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gudrun4
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NWu

Bewertungen

Insgesamt 34 Bewertungen
Bewertung vom 02.07.2021
Das Land der Anderen
Slimani, Leïla

Das Land der Anderen


ausgezeichnet

Wenn man sich für Marokko und seine Geschichte interessiert, kann man dieses Buch nicht wieder aus der Hand legen.
Die junge Elsässerin Mathilde heiratet nach dem 2. Weltkrieg in Frankreich einen Marokkaner, ohne sich der Konsequenzen dieser Verbindung bewusst zu sein. Sie geht mit ihm in sein Heimatland, um der Enge ihrer Familie zu entfliehen, um Abenteuer zu erleben. Was sie findet, ist die Familie ihres Ehemannes und die Einschränkungen der fremden Kultur. Das Bild von Mathildes Leben in der Fremde, ihre anfängliche Naivität, die Unkenntnis der Kultur, der Gepflogenheiten rundet sich durch die Erzählung aus verschiedenen Perspektiven. Das Buch beschreibt ihre Entwicklung zu einer verantwortungsbewussten Frau und Mutter in einem fast hoffnungslosen Kampf um ihre Eigenständigkeit, ihre Würde als Frau.
Mathildes Weg ist von vielen Zweifeln geprägt, aber auch von ihrem starken Willen, etwas zu bewegen und gebraucht zu werden. Dabei muss sie vieles verkraften können, was sich ihr als Frau eines Marokkaners in dieser Zeit der Unabhängigkeitskämpfe in Marokko an Problemen und Feindseligkeiten in den Weg stellt.
Als sie nach dem Tod ihres Vaters für einige Zeit zu ihrer Familie reist, hält sie die eisige Kälte und das Unverständnis ihrer Schwester davon ab, dort zu bleiben und nie mehr nach Meknes zurückzukehren. Denn auch in Frankreich wird sie inzwischen als eine “Andere” gesehen. Sie gehört dort nicht mehr hin. Mathilde beginnt, ihren Platz bei ihrem Mann und ihren Kindern zu akzeptieren.
Viele Geschehnisse sind aus gegenwärtiger Sicht fast unvorstellbar. Doch die Demütigungen und Verletzungen, die aus dem Kolonialismus und Rassismus resultieren, werden so ergreifend beschrieben, dass sich das Mitgefühl beim Lesen sofort einstellt, obwohl man das Verhalten einzelner Personen mit unserem heutigen Wissen vielleicht für naiv oder unvernünftig halten mag.
Mir hat dieses Buch sehr gut gefallen, die klare und bildhafte Sprache ließen oft ein regelrechtes Kopfkino entstehen. Hier denke ich, muss man auch die Leistung der Übersetzerin würdigen.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.

Bewertung vom 02.07.2021
Fritz und Emma
Leciejewski, Barbara

Fritz und Emma


ausgezeichnet

Die zwei Handlungsebenen dieses Romans machen das Buch am Anfang sehr spannend. Der Erzählstrang in der Vergangenheit wirkt auf mich sehr stark, mich berührt das tragische Schicksal von Fritz und Emma sehr und ich überlege, ob es nicht doch schon in der Vergangenheit zu einem guten Ende hätte kommen können. Doch ich kann Fritz in seiner Angst nicht verurteilen, eher bewundere ich seine Entscheidung.
Die Handlung in der Gegenwart kommt zunächst ganz locker daher, Marie ist mir sofort sympathisch. Doch dann verstärkt sich immer mehr der Eindruck eines Lebenshilfebuches in Romanform. Voraussehbar und fast trivial wirkt alles, als Maries tatkräftige, optimistische und in ihrer Selbstlosigkeit fast unglaubwürdige Schwester auftaucht und ein ganzes Dorf umkrempelt. Was Sarah und Marie in dem verschlafenen Dorf auf die Beine stellen, ist im höchsten Maße unglaubhaft, es funktioniert alles wie im Märchen, alle spielen mit. Zwischenrein erfährt man immer mehr von Emmas und Fritz Lebenslauf. Das zumindest ist nicht so trivial, sondern spannend und gelungen erzählt. Doch auch hier neigt die Autorin zu Übertreibungen: Muss ausgerechnet der Flugunfall in Ramstein auch noch das Schicksal der beiden beeinflussen? - Doch dank Marie endet alles schön simpel und vorhersehbar und der Pfarrer muss auch nicht seiner Frau zuliebe den Job hinschmeißen...
Es war durchaus unterhaltsame Lektüre, aber nur für Leute, die viel Zeit haben und mal einen gefühlvollen Heile-Welt-Roman lesen wollen.

Bewertung vom 21.03.2021
Als wir uns die Welt versprachen (eBook, ePUB)
Casagrande, Romina

Als wir uns die Welt versprachen (eBook, ePUB)


ausgezeichnet

Ein wunderbares Buch!
Edna, eine hochbetagte Südtirolerin, macht eine abenteuerliche Reise aus dem Etschtal nach Ravensburg, um ihrem Freund aus Kindertagen seinen Papagei zurückzubringen und damit ein Versprechen einzulösen.
Der Leser wird mitgenommen, erlebt die guten, die beängstigenden, die hoffnungsvollen und dramatischen Momente hautnah mit. Mir gefiel am Roman ganz besonders, dass die Erzählungen der Kindheitserlebnisse, Erinnerungen und Träume ganz gekonnt in diese Reise eingewoben wurden, immer nur gerade so viel, dass sie die Neugier des Lesers nicht ganz befriedigten und die Spannung hoch hielten. So lernt man Ednas Leben Stück für Stück kennen.
Die Erlebnisse der kleinen Edna haben mich sehr berührt. Die Schilderung der historischen Tatsachen um die „Schwabenkinder“ am Beispiel von Edna und Jacob auf dem Hof bei Ravensburg fand ich erschütternd, gerade aus der Sicht von Edna konnten sie nicht eindrucksvoller erzählt werden. Soziale Ungerechtigkeit als Quelle unendlichen Leides, unfassbar, was damals tausenden Kindern angetan wurde.
Die Reise selbst mit allen unvorhersehbaren Wendungen und Schwierigkeiten fand ich unerhört beeindruckend. Dass da immer Menschen waren, die an Ednas Reise Anteil nahmen, ihr aus fast ausweglosen Situationen halfen oder sie begleiteten, schien mir fast ein wenig fantastisch. Doch dafür war es ein Roman.
Auch die Rolle von Papagei Emil, zuerst als Hoffnungsträger der beiden Kinder, dann als Objekt ihrer Fürsorge und später als Schlüsselfigur für die Zugehörigkeit zu Jacob machte die Geschichte so faszinierend. Und gelungen ist auch der überraschende, wunderbare Schluss der Geschichte.
Fazit:
Ich hatte den Eindruck, dass die Seiten nur so flogen. Dieses Buch hatte alles:
Ein bisschen Märchenhaftes, viel Spannung und Abenteuer, eine Menge Zwischenmenschliches, und ein ganzes Stück Zeitgeschichte das aber niemals trocken oder moralisierend daher kam, eher ziemlich verrückt. Und diese Mischung fand ich sehr ansprechend.
Der starke Wille, diese daraus wachsende Kraft der alten Dame sind Mutmacher für alt gewordene Menschen, die noch nicht zum alten Eisen gelegt werden wollen. Absolut lesenswert!

Bewertung vom 08.10.2020
Ada (eBook, ePUB)
Berkel, Christian

Ada (eBook, ePUB)


sehr gut

Ada erzählt ihrem Psychiater ihre Lebensgeschichte. Da ist sie Mitte Vierzig und erinnert sich an erstaunlich vieles aus ihrer Kindheit und Jugend und versucht dabei Antworten zu finden. Was hat sie zu der werden lassen, die sie geworden ist? War es nur die Reaktion auf ihre Mutter und deren Art, durch Verschweigen allen unliebsamen Fragen aus dem Weg zu gehen, auf die Ablehnung, die Ada zu spüren glaubte?
Ada ist in Argentinien und Westberlin aufgewachsen in Zeiten, in denen ich selbst wohlbehütet in einer intakten Familie auf dem Land nahe Leipzig groß wurde und von den Studentenunruhen, Drogen und Wohngemeinschaften nur aus den damals zugänglichen Medien wusste. Um so spannender, diese Zeiten mal aus völlig anderer Perspektive kennenzulernen. Auch die Kapitel, die in Paris 1968 handeln und natürlich Woodstock waren sehr eindrucksvoll. Die Unmittelbarkeit von Adas Erzählung wirkt sehr authentisch und hat mich sehr gefesselt.
Den Punktabzug musste ich machen, weil ich das Buch in sich nicht ganz stimmig fand, es gab große zeitliche Lücken, für die mir das Verständnis fehlt. Urplötzlich waren wir in den Neunziger Jahren, das Ende kam abrupt und ich verstand nicht, wieso. Vielleicht muss man doch den "Apfelbaum" vorher gelesen haben? - Ich werde mir dieses erste Buch von Christian Berkel als nächstes vornehmen, denn seine Erzählweise finde ich gut. VIelleicht füllt das ja die offenen Lücken.

1 von 1 Kunden fanden diese Rezension hilfreich.