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jr17

Bewertungen

Insgesamt 36 Bewertungen
Bewertung vom 20.10.2021
Althea Gibson - Gegen alle Widerstände. Die Geschichte einer vergessenen Heldin
Schoenfeld, Bruce

Althea Gibson - Gegen alle Widerstände. Die Geschichte einer vergessenen Heldin


gut

Althea Gibson ist eine faszinierende Person. Daran besteht kein Zweifel. Die US-Amerikanerin aus Harlem, die in den 1950er Jahren mit Ende 20 eine der besten Tennis-Spielerinnen der Welt war, trat bereits zu Jugend-Zeiten mit dem Selbstbewusstsein einer Wimbledon-Siegerin auf. Auch wenn es noch Jahre dauern sollte, bis ihr dieser Triumph gelang.
Bruce Schoenfeld macht in seiner Schilderung dieser besonderen Spielerin allerdings noch eine zweite Geschichte auf: Die ihrer Doppelpartnerin Angela Buxon, mit der Althea das erste Mal in Wimbledon triumphierte. Das Buch bekommt dadurch teilweise einige Längen, die nicht zwingend sein müssten. Auf der anderen Seite wird die Erzählung dadurch reicher: Es ist nicht nur die Erzählung einer schwarzen US-Amerikanerin, die sich im versnobbten, weißen Tennissport behaupten muss, sondern auch die einer jüdischen Engländerin, die, wenn auch nicht im gleichen Ausmaß, ebenfalls immer und immer wieder von der Tenniswelt ausgeschlossen wurde.
Fans des Tennissports, aber auch solche, die es nicht sind, können in diesem Buch wahnsinnig viel lernen. Über die Individualität der mentalen Stärke. Über den Sportlerinnen-Alltag. Und darüber, dass Sport nie gänzlich unpolitisch sein kann.

Bewertung vom 08.10.2021
DAFUQ
Jarmysch, Kira

DAFUQ


sehr gut

Sechs Frauen in einer Arrest-Zelle. Es ist jedoch nicht irgend eine Arrest-Zelle, sondern eine in Russland. Anja, die Protagonistin des Romans, muss zehn Tage im Arrest verbringen, weil sie eine Anti-Korruptions-Demo mit veranstaltet haben soll. Zunächst eingeschüchtert von ihren Zellen Genossinnen, lernt sie die anderen Frauen in den ersten Tagen immer besser kennen. Die meisten sind ohne Führerschein Auto gefahren, mit Politik hat von den anderen niemand etwas am Hut.
Wie sechs unterschiedliche Frauen sich gezwungenermaßen aufeinander einlassen, beschreibt Kira Jarmysch mit großem Talent. Immer wieder schweift die Erzählung ab in die Vergangenheit der Insassinnen, besonders aber in die von Anja. Doch nicht nur Anjas Lebensgeschichte spielt hier immer wieder eine Rolle, sondern auch die Frage, was mit Menschen passiert, die in einer Zelle weitgehend auf sich und die eigenen Gedanken gestellt sind. Wer sind ihre Zellen-Nachbarinnen wirklich?
Ein packender Roman, der die großen Themen des Mensch-Seins beleuchtet: Wer sind wir wirklich?

Bewertung vom 25.09.2021
Das Glashotel
Mandel, Emily St. John

Das Glashotel


sehr gut

Das Glashotel ist anders. Hauptperson Vincent ist anders. Sie verliert früh ihre Mutter, versucht ihren Weg im Leben zu finden. Dabei lernt sie sich immer besser selbst kennen. Emily St. John Mandel begegnet all ihren Figuren mit Abstand. Auch Vincent lernt der/die Lesende zunächst nicht direkt kennen. Das erste Kapitel, das eine Geschichte erzählt beschäftigt sich zunächst mit Vincents Halbbruder. Durch den dichten Schleier von Pauls eigenen Problemen, stellt St. John Mandel Vincent vor. Auf diese Art und Weise erzählt sie den gesamten Roman: Durch den Blick ganz vieler Charaktere und einen nicht linearen Umgang mit Zeit ergibt Das Glashotel am Ende ein Panorama der Geschehnisse, dessen Fokus von Lesendem zu Lesender unterschiedlich sein kann. Durch diese verschiedenen Perspektiven verwischt St. John Mandel außerdem die Grenzen zwischen Realistischem und Unrealistischem. Ein Roman, der vor Augen führt, wie unterschiedlich Menschen ein und das selbe Ereignis erleben.

Bewertung vom 24.08.2021
Der Mauersegler
Schreiber, Jasmin

Der Mauersegler


sehr gut

'Der Mauersegler' ist Jasmin Schreibers zweiter Roman. Und ein zweites Mal gelingt ihr, woran so viele zuvor gescheitert sind: Sie beschäftigt sich auf einfühlsame, ehrliche und gerade deshalb sehr interessante Art mit dem Thema Tod. Doch dieses Mal kommt ein zweiter Aspekt hinzu: die Schuld. Wie umgehen, mit dem Gedanken, am Tod eines geliebten Menschen schuldig und wenn nicht schuldig, dann doch mitverantwortlich zu sein? Wie umgehen mit den Blicken der anderen und noch schlimmer, den eigenen Gedanken?
Jasmin Schreiber ist eine junge Autorin, deshalb sei ihr die ein oder andere sprachliche Unsauberkeit nachgesehen, wenn Naturbeobachtungen zu gut formuliert klingen für den 10-Jährigen, der beobachtet. Oder Charaktere in ihrer Sprache im einen Moment sehr gewählt, im nächsten eher flapsig klingen. Doch wenn es um die Innenansicht besonders der männlichen Hauptperson geht, oder wenn man die Art und Weise betrachtet, mit der sie sich an das omnipräsente und doch so oft verschwiegene Thema Tod heranwagt, so bleibt kein Zweifel daran, dass hier eine Autorin am Werk ist, von der noch viel zu erwarten ist.

Bewertung vom 04.05.2021
Der Junge, der das Universum verschlang
Dalton, Trent

Der Junge, der das Universum verschlang


ausgezeichnet

Trent Dalton ist der Meister des Details. Mit seinem Debütroman erschafft er eine ganz eigene Welt, in dessen Mittelpunkt ein Junge steht, der einem von Anfang an sympathisch ist. Während sein Bruder August nicht spricht und stattdessen Wörter in die Luft malt, ist Eli der vorlautere der beiden. Doch so unterschiedlich sie sind: Die Brüder halten zusammen. Gegen das Drogen-Dealende Umfeld, eine heruntergekommene Wohngegend und Menschen, die ihnen das Leben schwer machen möchten. Im Rahmen dieser Handlung öffnet Dalton ein Panorama aus kleinen Geschichten, oft Geschichten in der Geschichte, er geht vom Kleinen ins Kleinste. Und doch: Egal was passiert, welche Entscheidungen getroffen und wessen Vergangenheit hervorgeholt wird, Dalton erzählt unterhaltsam, packend, lebendig. Das Buch zur Seite legen - ein absurder Gedanke.

Bewertung vom 26.04.2021
Hauskonzert
Levit, Igor;Zinnecker, Florian

Hauskonzert


ausgezeichnet

Igor Levit passt nicht eins zu eins in den Klassik Betrieb. Ihm ist das klar. Dem Publikum ist das klar. Und feiert den Pianisten gerade deshalb. Aber warum eigentlich? Was macht ihn zu etwas Besonderem? "Hauskonzert" ist nun der Versuch, einer breiten Leserschaft Einblick in das Phänomen Levit zu geben - ein Versuch, der überzeugt.
Mit dem erfahrenen Journalisten Florian Zinnecker hat sich Levit einen erfahrenen Mann an die Seite geholt. Jemand, dem es scheinbar mühelos gelingt, aus dem Leben eines Menschen zu erzählen, der polarisiert. Über sich selbst sagt Levit "Ich bin ein sehr politischer Mensch". Trotzdem portraitiert Zinnecker hier nicht jemanden, der immer weiß, was er will. Sondern einen streckenweise verunsicherten Pianisten, der versucht, ein guter Mensch zu sein. Was ihm meistens zu gelingen scheint. "Ich bin zutiefst empfindlich", schreibt Levit im Buch, und: "Alles, was ich im Leben will von anderen, ist gesehen werden. Einfach gesehen werden". Damit gemeint ist allerdings nicht nur Aufmerksamkeit. Levit will als Mensch, als Individuum gesehen werden, nicht nur als jemand, der Beethoven so locker spielt, wie kaum ein anderer. Dieses Buch wird dabei helfen.