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ann-marie

Bewertungen

Insgesamt 48 Bewertungen
Bewertung vom 12.12.2021
Was die Hoffnung verspricht / Die Dorfschullehrerin Bd.1
Völler, Eva

Was die Hoffnung verspricht / Die Dorfschullehrerin Bd.1


ausgezeichnet

Eine junge Frau lässt sich von der deutsch-deutschen Grenze nicht aufhalten
Helene, eine knapp dreißigjährige verwitwete Lehrerin, nimmt zu Beginn des Jahres 1961 eine Stelle an einer kleinen hessischen Dorfschule, nur wenige Kilometer von der damaligen Zonengrenze entfernt an. Über ihr vorhergehendes Leben in der noch im Aufbau befindlichen DDR gibt sie nur wenig preis und die Vorbehalte der Dorfbevölkerung schwinden mehr und mehr, da sie sich durch ihre Unterrichtsform und ihre den Schülern zugewandte Art deutlich vom Lehrerkollegium abhebt. Sie gewinnt nicht nur die Herzen ihrer Schüler, sondern setzt sich für sie ein. Sei es gegenüber Lehrerkollegen oder auch schon mal gegenüber Eltern. Auch wenn die Dorfgemeinschaft nicht davon ausgeht, dass Helene lange bleiben wird, handelt es sich doch um ein sehr ländliches und abgeschiedenes Dorf, so verfolgt Helene einen ganz besonderen Plan, den sie beharrlich verfolgt und in den sie niemanden einweiht.
Mit diesem Roman gelingt es der Autorin, einen Teil der deutsch-deutschen Geschichte aufzuzeigen und transparent zu machen, die von der ersten Seite an fesselt. Dabei wird nicht nur die Schulstruktur dieser Zeit, etwa in Form der üblichen Doppelklassen und den damit verbundenen besonderen beruflichen Herausforderungen an Lehrkräfte sehr authentisch und überzeugend dargestellt. Sondern auch die Herausforderungen, Auswirkungen und Herausforderungen, die mit dem Aufbau der DDR verbunden waren. Dazu wird ein weiterer Erzählstrang genutzt, in dem die Familie von Helenes Vater und auch ihre bei ihm lebende Tochter Marie eine wichtige und tragende Rolle spielt. Dabei sehr faszinierend mitzuerleben, wie gerade in der Charaktere der Ehefrau von Helenes Vater die Erkenntnis reift, dass der praktische Sozialismus nicht mit den ersten Erwartungshaltungen und Hoffnungen übereinstimmt.
Ein Roman, der von überzeugenden Charakteren getragen wird und Einblicke vor allem in den ostdeutschen Alltag und die zunehmenden Probleme und Einschränkungen, unter denen die dort lebenden Menschen noch viele Jahrzehnte leben mussten, werden auf eine sehr anschauliche und realistische Weise dargestellt. Auch wenn es sich um zwei Erzählstränge handelt, findet man sich in der jeweiligen Geschichte sehr gut zurecht und es ergibt sich ein überzeugendes und zunehmend spannendes Gesamtbild. Hat man selbst in den frühen 60er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts seine eigene Schulzeit erlebt, so findet man sich, gerade in so vielen Kleinigkeiten sofort wieder. Und, als etwas besonderes empfinde ich das Einflechten von so manchem Gespräch in Kirchdorf in dem dort herrschenden Dialekt. Gerade dies bewirkt eine lebhafte Vorstellung von dem Dorfleben und Dorfgeschehen und erzeugt eine glaubwürdige Authentizität. Im Übrigen trägt auch die Einbindung von amerikanischen Streitkräften in der nächstgelegenen Stadt, zu einem gelungen Zeitkolorit bei. Gekonnt die zunächst nur freundschaftliche Beziehung zwischen Helene und einem GI, die im Verlauf der Geschichte sicher eine besondere Rolle spielen könnte …
Dieser Roman hat mich von Anfang an begeistert, gefesselt und mich eine Zeitreise antreten lassen, an deren Ende ich viel darüber erfahren habe, wie sich grobe Zusammenhänge im täglichen Leben der damaligen Zeit ausgewirkt haben. Freue mich und bin sehr gespannt auf den Folgeband!

Bewertung vom 29.11.2021
Wir sind schließlich wer
Gesthuysen, Anne

Wir sind schließlich wer


sehr gut

Familiäre Bande lassen sich nicht so leicht lösen
Anna von Betteray, mit Mitte dreißig geschieden, im katholischen Glauben erzogen, übernimmt ein einem kleinen Ort am Niederrhein die Vertretung des erkrankten (evangelischen) Pfarrers. Für die Dorfbewohner nicht nur auf Grund ihrer adligen Herkunft, sondern vor allem auch wegen ihres Familienstands ein alles anderer als "passender" Ersatz. Dies lässt sie die Haushälterin des abwesenden Pfarrers schon kurz nach ihrer Ankunft deutlich spüren, was Anna aber erst einige Zeit später auffällt.
Neben diesem Erzählstrang, in den bekannte Dorfstrukturen und Verhaltensweisen sehr geschickt und glaubhaft eingebettet sind, erhält man in einem weiteren Erzählstrang Zutritt zur Familie derer von Betteray, wobei eine hervorragende Charakterisierung von Annas Mutter deren Standesdünkel einfach nicht übersehen werden kann. Dabei legt Maria, die nur vier Jahre ältere Schwester von Anna, von klein auf bemüht, der Erwartungshaltung der Mutter inklusive Heirat eines ebenfalls Adligen gerecht zu werden. Dass sie dies nicht nur erfolgreich gemeistert hat und Mutter eines 11jährigen Sohnes geworden ist, täuscht im Laufe der Geschichte nicht darüber hinweg, dass auch bei ihr nicht alles so vollkommen ist, wie sie es nach spiegelt. Dass sich ihr (adliger) Ehemann wegen Steuerhinterziehung rechtfertigen muss passt so gar nicht in ihr Weltbild bzw. entspricht so gar nicht ihrem herablassenden Standesbewusstsein. Dass But dann doch dicker als Wasser ist, zeigt sich in dem zunächst zaghaften Versuch der beiden Schwestern, wieder aufeinander zuzugehen und gemeinsam das nervenaufreibende und belastende Verschwinden von Marias Sohn aufzuklären. Auch stellt sich Anna unterstützend und stärkend an Marias Seite, als sie mit dem nicht unerheblichen Steuerbetrug ihres Ehemannes konfrontiert wird.
Eine ganz besondere, lebenserfahrende und lebenskluge Tante, Großtante Ottilie, trägt mit sehr viel Einfühlungsvermögen und klaren Statements zu Annas psychischem Wohlergehen bei und setzt mit so mancher treffenden Bemerkung amüsante, lebensnahe und lebenstaugliche Akzente im Verlauf der Geschichte. Diese Dame Anfang 90 ist mein ganz persönliches highlight in diesem Roman. Herzerfrischend und doch mit starken und treffenden Bemerkungen – gelungen!
Meine Erwartung auf Grund der kurzen Inhaltsangabe zum Roman, genaueres über die berufliche Tätigkeit Annas und ihre Akzeptanz durch die Bewohner bzw. auch eine mögliche Nichtakzeptanz haben sich leider nicht erfüllt. Das Augenmerk liegt auf der Familie von Beheray und hier im Besonderen in der Auseinandersetzung und auch Aufarbeitung von Annas Vergangenheit. Um dann wieder zu einem guten und freundschaftlichen Verhältnis zu ihrer Schwester zu gelangen. Diese Entwicklung wird unter Berücksichtigung verschiedener Aspekte gut beschrieben und auch auf Grund des leichten und flüssigen Schreibstils kann man dem Verlauf der Geschichte sehr gut folgen, zumal sie auch einige recht spannende Momente enthält.

2 von 4 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 29.11.2021
Das kleine Chalet in der Schweiz / Romantic Escapes Bd.6
Caplin, Julie

Das kleine Chalet in der Schweiz / Romantic Escapes Bd.6


ausgezeichnet

Eine wohltuende und herzerwärmende Auszeit

Mina, quirlig, freundlich, offen, großzügig, kreativ und mit einem großen Freundes- und Bekanntenkreis, den sie immer wieder gerne zu kulinarischen Überraschungspartys einlädt, fiebert einer neuen Party mit einem ganz besonderen persönlichen highlight entgegen. Doch es kommt alles anders als geplant und sie sieht nur noch einen einzigen Ausweg: nichts wie weg. So weit weg, wie in der gerade herrschenden Winterzeit nur möglich. Ihre Flucht endet in der Schweiz, liebevoll und aufmerksam umsorgt von ihrer heißgeliebten Patentante. Wenn da nicht Luke wäre, den sie auf recht unkonventionelle Zugfahrt in die Schweiz kennengelernt hat und Spuren in ihrem Herzen hinterlassen hat, die sie nicht wahrhaben möchte.
Eine zauberhafte Liebesgeschichte entfaltet sich beim Lesen. Liebend gerne würde man zu Minas Freundeskreis gehören oder auch Gast im Hotel der Patentante sein, die es versteht, eine ganz besondere "freue mich, dass gerade du bei mir zu Gast bist" – Atmosphäre zu vermitteln. Da würde ich mich auf alle Fälle so wohl fühlen, dass ich immer wieder kommen würde …
Der Autorin gelingt es mit einer noch nicht erlebten Leichtigkeit, diese Atmosphäre so eindrücklich zu schildern und in Worte zu fassen, dass ich nur staunen kann. Besonders reizvoll dabei die Schilderung der vorübergehenden Wahlheimat von Mina, wobei sich mit Leichtigkeit eine bildhafte Vorstellung des Gelesenen einstellt. Wenn ein Roman die Bezeichnung "Wohlfühlroman" verdient, dann nimmt dieser Ausflug in das kleine schweizer Chalet mit den ersten Platz ein.

Bewertung vom 29.11.2021
Im Bann der Bilder / Der Traumpalast Bd.1
Prange, Peter

Im Bann der Bilder / Der Traumpalast Bd.1


ausgezeichnet

Großes Kino und ich mittendrin …

Peter Prange, Garant für hervorragend recherchierte historische Romane, lädt mit seinem neusten und überaus seitenstarken Werk zu einem (geschichtlichen) Ausflug nicht nur in die aufregenden Zeiten der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts ein, sondern ermöglicht auch einen sehr informativen und aufschlussreichen Blick hinter die Kulissen. Genauer gesagt, hinter die Kulissen und die geschichtliche Entwicklung der bunten, schillernden und auch schrillen Welt der beginnenden Kinoära. Aufgezeigt an Hand und mit Hilfe der faszinierenden Ufa im pulsierenden Berlin, die noch immer existiert und zu den ältesten Filmfirmen Europas zählt.
Dabei wird erneut deutsche Geschichte mit fiktiven Protagonisten verknüpft, die auf sehr spannende und unterhaltsame Weise diese Zeit, mit all den bekannten, möglicherweise aber auch noch unbekannten, Ereignissen und deren Auswirkungen auf Einzelne gleichsam auferstehen lässt.
Dabei kommt natürlich auch die Liebe nicht zu kurz, wobei im ersten Band bereits zu ahnen ist, wie sich die Beziehung eines Bankiersohnes zu einer Jüdin im Hinblick auf die späteren Jahre entwickeln könnte. Konstantin Reichenbach bricht mit seiner wohlhabenden Familie aus Liebe zu der jungen Jüdin Rahel Rosenberg, bei der es sich nach Auffassung von Konstantins Mutter um eine völlig unpassende Verbindung handelt. Allerdings unterscheidet sich Rahels Lebensvorstellung deutlich von der ihres Partners: sie möchte keine Ehe und auf keinen Fall auf ihre Freiheit und Unabhängigkeit verzichten. Ihr Lebensziel ist eine berufliche Tätigkeit als Journalistin, alles andere als üblich für Frauen in der damaligen Zeit. Konstantin, der sich nach seinem Ausscheiden aus den familiären Bankgeschäften beruflich neu orientieren muss, findet großes Interesse an der aufkommenden Filmindustrie und wagt gemeinsam mit seinem Freund und Filmproduzenten Erich Pommer den Einstieg in ein neues und zukunftsträchtiges Unternehmen.
Ein gelungener und stimmiger Roman, der von der ersten Seite an fesselt. Dabei besonders erwähnenswert die hervorragende und aufschlussreiche Darstellung und Beschreibung der Filmgeschichte, in den unterschiedliche Aspekte eine aufschlussreiche Berücksichtigung finden: nachvollziehbare und verständliche Finanzierungsprobleme, Pleiten, Pannen, aber auch unerwartete und großartige Erfolge, auch persönliche Eitelkeiten und das unersättliche Streben nach Macht und Einfluss.
Auch wenn mehr als 800 Seiten zu lesen sind, ist diese Aufgabe dank des flüssigen und fesselnden Schreibstils leicht zu erfüllen. Die Erwartung an eine interessante und aufschlussreiche Lesereise hat sich für mich erfüllt und möchte diesen Roman deshalb liebend gerne weiterempfehlen.

Bewertung vom 21.11.2021
Das Leuchten der Sehnsucht / Töchter der Freiheit Bd.1 (eBook, ePUB)
Walker, Noa C.

Das Leuchten der Sehnsucht / Töchter der Freiheit Bd.1 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Die Autorin Noa C. Walker begeistert bereits mit dem ersten Band ihrer neuen Familiensaga über den amerikanischen Bürgerkrieg.
Annie und Sophia, zwei Schwestern die bis zum Tod der Eltern auf einer kleinen Farm in Nebraska aufgewachsen sind, werden von ihrem Onkel Max in dessen Haus aufgenommen und ziehen nach New York. Annie erhält gemeinsam mit ihrer Cousine Jennifer eine Ausbildung zur Lehrerin, wobei der Roman mit der ersten Anstellung Annies als Lehrerin auf einer Südstaaten-Plantage beginnt. Sophia verliebt sich in einen jungen Farmer, heiratet ihn bereits mit sechzehn Jahren und folgt ihm auf seine Farm nach Kansas. Jennifer, ebenfalls verlobt, bleibt in New York.
Aus diesen drei Handlungssträngen besteht der Roman und verleiht durch den unterschiedlichen Hintergrund dieser drei Personen dem bereits 1859 sich abzeichnenden Konflikt zwischen Nord- und Südstaaten der letztendlich zu einem verheerenden Bürgerkrieg führte, ganz neue Perspektiven und Einblicke.

Annie, die auf Birch Island die beiden Töchter des Plantagenbesitzers Richard Williams unterrichten soll, wird bereits vom Eintreffen an mit der aufwendigen und verschwenderischen, aber auch befremdlichen und verstörenden Lebensweise der Südstaatler konfrontiert. Geprägt durch Elternhaus und später auch die Familie ihres Onkels verfügt sie über eine ganz andere Lebensphilosophie und -weise und auch ihre Einstellung zur Thematik Sklaverei unterscheidet sich deutlich von denen der meisten Familienangehörigen Williams und deren Nachbarn. Da bleibt es nicht aus, dass ihre wohlgemeinte Hilfsbereitschaft in Unkenntnis des von ihr erwarteten und angebrachten Verhaltens deutlich andere Folgen nach sich zieht als die erhofften.
Sophia, überglücklich mit dem zwar anstrengenden aber erfüllenden Betrieb einer Farm, sieht sich gemeinsam mit ihrem Ehemann und den umliegenden Farmern zunehmend mit der Zerstörung ihres Lebenstraums konfrontiert.
Und Jennifer, die im fernen New York vor die Entscheidung gestellt wird, ihre pro-aktive Haltung gegenüber Sklaverei oder ihren Verlobten aufzugeben.
Dieser Roman hat mich von Anfang an überzeugt. Selten sind mir Charaktere begegnet, die mit einer dermaßen großen Sorgfalt kreiert und ins Leben gerufen wurden. Gerade in der Person von Annie ist es der Autorin meisterhaft gelungen, einer aufrichtige, glaubwürdige und authentische Charakterbeschreibung Taten folgen zu lassen, deren Auswirkungen realistisch, verständlich und nachvollziehbar, jedoch für Annie erschreckend und verstörend sind. Und zu einer verzweifelten Selbstanklage führen, nachdem eine von ihr gut gemeinte Hilfestellung tödliche Folgen nach sich zog. Nach meiner Einschätzung mit die gelungenste Darstellung der Entwicklung einer fiktiven Romanfigur. Schmerzlich und ergreifend.
Als weiteres schriftstellerisches highlight die alles andere als leichte Aufgabe, unterschiedliche Standpunkte zur Sklaverei zu vermitteln. Auch dies hervorragend gelöst, indem die Autorin auf eine sehr einfühlsame und leise, aber überzeugende Weise die unterschiedliche Einstellung der erwachsenen Familienmitglieder teilweise erahnen, teilweise aber auch erkennen lässt. Dabei aber auch die Selbstverständlichkeit einer Freundschaft zwischen Menschen verschiedener Hautfarben in den Personen der beiden jüngsten Familienmitglieder Marianna und Bobby. Marianna, die klare und deutliche Worte gegenüber ihrer älteren Schwester findet, als diese mehr als unpassende Bemerkungen über den Tod der dunkelhäutigen Freundin ihrer Schwester findet. Und Bobby, dem nichts lieber ist, als mit seinem gleichaltrigen dunkelhäutigen Freund die Gegend unsicher zu machen. Kindliche Unbekümmertheit mit einer unzerstörbaren Herzenswärme – wunderbar von der Autorin dargestellt.
Dass es bereits einige Jahre vor Beginn des amerikanischen Bürgerkriegs in den Südstaaten alles andere als ungefährlich war, eine von der Mehrheit abweichende Meinung zu haben, ist verständlich. Aber wieviel Kraft es kostet, dieses Versteckspiel zu

Bewertung vom 15.11.2021
Das Leben, ein großer Rausch / Die Polizeiärztin Bd.2
Sommerfeld, Helene

Das Leben, ein großer Rausch / Die Polizeiärztin Bd.2


sehr gut

Engagiertes Wirken einer couragierten Ärztin im Berlin der 20er Jahre
Als erster Gedanke bei diesem Titel tauchten sofort die s.g. goldenen 20er in mir auf und dass es sich um einen sehr gut gewählten Titel für den nun zweiten Band um die erste Polizeiärztin Berlins in diesen Zeiten handelt.
Magda und der Kriminalist Kuno sorgen einmal mehr für eine überaus spannende und fesselnde Jagd nach einem grausamen Verbrecher, dem mehr und mehr junge Frauen zum Opfer fallen. Als wenn dies nicht bereits mit mehr als genug Aufregung und auch offenen Fragen verknüpft wäre, schlägt sich Magda mit einer ganz persönlichen Problemstellung hinsichtlich beruflicher und auch privater Zukunft herum. Die Gründung einer eigenen Praxis und einer eigenen Familie – wie soll das passen, wie soll das umgesetzt werden, ist dafür jetzt der richtige Zeitpunkt? Fragen, die sich nicht leicht lösen lassen, würde da nicht auch der Zufall eine wichtige Rolle spielen. Denn Magda werden die Räumlichkeiten einer ehemaligen Praxis angeboten und sie wagt kurzentschlossen den Schritt in die Unabhängigkeit und Selbständigkeit und eröffnet eine Praxis für Frauenheilkunde. Dass damit allerdings auch Anliegen an sie herangetragen, die ihr sehr zu schaffen machen, bleibt nicht aus.
Auch im zweiten Band über eine junge Ärztin, in den berauschenden 20er Jahren mitten in Berlin lebt und arbeitet, wird deren fiktive Geschichte sehr gekonnt mit dem Zeitkolorit aber auch ganz besonders mit den politischen und wirtschaftlichen Ereignissen dieser Epoche verknüpft und veranschaulicht. Bei Lesen fast spürbar die Angst der unteren Gesellschaftsschichten, die auf Grund der anhaltenden und zunehmenden Inflation mehr und mehr ums nackte Überleben kämpfen müssen.
Bei Magda, ihre Freundinnen, und auch Kuno, deren Charaktere bereits im ersten Band zu überzeugen wussten, lässt sich zudem eine individuelle Weiterentwicklung erkennen. Fiktive Personen über einen längeren Zeitraum begleiten zu können und dabei mitzuerleben, zu welchen Persönlichkeiten sie sich im Laufe der Zeit bzw. auf den Romanseiten entwickeln, zeugt von großem schriftstellerischem empathischen Talent und verleiht den Protagonisten eine Authentizität und Glaubwürdigkeit, die eine Fiktion glatt vergessen lässt.
Eine gelungene Darstellung und Vermittlung der Lebensumstände in den 20er Jahren und mit Protagonisten, deren Lebensplanung durch lebensnahe und realistische äußere Umstände jedoch auch wieder neu überdacht und angepasst werden muss.

Bewertung vom 18.10.2021
Das Haus der Düfte
Lambert, Pauline

Das Haus der Düfte


ausgezeichnet

Paris, ein gutes Jahr nachdem der zweite Weltkrieg endlich sein Ende gefunden hat und gleichzeitig Neubeginn für die 14jährige Anouk und ihre Mutter, mit Hilfe einer geerbten, allerdings durch die Kriegsjahre sehr heruntergekommenen Apotheke, ihren Lebensunterhalt wieder sicherstellen zu können. Wenn da nicht … Anouk heimlich von ganz anderen Lebensplänen träumt: sie möchte Parfums entwickeln. Ausgestattet mit einem ganz besonderen Geruchssinn öffnet sich ihr immer wieder eine Welt von Düften, die unweigerlich dazu führt, diese Duftnuancen zu kombinieren und Parfums herzustellen, um sie letztendlich den Menschen zur Verfügung stellen zu können.
Es braucht noch einige Jahre Geduld, bis Anouk durch reinen Zufall den Sohn aus einer Parfumdynastie, Stéphane Girard, kennenlernt und auch ihre Mutter endlich bereit ist, ihre Tochter ziehen zu lassen. Gemeinsam mit Stéphane in Grasse angekommen, muss sie sehr schnell feststellen, dass die dort ansässigen Parfumeure sich untereinander einen harten Konkurrenzkampf liefern und auch sie die ganze Härte dieses "duftenden" Geschäftszweigs kennenlernt. Aber nicht nur dies sorgt für aufregende Zeiten, sondern auch ein Familiengeheimnis, das nach und nach aufgedeckt wird.
Ein hochinteressanter Ausflug in die Welt der Düfte und Herstellung von Parfums. Wobei im Roman natürlich auch nicht der erforderliche besondere Geruchssinn zum Kreieren von Parfums nicht vergessen wird. Dies gelingt der Autorin ganz hervorragend in ihrer Geschichte um Anouk und Realisierung ihres Traums, der letztendlich in der Erfüllung eines ganz besonderen Wunsches bzw. Hoffnung endet. Sehr geschickt wird dabei die fiktive Geschichte mit der wunderbaren Welt der Düfte kombiniert, indem die Entwicklung und Herstellung von Parfums genügend Erzählraum gewährt wird und dies zudem überaus verständlich und zum Teil auch fesselnd beschrieben wird.
Die Charaktere haben mich bereits von der ersten Seite an überzeugt und vereinnahmt. Dabei konnte ich z.B. sehr gut nachempfinden, was in Anouk während der Wartezeit am Bahnhof von Paris vorgegangen ist. Viele zu viele Eindrücke für ihre empfindsame Nase …
Durchaus plausibel und "normal" die Reaktion von Anouks Mutter auf den Berufswunsch ihrer Tochter. Und dies in Zeiten, die vorrangig dem Aufbau und einem Neuanfang gewidmet werden mussten. Dann dieser exotische Wunsch einer Tochter im Teenageralter, damit sind Konflikte vorprogrammiert und werden schlüssig und authentisch dargestellt.
Auch die Konkurrenz zwischen den einzelnen Parfumbetrieben ist auf der einen Seite durchaus verständlich, aber auf welche Weise regelrecht gekämpft wird, das wurde fesselnd und spannend dargestellt.
Natürlich hat jede Familie, vor allem, wenn die familiären Unternehmenswurzeln wie bei Stéphane Girard bis ins Ende des 19. Jahrhunderts zurückreichen, ihre Familiengeheimnisse. Diese aber nach und nach mit und durch Anouk ans Tageslicht kommen zu lassen, hat mich nicht nur gefesselt, sondern auch sehr berührt.
Eine wunderbare Romanidee, die mir viel Neues über und aus der Welt der Düfte vermittelt hat. Und einer Geschichte, die mich von der ersten Seite an begeistert hat und von der ich sehr gut unterhalten wurde. Und einem Cover, das ich einfach nur als phantastisch bezeichnen kann – eine wahre Augenweide und mit unwahrscheinlich viel Liebe zum Detail gestaltet. Vergleichbar mit dem Flakon eines ganz besonderen Parfums. Es lohnt sich, diesen Roman nicht nur zu lesen, sondern das Buch auch zu besitzen.

Bewertung vom 18.10.2021
Jahre der Hoffnung / Kinderklinik Weißensee Bd.2
Blum, Antonia

Jahre der Hoffnung / Kinderklinik Weißensee Bd.2


ausgezeichnet

Zwei Schwestern, eine Berufung: Heilung von kranken Kindern

Die Autorin, Antonia Blum, verknüpft in einfühlsamer Weise und Geschick die Entstehung einer der ersten Kinderkliniken Deutschlands, die Kinderklinik Weißensee in Berlin, mit den fiktiven privaten und beruflichen Lebenswegen von zwei früh verwaisten Schwestern, die schon sehr früh ihre besondere Begabung für die Behandlung von kranken Kindern gemeinsam leben können.
Schließt der erste Band, "Zeit der Wunder" mit dem erfolgreichen Bestehen der Prüfung zur Kinderkrankenschwester ab, so beginnt nun der zweite Band nach dem ebenfalls erfolgreichen Abschluss des Medizinstudiums von Marlene, der älteren der beiden Schwestern. Marlene, die noch ein abschließendes und erforderliches 12-monatiges Praktikum in Weißensee absolviert, ist zudem froh, dass ihr Verlobter Maximilian von Weilert, ebenfalls als Arzt tätig, aus dem ersten Weltkrieg zurückgekehrt ist. Allerdings traumatisiert durch die Erlebnisse in dieser Zeit sieht sich Marlene einer großen Herausforderung gegenüber. Als ob dies, neben ihrem schweren Stand als Medizinerin in einem von Männern dominierten Berufsstand, nicht bereits belastend genug wäre, muss sie, gemeinsam mit ihrer jüngeren Schwester Emma, nun auch noch im Jahr 1918 den Kampf gegen die todbringende Spanische Grippe aufnehmen.
Emma, alleinerziehend mit dem kleinen Theodor, sieht sich völlig überraschend und unerwartet dem Vater ihres kleinen Sohnes, Tomasz, gegenüber und muss nun auch diese Herausforderung meistern.
In diesem Roman finden historische Ereignisse mit großem Einfluss und mit großer Bedeutung auf verschiedene Bevölkerungsschichten eine teils ergreifende, in vielem aber auch berührende Weise Berücksichtigung. Dabei werden die das Romangeschehen tragenden Protagonisten mit sehr viel Verständnis und Einfühlungsvermögen gestaltet, wobei es dank des flüssigen und bildhaften Schreibstils schnell gelingt, sich, einer Zeitreise gleich, im Romangeschehen wiederzufinden. Dabei sind die persönlichen Probleme und Schwierigkeiten der beiden Schwestern sehr empathisch "in Szene" gesetzt. Überaus treffend und passend für die damalige Zeit: sei es nun Marlenes Kampf um Anerkennung ihrer großen Begabung als Ärztin oder die Auseinandersetzung Emmas mit dem leiblichen Vater ihres Sohnes und ihrem Status einer Alleinerziehenden.
Besonders eindringlich dargestellt aber auch die psychische Veränderung Maximilian von Weilert durch seine Kriegsteilnahme: diese Thematik noch heute so aktuell und auch ver- bzw. zerstörend wie damals.
Eine fesselnde und überaus gelungene Zeitreise in ein ergreifendes Kapitel deutscher Geschichte, das durch außergewöhnliche Protagonisten, mit individuellen zeitgemäßen Schicksalsschlägen und Entwicklungen. Fesselnd zu lesen, ergreifend geschrieben, unvergesslich beendet. Gut, dass die Autorin eine Trilogie geplant hat …

Bewertung vom 11.10.2021
Der schwarze Winter
Lindemann, Clara

Der schwarze Winter


ausgezeichnet

Überleben im Hungerwinter 1946/1947 – aber wie?
Am Ende des ersten vollen Friedensjahres wird der Winter 1946/1947 als der kälteste Winter des 20. Jahrhunderts in die Geschichte eingehen. Diese Situation ist Grundlage des Romans von Clara Lindemann, in dem sie das Schicksal der beiden Schwestern Silke und Rosemarie hautnah miterleben lässt.
Beide Schwestern, untergebracht auf einem Bauernhof, müssen sich auf Grund der dreisten Nachstellungen des Hofbesitzers erneut auf die Flucht begeben. Ihr Weg führt sie in die Großstadt Hamburg, da sie sich dort ein besseres Überleben und das Auffinden ihrer jüngsten Schwester erhoffen. Ein schwieriges Unterfangen, gilt es doch nicht nur eine sichere Unterkunft, sondern vor allem auch Nahrungsmittel zu finden, um zu überleben. Dies bereits schwierig genug, wenn da nicht auch noch die britische Besatzungsmacht ein überaus wachsames Auge auf jeden und über alles hat. Da bleibt nur der Ausweg über den Schwarzmarkt, der neben einer Bekanntschaft mit Egon und Hans und dank des eisernen Überlebenswillen sich nach und nach so erfolgreich gestaltet, dass Silke gar eine eigene Bar für britische Soldaten eröffnen kann. Dieser Geschäftszweig ist jedoch anderen ein Dorn im Auge und Ärger vorprogrammiert …
Dieser Roman über den s.g. Hungerwinter sucht seinesgleichen. Mit großer Erzählkunst und schriftstellerischer Fertigkeit gelingt es der Autorin von Beginn an, die Leser in ihren Bann zu ziehen. Detail- und kenntnisreich, basierend auf intensiven Recherchen, wirkt die fiktive Geschichte lebensecht und erzeugt eine überzeugende Glaubwürdigkeit, die mir in diesem Ausmaß bisher noch nicht begegnet ist.
Alle Protagonisten sind mit sehr viel Empathie, aber auch großem Verständnis für die damaligen Umstände und Verhältnisse mehr oder weniger "ins Leben gerufen worden" worden. Wobei gerade die unterschiedlichen Charaktereigenschaften der beiden Schwestern Silke und Rosemarie im gemeinsamen Agieren bzw. Reagieren ihren ganz besonderen Reiz entfalten. Aber auch die männlichen Protagonisten, Schwarzhändler Egon und Gustav sowie der Friseur Hans überzeugen von Anfang an.
Ein ergreifender Roman über eine Zeit, über die man froh ist, nie erlebt zu haben. Eindringlich vor Augen geführt und mit Hilfe von – leider – fiktiven Personen lebt man den täglichen Überlebenskampf hautnah mit. Fesselnd, spannend ge- und beschrieben aber auch bereichernd. Ein absolutes Lesehighlight deutscher Nachkriegsgeschichte.

Bewertung vom 11.10.2021
Die letzte Tochter von Versailles
Stachniak, Eva

Die letzte Tochter von Versailles


sehr gut

Gelungene Zeitreise an den französischen Hof

Verbindet man mit Versailles auf den ersten Blick den berühmten Spiegelsaal, Schönheit, Reichtum, Pracht – so trifft diese Bezeichnung nur in einer Beziehung auf die junge Veronique zu: sie ist wunderschön, wächst allerdings in ärmlichen Verhältnissen auf und ihr Alltag besteht darin, gemeinsam mit ihrer Mutter die Kleidung betuchter Kundschaft zu waschen. Ihre Schönheit spricht sich nicht nur bis zum königlichen Hof herum, der König selbst zeigt großes Interesse an ihr als neue Gespielin. Veronique findet sich schon bald in einer luxuriös eingerichteten Unterkunft wieder. Dass ihre Bekanntschaft mit einem "polnischen Grafen" nicht ohne Folgen bleiben wird, zeigt sich durch die Geburt ihrer Tochter Marie-Louise, die, wie zur damaligen Zeit üblich, von der Mutter getrennt bei einer anderen Frau, von Beruf Hebamme, aufwächst. Ihre spätere Heirat mit einem jungen Anwalt, der sich mit großem Engagement mit in den Sturz des Königs einbringt, ist auch für Marie-Louise nicht ungefährlich, als ihre Vergangenheit bekannt wird …
Ein seitenstarker Roman der in die Zeit vor, während und auch nach der Französischen Revolution entführt. Mit Hilfe der beiden Charaktere von Mutter und Tochter gelingt nicht nur eine sehr informative, aufschlussreiche aber auch verstörende Lesereise in die inneren Zirkel am französischen Königshof, sondern später dann auch fesselnde Einblicke in die Vorbereitung zum Sturz der Königsherrschaft, bestens bekannt als französische Revolution mit all ihren Grausamkeiten.
Mit zunehmender Begeisterung habe ich Seite um Seite gelesen. Ein mitreißender Schreibstil, aber auch die überaus interessante Thematik haben mich in ihren Bann gezogen, sodass der Roman schneller als geplant beendet war. Die Charaktere haben mich angesprochen und überzeugt, zumal ich mir durchaus vorstellen konnte, dass es solche Schicksale wie das von Veronique durchaus gegeben haben kann, wenn man sich ein wenig näher mit Ludwig VI und seiner Zeit beschäftigt.
Interessant dann die Romanidee, die Vorbereitung und letztendlich auch den Sturz des späteren Königs Ludwig XVI mit Hilfe der Tochter Marie-Louise und deren Ehemann zu verknüpfen und näher zu beleuchten. Auch diese beiden Charaktere konnten mich begeistern und sehr spannende Lesemomente erzeugen.
Alles in allem ein historischer Roman, der mir nicht nur sehr gut gefallen hat, sondern den ich auch gerne weiterempfehlen kann. Abtauchen in die französische Geschichte mit Hilfe des Schicksals bzw. des Lebenswegs von zwei überaus interessanten Frauen des französischen Bürgertums – eine lesens- und lohnenswerte Erfahrung.