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Fornika
Buchflüsterer: 

Bewertungen

Insgesamt 395 Bewertungen
Bewertung vom 13.12.2023
Yoga Town
Speck, Daniel

Yoga Town


gut

Lucy bestreitet in Berlin ihren Lebensunterhalt als Yogalehrerin, auch inspiriert von ihren Eltern, die `68 in Indien bei einem waschechten Guru waren. Genau wie die Beatles, die musikalisch vor allem Lucys Vater geprägt haben. Als ihre Mutter verschwindet, kommt schnell der Verdacht, dass sie nach Rishikesh gereist ist, um Altes aufleben zu lassen und mit der Vergangenheit abzuschließen.
Yoga Town lässt die Hippiekultur aufleben und wirft einen ganz speziellen Blick darauf. Das Feeling der `68 wird sehr gut transportiert, auch wenn man bisher wenig mit Yoga und der Philosophie in Berührung gekommen ist , erhält man einen sehr guten Einblick. So einiges wird auch entzaubert, gerade durch den Handlungsstrang in der Jetzt-Zeit. Das Zusammenspiel zwischen den zwei Zeitebenen klappt sehr gut, ebenso die beiden unterschiedlichen Perspektiven (Lou – Lucy). Ich mochte den Erzählstil per se, das Buch liest sich sehr süffig. Da die Handlung viel in Indien spielt, unterhalten sich die Figuren oft auf Englisch; das wird dann aber nicht übersetzt, ich bin nicht sicher, ob jemand, der die Sprache nicht spricht, hier immer alles mitbekommen kann. Gerade Lou wirft auch immer wieder mit englischen Begriffen um sich, das wirkt gestellt hipp und hat einen etwas künstlichen Eindruck bei mir hinterlassen. Die Figuren haben mich nicht ganz überzeugen können: Lucy wirkt etwas unnahbar, obwohl man ihr ziemlich gut in den Kopf schauen kann. Lou wird dadurch, dass man ihm in zwei Zeitebenen begegnet eher zerrissen, er ergibt keine einheitliche Figur. Die Beatles tauchen zwar immer mal wieder auf, nehmen aber keinen großen Raum ein und haben unterm Strich für die Handlung auch keine nennenswerte Funktion. Letztendlich hätte es jeder sein können; anhand des Klappentextes hatte ich mir das doch etwas anders vorgestellt. Die Geschichte von Lucys Familie wird nach Jahrzehnten endlich aufgearbeitet, das funktioniert auch in der Auflösung ganz gut. Trotzdem konnte ich nicht richtig in die Geschichte abtauchen, so wie ich es von anderen Büchern des Autors gewohnt bin.
Insgesamt ist Yoga Town ein leicht zu lesender Roman, der durchaus unterhalten kann. Ich persönlich habe aber weder zu Figuren noch zur Handlung großen Zugang gefunden.

Bewertung vom 04.12.2023
Unsereins
Mahlke, Inger-Maria

Unsereins


sehr gut

Lübeck, 1890. Die Familie von Rechtsanwalt Lindhorst bekommt ein Nesthäkchen, Marthe. Die kinderreiche Familie will in der Gesellschaft weiter aufsteigen, doch der Vater hat den falschen Beruf für den Senat, die Mutter mit ihren manisch-depressiven Phasen zu kämpfen. Marthes Kindheit und Jugend sind davon geprägt, ebenso wie von der Jahrhundertwende und der Veröffentlichung eines Romans über eine Familie, fast ganz wie die ihre.
Mahlkes Roman umspannt knapp sechzehn Jahre im kleinsten Staat des Kaiserreichs, unschwer ist für den Leser Lübeck zu erkennen. Das Stadtbild wird gut wiedergegeben, eine Karte erleichtert die Vorstellung zusätzlich. Man bekommt einen lebendigen Einblick in den Alltag der etwas besser Gestellten, aber auch der niederen Arbeiter. Natürlich fühlte ich mich beim Lesen an Manns Buddenbrooks erinnert, aber die Autorin schafft ein ganz eigenes Lesegefühl, das trotzdem seiner Zeit gerecht wird. Ich mochte den Erzählstil sehr, der Blick für die feinen Details, die Kleinigkeiten, die den Alltag ausmachen. Ebenso die Tatsache, dass eher die Frauen in den Fokus gerückt werden, auch und gerade weil sie zu dieser Zeit nicht automatisch das Sagen hatten. Besonders hat mir Ida gefallen, unverhofft zum Dienstmädchen geworden, aber mit doch ganz eigenen Zielen im Leben, die sie langsam, aber stur verfolgt.
Schon allein Familie Lindhorst zählt stolze zehn Mitglieder, auch sonst geizt Mahlke nicht mit Figuren; nicht immer gelingt der Überblick, Personenregister hin oder her. Eine gewisse Distanz blieb zu allen Figuren, trotzdem gefiel mir dieser Einblick in ganz unterschiedliche Lebenssituationen.
Fazit: Unsereins ist ein wirklich gelungener Roman, der zwar eine gewisse Aufmerksamkeit fordert, dafür aber auch belohnt.

Bewertung vom 04.12.2023
Stunde um Stunde
Fox, Candice

Stunde um Stunde


sehr gut

Nach dem Verschwinden ihrer Tochter Tilly sind Elsie und Ryan auch noch zwei Jahre danach der Meinung: die Polizei hat nicht sorgfältig ermittelt, hat ihr Verschwinden vorschnell als Ertrinken abgetan. Um endlich zu erfahren was mit Tilly passiert ist, um die Behörden zu zwingen sich den Fall noch einmal vorzunehmen, greifen die beiden zu drastisch-verzweifelten Maßnahmen: sie drohen entscheidende Beweise für noch ungeklärte Straftaten zu zerstören. Unter anderem die, für die Ermittler Charlie fast fünf Jahre undercover sein Leben riskiert hat. Um seinen Einsatz nicht buchstäblich in Rauch aufgehen zu sehen, setzt Charlie alles daran Licht in Tillys Fall zu bringen.
Candice Fox schreibt absolut mitreißend, man fiebert mit, spürt den Zeitdruck förmlich auf jeder Seite. Die Geschichte liest sich sehr flüssig und locker, gerade die Dialoge zwischen den ungleichen Teampartnern Lynette und Charlie machen Spaß. Die beiden geraten in z.T. schon fast absurde Situationen, was einen hohen Unterhaltungswert hat. Charlie ist mir sehr sympathisch, ebenso seine unerwartete Partnerin Lynette. Die überrascht mit ihrer Hartnäckigkeit nicht nur ihn sondern auch den Leser. Ich kann nicht einschätzen wie häufig die von Fox angeführten Fälle auftreten, aber die Vorstellung, dass die Aufklärung eines Mordes wirklich nur an einer einzigen Spur hängen kann… unschön. Selbst innerhalb der beteiligten Polizisten gibt es ganz unterschiedliche Meinungen dazu, ob diese Spuren oder das Leben der Geiseln höher einzuschätzen sind; diese Differenzen machen nachdenklich, und das bietet einen guten Kontrapunkt zu den actionreicheren Szenen. Auch die Delaneys sind in ihrer Verzweiflung authentisch gelungen, und man fragt sich unweigerlich zu was man in vergleichbarer Situation fähig wäre. Mir hat leider das Finale nicht so gut gefallen, auch wenn ich den Thriller sonst wirklich gerne gelesen habe. Lynette und Charlie hätten das Zeug dazu als Team weitere Fälle zu lösen, ich bin gespannt, ob die Autorin sie lässt. Mich würde ein Wiederlesen freuen.

Bewertung vom 24.11.2023
Das Buch der Phobien und Manien
Summerscale, Kate

Das Buch der Phobien und Manien


sehr gut

Von Arachnophobie, Klaustrophobie oder Flugangst hat wohl schon jeder einmal gehört. Doch was, wenn man sich vor Eisenbahnfahrten fürchtet? Oder vor Popcorn? Oder vor Palindromen?
Dann ist man beim Buch der Phobien und Manien erst einmal gut beraten: ein kleines Nachschlagewerk lässt einen die gängigsten, aber auch skurrilsten Ängste und Manien etwas besser verstehen. In jedem der 99 kurzen Abrisse wird die Wortherkunft der Phobie/Manie erläutert, sowie die Geschichte ihrer „Entdeckung“. Einige sind schon seit vielen Jahrhunderten bekannt, andere naturgemäß neuzeitlich (wie etwa die Angst das Smartphone nicht in Reichweite zu haben). Es wird sehr kurz auf die psychologischen Hintergründe eingegangen, ebenso auf die Erläuterung, die man früher für schlüssig hielt, die heute aber nur noch als hanebüchen bezeichnet werden können. Immer wieder werden berühmte Fallbeispiele angebracht, manche Geschichten sind abstrus, andere vor allem traurig. Der Stil ist recht einfach gehalten, trotzdem informativ und durchaus auch humorvoll. Das Buch ist eine nette lexikonartige Zusammenfassung für den, der sich und seine Umwelt ein bisschen besser verstehen will.

Bewertung vom 11.11.2023
Der Cocktailmörderclub / Phyllida Bright Bd.2
Cambridge, Colleen

Der Cocktailmörderclub / Phyllida Bright Bd.2


sehr gut

Dass bei einem Treffen des Detection Clubs über Mord und Todschlag gesprochen wird, das ist normal. Aber ein waschechter Mord beim Mordbasar des Schriftstellerclubs? Das ist doch ein Schock. Natürlich behält die taffe Haushälterin Phyllida trotzdem die Nerven, und sorgt nicht nur für Ordnung, sondern macht sich auch direkt auf die Suche nach dem Mörder.
Phyllida zeigt sich auch in diesem zweiten Band als intelligente und pfiffige Ermittlerin, hat aber gleichzeitig auch eine sehr empathische und aufmerksame Art ihren Mitmenschen gegenüber. Natürlich fehlt auch die ein oder andere Kabbelei mit Chauffeur Bradford bzw. Butler Dobble nicht, auch wenn Letzterer durchaus etwas häufiger hätte vorkommen dürfen. Einige Figuren sind somit aus dem Vorgängerband bekannt, dank des Mordclubs kommen aber viele neue hinzu. Das wirkt sich nicht ganz so positiv auf die Ermittlungen aus, weil sehr viele Figuren befragt werden, z.T. dann etwas dürftig. Da wäre weniger sicher mehr gewesen, denn der Überblick fällt trotz Personenregister nicht immer leicht. Die Ermittlungen entwickeln sich aber insgesamt sehr spannend, als Leser hat man reichlich Gelegenheit mitzurätseln. Die Autorin hat die ein oder andere Überraschung parat, gleichzeitig ist man gut beraten kleine Details nicht außer Acht zu lassen und die kleinen grauen Zellen anzustrengen; ganz wie Hercule Poirot eben. Cambridge gelingt es etwas Neues zu schaffen, ihre Geschichte aber trotzdem als Hommage an Christie zu gestalten. Sie schreibt locker, die Dialoge sind sehr lebhaft und es wird eine tolle Atmosphäre gespiegelt. Auch der ländliche Charme eines klassischen Cozy Crime kommt nicht zur kurz. Das Ende ist in bester Christie-Manier geschrieben, und ein wirklich stimmungsvoller und gelungener Höhepunkt der Geschichte. Die Auflösung ist stimmig und bringt den Krimi zu einem tollen Abschluss. Insgesamt ist der Cocktailmörderclub ein wirklich schöner Whodunit, der mich zwar nicht restlos begeistert hat, aber trotzdem sehr kurzweilige und spannende Lesestunden beschert.

Bewertung vom 28.10.2023
Memoria
Beck, Zoë

Memoria


sehr gut

Als Harriet selbstlos einer Frau in Nöten hilft, scheint das einen Schalter bei ihr umzulegen: sie hat plötzlich Erinnerungen an Dinge, die ihr völlig neu sind; sie hat Fähigkeiten, von denen sie keine Ahnung hatte. Und sie bekommt Zweifel, jede Menge Zweifel an ihrer Vergangenheit, am Tod ihrer Mutter, an der Handverletzung, die ihre Karriere beendete.
Eine gruselige Vorstellung, nicht zu wissen was real ist. Zoe Beck hat einen sehr spannenden und kurzweiligen Thriller gestrickt, der immer wieder mit dem Leser spielt. Überraschende Wendungen sind bei diesem Konzept vorprogrammiert, und können fast auf ganzer Linie überzeugen. Die Verzweiflung nicht zu wissen was eine echte Erinnerung ist, merkt man Harriet oft an; auch wenn sie selbst diese Gedanken immer mal wieder von sich schiebt. Man konnte sich gut in die Figur hineinversetzen, auch wenn ich nicht alle Reaktionen nachvollziehbar fand. Harriets Leben war lange von der klassischen Musik bestimmt, und so spielt das auch jetzt immer mal wieder eine Rolle, was einen guten Kontrast zur actionreichen Geschichte gibt. Die Handlung spielt irgendwann in nicht allzu ferner Zukunft, wie nebenbei lässt uns die Autorin spüren was sich dank Klimawandel bis dahin geändert haben wird/ändern könnte. Ständig gibt es Hitzewarnungen, jeden Tag brennt irgendwo ein kompletter Wald nieder, draußen kann man sich nur mit Staubmasken aufhalten… keine sonderlich schöne Vorstellung und doch sehr real. Becks Stil lässt sich wie gewohnt sehr flüssig lesen, die Handlung kann fesseln, und so liest sich der Thriller perfekt an einem verregneten Herbstnachmittag.

Bewertung vom 15.10.2023
Love Will Tear Us Apart / The Stranger Times Bd.3
McDonnell, C. K.

Love Will Tear Us Apart / The Stranger Times Bd.3


ausgezeichnet

Erst vor wenigen Monaten hat die Stranger Times mit Hannah eine neue stellvertretende Chefredakteurin bekommen, schon brauchen sie wieder eine neue. Dabei hat die Mannschaft mit dem Irrentag, einem von Trauer zerfressenen Chef und einer Praktikantin mit ungeahnten Kräften mehr als genug zu tun. Doch diese ganz speziellen Mitarbeiter sind schon mit ganz anderen Unwägbarkeiten fertig geworden, und schaffen es doch auch immer noch eine Zeitung zu bauen; auch wenn es bei den Kreuzworträtseln mal haken kann.
„Love will tear us apart“ ist Teil Drei der Reihe und ich würde auch dazu raten vorher Teil Eins und Zwei zu lesen, da doch einiges an Vorwissen nötig ist. Mir hat dieser Teil wieder sehr gut gefallen, McDonnell schöpft wirklich aus den Vollen. Ich finde nicht nur den Humor des Autors großartig, sein Erzählstil holt mich einfach komplett ab. Sehr temporeich, bildhaft und schwarzhumorig erzählt er seine Story. Schlagfertige Dialoge und absurde Szenen gehören natürlich zur Handlung wie die Blunderbuss zu Banecroft. McDonnell spielt auch in diesem Band mit bekannten Fantasyelementen, hat aber auch eine große Menge eigener Ideen im Gepäck, die begeistern und die Handlung extrem kurzweilig machen. Altbekanntes wie die üblichen eingestreuten Artikel aus der Zeitung konnten mich ebenfalls wieder neu amüsieren. Der Cast ist größtenteils bekannt, und doch lassen sich unverhofft unbekannte Facetten entdecken. Gerade Grace hat endlich einen etwas größeren Raum einnehmen dürfen und wusste den perfekt für sich zu nutzen. Zudem gab es ein Wiedersehen mit zwei ganz besonderen Nebenfiguren über das ich mich sehr gefreut habe. Die Handlung entwickelt sich mehr als überraschend und actionreich, sodass sich das Buch schnell zum Pageturner mausert, der viel zu schnell gelesen war. Umso besser, dass Band Vier wohl schon in den Startlöchern steht, sofern die Begründer dessen Erscheinen nicht zu verhindern wissen. Es bleibt spannend in Manchester!

Bewertung vom 08.10.2023
Ich, Sperling
Hynes, James

Ich, Sperling


sehr gut

„…wie ein Vogel in einen Käfig. Ein Funke, eingebettet in einen Körper, der für andere bestimmt ist.“
In Carthago Nova lebt ein namenloser Junge, der Einfachheit halber Pusus genannt. Er lebt in einem der letzten Bordelle der Stadt, wo er als Sklave zum lebenden Inventar gehört und auch so behandelt wird. Er erzählt seine Geschichte aus der Retrospektive, man weiß also als Leser schnell wie es für ihn endet. Trotzdem leidet und fiebert man nicht weniger mit, denn er erzählt so mitreißend wie tragisch aus seiner Kindheit und Jugend. Immer wieder spricht Pusus den Leser direkt an, was das Geschehen noch unmittelbarer macht. Sein Leben ist hart, er muss schwer arbeiten, wird misshandelt und schließlich zur Prostitution gezwungen. Doch erfährt er so etwas wie familiären Zusammenhalt unter den Wölfinnen, die ihm so etwas Nähe schenken. Hynes gibt einen großartigen Einblick in das Leben eines Sklaven in der damaligen Zeit. Auch der ganz normale Alltag, der Aufbau der Stadt wird sehr bildlich beschrieben, man erfährt so wie nebenbei Einiges. Ich mochte den Erzählstil sehr, er wirkt trotz all der Gräuel immer etwas kindlich und naiv, so wie Pusus eben ist. „Ich, Sperling“ ist keine leichte Geschichte, das Geschehen immer wieder grausam, z.T. auch pornografisch; das passt zu Pusus‘ Leben, schließlich wird auch bei ihm keine Rücksicht auf sein Alter genommen, trotzdem könnte es für manchen Leser vielleicht zu heftig sein. Ich mochte Hynes‘ Roman in all ihren Facetten, einzig das Ende kam mir zu abrupt, sodass die eigentlich runde Geschichte eine kleine Delle bekam. Ein mitreißender, informativer, aber auch bedrückender Roman, den ich gerne weiterempfehle.

Bewertung vom 23.09.2023
Das Glück der Geschichtensammlerin
Page, Sally

Das Glück der Geschichtensammlerin


sehr gut

Janice trifft in ihrem Job als Putzfrau ganz unterschiedliche Menschen, die ihr nicht nur ihren Hausschlüssel, sondern auch ihre Geheimnisse anvertrauen. Diese Geschichten sammelt sie, denkt immer wieder gerne darüber nach und stellt so ihre eigene, gar nicht so uninteressante Geschichte unter den Scheffel. Bis ihre neue Kundin Mrs B diese Geschichte ans Licht bringen will.
Sally Page erzählt ihre Geschichte in einem sehr lockeren und leichten Stil; ein gewisser Witz schwingt immer mit, auch absurdere Szenen werden gut rübergebracht ohne gestellt zu wirken. Janice scheint auf den ersten Blick eine ganz normale Frau zu sein, sie hat ihr Herz am rechten Fleck, ganz normale Probleme und einen Job, der sie mal mehr und mal weniger erfüllt. Ich fand sie sympathisch. Auch die anderen Figuren wirken nicht völlig abgehoben, jeder kann sich sicherlich irgendwo wiederfinden. Es macht Spaß ihre unterschiedlichen Geschichten zu entdecken, die mal außergewöhnlich und mal ganz alltäglich sind. Die Autorin schafft es trotzdem diesen etwas Besonderes abzugewinnen, ein wirklich großer Pluspunkt. Das Buch trifft nicht unbedingt mein übliches Beuteschema, trotzdem habe ich es gerne gelesen. „Das Glück der Geschichtensammlerin“ ist ein gut gemachter Feel-Good-Roman, der trotzdem auch mal ernstere Töne anklingen lässt; eine schöne Mischung.

Bewertung vom 23.09.2023
Weil da war etwas im Wasser
Kieser, Luca

Weil da war etwas im Wasser


gut

Tief unten im Wasser lebt ein Kalmar in der Dunkelheit. Zwei Tentakeln, drei Herzen und acht Arme. Acht Arme, die alle eine Geschichte erzählen können von Menschen, Tiefseekabeln, anderen Ungeheuern. Von der Zeit. Auf dem Wasser treibt ein großer Trawler, darauf Praktikantin Sanja Sanz, die ebenfalls eine Geschichte zu erzählen hat. Eine, die noch stärker mit dem Meer verbunden ist als sie denkt.
Die Idee aus der Sicht eines Kalmars oder besser gesagt aus Sicht seiner Arme zu erzählen fand ich sehr ambitioniert und außergewöhnlich, und war dann von der Umsetzung aber umso schneller überzeugt. Die Darstellung, das „Innenleben“ des Kalmars hat mir wahnsinnig gut gefallen; nicht vermenschlicht, aber doch auch emotionsgeladen. Sprachlich ruhig, fast schon poetisch zwischenzeitlich, und doch lässt sich erstaunlich viel auch über die Tiere lernen. Nicht zuletzt dadurch, dass sich die Arme zusätzlich zum eigenen Text auch noch in Fußnoten untereinander ins Wort fallen, was die Handlung auflockert und bereichert, ab und an aber auch verwirrt.
Die Erzählstränge rund um Kalmar sowie Familie Sanz & Co greifen anfangs gut ineinander, zumindest über weite Teile der Handlung; erst gegen Ende wirken die einzelnen Figuren eher abgearbeitet als zu einem passenden Ende erzählt. Das Ende bleibt etwas unbefriedigend und nicht ganz rund. Mich lässt der Roman zwiegespalten zurück. In der ersten Hälfte war ich sehr angetan, sowohl vom Inhalt wie auch vom ungewöhnlichen Aufbau der Geschichte. Doch irgendwann verliert sich die Handlung in ihren Erzählsträngen, was in einem Einschub gipfelt, der wirkt als wäre er mal eben für die anscheinend nötige Provokation des Lesers eingebastelt worden. Für mich hätte der Roman im Stile der ersten Hälfte weitergehen dürfen, denn später war es für mich dann doch zu wenig Kalmar und zu viel Kunstroman.