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Top-Rezensenten Übersicht

Benutzername: 
Ute54
Wohnort: 
Tostedt

Bewertungen

Insgesamt 86 Bewertungen
Bewertung vom 02.08.2022
Susanna
Capus, Alex

Susanna


sehr gut

Ich lebe wie es mir gefällt
“Susanna” ist mein erstes Werk von Alex Capus. Da es sich bei ihm um einen Schweizer handelt, entsprechen etliche Ausdrücke nicht dem Hochdeutschen, können aber aus dem Zusammenhang entschlüsselt werden.
Das Cover gefällt mir gut, denn die dargestellte Brooklyn Bridge symbolisiert den Fortschritt in der Neuen Welt. Neben Dampfmaschinen und Glühbirnen wird die maschinelle Industrialisierung als Motor für das veränderte Leben der Bevölkerung dargestellt. Die “First Nations” jedoch kämpfen ums Überleben, werden ihrer Kultur beraubt und leben in Reservaten. Auflehnung ist kaum machbar, da die Kavallerie zur Unterdrückung bereitsteht. Die Rechtmäßigkeit dieses Verhaltens wird aber nirgendwo im Roman hinterfragt.
Capus zeichnet die Lebensgeschichte von Susanna Carolina Faesch, die als Malerin Caroline Weldon bekannt wurde, allerdings werden erst Fakt und Fiktion zu diesem Werk.
Als Kind einer wohlhabenden Familie kann sich die Protagonistin des Romans bereits stark durchsetzen. Ihre Mutter bedrückt die kleinbürgerliche Enge ihrer Ehe, und sie beschließt nach New York zu Karl Valentiny auszuwandern, in den sie bereits vorher verliebt war. Dort wächst Susanna in Brooklyn auf, kann bereits als Jugendliche ihr künstlerisches Talent entwickeln und eigenes Geld durch Portraitmalerei verdienen. Sie heiratet einen Arztkollegen ihres Stiefvaters, aber die Ehe bleibt kinderlos. Nach einer Affäre wird sie schwanger, jedoch verlässt sie ihr Ehemann daraufhin.Sowohl Christy, ihr Sohn, als auch Susanna sind fasziniert von den Ureinwohnern. Auch er ist sehr durchsetzungsstark. So fahren Mutter und Sohn, als er 13 Jahre alt ist, zu Sitting Bull im Dakota Territorium. Aber im Anschluss an diese Begegnung endet das Buch unvermittelt, was mich sehr verwundert und enttäuscht hat.
Es wird deutlich, dass Susanna, aufgrund einer Erbschaft, ihrem Leben freien Lauf lassen kann. Auch kann der Leser verfolgen, wie sie, aufgrund ihres sehr unabhängigen Lebensstils, in Brooklyn nicht diskriminiert wird. Wir haben immerhin die erzkonservative Zeit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts!
Die Protagonistin ist sehr detailliert und individuell gezeichnet und somit als außergewöhnlich dargestellt. Aber auch die meisten anderen Figuren sind authentisch und gut beschrieben. Dieser Stoff ist mal etwas Anderes!
Die gewählte Erzählweise ist flüssig, sehr bildhaft und fördert den Lesefluss. Allerdings gibt Capus oft eine zu detaillierte Beschreibung der Personen und besonders der Landschaft, dem Setting generell. Bei “schlüpfrigen” Themen hingegen macht er nur Andeutungen.
Er liefert einen guten Einblick in die damalige Zeit, jedoch sind die die Detailbeschreibungen, besonders im ersten Teil, für mich zu langatmig. Das geht zu Ungunsten der Handlung. Daher ein Punkteabzug.

Bewertung vom 16.07.2022
Violeta
Allende, Isabel

Violeta


ausgezeichnet

Violetas Leben
Das Cover mit der wunderschönen Violeta im Profil und den exotischen Blumen passt perfekt zu dem südamerikanischen Setting und stimmt auf den Roman ein.
Dieses ist mein erstes Werk von Isabel Allende, und ich bin von der Thematik und dem anschaulichen, leicht verständlichen und atmosphärischen Schreibstil begeistert.
Allende liefert einen mitreißenden Rückblick auf Violetas hundertjähriges Leben, angefangen von ihrer Geburt während der Spanischen Grippe bis zu ihrem Lebensende zu Beginn der Corona- Pandemie.
Violeta wird in der Hauptstadt in einer vermögenden Familie als einziges Mädchen nach 5 Söhnen in die Familie del Valle geboren.
Von Anfang an versteht sie es, ihren sehr starken Willen durchzusetzen. Sie wird sehr verwöhnt und kann sowohl von ihrer Mutter als auch von ihren beiden Tanten nicht gebändigt werden. Das schafft erst ihr irisches Kindermädchen, Josephine Taylor, die ihr eine lebenslange Freundin bleibt.
Ihr ist bewusst, welch ein außergewöhnliches Leben sie geführt hat. Somit ist die Erzählung aus Violetas Sicht aufgebaut, und sie schreibt Ihrem Enkel, den sie direkt anspricht, jedes Detail ohne Scham. Ihr Leben hat viele Höhen und Tiefen, in beruflicher wie in privater Hinsicht. Sie beschreibt ihre innersten Gefühle und unterwirft sich gerade in Liebesdingen in keinerlei Hinsicht. Etliche ihrer Beziehungen sind sehr sexuell bestimmt. Dabei kommt ihre Ehrlichkeit zutage, indem sie angibt, auch deswegen ihre Kinder vernachlässigt zu haben.
Als Frau in ihrem sehr konservativen Heimatland gelingt es ihr, finanziell sehr erfolgreich zu sein, so dass sie ihr Leben nach ihren, für die damalige Zeit sehr ungewöhnlichen, Vorstellungen leben kann.
Besonders interessant finde ich die Exkurse auf die politische Situation in ihrem Heimatland, aber auch weltweit. Gerne habe ich diverse Fakten gegoogelt, um einen weitgefächerten Überblick zu erhalten.
Sie beschreibt, wie in Südamerika Unterdrückung und die Verfolgung politischer Gegner an der Tagesordnung sind. Indigene sind oftmals rechtlos. Die gesellschaftliche Rolle der Frau wird beleuchtet und hinterfragt, ebenso Homosexualität und gesellschaftspolitische Themen.
Im Verlauf ihres Lebens helfen ihr immer wieder Freunde aus einem Tief, aber auch Familienangehörige.
Diese Figuren wirken sehr authentisch und sind exakt beschrieben.
Interesse am Weiterlesen wird erzeugt durch Vorgriff auf folgende Kapitel, in denen die Problematik näher erläutert wird.
Ich habe dieses ungewöhnliche Buch immer wieder aus der Hand gelegt, um die angesprochene Situation zu reflektieren. Dabei habe ich viele interessante Denkanstöße bekommen und kann es nur wärmstens weiterempfehlen.

Bewertung vom 03.06.2022
Schlaflos auf Sylt
Thesenfitz, Claudia

Schlaflos auf Sylt


ausgezeichnet

Überraschungsparty zum 50. Geburtstag
Das Cover gefällt mir sowohl von den dargestellten fröhlichen Frauen her als auch von der typischen Nordseelandschaft sehr gut.
Die Protagonistin Merle wird 50 Jahre alt und möchte diesen Tag in Ruhe mit ihren Eltern in der Sansibar auf Sylt verbringen. Jedoch haben ihre Schwestern eine überdimensionale Geburtstagsfeier organisiert, zu der 50 Überraschungsgäste geladen sind, darunter ehemalige Affären, Lebensgefährten, eine Lehrerin, eine alte Chefin, Freunde aus der Kindheit. Also auch etliche Personen an die sie schmerzvolle Erinnerungen hat und die sie sich niemals eingeladen hätte. So kommt es auch zu vielen peinlichen Momenten.
Merle bezeichnet sich selbst als “normal”, ohne exaltierte Hobbys und ohne ehrgeizige Lebens- und Karriereziele. Sie hat sich immer angepasst, wurde trotzdem von ihrem Lebensgefährten verlassen. Es können sich sicherlich viele Frauen mit ihr identifizieren. Ich nicht. Aber es gibt etliche Rückblenden auf ihr früheres Leben, die auch mich zum Nachdenken veranlasst haben.
Das Werk ist ein Glücksroman, und so erörtert sie auch mit etlichen Gästen, was für diese jeweils Glück bedeutet. Dabei kommen sehr unterschiedliche Lebensentwürfe zutage.
Wir haben einen sehr lockeren Schreibstil mit einer Anhäufung urkomischer Situationen und sehr zum Schmunzeln anregenden Wortschöpfungen. Völlig absurde Situationen werden dargestellt, immer mit einem Augenzwinkern der Autorin. Ausgewählte Figuren sind sehr individuell gezeichnet. Es soll ein spaßiges Lesevergnügen sein mit schon Slapstick artigen Einlagen. Das Ganze lässt mich stark an “Renate Bergmann” denken. Wer also ein Durcheinander auf einer Party für Wohlhabende mit vielen nervigen Momenten und Peinlichkeiten schätzt, der findet hier seine perfekte Urlaubslektüre, denn die Action ist abwechslungsreich und humorvoll. Wer allerdings viel Tiefgang erwartet, der kommt kaum auf seine Kosten.

Bewertung vom 24.05.2022
Schmelzpunkt
Harlander, Wolf

Schmelzpunkt


ausgezeichnet

Umweltkatastrophe in der Arktis
Das Cover mit dem schmelzenden Eis in schreienden Grün - Blautönen führt perfekt in die Problematik ein.
Harlander verbindet in seinem Thriller höchst aktuelle Themen mit einer sehr spannenden fiktionalen Katastrophe. Aber der Realitätsgehalt ist äußerst alarmierend denn, durch die geostrategische Lage der Arktis und die dort vorkommenden Rohstoffe,, hat bereits jetzt ein Kampf der Russen, der Chinesen und diverser anderer Nationen um das Territorium eingesetzt. Durch das Schmelzen des Packeises werden neue Seewege möglich, und die Nordostpassage gewinnt an Bedeutung. Tatsächlich hat ein Institut aus Bremen bereits dort Fuß gefasst.
Der Klimawandel ist eines der bedrohlichen Themen unserer Jetztzeit. Ist die Umweltkatastrophe in der Arktis noch aufzuhalten? Die Gletscher schmelzen unumkehrbar, denn die Erwärmung des Nordpols ist real. Diese Situation wird den Menschen in Europa immer mehr Extremwetter bescheren: Stürme, Dauerregen, Überschwemmungen und Dürreperioden.
Wie in “Systemfehler” treten die BND - Mitarbeiter, Dijana und Nelson, auf welche verdeckt am Polarkreis ermitteln sollen. Die unterschiedlichen Perspektiven werden auch aus der Sicht des Touristenführers Nanoq und der Biologin Hanna beleuchtet.
In einem schnörkellosen, eingängigen, leicht verständlichen Schreibstil wird der Leser geführt. Harlander bedient sich der Technik des “Cliffhangers”, indem er im Wechsel die Ereignisse um Nelson und Diana darlegt, dann aber die Vorgehensweise Dr. Jordans beziehungsweise Nanoqs erläutert. Somit muss man einfach weiterlesen! Tolle Naturbeschreibungen runden das Bild ab.
Inhaltlich findet der Inuit Nanoq auf Grönland zahllose verendete Fische und Vögel, jedoch ohne äußere Verletzungen. Die Biologin, Dr. Hanna Jordan, kommt nach der Untersuchung der Tiere einer erschreckenden Wahrheit auf die Spur, die sie zwischen die Fronten der Großmächte katapultiert.
Die befreundeten Geheimdienste werden aktiv, Verfolgungsjagden finden statt. Spionagetätigkeiten werden hervorgekehrt, und Forschungstätigkeiten werden unterbunden. Gefährliche Söldnergruppen attackieren die Protagonisten, die individuell und authentisch gezeichnet sind. Natürlich darf auch ein Einblick in deren amouröses Leben nicht fehlen.
Ein rundum mitreißender Thriller, der mir viele Probleme der Arktis nähergebracht hat.

Bewertung vom 10.04.2022
Glücksfisch: Meine liebste Mama

Glücksfisch: Meine liebste Mama


ausgezeichnet

Bei Mama ist es schön
Bisher kannte ich die Kinderbücher der Glücksfisch - Reihe vom Fischerverlag noch gar nicht, aber jetzt bin ich vollauf begeistert.
Dieses Pappbilderbuch ist sehr robust verarbeitet und kann ruhig mal herunterfallen. Allerdings sind die Größe und das Gewicht für die kleinen, zarten Kinderhände nicht sehr geeignet. Aber es ist wohl angedacht, dass die Mama es hält, erklärt und liest.
Die Reime sind in einfacher Sprache gehalten, so dass ein Kind mit 2 Jahren das Meiste versteht. Allerdings kann man es auch als Bilderbuch ab 1 Jahr verwenden, denn die zauberhaften Illustrationen sind nicht überladen und überfordern das kleine Kind nicht.
Die Farbgebung ist kindgerecht und natürlich. Es gibt viel zu entdecken. Bereits das tolle Cover hat eine Mitmach-Drehscheibe, mit deren Hilfe die Farben gelernt werden können.
Das gemeinsame Leseerlebnis von Mutter und Kind wird auch durch die einfachen und kurzen Reime interessant und besonders. Aber ganz toll finde ich die Klappen, Drehscheiben, Schieber und sogar Glitzerelemente, die das Kind integrieren und immer wieder überraschen. Besonders gut gefällt mir der Schieber auf Seite 2, bei dessen Betätigung viele unterschiedliche Tiere erscheinen, die das Kind dann auch noch zu versprachlichen lernt und in seinen Wissensschatz integriert.
Leider wendet sich das Buch nur an Mama und Kind. Gibt es ein vergleichbares Buch für Papa und Kind, oder gar Oma oder Opa? Wenn nicht, dann muss es dringend erfunden werden!
Die Tiermamas mit ihren Babys sind realistisch dargestellt und stellen heraus, dass Geborgenheit, Wärme, Hinwendung und Körperkontakt sehr wichtig sind, um Vertrauen zu festigen.
Als Geschenk zur Geburt finde ich es ungeeignet. Ich würde es als Geburtstagsgeschenk für das Einjährige auswählen. Ich bin schon gespannt auf andere Bücher der Glücksfisch - Reihe und kann dieses süße Bilderbuch wärmstens empfehlen!

Bewertung vom 10.04.2022
Coco Stolperbein
Hilbert, Jörg

Coco Stolperbein


ausgezeichnet

Cocos neue Freunde
Bisher kannte ich den Kinderbuchautor- und illustrator Jörg Hilbert noch nicht, aber seine Neuerscheinung “Coco Stolperbein” hat mich sehr für ihn eingenommen. Die Illustrationen sind eher einfach und auf das Wesentliche beschränkt, somit findet keine Reizüberflutung beim Kind statt. Die Farbgebung ist natürlich gehalten und fügt sich in die Erlebniswelt eines kleinen Kindes ein. Das minimalistische Cover streicht die kleine Protagonistin heraus, und die Kleinen wissen sofort, dass sie die Hauptfigur der Geschichte ist. Ihr Name hat einen Schmunzelfaktor und die “Augenpunkte” auf den Os, passend zu Cocos Augen, lassen Kinderherzen höher schlagen.
Die Figuren sind so gezeichnet, dass sie auch zum nachahmenden Zeichnen anregen.
Sehr gut gefällt mir auch der Reim. Allerdings dürfte ein dreijähriges Kind mit einigen Ausdrücken, wie zum Beispiel, “ehrfurchtsvoll”, “er rang mit den Tränen”, “ künstlerisches Tun”, “ mit fassungslosem Blick”, “ wutentbrannt”, "hoffnungslos" überfordert sein. Sicherlich finden diese Wortschöpfungen erst bei einem ca. sechsjährigen Kind Verständnis. Der/ die Vorleser sind mit Umschreibungen gefragt.
Auch stellt die Thematik Überforderung für ein so kleines Kind dar. Wie soll es verstehen, dass hier Stereotype, nämlich Frau Richtig und Herr Wichtig dargestellt werden. Die Akzeptanz von Andersdenkenden, die sich unkonventionell verhalten, dürfte das einfache Weltbild eines Kleinkindes überfordern. Natürlich soll es Toleranz lernen, aber das kann es mit 3 Jahren noch nicht. Man muss auch bedenken, dass sich Kinder in diesem Alter oft noch nicht sprachlich differenziert ausdrücken können, und somit komplizierte Redewendungen und Denkanstöße nicht verstehen.
Aber man kann das Buch gut als Bilderbuch für die Jüngeren verwenden.
Allerdings besteht eine gewisse Gefahr der Nachahmung, was das Anmalen des Hauses und des Autos anbelangt. Sehr aufgeweckte Kinder könnten es als Aufforderung ansehen.
Fazit: ein liebevoll gestaltetes Buch, das mir eher mit vollem Impact für ein Kind ab 5 Jahren geeignet erscheint. Aber für diese Altersstufe 5 Punkte

Bewertung vom 31.03.2022
Selbstversorgung
Diederich, Marie

Selbstversorgung


ausgezeichnet

Mut zum Gärtnern, Backen und zur Tierhaltung
Das Cover des tollen, sehr umfangreichen Werkes von Marie Diederich hat mich sofort angesprochen durch ihre aufgelockerte Herangehensweise, denn die Autorin guckt fröhlich in die Kamera mit einem Huhn auf dem Kopf. Auch ist alles im Buch sehr schön mit Fotos erklärt, dazu die lockere, leichte und schwungvolle Ausdrucksweise der Autorin. Sie sprüht nur so voller Enthusiasmus, Überzeugungskraft und Liebe zu ihrem Selbstversorgerleben. Es wird alles sehr detailliert und geduldig erklärt, so dass sich auch der absolute Laie angesprochen fühlen muss.
Die Aufteilung ist sehr gelungen. Sie beginnt mit einer Einführung in den Garten unterstützt durch ein sehr gut gegliedertes Inhaltsverzeichnis. Im Anhang befindet sich ein Glossar mit relevanten Spezialbegriffen, zusätzlich ein sehr umfangreiches Register, damit man gezielt nachschlagen kann.
Für den Anfänger wird erläutert wie er / sie vorgehen könnte. Seien es nur Töpfe auf dem Balkon, ein kleines Beet oder ein Schrebergarten.
Die Hühnerhaltung und die Haltung von Ziegen oder Schafen wird sehr romantisierend dargestellt, denn man darf ja nicht in jeder Nachbarschaft Tiere halten. Hähne schon mal gar nicht! Im Frühjahr werden die Legehennen oftmals geschlachtet, da der Eierertrag zurückgeht. Wer soll das machen?
Auch ist vieles zu idealisiert dargestellt, denn es gibt keine Beete ohne Unkraut. Den jungen Giersch kann man allerdings wie Spinat zubereiten. Generell erfordert die Gartenarbeit sehr viel Zeit, nur allein das Gießen, möglichst mit angewärmtem Wasser dreimal täglich, im Sommer!
Jeder kann sich jedoch einzelne Aspekte herausgreifen und verwirklichen, eine volle Selbstversorgung geht wohl nur mit einem Riesengrundstück in bäuerlicher Gegend.
Auch ich habe mir viele Anregungen für unseren Garten geholt, allerdings ist die klimatische Situation in Nord- und Süddeutschland doch unterschiedlich.
Enttäuschend fand ich den Bereich zum Brotbacken. Für Berufstätige erachte ich es als zu aufwendig, erst eine Sauerteig – Starterkultur anzusetzen, den Teig tagelang zu füttern, um dann, wie in meinem Fall ein klitschiges Etwas aus dem Ofen zu holen. Leider gibt es kein Rezept für Hefeteigbrot, nur Brötchen und Baguette, was für mich uninteressant ist.
Generell habe ich aber die Tipps und Tricks genossen. ich kann nur sagen:” Übung macht den Meister!” Also eine klare Studierempfehlung für Tier und Garten Freunde.

Bewertung vom 19.03.2022
Die Diplomatin
Fricke, Lucy

Die Diplomatin


ausgezeichnet

Beamtentum gegen Intuition und Menschenverstand
Das Cover mit der stilisierten Landschaft lässt Urlaubsträume erwachen und führt gut in das, generell, vermutete Leben einer Konsulin ein. Empfänge, Reisen in exotische Länder, Organisation von Festen und tolle Gespräche mit der "Diplomatenclique” der anderen Länder, dazu noch hoch bezahlt und mit toller Pension, das sind die Vorurteile, die einer Konsulin oder einem Konsul, oftmals entgegengebracht werden.
Mit der Auswahl dieses Romans wollte ich gern mehr über den diplomatischen Dienst erfahren und wurde mit der Realität konfrontiert. Die Protagonistin führt nicht nur ein Leben, bestehend aus langweiligen Terminen und Pflichten, sondern muss als Bindeglied zwischen der Regierung des jeweiligen Landes, der Polizei und deutschen Urlaubern fungieren. Zuerst in Montevideo, dann in Istanbul, muss Friederike Andermann, genannt Fred, zu dem Schluss kommen, dass Journalisten, Künstler und unvorsichtige Touristen oftmals die Brisanz der Lage nicht verstehen wollen und ihre Warnungen und Ratschläge einfach ignorieren. Aus Unverständnis der politischen Lage oder, weil sie von einem Konsulat zu viel Schutz erwarten?
Die Protagonistin ist Ich - Erzählerin. Dadurch wird Intensität erzeugt und ihre innere Zerrissenheit, nach vielen Dienstjahren, in den Blickwinkel gerückt. Das Leben in Montevideo wird teils verniedlichend dargestellt, offenbart dann aber ihre Hilflosigkeit in einer brisanten Situation. Bei Nichterfolg wird man in die Zentrale versetzt und dann oft an einen Brennpunkt wie Istanbul, wo Fred tief in die Beziehungen der deutschen und türkischen Geheimdienste eintaucht. Freiheit, Recht und Demokratie werden dort mit Füßen getreten. Sie zweifelt an ihrem diplomatischen Standpunkt und kämpft gegen Repressalien durch den “Präsidenten” an. Das türkische Unrechtsregime wird in aufrüttelnder Weise dargestellt, was den Berichten der deutschen Presse entspricht.
Kann man noch gefahrlos dorthin in den Urlaub fahren, zum Beispiel als Journalist, Kurde, Teilnehmer an Demos in Deutschland gegen das türkische Regime?
Fred stellt sich selbst und ihren Beruf in Frage und kommt zu dem Schluss, dass man in menschlich Handeln muss. Sie wird intensiv von verschiedenen Blickwinkeln aus betrachtet. Der Roman ist chronologisch angelegt, was ihn leicht lesen lässt. Dazu tragen auch die schnörkellose Sprache und die kurzen Kapitel bei.
Ich hätte mir ein umfangreicheres Werk gewünscht, denn oftmals werden Fakten nur angetippt. Der innere Konflikt der Protagonistin ist gut dargestellt. Natürlich darf eine Liebesromanze als “Würzung” nicht fehlen.
Wer wird nach dieser Lektüre noch in den diplomatischen Dienst eintreten wollen?

Bewertung vom 02.03.2022
Der Papierpalast
Heller, Miranda Cowley

Der Papierpalast


ausgezeichnet

Im Ferienhaus am See
Das Cover des Debütromans “Der Papierpalast” von Miranda Cowley Heller, welches eine romantische Naturlandschaft zeigt, gefällt mir sehr gut, hinterlässt die Leser*innen jedoch in der Erwartung, eine weichgespülte Familiengeschichte serviert zu bekommen. Das ist aber hier nicht der Fall!
Elle Bishop, die 50-jährige Protagonistin, hat alle Sommer in dem Ferienhaus, genannt der Papierpalast in den Back Woods auf Cape Code verbracht. Jetzt treffen die Familie und ihr Jugendfreund hier bei einer Feier aufeinander. Elle befindet sich in einem Gefühlschaos, denn sie fühlt sich sehr stark zu Jonas, ihrem Kindheits- und Jugendfreund, hingezogen, hat Sex mit ihm, fühlt sich jedoch schuldig, denn sie liebt auch ihren Ehemann, mit dem sie 3 Kinder hat. Es gibt einen Haupterzählstrang, der, über eine Zeitspanne von 24 Stunden, minutiös ihren emotionalen Kampf darlegt. Sie muss mit ihren Gefühlen und der vorhandenen Realität klarkommen. Durch die Ich - Perspektive wird man in ihre Problemwelt hineingezogen, denn ihre Gedanken lassen ein differenziertes Charakterbild von ihr entstehen.
Durch Rückblenden werden ihre Erinnerungen an das Leben ihrer Großeltern und Eltern sehr mitreißend dargestellt. Ihre Vorfahren waren alle mehrfach verheiratet und hatten ebenfalls innere Beziehungskämpfe durchzustehen. Elle musste als Kind sexuellen Missbrauch erleben, dieses Thema, aber auch Mord, Unterdrückung und Unehrlichkeit haben bei Elle eine innere Identifikationslücke hinterlassen, denn sie wurde als Kind immer zwischen ihrer Sehnsucht nach Liebe und der Konfrontation mit ihren Ängsten hin- und hergerissen.
Dazu hat auch ihre selbstverliebte, sehr egoistische und wankelmütige Mutter beigetragen, sowie ihr Vater, der von seiner zweiten Ehefrau gegen seine Kinder aufgehetzt wurde.
Die Figuren sind alle authentisch und genau beschrieben. Der Schreibstil ist mit Metaphern durchsetzt und sehr anschaulich, so dass man sich an den Ferienort versetzt fühlt und nur so durch die Seiten fliegt.
Für wen und was wird sich Elle nun entscheiden? Für ein behütetes Leben an der Seite ihres Mannes oder für einen Neuanfang mit Jonas?
Sie steckt, so denke ich, in einer Midlife – Krise, die etliche Personen durchleben dürften. Deshalb ist Identifikation gut möglich.
Das Ende kommt unerwartet, lässt jedoch Raum für Interpretationen zu. Also passt es zu der Intention der Autorin, ein fesselndes und sehr berührendes Werk zu verfassen, das aufwühlt, erschüttert und sprachlos macht. Es ist also keine leichte Kost und hinterlässt Fragen. Das hat mir besonders gefallen. Daher eine ganz hervorragende Leseempfehlung.

Bewertung vom 22.01.2022
Das Loft
Geschke, Linus

Das Loft


ausgezeichnet

Wer hat gemordet?
Das Cover in sehr dunklen Tönen mit den roten Spritzern in der Mitte der Fahrstuhltür evoziert eine düstere, geheimnisvolle Stimmung und passt sehr gut zu diesem Thriller.
Bisher war mir der Autor, Linus Geschke, unbekannt. Dieser Thriller mit Geschkes Spiel mit der Psyche hat mich gebannt und total überzeugt. Also werde ich mich um weitere Werke aus seiner Feder bemühen.
Sarah, Marc und sein Freund Henning bewohnen ein schickes Loft in einem angesagten hamburger Stadtteil. Durch Drogenverkauf können die beiden Freunde einen ausschweifenden Lebensstil genießen. Eines Tages jedoch ist Henning verschwunden, und die Putzfrau findet eine große Menge Blut in der Küche. Seine Freunde werden verdächtigt, ihn ermordet zu haben. Aber warum? Licht ins Dunkel wird durch einen gemeinsamen Urlaub gebracht, während dem sich wohl eine schreckliche Begebenheit ereignet haben muss. Oder hat Henning seinen Tod inszeniert, um eine Bande in die Irre zu führen, die ihm sein Drogengeschäft neidet und ihn zu vernichten droht?
Durch Geschkes Erzähltechniken, Flashbacks und eine Art Cliffhanger am Ende einzelner Kapitel, wird die Geschichte aufgerollt und Neugier auf das Folgende hervorgerufen.
Die Geschichte wird aus Sarahs und Marcs Sicht in der Ich - Form erzählt. Beide sind sympathisch und vielschichtig dargestellt. Sarah ist recht naiv und will immer gefallen, während Marc cool rüberkommt. Aber auch die ermittelnde Kommissarin tut Ihre Ansicht zum Ermittlungsverlauf in der Ich - Form kund.
Durch den flüssigen Schreibstil und die kurzen, übersichtlichen Kapitel fliegt man durch das Buch. Es gibt sehr viele Wendungen und Umwege. Kann die große Liebe der beiden diese Krise überstehen? Denn sie sind jeweils in Einzelhaft und werden von der Polizei gegeneinander ausgespielt, um ein Geständnis zu erzwingen. Oder versucht jeder seinen Kopf zu retten und belastet den anderen? Die Spannung bleibt insgesamt hoch, und es kommt zu einem unverhofften Ende. Insgesamt ein sehr guter Thriller, den ich sehr empfehlen kann.