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Miro76
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Österreich

Bewertungen

Insgesamt 142 Bewertungen
Bewertung vom 13.03.2024
Paare
Millner, Maggie

Paare


gut

Alle paar Jahre mal versuche ich einen Ausflug in die Lyrik, um wiederholt zu erkennen, dass ich mich nicht optimal darauf einlassen kann. Da ich mir dessen bewusst bin, gebe ich nur ungern eine Bewertung ab.

Hier finden wir eine Analyse des Liebeslebens einer jungen Frau, die ihren Mann für eine andere Frau verlassen hat. Sie hatte sich wohl etwas eingeengt gefühlt in ihrer ersten Beziehung, doch die totale Freiheit macht sie erst recht nicht glücklich. Sie erkennt, dass sie nicht polyamourös leben kann und hofft auf Exklusivität. In ihrem Leiden beginnt sie ihrer vorherigen Beziehung nachzutrauern. Ganz normales Verhalten also, hat wohl fast jede*r von uns schon gemacht.

Es folgt eine Phase der Harmonie, vor allem um Weihnachten, doch bereits zu Silvester erkennt sie, dass diese Beziehung das neue Jahr nicht überstehen wird.

Irgendwie ist alles ziemlich tragisch hier. Die Protagonistin leidet, reflektiert und leidet weiter. Doch am Ende hat sie sich selbst besser kennengelernt und schafft es, gestärkt aus dem Drama hervorzutreten. Ein Heldenepos also?

Sprachlich konnte mich dieses Epos absolut begeistern und auch der Übersetzerin Eva Bonné ist mit Hochachtung zu begegnen. Das war bestimmt eine schwere Geburt!

Dennoch fand ich es streckenweise anstrengend zu lesen. Inhaltlich bleibt vieles nur angedeutet, die Lücken animieren zur Imagination, was aber gut transportiert wird sind Emotionen. Das ist wohl der Erzählform geschuldet. Die Lyrik ist wohl eher die Sprache des Herzens. Als Prosaleserin bin ich es gewohnt, den Fokus auf den Handlungsverlauf zu legen. Das scheint mir hier verkehrt. Vielleicht sollte man den Text eher wie ein Bild betrachten und die einzelnen Gefühle zu einem stimmigen Bild der Person wachsen lassen.

"Paare" ist definitiv gut geschrieben, aber so richtig gut gefallen hat es mir nicht. Ich werde wohl wieder eine paar Jahre verstreichen lassen, bevor ich mich ein weiteres Mal in die Welt der Lyrik begebe.

Bewertung vom 04.03.2024
Acqua alta
Autissier, Isabelle

Acqua alta


sehr gut

Guido Malegatti hat das Hochwasser überlebt, dass Venedig zum Einsturz brachte. Aber schlauer hat ihn das nicht gemacht, denn er denkt sofort nach seiner Trauerrunde darüber nach, wie sich aus den Ruinen Profit ziehen lassen könnte.

Seine Frau Maria Alba, Sprössling einer großen Familie und Nachfahrin von Dogen hat es nicht so gut getroffen. Über ihr ist das Haus eingestürzt . Sie war ein echtes Kind der Serenissima, der Stadt mit ihrer erhabenen Geschichte und divenhaften Schönheit verfallen. Sie hätte den Verlust ihrer Heimat sowieso nicht verkraftet.

Und deren Tochter Léa ist vermisst.

Zwei Jahre zuvor beginnen die Probleme Venedigs bereits die Familie zu spalten. Guido, der Wirtschaftsstadtrat, ist ein Emporkömmling und ausnahmslos an Wohlstand und Profit interessiert. Er hat schnell gelernt zu intrigieren, wenn es um die Erreichung seiner Ziele geht. Nur seine Tochter weiß er nicht zu bändigen. Als Umweltschützerin sind ihr die Folgen von Klimawandel und Massentourismus für Venedig bekannt und sie kämpft dagegen. Wenn es sein muss auch mit harten Bandagen.

Isabelle Autissier hat mit der Familie Malegatti ein Abbild der Gesellschaft Venedigs geschaffen. Maria Alba steht für Geschichte und Erhalt, Guido für die wirtschaftlichen Interessen und Léa für die Umwelt. So beginnt der Konflikt in der Familie und wird erst in die Welt getragen, als Léa ihren Vaterfeind und ihre untätige Mutter verlässt.

Dass die Ozeanriesen die Grundfesten Venedigs angreifen, ist mittlerweile wohl allen bekannt. Doch dass auch das Sperrwerk M.O.S.E. für die Lagune nicht unproblematisch ist, habe ich durch diesen Roman gelernt. Venedig ist ein fragiles Konstrukt und ich fand es spannend zu erfahren, wie Léa das Ausmaß der Bedrohung klar wird und sie beginnt ihr Leben der Stadt zu verschreiben. Ihre Ideen und Aktionen werden immer wagemutiger und mit Unbehagen folgen wir ihr in die Radikalisierung.

Ich habe diesen Roman mit großem Interesse gelesen und bin begeistert, wie spannend der Konflikt um Venedig oder Veniceland, wie es hier augenzwinkernd auch heißt, aufbereitet wird. Die Zerrissenheit zwischen den wirtschaftlichen Interessen des Massentourismus und dem Erhalt der Schönheit und Erhabenheit der Serenissima lässt mich wieder einmal aufhorchen und stimmt mich traurig, ob der Untätigkeit unserer Machthaber.

Acqua Alta ist ein Roman, der Aufmerksam macht, berührt und den Finger in eine bekannte Wunde legt!

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 27.02.2024
Schneesturm
Walsh, Tríona

Schneesturm


sehr gut

Cara freut sich sehr, endlich alle ihre Jugendfreunde wiederzusehen. Zehn Jahre ist es her, dass drei von ihnen, die Insel verlassen haben, nach dem ein schreckliches Unglück über sie hereingebrochen ist. Nach Cillians Tod sind nur Maura und Daithi mit Cara auf der Insel geblieben.

Aus Seamus ist inzwischen ein halbwegs berühmter Drehbuchautor in Hollywood geworden und Ferdy und Sorcha leben relativ erfolgreich in London. Obwohl eigentlich niemand genau sagen kann, womit Ferdy sein Geld verdient. Irgendwas mit Gigs und Bands oder so.

Der Abend startet vielversprechend. Es wird getrunken und gelacht und an früher gedacht. Nur Maura taucht nicht auf. Erst wundert sich niemand, denn sie war immer schon chaotisch, doch dann treibt eine Leiche in einem natürlichen Becken im Meer und Cara, die Inselpolizistin wird verständigt.

Der Schneesturm tobt mittlerweile mit voller Kraft und so ist die irische Insel vom Festland völlig abgeschnitten. Keine Fähre und kein Hubschrauber kann Inishmore erreichen. Cara ist auf sich gestellt und versucht zu ermitteln, denn ihr ist klar, dass auch der Mörder die Insel nicht verlassen kann. Schnell ist zu erkennen, dass Cara keine Professionalistin ist. Als "Streifenpolizistin" auf einer Insel, wo jeder jeden kennt, hat sie es eher mit Lausbubenstreichen zu tun, denn mit Kapitalverbrechen. Sie versucht ihr Bestes und folgt den Brotkrumen, die für sie hinterlassen wurden. Sie stolpert durch ihren ganz persönlichen Albtraum. Sie hat ihre beste Freundin verloren, wird ebenfalls verfolgt und kann ihren Freunden nicht mehr trauen. Schritt für Schritt nähert sich sich einer Wahrheit, die für sie schwer zu verkraften ist.

Mir hat das Setting und der Plot dieser Geschichte ausgezeichnet gefallen. Mir gefällt die Idee des Treffens nach zehn Jahren und der Feststellung, dass die Zeit nicht stehen geblieben ist. Die Freunde sind nicht mehr die Menschen, die sie damals waren und es ist nicht sicher, dass man auch diese Menschen mag. Der Schneesturm hätte vielleicht ein bisschen mehr ins Licht gerückt werden können. Die Wetterkapriolen beeinflussen das Leben auf der Insel eigentlich nur insofern, dass niemand kommen und gehen kann. So wird das ganz zu einem gelungenem Kammerspiel, wo niemand mehr weiß, wem er trauen kann und sich alle irgendwie anfeinden oder nervös beäugen.

Nur den großen Showdown hätte ich nicht gebraucht. Die Auflösung war spannend, manches konnte man erahnen, manches war wirklich überraschend und ich fühlte mich bei der Lektüre durchwegs gut unterhalten. Ich fand die laienhaften Ermittlungen von Cara erfrischend sympathisch und schlußendlich hat sie ihr Ziel erreicht. Ein professioneller Ermittler hätte mir hier im gälischen Inishmore gar nicht so gut gefallen.

Guten Gewissens empfehle ich dieses Buch allen, die nur hin und wieder einen Krimi lesen. Wer einen echten Kommissar erwartet, sollte vielleicht besser zu einer Reihe greifen.

Bewertung vom 16.02.2024
Notizen zu einer Hinrichtung
Kukafka, Danya

Notizen zu einer Hinrichtung


ausgezeichnet

Ansel Packer wird sterben. In 12 Stunden wird dieses Leben ausgelöscht. Für manche wäre es besser gewesen, er hätte nie gelebt, den Ansel hat mehrere Frauen ermordet.

Wir begeleiten Ansel auf seinem letzen Weg und lernen ihn in diesen letzten Stunden kennen. Fast bis zum Schluss hofft er, seinem Schicksal entgehen zu können. Er schmiedet immer noch Pläne, obwohl er nur noch wenige Stunden hat, weil er nicht sterben möchte. Er möchte verstanden werden.

Doch die Frauen, deren Leben er genommen hat, wollten auch nicht sterben.

Dieses Szenario ist beklemmend, doch viel schwieriger fand ich die erste Rückschau. Wir lesen von Ansels Mutter und ihrem Leben auf einer abgeschiedenen Farm. In äußerst prekären Verhältnissen hat sie versucht Ansel großzuziehen. Doch mit den Jahren verschlimmert sich alles. Das Geld wird knapper, der Mann wird brutaler, der Hunger größer und es kommt ein zweites Kind. Die immer noch sehr junge Mutter sieht keinen Ausweg. Sie verlässt ihre Kinder und überlässt sie der Fürsorge.

Die nächste Rückschau kommt aus einer Pflegefamilie und ein Mädchen, das sich mit Ansel anfreunden möchte erzählt uns Episoden aus seiner Kindheit. Diese Mädchen wird ihn später verhaften, denn sie schafft den Absprung und wird Kommissarin.

Die dritte Rückschau kommt von der Zwillingsschwester seines letzten Opfers. Jenny lebte mehrere Jahre mit Ansel zusammen. Dass dies nicht die beste Entscheidung ihres Lebens war, wird schnell klar, denn Ansel ist manipulativ und völlig frei von Empathie. An seiner Seite verkümmert man. Es soll Jahre dauern, bis sie sich von ihm befreit.

Danya Kulkolka zeichnet mit diesem Roman ein Psychogramm eines Serienmörders. Das Bild setzt sich zusammen aus den Gedanken, die ihn in seinen letzten Stunden beschäftigen und den Erinnerungen von Frauen, die ihn auf seinem Weg begleiteten. Der Roman ist nicht ganz einfach zu verdauen. Gerade die ersten Kapitel fand ich extrem berührend, denn von Liebe und Luft kann man eben keine Kinder ernähren. Vom Trailerpark abgesprungen auf eine heruntergekommene Farm in der Einöde hat die Mutter keinen großen Sprung gemacht. Sie ist ganz klassisch vom Regen in die Traufe gefallen, musste das allerdings erst erkennen. Sie versucht Ansel eine gute Mutter zu sein und versucht, die guten Stunden hervorzuheben, doch sie muss sich irgendwann eingestehen, dass die rosarote Brille nicht hilft.

Mit Lavender kann ich nur Mitleid haben, denn ihr Leben ist von Anfang an verwirkt. Doch die anderen Frauen sind stark und gehen ihre Wege trotz Schwierigkeiten und Hemmnissen.

Diese Buch hat nicht richtig beeindruckt. Es ist beklemmend, wirkt lange nach und gibt wirklich zu denken. Es spielt mit Gut und Böse, verwischt die Grenzen und hält uns weinen Spiegel vor, was die Neugierde auf Sensationen anbelangt. Von mir gibt es eine uneingeschränkte Leseempfehlung!

Bewertung vom 04.02.2024
Glänzende Aussicht
Fang, Fang

Glänzende Aussicht


ausgezeichnet

Fang Fang nimmt uns mit nach Wuhan in der nachkaiserlichen Zeit. Wir lesen uns in eine vielköpfige Familie, die auf engstem Raum in einer Baracke haust. Als allwissender Ich-Erzähler fungiert Bruder Acht, der mit 2 Wochen im Kindbett verstarb und nun vor der Baracke begraben liegt.

Bruder Acht erzählt uns, er hätte es am Besten getroffen, denn er liegt sicher und warm, während beispielsweise Bruder Sieben nur noch unter dem Bett der Eltern Platz findet und der älteste Bruder nur noch Nachtschichten schiebt, damit er tagsüber im Bett schlafen kann.

Der Vater ist ein Trinker und neigt zu extremer Brutalität. Er prügelt sich regelmäßig an seinem Arbeitsplatz, lässt seine Wut aber auch unkontrolliert an den Kindern aus. Vor allem Bruder Sieben hat unter den Schlägen zu leiden, denn er hat niemanden, der für ihn eintritt. Schon früh muss auch er zum Familieneinkommen beitragen; erst als Müllsammler, später als Gemüsesammler. Doch so erstaunlich es klingt, auch er geht seinen Weg und schafft es sogar am weitesten raus aus der Armut.

Fang Fang's schonungslose Sprache kannte ich schon aus einem anderen Roman, aber auch hier musste ich mich erst wieder daran gewöhnen. Die ersten Kapitel sind etwas verwirrend. Man weiß nicht, wer hier erzählt und warum sich Sieben so verhält. Doch dann wird die Geschichte von hinten aufgerollt und wir bekommen einen genauen Einblick in die prekären Verhältnisse dieser Großfamilie, die nur eine von vielen ist. Vor der Ein-Kind-Politik war man überzeugt, sich nur mit vielen Kindern ein Auskommen im Alter sichern zu können. Ob und wie man die alle Durchbringen soll, darüber hat sich wohl niemand Gedanken gemacht. Hauptsache es gibt Söhne.

Die Landflucht hat sich als problematisch erwiesen und mit Landverschickung wir ihr entgegengesteuert. Das ist Bruder Sieben Chance und die weiß er geschickt zu nützen. Er arbeitet sich hoch, wird Funktionär und dadurch Teil des Staates. Die Anerkennung ist ihm nun sicher.

Mit dem Blick in diese Familie vermittelt uns die Autorin ein kritisches Bild vom Staat China in der Nachkaiserzeit. Sie hat bereits eine Vielzahl an Romanen verfasst, in denen die Armen und Entrechteten eine Stimme bekommen und ich hoffe, dieser Roman findet viele Leser*innen, die sich für das uns so fremde China interessieren.

Bewertung vom 01.02.2024
Klarkommen
Hartmann, Ilona

Klarkommen


ausgezeichnet

In Gedankensplittern lässt und die Ich-Erzählerin an ihrem Leben teilhaben. Gemeinsam mit ihrer Freunden Mounia und Leon hadert die Erzählerin mit ihrem Schicksal, denn wenn man im Dorf aufwächst, zieht das Leben an einem vorbei, weil immer nur woanders was los ist.

Die Drei träumen vom Ende der Langeweile; von großen Konzerten, schrillen Partys und aufregenden Bekanntschaften. Und doch scheint auch in der großen Stadt das Leben an ihnen vorbeizuziehen und die coolen Leute sind immer Freunde der anderen, denn die eigene Haut können sie nicht wechseln. Sich selbst neu erfinden ist nicht so einfach und passiert nicht von selbst.

Ilona Hartmanns Buch klarkommen hat mir sehr gut gefallen. Ich mag die kurzen Kapitel, die meist mit einem Wort übertitelt sind und hauptsächlich Erinnerungen oder Erlebnisse der Erzählerin preisgeben. Es liest sich wie eine spezielle Form eines Tagebuchs, bei dem ein Wort der Aufhänger zu einer kleinen Abhandlung ist. Mal ist sind es nur ein paar Zeilen, mal mehrere Seiten. Mal sind es Träume und Wünsche, mal Erinnerungen und Erlebnisse.

Als Leser*innen lernen wir die Erzählerin stückchenweise kennen. Sie ist ein ganz normales Mädchen, das ihre Erfahrungen sammeln möchte. Sie sucht ihren Weg genauso, wie ihre Persönlichkeit. Sie will sich ausprobieren, um sich irgendwann selbst zu finden. Es hat mir Spaß gemacht, die Erzählerin auf ihrem Weg zu begleiten, den ich selbst vor mittlerweile ganz schön vielen Jahren gegangen bin.

Bewertung vom 13.01.2024
Lichtungen
Wolff, Iris

Lichtungen


sehr gut

Als Junge musste Lev mehrere Wochen, gar Monate das Bett hüten. Sein bester Freund hat sich schnell nicht mehr blicken lassen, aber eine andere Mitschülerin hat ihn regelmäßig besucht, damit er nicht den ganzen Stoff versäumt. So kam es, dass aus dem kranken Jungen Lev und der Außenseiterin Kato beste Freunde wurden.

Doch so beginnt das Buch nicht. Erst lesen wir, dass Lev zurück nach Rumänien muss und Kato ihn begleiten wird. Sie ist viele Jahre durch Europa gereist, hat in den verschiedensten Städten gemalt und endlich hat Lev sie in Zürich besucht. Am Anfang schließt sich der Kreis für Kato. Sie fährt wieder nach Hause und wir folgen ihren Spuren rückwärts und erfahren so, wie Lev's Reise in die Schweiz verlief. Wie ihm sein Zwischenstopp in Wien bei Onkel Ferry gefallen hat, der irgendwie mit dem mysteriösen Unfall zusammenhängt.

Schritt für Schritt bzw. Kapitel für Kapitel führt uns die Autorin in der Zeit zurück und setzt somit einen Spannungsbogen in einen Roman, der eigentlich keinen braucht. Es ist eine Geschichte über Freundschaft und eine Geschichte über Aufbruch, die mir auch wirklich gut gefallen hat. Die Autorin beherrscht ihr Handwerk und beschreibt in schönen Sätzen das Leben in dem kleinen Dorf in Rumänien in der Zeit des Sozialismus und in der Zeit des Aufbruchs.

Nur des Stilmittel des Rückwärts-erzählens passt irgendwie nicht so ganz zu der Geschichte. Das baut bei den Leser*innen eine Erwartungshaltung auf, die dann nicht wirklich erfüllt wird. Außerdem machen die Kapitel zu große Sprünge und somit hat die Geschichte immer wieder große Lücken. Deshalb vergebe ich hier nur 4 Sterne.

Bewertung vom 03.01.2024
Zero Days
Ware, Ruth

Zero Days


sehr gut

Jack und Gabe sind das perfekte Paar. Sie lieben sich und ergänzen sich optimal in ihrem spannenden Job, denn sie dringen in gesicherte Zonen ein. Während Gabe sich durch das Internet ackert, bricht seine Frau tatsächlich in Firmengebäude ein und testet so Alarmanlagen, den Sicherheitsdienst oder ob alle Vorschriften diesbezüglich eingehalten werden.

Als Jack nach einem etwas schief gelaufenen Job spät nachts nach Hause kommt, entdeckt sie das Schlimmste, was sie sich vorstellen könnte. Ihr Mann wurde zuhause auf seinem Computersessel ermordet. Im Schock reagiert sie vielleicht nicht ideal, aber sie konnte einfach nicht anders. Dadurch hat sie sich leider verdächtig gemacht und so bleibt ihr nur die Flucht nach vorne. Sie war schon immer eher vom Handeln getrieben.

Mit ihrer Notfallausrüstung taucht sie unter und sucht Hilfe bei ihrer Schwestern und Gabe's besten Freund Cole. Doch wem kann sie wirklich trauen und welche Möglichkeiten bleiben ihr, um wirklich zu klären, wer ihren Mann ermordet hat?

Ich habe diesen Thriller gerne gelesen. Es ist eine rasante Verfolgungsjagd mit unkonventionellen Mitteln. Gut gefallen haben mir auch die technischen Details der Geschichte. Cybersecurity ist ein Thema, das uns alle interessieren sollte. Leider hat sich bei mir relativ früh ein Verdacht breit gemacht, der sich dann auch bestätigt hat. So war die Geschichte doch irgendwie vorhersehbar.

Mit dem Vorgängerroman "Das College" konnte mich die Autorin mehr begeistern. Dennoch hat mich das Buch gut unterhalten und mir zwei schlaflose Nächte beschert. Also Vorsicht, man legt es ungern wieder aus der Hand!

Bewertung vom 29.12.2023
Sinkende Sterne
Hettche, Thomas

Sinkende Sterne


gut

Thomas Hettche begibt sich mit diesem "Roman" in die Schweiz seiner Kindheit und versetzt sie gleichzeitig in eine dystopisch anmutende Zeit ohne rechten Rahmen. Manches ist einfach eigenartig, wirkt wirr und unpassend, wird aber nicht näher erläutert.

Ich würde dieses Buch nicht als Roman bezeichnen. Dafür ist die Rahmenhandlung einfach zu wenig. Der Autor lässt sein Alter Ego manchmal in Erinnerungen schwelgen und manchmal lässt er seinen Gedanken einfach freien Lauf. Dabei schreibt er über Literatur und das Schreiben im Allgemeinen und zwischendurch erläutert er uns die Odyssee und lässt uns eine Abhandlung über Rilke lesen.

Für mich war das alles nicht ganz stimmig. Es wirkt sehr belehrend und gleichzeitig ziemlich zusammenhanglos und obwohl der Autor sein Handwerk beherrscht, konnten mich diese Zeilen nicht erreichen. Immer wenn sich etwas Lesefluss eingestellt hat, schweift die Geschichte in eine andere Ecke und ich quälte mich von Neuem.

Zweifelsohne kann Herr Hettche meisterhaft schreiben und das blitzt auch aus diesem Buch immer wieder heraus, weswegen ich mich doch für 3 Sterne entschieden habe. Aus der Geschichte mit dem abgeschnitten Wallis hätte auch was entstehen können, aber indem der Autor seine autofiktionale Figur am Ende im Fieberwahn schwafeln lässt, bleibt sowieso offen, wie viel davon Bedeutung hat.

Bewertung vom 17.12.2023
Das späte Leben
Schlink, Bernhard

Das späte Leben


ausgezeichnet

Martin ist 71 als er von seinem Arzt erfährt, dass er nur noch wenige Wochen zu leben hat. Einige davon werden auch noch gut sein, bevor er immer schwächer wird und die Schmerzen kommen.

Gemeinsam mit seiner deutlich jüngeren Frau überlegt er, was er seinem kleinen Sohn noch mitgeben möchte, denn er wird nicht erleben, wie dieser erwachsen wird. Er leidet sehr darunter und versucht ihm noch ein paar schöne Erinnerungen zu bescheren. Gleichzeit weiß er, dass er vielleicht keine bleibenden Eindrücke hinterlassen wird, denn sein Sohn ist noch nicht mal sechs. Also schreibt er einen Brief.

Auch für seine Frau möchte er noch etwas tun und kommt so auf die Idee, ihren verschwundenen Vater für sie zu suchen. Diese letzte Abenteuer führt ihn zu einer letzten Erkenntnis und so verbringt er die letzten guten Wochen mit seiner Familie am Meer, ruht viel, genießt die Zeit die ihm bleibt und beginnt sich zu verabschieden.

Ein schwieriges Thema, dem sich Bernhard Schlink hier widmet. Einerseits ist es ein Geschenk, wenn man den Tod kommen sieht und seine Angelegenheiten noch regeln kann, andererseits ist es eine Aufgabe, der sich kaum einer gewachsen fühlt. Zum Glück gibt es hier diesen großen Altersunterschied, denn auch Martin hat sein Leben geführt und wird nicht all zu früh daraus entrissen. Das hat der Autor sehr geschickt eingefädelt. Er ist nicht mehr jung, hat aber trotzdem viel zu verlieren, weil sein Sohn noch so klein ist. So ist das Buch sehr traurig, aber es ist nicht so brutal. Der Fokus liegt dadurch mehr darauf, was man noch alles tun kann und welche Erkenntnisse man weitergeben kann und nicht auf dem Schmerz des frühen Verlustes.

Für mich als Leserin macht das einen großen Unterschied. So konnte ich die Zeilen, die Martin für seinen Sohn hinterlässt wesentlich mehr genießen. Die philosophischen Gedanken, die er an den Jungen weitergeben möchte, sind wirklich schön zu lesen. Menschen haben etwas zu sagen, am Ende ihrer Tage!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.