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alina_liest07

Bewertungen

Insgesamt 57 Bewertungen
Bewertung vom 17.12.2022
Liebewesen
Schmitt, Caroline

Liebewesen


ausgezeichnet

Intensives Leseerlebnis

Lio hat nach einer teils traumatischen Kindheit und Erfahrungen lange Zeit Schwierigkeiten damit, Intimität und Nähe in Beziehungen mit anderen Menschen zuzulassen. Als sie schließlich Max kennenlernt, beginnt eine turbulente Beziehung mit vielen Auf und Abs - bis Lio bemerkt, dass sie schwanger ist. Unfähig es Max zu erzählen, verfolgen sie sowohl ihre Kindheitserinnerungen als auch wichtige (Zukunfts-)Fragen.

„Liebewesen“, der Debütroman von Caroline Schmitt ist ein intensives, erfrischendes und berührendes Leseereignis. Das Erzählte und Erlebte ist teilweise sehr bedrückend und ich musste das ein oder andere Mal schlucken. In der Kombination mit einer Prise Humor und sehr genauen, realistischen Beobachtungen ist der Autorin hier eine echte Meisterleistung gelungen. Caroline Schmitt’s Schreibstil war für mich zunächst etwas gewöhnungsbedürftig, ich habe mich aber ganz schnell darin verliebt.

Lio ist eine wirklich tolle und mutige Hauptfigur - die Autorin bringt ihre Ängste, Gefühle und Gedanken auf realistische und berührende Art und Weise zu Papier ohne jemals kitschig zu sein. Neben ihrer komplexen Beziehung zu Max sind auch Lio’s Beziehungen zur ihren Eltern und ihrer besten Freundin Mariam toll beschrieben. Vor allem Letztere, die Freundschaft zwischen Lio und Mariam, ist eines meiner Highlights und hätte meiner Meinung nach gerne noch mehr Raum einnehmen dürfen.

Trauma, sexueller Missbrauch, Intimität und Sexualität, Abtreibung und komplexe menschliche Beziehungen sind alles Themen, die hier auf eine frische, ehrliche und berührende Art und Weise behandelt werden. Dieser Roman wird vielleicht nicht jeden oder jede ansprechen, wer Interesse an den genannten Themen oder einfach guter Literatur hat, findet hier aber eine wirklich mitreißende und moderne Lektüre von einer tollen neuen Autorin.
„Liebewesen“ hat jetzt schon eines der besten Cover und Titel des neuen Jahres und auch inhaltlich ist es ein grandioser Einstieg und einer der ersten Empfehlungen in der neuen Lesesaison.

Bewertung vom 15.10.2022
Alle_Zeit
Bücker, Teresa

Alle_Zeit


ausgezeichnet

Alles eine Frage der Zeit?

Die Redewendung „Zeit ist Geld“ ist wohl vielen ebenso geläufig wie das Gefühl der Zeitknappheit - und dennoch scheint Zeit bisher kaum ein politisches Thema zu sein. Die Journalistin und Autorin Teresa Bücker widmet sich diesem omnipräsenten und doch viel zu wenig diskutiertem Thema. Wem gehört eigentlich unsere Zeit, was bedeutet zu wenig Zeit zu haben und wie können wir sie besser und gerechter gestalten?
Anhand von gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Entwicklungen beschreibt sie die Bedeutung der Zeit in unserer Gesellschaft. Unterteilt in sechs Kapitel, plus Vorwort und Ausblick, beleuchtet die Autorin die Zeit bzw. ihr Mangel in verschiedenen Bereichen wie Arbeit, Fürsorge, Freizeit und Politik.

Wie Bücker eindrücklich zeigt sind fehlende Zeit und Stress ist eben nicht nur gesundheitsschädlich, sondern schränken auch unsere persönliche Freiheit und Gestaltungsmöglichkeiten enorm ein. Somit ist Zeit und ihre Verteilung eben auch eng mit sozialer Gerechtigkeit, Macht und demokratischer Teilhabe verknüpft. Und so ist Alle_Zeit ein gesellschaftskritisches Plädoyer für kürzere (Erwerbs-)Arbeitszeiten und mehr Zeit für Fürsorge, gesellschaftspolitisches Engagement und echter Freizeit (im Gegensatz zum sogenannten „Zeitkonfetti“).

Nicht alle Gedankengänge und Gesellschaftskritik mögen neu sein, aber Bücker
liefert viele interessante und eindringliche Denkanstöße und Perspektiven.
Ihr Sprachstil bleibt dabei, trotz vieler Bezüge auf soziologische Theorien sowie Forschungs- und Studienergebnisse, erstaunlich leicht und flüssig. Auch persönliche Erfahrungen und Anekdoten der Autorin fließen mit ein.

Alle_Zeit ist ein wichtiger, aktueller Beitrag und leidenschaftlicher Appell für neue gesellschaftspolitische (Zeit-)Debatten. Ein tolles Sachbuch in dem sich sehr viele Menschen in ganz verschiedenen Lebensphasen wiederfinden können und das uns hoffentlich weiter dazu bringt den Stress und Zeitdruck unseres Alltagsleben zu hinterfragen und als strukturelles, politisches Problem zu begreifen.

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.10.2022
Miss Kim weiß Bescheid
Cho, Nam-joo

Miss Kim weiß Bescheid


sehr gut

Ein bunter Strauß an feministischer Gesellschaftskritik

Nach ihrem beeindruckendem Bestseller „Kim Jiyoung, geboren 1982“, nimmt uns Cho Nam-Joo erneut mit in den Alltag von Frauen in Südkorea - und zeigt erneut wie universell ihre Erzählungen und Kämpfe doch sind!
Anders als in ihrem Vorgänger handelt es sich hierbei um acht Kurzgeschichten, welche alle aus der Ich-Perspektive einer Frau erzählt werden.

Und so tauchen wir ein in einen bunten Strauß feministischer und gesellschaftskritischer Erzählungen: die Last der Pflege- und Care Arbeit, die (Un-)Vereinbarkeit von Karriere und Familie im vermeintlich modernem Südkorea, manipulative Beziehungen und sexuelle Belästigung in der Schule sind nur einige der Themen, die Nam-Joo uns bietet.
Eine der Geschichten, hat auch Bezüge zur Autorin selbst und ihren plötzlichen Ruhm, ihrer Stellung als feministisches Idol und den damit einhergehenden Hass und Neid.

Eigentlich bin kein großer Fan von Kurzgeschichten, allerdings schafft es die Autorin einen so unvermittelt in ihre Erzählungen und Figuren zu „schmeißen“, sodass mich dieses Buch und seine Figuren sehr gefesselt hat. Dabei ist Nam-Joo Sprachstil nüchtern und klar, und dafür umso treffender in der Art wie sie die stille Last, und häufig auch Verzweiflung, der Frauen über alle Altersklassen hinweg zu Papier bringt.

Die große Kraft von "Miss Kim weiß Bescheid" liegt einmal mehr in der Alltäglichkeit und Universalität ihrer Geschichten - die Themen ihrer Erzählungen scheinen uns nur all zu bekannt und lassen sich problemlos auf unsere Gesellschaft und patriarchale Strukturen übertragen. Ich könnte keine einzelne Lieblingsgeschichte nennen: Auch wenn nicht alle in gleichem Maße mit einem sprechen, scheinen sie doch fast fließend ineinander überzugehen und in vielen von ihnen konnte ich mich wiederfinden.
Alles in allem, kann ich „Miss Kim weiß Bescheid“ nur empfehlen, vor allem wenn man das Vorgängerwerk kennt und schätzt!

Bewertung vom 25.09.2022
Unsre verschwundenen Herzen
Ng, Celeste

Unsre verschwundenen Herzen


ausgezeichnet

Eindringlich - eine Dystopie, die keine ist

Nach schweren wirtschaftlichen Krisen und Unruhen, findet sich die USA der nahen Zukunft wieder in einer scheinbaren Stabilität. Diese allerdings beruht auf neuen Gesetzen und Systemen, angeblich zur Wahrung der „amerikanischen Kultur“: Bücher werden entfernt, Internetzugang und Meinungsfreiheit sind stark zensiert, die Diskriminierung von Asiaten bleibt ungestraft und die Kinder von Menschen, die als unpatriotisch gelten, werden von ihren Familien getrennt.
Seit dem seine Mutter Margaret, eine chinesisch-amerikanische Schriftstellerin, die Familie verließ als Bird neun Jahre alt war, lebt der nun 12-Jährige zusammen mit seinem Vater ein weitgehend ruhiges Leben. Doch als ein Brief seiner Mutter bei ihm eintrifft beginnt er (gefährliche) Fragen zu stellen…

„Unsre verschwundenen Herzen“ ist ein dystopischer Roman, aber er fühlt sich so nah an unserem Hier und Jetzt und enthält so viele aktuelle Bezüge, dass das Wort Dystopie ihm fasst nicht gerecht wird.
„Birds und Margarets Welt entspricht nicht unbedingt der unsrigen, aber irgendwie tut sie es doch.“
Gleichzeitig zeichnet die Autorin wunderbare Symbole der Hoffnung: der (künstlerische) Widerstand, der Zusammenhalt und die Liebe, die zwischen den Figuren herrscht und nicht zuletzt die Bücher und Bibliotheken als Orte der Zuflucht.
Der Roman ist auch eine Hymne an die Bedeutung der Bücher, Bibliotheken und Worte dieser Welt - den wie ihre Zensur immer wieder zeigt, fürchten autoritäre Regime und Tyrannen ihre Macht überall. Dieser Roman zeigt eindringlich, was ein einzelner Mensch und seine Geschichten und Wörter bewirken kann, aber auch um welchen persönlichen Preis.

Wie schon bei ihren beiden Vorgängern gelingt Celeste Ng der perfekte Spagat zwischen Spannung, komplexen Beziehungsdynamiken und stark gezeichneten Charakteren, die einem noch lange im Gedächtnis bleiben. Ngs Schreibstil ist dabei so ruhig und berührend und sie schafft es die Hilflosigkeit und Angst, ebenso wie die Hoffnung und Liebe glaubhaft einzufangen.

Ich finde man kann „Unsre verschwundenen Herzen“ durchaus als einen „klassischen“ Ng bezeichnen - ein tief bewegender, eindringlicher, hoch aktuell und zwischen Dystopie und Hoffnung schwankender Roman, der eine klare Leseempfehlung verdient!

Bewertung vom 21.08.2022
Schlangen im Garten
vor Schulte, Stefanie

Schlangen im Garten


ausgezeichnet

Eine magische, zu Herzen gehende Geschichte

Familie Mohn versucht den Tod ihrer Mutter bzw. Frau klar zu kommen. Während die Familienmitglieder ganz unterschiedlich mit ihrer Trauer umgehen, schalten sich Nachbarn und Traueramt ein und immer mehr skurrile Charaktere treten in das Leben der Familienmitglieder.

In einer einzigartigen, märchenhaften Sprache zeichnet die Autorin berührende Bilder und fängt die Trauer und den Verlust, aber auch die Liebe in all ihrem Facetten zwischen den Zeilen ein und spielt mit unserer Wahrnehmung. Die wunderbar getroffenen Figuren versuchen in einer zwischen surreal und märchenhaft wechselnden Umgebung, ihre Trauer zu verarbeiten: Die Familie isst wortwörtlich die Tagebücher der verstorbene Mutter, Linne prügelt sich ihre Trauer heraus, Steve sieht Gesichter…Ganz nebenbei treten Bille, Marlene, Brassert und der Trauerbeamte Ginster in das Leben der Familie.

Es sind vor allem die vielseitigen Charaktere und ihre Wunden und Narben, aber auch ihre Stärken, die mich berührt haben.
Um es mit Ginsters Worten zu sagen: „Sind nicht alle zu hassen, die unbeschadet durch diese Welt kommen?“
Ein eigenartiges Buch, welches das Thema Trauer auf seine ganz eigene Art behandelt - ein Trost spendendes Buch, was uns hoffentlich dazu ermutigt in der Trauer, aber auch in anderen Bereichen, unseren eigenen Weg zu gehen und nicht von gesellschaftlichen Erwartungen und Zeitschienen bestimmen lassen. In einer Welt in der es immer schnell weitergehen soll, lädt dieser Roman uns ein innezuhalten und unser Herz einzuschalten.

„Schlangen im Garten“ ist kein Buch, durch dass ich durchgeflogen bin - immer wieder musste ich innehalte um die surrealen und berührenden Szenen wirken zu lassen.
Der Erzählstil wird sicherlich nicht alle ansprechen und mitreißen, aber für alle die sich darauf einlassen wollen, ist dieser Roman eine Herzensempfehlung!

Bewertung vom 17.08.2022
Auf See
Enzensberger, Theresia

Auf See


ausgezeichnet

Fesselnde und erschreckend realistische Zukunftsvision

Eine vor der Ostsee schwimmende, mehr oder weniger autarke Stadt und Sonderwirtschaftszone ist das Zuhause von Yada, Tochter des Gründers eben jener Stadt. An ihre vor Jahren verstorbene Mutter hat sie kaum noch Erinnerungen und das Leben in der schwimmenden Stadt hat schon lange an Glanz verloren. Gefangen in den Routinen und Kontrollen ihres Lebens, beginnt die 17-Jährige Yada auf eigene Faust Nachforschungen zu dem Projekt ihres Vaters anzustellen. Gleichzeitig begleiten wir Helena, eine auf dem Festland lebende Künstlerin, die dort mit ihren ganz eigenen Probleme zu kämpfen hat. Wie hängt das Leben dieser Frauen zusammen?

Theresia Enzensberger zeichnet in „Auf See“ ein spannendes und sehr realistisches Zukunftsszenario. Erzählt wird abwechselnd aus Yada’s und Helena’s Perspektive, wodurch sich auch die Unterschiede zwischen den beiden Lebenswelten wunderbar herausstellen. Gespickt wird die Erzählung mit Archiv Einträgen, die uns helfen Teile der gesellschaftlichen, wirtschaftlichen Entwicklungen und Hintergründe besser nachzuvollziehen.

Nicht jeder Beweggrund oder jede Entscheidung der Protagonistinnen wird bis aufs letzte Detail erklärt oder erschien mir immer sofort nachvollziehbar - und dennoch hat mich „Auf See“ in kürzester Zeit in seinen Bann gezogen und begeistert. Enzensberger schafft es die Spannung fortwährend hochzuhalten und ihre ganz eigene Mischung auf Dystopie und Gesellschaftskritik zu finden. Dabei bedient sie sich neoliberaler und libertäre Theorien und Strukturen ebenso wie Utopieerzählungen, Sekten und ihren gefährlichen Dynamiken und zeichnet aus ihnen eine glaubhafte, wenn auch wenig erstrebenswerte Zukunftsvision.
Die Welt in „Auf See“ ist eine andere wie heute und dennoch scheint sie schon übermorgen möglich.

Für mich war „Auf See“ sowohl fesselnde Unterhaltung, die ich in einem Rutsch verschlungen habe, als auch eine wichtige Abrechnung mit libertären Theorien, die auch in der heutigen (Tech-) Start Up Szene leider wieder großen Anklang finden. Ein Buch was vor allem im Nachgang in mir weiterarbeitet hat - von mir gibt es eine klare Leseempfehlung!

Bewertung vom 14.08.2022
Sanfte Einführung ins Chaos
Orriols, Marta

Sanfte Einführung ins Chaos


sehr gut

Emotionales Kammerspiel

„Sanfte Einführung ins Chaos“ nimmt uns fast eine Woche lang durch das Leben und die Gedanken von Marta und Dani. Das in Barcelona lebende, kreative Paar wird durch Marta’s ungewollte Schwangerschaft auf eine Achterbahn der Gefühle geschickt. Denn während Marta Dani mitteilt das Kind nicht bekommen zu wollen, hadert dieser mit durchaus mit der Entscheidung.

Erzählt aus den unterschiedlichen Perspektiven von Dani und Marta und unterteilt in einzelne Tage baut Marta Oriols einen intensiven, emotionalen Spannungsbogen auf. Marta Oriols’ Schreibstil und ihre eher nüchterne Sprache war für mich durchaus gewöhnungsbedürftig, dafür aber umso authentischer, spiegelt er auf eine Art und Weise das Chaos in dem die beiden Protagonistin sich befinden. Die Stärke und Einzigartigkeit des Romans liegt für mich vor allem in den Gesprächen und Auseinandersetzungen zwischen dem Paar, aber auch ihre unausgesprochenen Gedanken sind faszinierend und treffend beschrieben.

Vor allem Marta’s Gedanken und Gefühle konnte ich sehr gut nachvollziehen, beide Charaktere machen im Laufe des Romans aber eine spürbare und glaubwürdige Entwicklung durch. Dabei werden aktuelle Herausforderungen vieler junger Großstädter beschrieben, seien es prekäre Jobs und beengte Wohnsituationen oder (desillusionierte) Zukunftsträume - Dani und Marta sind in vieler Hinsicht Abbild einer Generation.

Ein wichtiger, spannender und vor allem authentischer Roman, der es schafft
die unterschiedlichen Zweifel und Hoffnungen, die Abwägungen und Träume seiner Protagonistin einzufangen und uns an ihrer Gefühlswelt teilhaben zu lassen.
Von mir gibts eine Leseempfehlung, vor allem für Freunde von leisen, emotionalen Kammerspielen und starker Figurenentwicklung!

Bewertung vom 24.07.2022
Freizeit
Kaspari, Carla

Freizeit


sehr gut

Humorvolles und ironisches Romandebüt

Nach einer Trennung und über zwei Jahren in Paris kehrt Franziska nach Deutschland zurück. Während sie an einem stark an ihr Leben und das ihrer Freunde angelehnte Roman arbeitet, muss sie erkennen, dass sich einige Dinge und Beziehungen mit den Jahren geändert haben.

Carla Kaspari beschreibt in „Freizeit“ augenzwinkernd und mit viel Ironie das Leben und die, teils sehr wirren, Gedankengänge einer privilegierten Mittzwanzigern.
Zu Beginn ist der Stil der Autorin durchaus gewöhnungsbedürftig, vor allem Franziskas abgedruckte Romanauszüge sind zu Beginn nicht immer leicht zu lesen. Dennoch habe ich „Freizeit“ sehr gerne und schnell gelesen. Kaspar hält auf eine ironische, häufig sehr gut beobachte Art einer Generation den Spiegel vor. Nicht immer sitzen die Pointen, dennoch habe ich mich in der ein oder anderen Schilderung wiedergefunden. Vor allem die Diskrepanz zwischen unserem Denken und Fühlen sowie unserem tatsächlichen Handeln fand ich sehr treffend beobachtet.

Nicht ohne Schwächen, aber insgesamt ein schöner Roman für ein paar unterhaltsame Stunden - eine leichte, humorvolle und dennoch bissige Lektüre über eine Generation, die nicht so recht weiß wohin mit sich und der Welt!

Bewertung vom 16.07.2022
Jahre mit Martha
Kordic, Martin

Jahre mit Martha


ausgezeichnet

Eindringlich und bewegend - Ein absolutes Lesehighlight!

Martin Kordić erzählt in seinem zweiten Roman „Jahre mit Martha“ von dem 15-jährigen
Željko, auch Jimmy genannt, der sich in die ältere Professorin Martha Gruber verliebt, bei der seine Mutter putzt. Durch diese ungewöhnliche und ungleiche Beziehung, öffnet sich für Željko die Tür zu einer anderen Welt - eine Welt voller Bücher, Bildung und Möglichkeiten. Über die Jahre dürfen wir Željko dabei beobachten wir er allen Widerständen zum Trotz Abitur macht und anschließend ein Studium in München aufnimmt. Während er zwischen den Welten fremdelt und in seinem Professor Alex Donelli eine prägenden Einfluss findet, spielt seine Beziehung zu Martha in all diesen Jahren eine entscheidende Rolle.

„Jahre mit Martha“ ist ein wirklich bemerkenswerter, wunderschöner und berührender Roman. Martin Kordić skizziert seine Charaktere hervorragend, ohne sie je vorzuführen oder zu werten. Harte Realitäten und Ungerechtigkeiten werden fein beobacht. Dabei bleibt Kordić’s Sprache immer ruhig und unaufgeregt und zieht einen dennoch völlig in seinen Bann. Die Beziehung zu Martha wird liebevoll und zart, nie kitschig, erzählt, ohne dabei die unterschiedlichen Machtverhältnisse auszublenden - im Gegenteil.

Martin Kordić erzählt von den Schwierigkeiten von Gastarbeitern und ihren Familien, von den Benachteiligungen im Schulsystem, den prekären finanziellen Situationen, und der inneren Zerrissenheit die viele junge Menschen wie Željko in Deutschland prägen.
Vor allem aber Željko’s Schilderungen über Heimatbesuche und Sommerferien im Kriegsgebiet sind erschütternd und bleiben in Erinnerung.
Fein und treffend, sich in der Beziehung zwischen Martha und Željko spiegelnd, erzählt er fast beiläufig und deswegen umso eindrücklicher von den Chancenungleichheiten und Ungerechtigkeiten, von Privilegien und von offenen oder geschlossenen Türen, die so häufig von Namen und Herkunft bestimmt werden. Es ist aber auch die wunderschöne, leise erzählte Geschichte eines jungen Mannes der seinen Weg erst finden muss.

Ein bestechender Roman, der durch seine stillen, fein beobachteten Momente und toll gezeichneten Figuren strahlt. Ein absolutes Lesehighlight dieses Jahres, das tief berührt, das nachdenklich macht und noch sehr lange nachhallen wird. Unbedingt lesen!

2 von 2 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.07.2022
Freundin bleibst du immer
Obaro, Tomi

Freundin bleibst du immer


sehr gut

Schöner, einfühlsamer Debütroman

Tomi Obaro erzählt mit ihrem Debütroman „Freundin bleibst du für immer“ eine mitreißende Geschichte über die drei Freundinnen Enitan, Zainab und Funmi. Das Leben der drei Freundinnen aus Nigeria hat sich nach der Universität in ganz unterschiedlichen Richtungen entwickelt und nun sind sie anlässlich der Hochzeit von Funmis Tochter nach langer Zeit wieder gemeinsam am selben Ort.

Der Roman wechselt zwischen der Gegenwart bzw. dem Jahr 2015, in dem die Hochzeitsvorbereitungen auf Hochtouren laufen und der Vergangenheit, zu den Anfängen ihrer Freundschaft, als die drei Frauen noch Studentinnen an der Uni waren.
Dadurch dass die Geschichte aus den unterschiedlichen Perspektiven von Enitan, Zainab und Fumni erzählt wird, erhält man einen einfühlsamen und vielschichtigen Eindruck in ihre Freundschaft und Gefühle und wie diese sich über die Zeit entwickeln. Die Stärke dieses Romans sind ganz klar die drei tollen, spannenden Hauptfiguren. Es ist schön zu verfolgen, wie die Freundinnen sich gegenseitig beistehen und unterstützen und auch wie sich die Dynamiken auch in den Mutter-Tochter Beziehungen fortführen.

Tomi Obaros Debütroman gibt uns durch die Augen der drei Frauen auch einen Einblick in das soziale und kulturelle Klima Nigerias - von nigerianischen Hochzeits- und Essenstraditionen zu blutigen Niederschlagungen von Studentenbewegungen.
Obaros Schreibstil ist dabei frisch und angenehm, sie schafft es jeder der drei Hauptfiguren ihre eigene Stimme zu geben, sodass es leicht fällt den Freundinnen durch ihre Geschichte zu folgen.

Einen Stern Abzug gibt es vor allem wegen dem dann für mich doch sehr abrupt kommenden Ende, dem für meinen Geschmack auch etwas der Überraschungsmoment gefehlt hat. Der letzte Teil hätte gerne noch länger sein dürfen, um zu einem runderem Ende zu kommen.
Alles in allem gibt es dennoch eine klare Leseempfehlung für alle die eine schöne Geschichte über Freundschaft lesen möchten. Mich hat das Buch an einen anderen Ort entführt und die Frauen sind mir in kürzester Zeit ans Herz gewachsen - ich bin definitiv gespannt, auf die folgenden Werke von Tomi Obaro!