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si_liest
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Lörrach

Bewertungen

Insgesamt 48 Bewertungen
Bewertung vom 13.04.2022
Auf der Zunge
Clement, Jennifer

Auf der Zunge


weniger gut

Eigentlich lese ich sehr gerne Bücher, die abseits vom Mainstream in einer anderen Form oder in einem anderen Stil verfasst wurden. Ich habe dadurch schon viele tolle Texte entdeckt, die mir eine neue und andere Welt aufgezeigt haben.
Leider gehört „Auf der Zunge“ von Jennifer Clement nicht zu diesen Büchern, obwohl mich der Klappentext und die Leseprobe neugierig auf das Buch gemacht haben.
Kurz zum Inhalt: Eine namenlose Frau streift ziellos durch Manhattan. Sie versucht, ihrer lieblos gewordenen Ehe zu entfliehen, ihrer Sehnsucht und ihren Träumen nachzuspüren. Dabei begegnet sie den unterschiedlichsten Männern – einem Arzt, einem Polizisten, einem Dichter, sogar einem Löwenbändiger. Bei allen findet sie ein Stück dessen, was ihr in ihrem Leben fehlt.
Das ist jedoch schon alles, was ich über den Inhalt sagen kann, denn ich habe kaum Zugang dazu gefunden und für mich waren viele Dinge unverständlich. Die Sprache des Romans ist sehr lyrisch-poetisch, bildreich und rätselhaft, die Handlungen und Dialoge sind surreal und haben mir das Lesen und die Suche nach einer Bedeutung des Geschriebenen sehr schwer gemacht. Man bekommt Fragmente einer Fantasie präsentiert, was ich an sich spannend finde, aber wie schon erwähnt hat sich mir leider das große Ganze nicht erschlossen.
Sprachlich sicherlich ein interessanter Roman, der mir persönlich aber zu abgehoben und kryptisch ist.

Bewertung vom 30.03.2022
In einer stillen Bucht / Capri-Krimi Bd.3
Ventura, Luca

In einer stillen Bucht / Capri-Krimi Bd.3


gut

Maria Grifo, die Leiterin des Konservatoriums in Neapel, wird tot auf einem Felsen an der Cala del fico auf Capri gefunden. Enrico Rizzi und seine Kollegin Antonia Cirillo nehmen die Ermittlungen auf, die sie bis nach Neapel und auf die Nachbarinsel Procida führen, stoßen auf dunkle Geheimnisse, Intrigen und persönliche Zerwürfnisse rund um die ansonsten so schöne Welt der Musik und merken letztendlich, dass nichts so ist, wie es scheint.
Der Krimi ist angenehm zu lesen, man fühlt sich fast schon wie im Urlaub, so detailliert ist die Landschaft beschrieben. Der Autor schafft es, die Insel lebendig werden zu lassen und hat wirklich eine sehr gute Ortskenntnis.
Insgesamt war mir das Buch jedoch zu klischeehaft. Meiner Meinung nach werden einige sehr typische Italien-Klischees aneinandergereiht und dies hat mich mit der Zeit etwas gestört: die Polizisten tratschen mit den Dorfbewohnern über den Fall beim morgendlichen Espresso, nach dem Auffinden der Leiche wird erstmal ausführlich in idyllischer Umgebung gegessen, die Inselpolizisten sind immer cleverer als die langweiligen und trägen Beamten aus Neapel, etc.
Die Sprache des Romans ist ruhig und fließend, wenngleich ich über einige Kraftausdrücke gestolpert bin, die nicht zum Gesamteindruck des Romans passen (z.B. S. 26: „Es war zum Kotzen“).
Die Auflösung des Falles hat mich nicht ganz überzeugt, denn ich finde es unwahrscheinlich, dass -ACHTUNG SPOILER – die Namensänderung nicht schon vorher aufgefallen ist.
Alles in allem ein ruhiger Krimi für Italien-Fans, der mich leider nicht vollkommen überzeugen konnte.

Bewertung vom 11.03.2022
Via Torino
Leuthner, Aja

Via Torino


gut

Eleonora, Rosalia, Milena – drei Frauen aus drei Generationen, die alle eine Verbindung zu Italien haben. Für Eleonora ist diese Verbindung von Glück geprägt, lernt sie doch bei den Studentenrevolten in Turin Ende der 60er Jahre den Sizilianer Valerio, ihre große Liebe, kennen. Rosalia dagegen verbindet mit Italien fast nur schmerzvolle Erfahrungen. Eine ungeplante Schwangerschaft führt letztlich dazu, dass sie nie mehr einen Fuß über die italienische Grenze setzen will. Ganz anders Milena, Rosalias Tochter: Auf der Suche nach ihrem leiblichen Vater zieht es sie immer wieder nach Italien und sie begehrt gegen Rosalias hartnäckiges Schweigen über ihre persönliche Geschichte auf. Als Valerio stirbt, begeben sich die drei Frauen auf die Reise nach Sizilien, um ihn zurück in seine Heimat zu bringen, eine Reise, bei der einige Herausforderungen gemeistert werden müssen.
Im Großen und Ganzen hat mir der Roman gut gefallen. Aja Leuthner hat einen angenehm zu lesenden Schreibstil, die Geschichte liest sich flüssig und leicht. Interessant fand ich auch die historischen Hintergründe, die erwähnt werden, so zum Beispiel die Arbeiterstreiks/Studentenunruhen in Italien, die Generationenkonflikte nach dem Zweiten Weltkrieg oder die Haltung gegenüber den Gastarbeiterkindern in den 80er Jahren.
Trotzdem konnte mich „Via Torino“ nicht vollends überzeugen. Zum einen fand ich die Figuren eher flach und oberflächlich beschrieben, mir hat die Tiefe gefehlt. Wahrscheinlich liegt dies aber auch daran, dass hier drei Generationen mit relativ umfangreichem Hintergrund beschrieben werden. In diesem Sinne haben mich auch die Zeitsprünge irritiert; man bekommt immer wieder einzelne Zeitabschnitte präsentiert, aber die Entwicklung der Personen kommt zu kurz.
Zum anderen hat mir die (finale) Haupthandlung – die Reise nach Süditalien, die alles verbinden sollte – zu wenig Raum eingenommen. Meiner Meinung nach geht diese letzte wichtige Reise etwas unter, da sie sehr vorhersehbar und offensichtlich ist.

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Bewertung vom 03.03.2022
Kaiserstuhl
Glaser, Brigitte

Kaiserstuhl


sehr gut

Deutschland, 1962: Vor dem Hintergrund der nahenden Unterzeichnung des Élysée-Vertrages treffen der Elsässer Paul Duringer und die Freiburger Weinhändlerin Henny Köpfer aufeinander. Die beiden verbindet eine schmerzvolle Vergangenheit: kurz nach Kriegsende waren sie fast schon eine Familie, doch ein unvorhergesehenes Ereignis ließ die Liebe zerbrechen, beide flüchteten aus dem kleinen Ort am Kaiserstuhl, in dem sie auf dem Hof der Bäuerin Kätter mit dem Ziehsohn Kaspar lebten. Eine alte Champagnerflasche bringt Paul und Henny erneut zusammen – doch kommen sie sich auch wieder nahe?
Der Roman hat mir gut gefallen, er lässt sich leicht lesen. Die Handlung fand ich gut konstruiert, obwohl ich am Anfang durch die Zeitsprünge etwas Mühe hatte, hineinzufinden. Man erfährt so einiges über das Elsass und seine Geschichte, und da ich im Dreiländereck Deutschland – Schweiz - Frankreich wohne, sind mir die örtlichen Gegebenheiten vertraut.
Ich finde, dass die Autorin den Zeitgeist und die zum Teil noch verwundeten Seelen der Kriegsgeneration sehr sensibel beschrieben hat; gerade der ruhelose Charakter von Paul hat mich berührt und ich konnte sehr gut nachvollziehen, was ihn umtreibt.
Interessant fand ich auch, dass die Erzählsprache in den Kapiteln über Kätter ins eher Derbe gewechselt hat und mit vielen Dialektausdrücken gespickt war, was nicht immer einfach zu lesen war, vor allem, wenn man mit dem Dialekt nicht vertraut ist. Ich habe jedoch viele Worte wiederentdeckt, welche ich schon lange nicht mehr gehört/gelesen habe.
Insgesamt hat mir das Buch sehr gut gefallen und es hat mich dazu angeregt, noch etwas tiefer in die elsässische Geschichte einzutauchen.

Bewertung vom 15.01.2022
Zum Paradies
Yanagihara, Hanya

Zum Paradies


weniger gut

Auf Social Media stolpert man zwangsläufig immer wieder über Hanya Yanagihara und ihren Roman „Ein wenig Leben“, welcher sehr viele begeisterte Leser*innen hat. Deshalb habe ich mich auch so sehr darauf gefreut, ihren neusten Roman „Zum Paradies“ zu lesen und mir selbst ein Bild von der Genialität der Autorin zu machen. Aber so gerne ich das Buch gemocht hätte, es konnte mich leider nicht überzeugen.
Die drei Geschichten im Buch – alle spielen zu unterschiedlichen Zeiten am selben Ort, beschreiben dystopische und reale Welten, jedoch immer mit den wiederkehrenden Motiven Liebe, Sehnsucht, Herkunft, Familie, Freiheit, und auch die Namen der Protagonisten sind immer dieselben – zeichnen sich vor allem durch ihre sehr intensive und ausufernde Erzählweise aus, konnten mich aber irgendwie emotional nicht erreichen, weil mir die Protagonisten (Protagonistinnen kommen nur am Rande vor) und ihre Probleme, Verhaltensweisen und Handlungen fast durchgehend fremd geblieben sind. Trotz des bildhaften Schreibstils hat mir bei allen Geschichten die Tiefe gefehlt und die offenen Enden haben meinen Eindruck einer „unrunden“ Erzählung nur noch verstärkt.
Der Klappentext hat einen spannenden Roman versprochen und ich habe gedacht, dass die Geschichten tiefer miteinander verknüpft und verwoben sind, aber leider konnte ich dies im Verlauf nicht erkennen, was mich – so muss ich gestehen – einige Seiten hat überspringen lassen. Meiner Meinung nach hat sich Hanya Yanagihara zu sehr im Detail verloren, so dass die Geschichten konstruiert und gezwungen geistreich erscheinen.
Am besten gefallen hat mir die dritte und längste Geschichte, die in einer dystopischen, jedoch vorstellbaren und deshalb erschreckenden Zukunft spielt. Auch hier habe ich aber nach einiger Zeit das Interesse verloren und musste mich zum Schluss regelrecht durchkämpfen. Dazu hat sicher auch die eher depressive und schwermütige Grundstimmung, die im Roman vorherrscht, beigetragen.
Fans von Hanya Yanagiharas Stil werden sicher Freude an diesem Roman haben, aber bei mir wollte sich leider keine Lesefreude einstellen und ich habe mich mühsam durch die 900 Seiten gequält.

Bewertung vom 21.11.2021
Gesammelte Werke
Sandgren, Lydia

Gesammelte Werke


ausgezeichnet

Nur selten passiert es mir bei einem Buch, dass ich es möglichst langsam lese, weil ich nicht will, dass die Geschichte zu Ende ist. Bei Lydia Sandgrens imposanten Erstlingswerk war dies so, wobei mir das Lesevergnügen bei knapp unter 900 Seiten doch relativ lange erhalten geblieben ist.
Hauptfigur des Romans ist der Göteborger Verleger Martin Berg, der in einer Lebenskrise steckt. Seine Frau Cecilia ist vor einigen Jahren spurlos verschwunden und hat ihn mit den Kindern Rakel und Elis alleine gelassen, sein Freund, der bekannte Künstler Gustav Becker, meldet sich kaum noch und auch für seinen Verlag Berg & Andrén sieht die Zukunft alles andere als rosig aus. Währenddessen schlägt sich seine Tochter Rakel mit ganz anderen Problemen herum: in einer Romanfigur eines deutschen Schriftstellers glaubt sie, ihre verschwundene Mutter wiederzuerkennen und begibt sich auf eine Spurensuche, die sie unter anderem nach Paris und Berlin führt.
Durch Rückblenden in Martin Bergs Jugendzeit erfährt man, wie er überhaupt in die jetzige Situation kam und welche Ereignisse zum Verschwinden seiner Frau geführt haben. Man taucht ein in die Göteborger Intellektuellenszene und in die Pariser Bohème der 80er Jahre, erlebt eine Jugendzeit mit, in der Kultur und Wissen eine große Rolle spielen, in der es keine große Rolle spielt, ob und wie man damit später sein Geld verdienen kann. Stück für Stück wird auch die komplizierte Beziehung zu seinen Kindern offenbar und gegen Ende wird immer deutlicher, warum Rakel unbedingt Licht ins Dunkel der Familiengeschichte bringen will. Auch die on-off Freundschaft zu Gustav Becker wird eingehend beleuchtet und zeigt das Leben eines Künstlers in allen Facetten.
Wie schon erwähnt war das Lesen für mich ein Hochgenuss, ich konnte so richtig tief in die Geschichte eintauchen. Lydia Sandgrens Schreibstil ist sehr flüssig, differenziert und intensiv und die Themen, die im Roman auftauchen, werden psychologisch subtil beschrieben. Wie auch im Umschlagtext schon erwähnt, erinnert der Stil ein bisschen an Donna Tartt. Zahlreiche Bezüge zu Literatur und Musik, Kunst und Zeitgeist machen die Lektüre greifbar und abwechslungsreich.
Manch einer mag vielleicht das offene Ende bemängeln, aber ich finde, gerade dies macht den Roman aus; so bleibt viel Raum für eigene Interpretationen und regt zum Nachdenken an.
Ein weiteres Highlight für mich in diesem Jahr und sehr empfehlenswert für alle Liebhaber von Sprache und Literatur.

Bewertung vom 10.10.2021
Wenn ich wiederkomme
Balzano, Marco

Wenn ich wiederkomme


ausgezeichnet

Die Bücher von Marco Balzano lassen mich immer mit einer gewissen Schwere und einem Hauch von Melancholie zurück. So hat mich auch sein neuester Roman, „Wenn ich wiederkomme“, sehr betroffen gemacht und mich zum Nachdenken angeregt.
Daniela, Mutter zweier Kinder, bricht in einer Nacht-und-Nebel-Aktion von ihrem Heimatdorf in Rumänien nach Italien auf, um dort als Pflegekraft zu arbeiten und mit dem hart verdienten Geld ihren Kindern ein besseres Leben zu ermöglichen. Die Kinder bleiben bei den Großeltern und beim Vater zurück. In drei Kapiteln wird die Geschichte aus den Perspektiven von Manuel, dem Sohn, Daniela selbst und ihrer älteren Tochter Angelica erzählt. Hier wird deutlich, wie unterschiedlich die Familienmitglieder mit der Situation umgehen und mit welchen Problemen sie zu kämpfen haben. Während Manuel sich von der Mutter im Stich gelassen fühlt und versucht, sich mit Konsum zu betäuben, wirft Angelica ihrer Mutter vor, ihr die Verantwortung für alles zugeschoben zu haben, erfüllt aber letztlich doch ihre Pflicht. Daniela wiederum hat mit ihrem schlechten Gewissen zu kämpfen und fühlt sich ausgenutzt, sowohl von ihrer Familie als auch von ihren Arbeitgebern.
Marco Balzano bringt die unterschiedlichen Sichtweisen den Leser*innen sehr differenziert und emotional nahe, obwohl seine Schreibweise eher nüchtern-beschreibend-klar ist. Mir wurden beim Lesen einige Themen offenbar, über die ich davor gar nicht nachgedacht habe und die mich tief getroffen haben, weil die Problematik auch hier in Deutschland sehr aktuell ist. Zudem fand ich die zusätzlichen Informationen im Nachwort – den Begriff „Italiensyndrom“ habe ich zum Beispiel nicht gekannt - sehr wertvoll und zeigen, wie gut der Autor recherchiert hat.
Ich bin von dem Buch sehr begeistert, weil es in einer leisen, stillen Art auf Probleme aufmerksam macht, die sich eher im Verborgenen, am Rande der Gesellschaft, abspielen.

Bewertung vom 27.09.2021
Die vier Winde
Hannah, Kristin

Die vier Winde


sehr gut

Ich muss zugeben, dass ich das Buch nach den ersten Seiten schon weglegen wollte, zu klischeehaft war mir der Anfang: Mädchen aus gutem, christlichem Hause, überbehütet, voller Träume und Sehnsüchte, trifft beim ersten Mal, als sie rebellierend das Haus verlässt, auf einen feurigen Italo-Amerikaner, mit dem sie wenige Male schläft und dann schwanger wird. Das hört sich ziemlich einfallslos und platt an, bleibt aber zum Glück im Verlauf der Geschichte nicht so, so dass ich rückblickend betrachtet froh bin, das Buch weitergelesen zu haben.
Texas, Anfang der 30er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts: Elsa Martinelli wohnt zusammen mit ihrem Mann und den zwei Kindern Loreda und Anthony auf der Farm der Schwiegereltern, die aus Italien eingewandert sind und sich ihren „American Dream“ durch harte Arbeit erfüllt haben. Doch die Weltwirtschaftskrise und die extreme Dürre und die Staubstürme – entstanden durch die jahrelange falsche Nutzung des Landes – treffen die Familie hart. Als Elsas Mann von heute auf morgen die Familie verlässt und Anthony aufgrund des Staubs krank wird, entschließt sie sich schweren Herzens, den weiten Weg nach Kalifornien auf sich zu nehmen, in der Hoffnung auf ein besseres Leben für sich und ihre Kinder. Dort angekommen, muss sie jedoch am eigenen Leib erfahren, wie es ist, als Flüchtling ausgegrenzt und ausgebeutet zu werden. Doch sie gibt nicht auf und kämpft für ihr Glück – mit tragischen Folgen.
Nach den anfänglichen Schwierigkeiten hat mich die Geschichte wirklich gepackt. Kristin Hannahs Schreibstil ist mitreißend und man kann sich sehr gut in die damalige schwere Zeit hineinversetzen. Auch die Spannung bleibt eigentlich während der ganzen Zeit auf hohem Niveau, so dass es manchmal fast schon zu viel ist. Man lernt viel über einen Teil der amerikanischen Geschichte und mit Unbehagen wurde mir immer wieder bewusst, wie universell und aktuell das Thema der Flüchtlinge ist – leider!
Das Buch hat mich ausgesprochen gut unterhalten; es war stellenweise sehr aufwühlend und hat mich oft zum Nachdenken gebracht, aber genau das mag ich an Büchern. Lediglich der kitschige Anfang und das amerikanisch-heroische Ende waren nicht so meins.
Große Empfehlung für alle, die gerne spannende (historische) Romane lesen.

Bewertung vom 27.09.2021
Der perfekte Kreis
Myers, Benjamin

Der perfekte Kreis


ausgezeichnet

Bücher wie dieses muss man ganz langsam lesen, man muss sie genießen. Nur selten findet man ein Buch, das sprachlich und inhaltlich so hochwertig daherkommt und das einen nachhaltigen Eindruck hinterlässt.
Südengland, im Sommer 1989: Zwei Männer, beide vom Leben gezeichnet – der eine von Drogen und Alkohol, der andere von seinem Einsatz als Soldat im Falklandkrieg -, machen sich auf, um den perfekten Kornkreis zu gestalten. Die Muster, die sie ins Korn drücken, werden akribisch geplant und nur so ausgeführt, dass niemand zu Schaden kommt. Um anonym zu bleiben, arbeiten sie ausschließlich nachts, wobei sie auf unterschiedlichste Personen treffen und diverse Situationen meistern müssen. Die beiden Männer sind durch eine leise, achtsame Freundschaft verbunden, wobei am Ende offenbleibt, ob diese Freundschaft überdauern wird.
Benjamin Myers schreibt so schöne Sätze, dass es eine Freude war, das Buch zu lesen. Die Naturbeschreibungen sind poetisch und intensiv (dies hat mich ein bisschen an „Der Gesang der Flusskrebse“ erinnert), so dass es manchmal fast ein bisschen übertrieben wirkt. In den einzelnen Kapiteln, die jeweils die Entstehung eines Kornkreises beschreiben, wird eine subtile Kritik an unterschiedlichen gesellschaftlichen Themen sichtbar (z.B. Umweltverschmutzung, Vandalismus). Sehr gelungen fand ich auch die Zeitungsmeldungen jeweils am Ende der Kapitel, in denen die abstrusesten Theorien über die Entstehung der Kornkreise aufgestellt werden, wobei die tatsächliche Erklärung sehr simpel ist.
Ein wunderbares, poetisches, philosophisches Buch über die Natur und über die Freundschaft, aber auch mit leiser Kritik an aktuellen Themen!

Bewertung vom 27.09.2021
Das letzte Bild
Jonuleit, Anja

Das letzte Bild


sehr gut

Isdal, Norwegen, November 1970: Wanderer finden eine zum Teil verbrannte Frauenleiche, deren Identität bis heute - über 50 Jahre später – ungeklärt ist. Seither wurde viel darüber spekuliert, wer die Tote sei und wie sie ums Leben kam. Erst im Jahre 2016 konnte mittels einer DNA-Analyse festgestellt werden, dass die Frau ursprünglich aus Deutschland stammt. Zahlreiche Mythen ranken sich um den Fall; so war unter anderem schon die Rede davon, dass die Frau eine Geheimdienst-Mitarbeiterin war, was aber durch die Einschätzung von Experten widerlegt werden konnte.
Anja Jonuleit hat aus diesem spannenden Fall einen interessanten Roman erschaffen, der sowohl fiktive als auch reale Elemente enthält. Auf verschiedenen Zeitebenen wird einerseits das Leben der Isdal-Frau beleuchtet, andererseits spielt auch die Nichte der Toten – Eva, eine Autorin -, die sich auf Spurensuche begibt und das Rätsel um ihre Tante gerne lösen möchte, eine Rolle im Roman. Allzu viel möchte ich aber nicht verraten, da ich nicht spoilern möchte.
Der Roman liest sich sehr flüssig und da die Geschichte sehr spannend und geheimnisvoll ist, konnte ich das Buch kaum aus der Hand legen. Geschickt verknüpft die Autorin Wahrheit und Fiktion und zeigt, wie extrem gut sie den Fall recherchiert hat. Zwei Schwachstellen hat der Roman jedoch meiner Meinung nach: Zum einen blieb mir die Figur der Marguerite durch ihr Verhalten (gerade Männern gegenüber) und durch die allzu vielen Zufälle, die ihr Leben bestimmen, eher fremd. Und zum anderen kam für mich der Schluss – im Vergleich zu den davor sehr detailreich geschilderten Vorgängen – plötzlich und irgendwie zu schnell. Aber nichtsdestotrotz habe ich das Buch gerne gelesen und auch angefangen, den BBC-Podcast "Death in Ice Valley" zu hören.