebatten aufflammen, doch scheiterten diese an den romtreuen Katholiken 1930. 1933 waren die Katholiken wegen den hohen Renovierungskosten dann zum Verkauf bereit. Die Altkatholiken feierten im Chorraum am 26.2.1936 ihren letzten Gottesdienst und wurden mit der Englischen Kirche entschädigt. (im Buch steht Annakirche)

Mitunter zitiert Geiger Angehörige und Zeitzeugen sehr unkritisch. Ein Beispiel ist auch die RNZ, die behauptet, es hätte in dieser Kirche 20 mal die Konfession gewechselt. Ich zähle nur 14, am häufigsten zwischen Lutheranern und Calvinisten.

Ausgerechnet während der Machtübernahme der Nazis brach Maas zu seiner ersten Palästinareise auf. Eine Absage war nicht mehr möglich. Maas zeigte damit, wofür er sich einsetzte. Bei den Nazis galt schon als Jude, wenn nur ein Viertel seiner Vorfahren jüdisch waren. Der Pfarrer setzte sich deswegen vor allem für verfolgte nichtarische Christen ein. Aber er half auch jüdischen Mitbürgern im Leben und bei der Ausreise. Bei Verhören mit der Gestapo stritt er alles ab, verhaftet wurde er erst 1943, als die Gestapo bei einer Jüdin seine Briefe fand, die die Empfängerin eigentlich sofort hätte verbrennen müssen. Maas bekam dank dem Oberkirchenrat 1942 nur eine Warnung, die Finanzabteilung hätte ihn schon damals entlassen. Ein Jahr später wurde er dann in den einstweiligen Ruhestand versetzt.

Entgegen Berichten in der RNZ kam Maas nie ins KZ, musste aber an der Westfront 1944 Verteidigungsgräben ausheben. Nach dem Krieg predigte Maas laut RNZ bereits am 6.5.1945 auf der Kanzel der Heiliggeistkirche! Er war der erste Deutsche in Israel und trat am 31.12.1964 zum zweiten Mal nach 1943 in den Ruhestand als ältester und dienstältester Pfarrer. Am 27.9. 1970 starb Maas im Alter von 93 Jahren.


Trotz der vielen Informationen enthält das Buch „Hermann Maas – Eine Liebe zum Judentum“ von Markus Geiger viele Druckfehler und viele Wiederholungen, so dass ich nur 3 Sterne geben kann. Ich habe die Ausgabe bei Bücher.de nicht gefunden, so dass ich meine Rezension hier schreibe.

Bewertung vom 02.09.2024
Haardt, Weinstraße und Queichtal - ein Geo-Führer
Michael Geiger, Elmar Briem

Haardt, Weinstraße und Queichtal - ein Geo-Führer


sehr gut

Großartiger Geo-Bildband

Vorweg möchte ich betonen, dass dieser Band nicht nur einzigartige Fotos enthält – vor allem die Luftbilder des Autors wird man so nicht wiedersehen, sondern auch der Text ist von lokalen Koryphäen geschrieben.

Vom Überblick, der fast auch das kleinste Dörfchen enthält, geht es in den Naturraum, d.h. zunächst Geologie in den Steinbrüchen, dann die Vulkane am Pechsteinkopf bei Forst und die Bäder Bergzabern und Dürkheim. Lieblingsort Geigers ist die kleine Kalmit. Weiter geht es mit dem pfälzisch-mediterranen Klima sowie Flora und Fauna.

Im Kulturraum überlappen sich Geschichte und Kulturraum zu sehr. Aber was willst du machen, wenn du so gute Autoren hast, dass du keinem vors Knie treten willst und sagen, dass der Vorgänger dasselbe bereits geschrieben hat. Ebenso hätte der ein oder andere Autor sich kürzer fassen sollen, aber welcher Lektor hat dazu schon den Mut? (falls es überhaupt einen gab)

Während die meisten Orte durch langweilige Neubaugebiete gewachsen sind, habe die Dörfer von N nach S Obersülzen, Dackenheim, Forst, Böbingen, Kleinfischlingen, Flemlingen Weyher, Ranschbach, Klingen, Oberhofen, Dierbach und Drusweiler nahezu ihre alten Siedlungsgrenzen bewahrt. (122)
Die reichsten Orte an Kulturdenkmäler sind dagegen Birkweiler, Burrweiler, Deidesheim, Forst, Freinsheim, Großkarlbach, Hainfeld, Leinsweiler, Neuleinigen, Rhodt, St. Martin und Wachenheim. (124)

Die Raumplanung geht in die gleiche Richtung, am Beispiel von Venningen bei Edenkoben wird gezeigt, wie ein Wunzerdorf gewachsen ist, was Geiger später auch an der kleinen Kalmit zeigt.
Der Artikel über die Wälder, Aufforstung zu Beginn der bayerischen Zeit aus Not, und der Wechsel der Baumarten ist sehr interessant, was dann auch mit drei Essays über den Weinbau fortgesetzt wird. Den Tourismustext kannst du dir dagegen getrost schenken.

So bleibt denn zum Abschluss der Kunstraum, der durch zahlreiche Bauwerke und Bilder mit Landschaftsmotiven der Pfalz erklärt wird. Ich will hier nur auf die Simultankirchen in Wachenheim und Dirmstein hinweisen und auf die Heiligengestalten vor der Kirche in Eschbach und dem „Barockdorf“ Hainfeld. (206)

Ein sehr lohnenswerter Führer, dessen kleine Mängel im Text beschrieben sind. 4 Sterne

Bewertung vom 31.08.2024
Seinetwegen
Del Buono, Zora

Seinetwegen


ausgezeichnet

Übrigenskultur

Eine Tochter wächst ohne ihren Vater auf, weil dieser bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam. Nun versucht die inzwischen 60 Jahre alte Tochter Kontakt zum Unfallverursacher aufzunehmen. So viel wusste ich.

Ich wusste vielleicht auch noch, dass der Schuldige, anfangs nur E.T. genannt einen Pferdewagen überholte und dabei den VW-Käfer übersah, in dem der Vater mit seinem Onkel saß. Der Onkel überlebte, ich sage mal leicht verletzt.

Ich wusste aber nicht, dass dieses Buch quasi zusätzlich noch alles über Autounfälle, deren Zahl seit den 60er Jahren zwar abgenommen hat, aber immer noch so hoch ist, dass man Hunde verbieten würde, wenn genau so viele Menschen an Hundebissen sterben würden.

Doch wir erfahren noch viel mehr. Wir werden in die Demenzkrankheit eingeführt, weil die Mutter der Tochter inzwischen in einem Altenheim lebt und darunter leidet, wir hören von anderen Leuten, die auch früh ein Elternteil verloren haben, sei es durch Unfall, sei es durch Krebs.

Wir lernen Glarus und die direkte Demokratie kennen und erfahren etwas über die Anfänge der Frauen- und Schwulenbewegung in der Schweiz.

Nein, also 200 Seiten können wirklich nicht mehr bieten und ich kann auch nicht mehr als 5 Sterne bieten.

Bewertung vom 26.08.2024
Dagegen die Elefanten!
Leupold, Dagmar

Dagegen die Elefanten!


gut

Warten auf Godot

Wie ist das ein Leben als Garderobenarbeiter. Sollte ich Garderobier schreiben? Die Autorin beschreibt unseren Helden als so gewissenhaft, dass er im Winter sogar die Schuhe wechselt, wenn er die Kleidung der Theaterbesucher entgegennimmt.

Vormittags hat er frei. Dann besucht er die Stadtbücherei und frönt seinen bildungsbürgerlichen Hobbys, die aber kaum zu seinem Gehalt passen. Das wird aber nicht thematisiert.

Spannung kommt nur einmal auf. Um die Seite 100 findet Herr Harald in einem zurückgelassenen Mantel eine Pistole. Nach den Sommerferien will ein Mann sie tatsächlich abholen. Doch unser Protagonist hat sie längst mit nach Hause genommen. Anstatt sie aber für irgendetwas einzusetzen, verändert sich sein Leben erst, als ihm zufällig eine Katze zuläuft.

Während ich den ersten Teil noch interessant fand, weil sich endlich mal jemand um das Leben eines Garderobier kümmert, musste ich im zweiten Teil mehr und mehr kämpfen, weil aus der Pistole nichts gemacht wurde. Die kleinen Namensverwechselungen sind zwar witzig, erheitern aber nur kurz. Auch den titelgebenden Abschnitt in einer Kneipe musste ich zweimal lesen und habe ihn dennoch nicht verstanden. 3 Sterne

Eine Gruß noch an Frau von Saalfeld von der FAZ. Herr Harald wird 13 und nicht 11 Monate begleitet, wobei die Monate aus nur wenigen Tagen bestehen.

Bewertung vom 24.08.2024
Heidelberg. Jahrbuch zur Geschichte der Stadt / Heidelberg. Jahrbuch zur Geschichte der Stadt Jg. 2023
Heidelberger Geschichtsverein

Heidelberg. Jahrbuch zur Geschichte der Stadt / Heidelberg. Jahrbuch zur Geschichte der Stadt Jg. 2023


sehr gut

Licht und Schatten

Nach wie vor muss ich das Erscheinen dieses Bandes loben. Und in der Tat haben mich zwei Artikel dieses Bandes regelrecht vom Hocker geworfen.

Da ist zunächst der Eingangstext über den Tod von Johannes Sylvanus am Weihnachtstag 1572 auf dem Marktplatz in Heidelberg hingerichtet. Warum wurde ihm nicht wie seinen Gesinnungsgenos­sen gestattet die Kurpfalz zu verlassen. Es waren wohl mehr als theologische Gründe, die Friedrich III. bewogen, das Urteil auch zu vollstrecken. Ein Historiker schreibt seither seinen Beinamen „der Fromme“ nur noch in Gänsefüßchen. Sollten wir das nicht zukünftig immer machen?

Der zweite herausragende Artikel beschäftigt sich mit der „linken“ Jugend der Bonfatiusgemeinde und wie sie aus den Kirchenräumen herausflog. Sehr spannende Zeitgeschichte.

Zwei Texte habe mich ein wenig enttäuscht und das obwohl die Autoren laut Autorenverzeichnis Grips in der Birne haben müssen. Da ist zunächst der Artikel über Jacob Lindau und die Casino-Bewegung. Dass besagter Lindau die Altkatholiken bekämpfte und deswegen sogar verurteilt wur­de, suchen wir im Text aber vergebens. Stattdessen spricht er ernsthaft von „Auchkatholiken“ (68).

Der zweite misslungene Text behandelt die Figuren der Zwölf Apostel, weil hier für einen Sachtext in unzulässiger Weise Dichtung und Wahrheit vermischt werden. Ganz angetan war ich wiederum vom Text über das Wrede-Denkmal auf dem heutigen Friedrich-Ebert-Platz.

Ungern, aber meinen lieben Freunden kann ich wegen der dargestellten Mängel diesmal nur 4 Sterne geben. Nächstes Jahr wieder mehr!

Bewertung vom 21.08.2024
Blutzeuge
Gnilka, Christian; Heid, Stefan; Riesner, Rainer

Blutzeuge


weniger gut

Mühsame Beweisführung

Auf Seite 167 schreibt Heid den schönen Satz: „Liturgisches Wissen ist nicht schon historisches Wissen.“ Er verweist auf die Feiern an den Gräbern der Märtyrer. Im September sind dies am 9. Gorgonus an der via Labicana, am 11. Protus und Hyazinth an der Basillakatakombe, am 14. Cyprianus an der Kallixtkatakombe und am 22. Basilla an der via Salaria vertus. (186) Martyrerverehrung begann also schon früh.

Doch hätte mir die Beweisführung des Autors noch besser gefallen, wenn er auch dieses Satz geschrieben hätte: Biblisches Wissen ist nicht schon historisches Wissen. Allein dieser Satz fehlt.
Wenn er die Geschehnisse aus der Apostelgeschichte zitiert, wo selbst schon Taschentücher der Apostel Wunder wirkten, dann wirft er eher Nebelkerzen. Im Vergleich zum Galaterbrief des Paulus sehen wir doch, dass Lukas in der Apostelgeschichte an vielen Stellen übertrieb. So wusste Paulus gar nicht, dass er römisches Bürgerrecht hatte.

Am besten gefällt mir der Beweis durch Widerspruch auf Seite 150f: Keine andere Stadt erhebt den Anspruch die Gräber von Petrus und Paulus zu besitzen und bei den fielen östlichen Patriarchen wäre ein Schwindel Roms schnell aufgefallen. Dies fasst das ganze Buch zusammen.

Noch ein kurzes Wort zu den anderen Autoren: Riesner beschreibt die biblische Sicht. Seltsam nur, dass die Apostelgeschichte mit der Wohnung von Paulus in Rom endet und für Gnilkas Text sollte man wohl Griechisch können.


Auch wenn ich die Ansicht des Autors teile, dass Petrus und Paulus in Rom waren und dort bestattet sind, konnte ich Mängel in der Beweisführung finden, so dass ich nur 2 Sterne herausgebe. Einmal wird beispielsweise das Matthäus-Evangelium zitiert, die nicht passt, da es um Juden geht, die Christen verfolgen. In Rom waren die Täter aber Heiden.

Bewertung vom 19.08.2024
Verlorene Pracht
Haider, Edgard

Verlorene Pracht


sehr gut

verlorene Geschichte der Architektur

Nichts wird für die Ewigkeit gebaut. Auch die prächtigsten Häuser fallen irgendwann zusammen. Gut, die meisten werden saniert oder renoviert. Aber Haider hat berühmte Bauwerke ausgewählt, die das Zeitliche gesegnet haben.

Das Buch ist nach der Art der Gebäude aufgebaut, der Ort ist aber immer mitgenannt. Er hätte auch nach Art des Abrisses ordnen können. Meistens fing es mit einem Brand im Krieg an, kein Wiederaufbau und die Reste werden später für einen anderen Neubau entfernt. In der DDR passte Pracht auch der Politik nicht ins Konzept.
Es gibt aber wenig andere Beispiele, wo das Gebäude nicht mehr in die Zeit passte oder der Bauplatz für ein anderes Haus gebraucht wurde. Nie hat sich das Stadtbild dadurch verbessert. Auch Erbstreitigkeiten können letztlich zum Abriss führen.


Mit diesem Buch mit schönen Schwarzweißbildern bleiben sie wenigstens in Erinnerung. Weltbewegend ist es nicht, aber vollauf verdiente 4 Sterne.

Zitat: Der Zeit ihre Kunst. Der Kunst ihre Freiheit. (127)

Bewertung vom 14.08.2024
Engel und Heilige
Weinberger, Eliot

Engel und Heilige


sehr gut

Engelstheologie

Mich wundert an diesem Buch am meisten, dass der bekennende Atheist Denis Scheck den Autor für seine Sendung besucht hat. Das kann doch nur heißen, dass wir mit einem Augenzwinkern wahrnehmen sollen. Aber tun das außer den 150 prozentigen Katholiken nicht eh schon alle?

Respekt für die Rezension von Hubert Winkels, der vieles schon gesagt hat, doch die Zeit spricht von christlichen Engel. Und da ist das erste Manko: Engel gibt es auch im Judentum und im Islam. Wie steht der Buddhismus zu Engel. Also Herr Weinberger, schreiben Sie Band 2!

Gleich zu Beginn werden verschiedene Rechnungen vorgestellt zu der Anzahl der Engel. Winkels stellt die höchste Anzahl vor. Mir gefällt aber eine der ersten besonders gut. Jede Legion hat 6.666 Engel und in jeder Ordnung gibt es 6.666 Legionen. Bei 9 Ordnungen macht das 6.666*6.666*9 und das sind 399.920.004 – Ich mag diese 4 Engel nach den viele Nullen, die wie eine gerundete Zahl aussehen. Sie erinnern mich an „Alice im Wunderland“. Dort wird der Hirte gefragt, wie viele Schafe er hätte. „1.007“ war seine Antwort. Dann kam die Nachfrage, woher er das so genau wüsste, er könne doch sagen etwa tausend Schafe. „Nein“, sagte er darauf, „die 7 stehe hier vorne, nur bei den 1.000 bin ich mir nicht so ganz sicher.“

Dann geht der Autor der Tätigkeit von Engeln nach. Obwohl Weinberger seinen Leserinnen vermittelt, dass er genau recherchiert hat, bleiben seine Erkenntnisse vage.
Biblische Engel seien meist junge Männer – ich glaube nicht, dass die Bibel weibliche Engel kennt, aber das verschweigt der Autor. Wir kennen vor allem die Verkündigungsengel und die Schutzengel, die sich auf den 91. Psalm beziehen. Schutzengel versagen nicht, wenn Menschen doch ein Unglück passiert, es liegt an der Unachtsamkeit der Menschen.Aber Engel können eigentlich alles.

Die Reformation konnte die Theologie der Engel nicht richtig ernst nehmen, was sie in der Frage ausdrückten, wie viele Engel auf den Kopf einer Stecknadel passen. Thomas von Aquin, der Engelexperte des Mittelalters, gibt hier keine klare Antwort, doch mir scheint plausibel, dass sie weder an Raum noch an Zeit gebunden sind.

Engel werden ewig sein, sind aber nicht ewig gewesen. Im Gegensatz zur Aeternitas, der Ewigkeit Gottes, die Gott nur alleine besitzt, spricht man bei den Engeln von Aevernitas, da die Himmelswesen einen Anfang , aber wohl niemals ein Ende haben.
Auch wenn Winkels anderes schreibt, so wird der gefallene Engel, der Dämon oder Teufel doch behandelt. Diese cleveren Wesen nutzen die sieben Arten der Versuchung: Importuna (ständige Belästigung), Dubia (Zweifel), Subita (plötzliche Versuchung, die so die Vernunft ausschaltet), Oculta (geheime Arglist), Violenta (der Wille wird durch die Angst vor dem Tod gebrochen), Perplexa (zwischen zwei Übeln gefangen) und Fraudulenta (der Wille wird durch den Anschein etwas Gutes getäuscht).

Im zweiten Abschnitt geht es mehr um Engelsversionen, die die Heiligenanekdoten schon etwas vorwegnehmen, im dritten Abschnitt folgt die Hierarchie der Engel: Ganz oben sind Seraphim, Cherubim und Throne, dann folgen Herrschaften, Mächte und Gewalten. Auf der untersten Stufe stehen Fürstentümer,Erzengel oder einfach nur Engel.
Abschnitt 4 ist historisch, Abschnitt 5 eine Aufzählung von Engeln, 6 und 7 Anhänge.

Da meine Engelstheologie so lang war, kann zu den Heiligengeschichte nur sagen, dass sie meistens kurz und knapp sind und dass du dich am Ende fragst, was sie zu Heiligen macht. Und zu guter letzt kehrte doch einer mal aus dem Jenseits zurück und erklärte, dass die Regeln dort viel strenger seien.


Ein sehr inhaltsreiches Buch, das wegen der dargestellten Lücken, aber nur 4 Sterne erhalten kann.

Bewertung vom 08.08.2024
Biedermeier in Heidelberg 1812-1853

Biedermeier in Heidelberg 1812-1853


sehr gut

Leistete, was es sollte

Ich habe diese Buch ausgeliehen, weil es einen Artikel über Charles de Graimberg enthält, dem Retter des Heidelberger Schlosses. Dieser Artikel war sehr inhaltsreich.

Dass einige andere wie der über die Bauwerke in der Biedermeierzeit in Heidelberg, die Mädchenerziehung und andere hier nicht erwähnte und teilweise auch nicht gelesene Artikel weniger spannend waren, sei verziehen.

Ein Lob dem Heidelberger Kulturamt, das seinerzeit den Mut zu dieser Sammlung hatte. Ein weiteres Lob zum Artikel über den Schlossgarten, der auch nach dem Ende Heidelbergs als Residenzstadt so manche Änderung erlebte. Meistens allerdings negativ, da Baufälliges abgerissen wurde. Ich glaube 4 Sterne sind in Ordnung.