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probelesen
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Hamburg

Bewertungen

Insgesamt 53 Bewertungen
Bewertung vom 27.09.2022
Das Zuhause
Coccia, Emanuele

Das Zuhause


ausgezeichnet

Titel und Cover versprachen eine interessante Lektüre, doch es wurde ein schwieriges Unterfangen, sich dem Text zu nähern. Der Autor geht von persönlichen Erlebnissen aus und schildert seine Erfahrungen mit Wohnungen, mit Räumen, mit Umzügen. Dabei fasst er den Begriff Zuhause sehr weit und bringt sehr anregende Aspekte ein: die Kleidung als beweglicher Raum oder die digitale Welt als erweitertes Zuhause. Dann wird er aber sehr schnell grundsätzlich und theoretisch. Dabei geht es ihm um ein Öffnen und Durchdringen des ganzen Planeten zu einer Vision, die für mich nicht nachvollziehbar ist. Mir scheint, Coccia ist verliebt in seine eigene Sprache und formuliert nur um der geschliffenen Sprache wegen. Alles ist miteinander verwoben und bleibt dadurch unkonkret. Es sind anregende Aspekte enthalten, aber das eigentliche Anliegen des Autors ist mir fremd geblieben.

Bewertung vom 18.09.2022
Bullauge
Ani, Friedrich

Bullauge


ausgezeichnet

In Anis Krimis geht nicht vorwiegend die Aufklärung von Mord, Totschlag oder Entführung sondern um Milieuschilderungen, um Stimmungen und zwischenmenschliche Beziehungen. Auch hier steht nicht ein Delikt im Vordergrund. Der Polizist Kay Oleander ermittelt in seinem eigenen Fall: er ist auf einer Demo von einer Bierflasche getroffen worden und hat dabei ein Auge verloren. Als er dabei die Verdächtige Silvia Glaser trifft, entwickelt sich ein zwiespältiges Vertrauensverhältnis. Auch diese Frau ist eine "Beschädigte", gehbehindert nach einem Fahrradunfall, der von einem Polizeifahrzeug ihrer Meinung nach mitverschuldet wurde. Dieses seltsame Vertrauen führt dazu, dass Silvia gesteht, von einem rechtsradikalen Attentatsplan zu wissen, in das sie verwickelt ist. Eine intensive, sensible Studie über zwei Versehrte mit überraschendem Schluss. Kein typischer Krimi, aber ein lesenswerter, kritischer Blick auf unsere Gesellschaft

Bewertung vom 11.08.2022
Ingeborg Bachmann und Max Frisch - Die Poesie der Liebe / Berühmte Paare - große Geschichten Bd.3
Storks, Bettina

Ingeborg Bachmann und Max Frisch - Die Poesie der Liebe / Berühmte Paare - große Geschichten Bd.3


ausgezeichnet

Es ist ein Wagnis, einen Roman zu schreiben über eine der interessantesten Beziehungen der deutschen Nachkriegsliteratur. Bachmann und Frisch, beide schon hochgelobte, bekannte Schriftsteller lernen sich 1959 in Paris kennen und verlieben sich sofort leidenschaftlich ineinander, dabei könnten sie unterschiedlich kaum sein sowohl in ihrer Arbeitsweise wie auch in ihrem Alltagsleben. Er ist sehr strukuriert und gut organisiert, naturverbunden, eher bürgerlich, bodenständig. Sie ist spontan, chaotisch, freiheitsliebend, eher glamourös. Beide haben einen Anspruch an ihre Liebe, die einen utopischen Zug hat. "Wir wollten die Welt umdenken, das Paar vor allen Paaren sein." Fünf Jahre lieben und quälen sie sich auf intensive, ruinöse Weise, leben in der Schweiz und in Rom zerrissen zwischen Freiheitsanspruch und Eifersucht, bis sich Frisch trennt, eine neue Beziehung eingeht und eine von Alkohol- und Tablettensucht kranke Schriftstellerin hinterlässt. Die Literaturwissenschaftlerin Storks, die über Bachmann promoviert hat, macht den Versuch, diese außergewühnliche Beziehung zu beschreiben und es gelingt ihr auf faszinierende Weise. Es ist ein fantastischer Roman geworden, der eindrucksvoll und sensibel die schwierige, aber leidenschaftliche Liebe erfasst und gleichzeitig einen Einblick in die literarischen Schreibweisen vermittelt. Für literarisch Interessierte ein grandioses Werk.

Bewertung vom 30.07.2022
Mörderische Masche / Der Häkelclub ermittelt Bd.1
Letterman, Karla

Mörderische Masche / Der Häkelclub ermittelt Bd.1


weniger gut

Wie das Titelbild vermuten lässt, ein Krimi der betuelichen Art oder eigentlich gar kein Krimi, denn es stirbt die Inhaberin eines Wollgeschäfts zwar durch einen Angriff eines Bullen, aber es ist nicht klar, ob es irgendwie arrangiert worden ist. Sie ist dem unangenehmen Pferdehändler auf die Schliche gekommen, der Herkunftspapiere für seine Tiere fälscht. Aber wird sie dehalb umgebracht? Am Ende wird durch die Ermittlung des Häkelklubs der Betrug nachgewiesen und der Pferdehändler kommt vor Gericht, aber nur wegen des Betrugs. Inzwischen hat sich der Witwer des Ladens angenommen, hat Häkeln und Stricken gelernt und alles wird einigermaßen gut. Norddeutschland mit der Kleinstadt Bökersbrück ist der Handlungsort. Es wird ein bisschen mit Klischees gespielt und natürlich muss man das Ganze mit einem Lächeln lesen, aber es ist nur mäßig spannend. Höchstens eine nette Unterhaltung mal nebenbei.

Bewertung vom 20.07.2022
Susanna
Capus, Alex

Susanna


gut

Der biographische Roman beruht auf einer historischen Persönlichkeit aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts: eine besondere Frau, die sehr selbstbewußt und selbstbestimmt ihren Weg erst in der Schweiz und dann in New York geht. Capus fügt als Beleg immer wieder Hinweise auf geschichtlich dokumentierte Ereignisse ein. Ansonsten beschreibt er episodenhaft die Familiengeschichte. Alle erscheinen in einer melancholischen Art von Ereignislosigkeit gefangen zu sein, auch wenn durchaus etwas passiert: der Vater in der Fremdenlegion, die Mutter, die sich trennt und nach Amerika auswandert, Susanne, die Malerin wird. Aber sie alle sehnen sich nach irgendetwas, was aber doch nicht passiert. Selbst bei Susanna, die dann mit ihrem Sohn aufbricht, um Sitting Bull zu besuchen und ihn zu warnen, wird nicht deutlich, warum sie das eigentlich tut und ob sie das zufrieden stellt. Das Buch macht einen zwiespältigen Eindruck auf mich.

3 von 3 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 16.07.2022
Beifang
Simons, Martin

Beifang


ausgezeichnet

"Alles was nicht ins Bewußtsein steigt, kommt als Schicksal zurück". Diesen Satz seiner Geliebten bringt den Werbetexter Frank dazu, dem Leben seines Großvaters nachzuforschen. Dieser war Arbeiter in einer Zeche im Ruhrgebiert, lebte mit 12 Kindern in einem kleinen Haus unter erbärmlichen Umständen. Armut und Gewalt prägten dieses Leben. Frank nimmt Kontakt zu den Geschwistern seines Vaters auf und begibt sich auf die Spuren dieser Familie, die dem Elend auch später nicht entkommt. Aber jeder der Geschwister hat eine andere Sicht auf die Gewalt, aber auch die Liebe und die Lebendigkeit. Die Schilderungen sind differenziert, sie machen nachdenklich. Die Sprachlosigkeit angesichts des Brutalität den Kindern gegenüber macht fassungslos. Franks Vater kommentiert das:"Man hat keine Worte dafür. Für diese Erfahrung." Eine einfühlsame Schilderung, wie schwer es ist, seiner Famliengeschichte zu entkommen.

Bewertung vom 22.06.2022
Virginia und die neue Zeit / Die Liebenden von Bloomsbury Bd.1
Martin, Stefanie H.

Virginia und die neue Zeit / Die Liebenden von Bloomsbury Bd.1


ausgezeichnet

Das Haus der Geschwister Stephen wird Anfang des 20. Jahrhunderts zum Zentrum der sog. Bloomsbury-Group, einer losen Vereinigung von Künstlern, Schriftstellern und Intellektuellen, zu deren Mittelpunkt die beiden Schwestern Vanessa und Virginia werden. Der biographische Roman widmet sich besonders Virginia. Er ist der erste Teil einer auf drei Bände gedachten Darstellung. Er berücksichtigt einen kurzen Zeitabschnitt von 1903 bis 1909, also vom Tod des Vaters bis zur Erstellung ihres ersten Romans. Im Mittelpunkt stehen die schwierigen Beziehungen der Künstler untereinander, die Kämpfe gegen die Konventionen der viktorianischen Gesellschaft, das Leben einer offeneren Sexualität, das Streben nach mehr Rechten für Frauen. Sehr eindrücklich und kenntnisreich wird auch die schwierige Psyche der Schriftstellerin nahe gebracht. Sehr lesenswert. Man kann auf die Fortsetzung über Vanessa und Vita Sackville-West gespannt sein.

Bewertung vom 05.06.2022
Die Leiche am Deich / Die Friesenbrauerin ermittelt Bd.1 (eBook, ePUB)
Jensen, Joost

Die Leiche am Deich / Die Friesenbrauerin ermittelt Bd.1 (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Der Beginn einer neuen Reihe um die Friesenbrauerin Gesine in Sünnum. Der Rahmen ist eng gesteckt: Einige Tage im kleinen Dorf mit dem Mittelpunkt des Ladens mit Kneipe mit dem selbstgebrauten Bier. Der Personenkreis ist überschaubar: drei Kriminalbeamte - eine davon Gesines Tochter - und die Dorfbewohner. Aber auch an dieser Idylle gehen die großen Probleme nicht vorbei. Ein Großbauer will gegen den dörflichen Widerstand eine Milchfabrik errichten und kauft deshalb die Grundstücke der Umgebung auf. Und dann wird eine Leiche am Strand gefunden. Und dann auch noch eine zweite. Was haben die mit dem Projekt zu tun? Allmählich ahnt man die Auflösung, aber dann eskaliert alles und die Bierbrauerin löst zusammen mit ihrer Tochter den Fall, der dann doch ein überraschendes Ende findet. Mit viel Humor und Augenzwinkern geschrieben. Eine unterhaltsame Lektüre, die auf weitere Bände hoffen lässt.
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Bewertung vom 14.04.2022
Die Knochenleser
Ross, Jacob

Die Knochenleser


sehr gut

Es geht um mehr als um einen Kriminalfall. Es ist nicht nur ein Mord, den der junge Michael Digger auf der Karibikinsel Camoha aufklären soll, sondern es geht um eine Gesellschaft, in der Gewalt eiwas Alltägliches ist. Geschildert wird ein bedrückendes Bild der karibischen Welt. Schon der Beginn: Digger ist der uneheliche Sohn des Polizeipäsidenten, aufgewachsen bei seiner Großmutter, weil seine Mutter verschwunden ist, vermutlich ermordet. Er selbst hat nach einem hervorragenden Schulabschluss keine Arbeit und wird - zunächst gegen seinen Willen - von einem Detektive für die Polizeiarbeit angeworben. Nach einer Ausbildung zum Forensiker ermittelt er in verschiedenen Mordfällen und erlebt eine Gesellschaft, in der Kindesmissbrauch, Gewalt gegen Frauen, Korruption hingenommen werden. Auch wenn Morde aufgeklärt werden, bleibt ein beklemmendes Gefühl, dass sich eigentlich nichts zum Guten wendet. Ein stilistisch beeindruckendes Buch, das nicht zur Spannung erzeugt, sondern auch zum Nachdenken anregt.

Bewertung vom 28.03.2022
Die andere Schwester / Karlstad-Krimi Bd.2
Mohlin, Peter; Nyström, Peter

Die andere Schwester / Karlstad-Krimi Bd.2


ausgezeichnet

Dies ist der zweite Band des Autorenpaares aus Schweden. Es geht um den Kriminalisten John Adderley, der in den USA einen Drogenboss ins Gefängnis gebracht hat, jetzt in Schweden unter neuer Identität lebt und bei der Polizei in Karlstad arbeitet. Er ist mit der Klärung des Mordes an einer jungen Geschäftsfrau beauftragt, als er merkt, dass er enttarnt worden ist und damit in Lebensgefahr schwebt. In dramatischen Verwicklungen beider Handlungsstränge - der komplizierten Mordaufklärung, deren Grund in der Vergangenheit liegt und der Verfolgung Johns, die ebenfalls zu einem Mord führt - werden Motive und Persönlichkeitsstrukturen nachvollziehbar dargestellt, leider mit einigen sehr brutalen Gewaltszenen, auf die ich gerne verzichtet hätte. Aber trotzdem ausgesprochen spannend. Nach den packenden Ereignissen in Schweden will sich John nach Berlin absetzen. Man kann gespannt sein, was ihm in Deutschland passiert.