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Benutzername: 
goldilinchen
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Steinberg
Buchflüsterer: 

Bewertungen

Insgesamt 82 Bewertungen
Bewertung vom 14.02.2023
Lieber mit dem Kopf durch die Wand als gar kein Durchblick
Potter, Alexandra

Lieber mit dem Kopf durch die Wand als gar kein Durchblick


ausgezeichnet

"Ein und dieselbe Geschichte wird von jedem anders empfunden. Man muss versuchen, die zu leben, die zu einem passt."

Was haben ein Autoverkäufer, ein Rentner und ein ausgesetzter Hund gemeinsam? :) Sie sind Bestandteil der Geschichte und sorgen für eine abwechslungsreiche Handlung. Alle Protagonisten sind realistisch und liebevoll gezeichnet. Kurze Kapitel und ein angenehm flüssiger Schreibstil sorgen für kurzweilige Unterhaltung.

Vor ca. 10 Jahren habe ich einige Bücher von Alexandra Potter gelesen und als klassische RomComs in Erinnerung behalten. Dieses Buch ist anders. Es bewahrt seine Leichtigkeit und auch die Liebe kommt nicht zu kurz - auf mich wirkt es jedoch deutlich erwachsener.

Der Klappentext vermittelt eine lineare Erzählstruktur um Liv und ihren Neuanfang in den Yorkshire Dales. Sie ist der Mittelpunkt verschiedener Episoden und unterschiedlichster Charaktere ihres neuen Umfelds. Wer Filme wie "Tatsächlich Liebe" oder „Valentinstag“ mag, wird auch an diesem Buch Freude haben.

Ohne zu Spoilern beschreibt das folgende Zitat Liv's Entwicklung: "Frauen sind wie Teebeutel, erst wenn es darauf ankommt, zeigt sich, wie stark sie sind."

Auch Themen wie Trauer, Verlust, Schmerz und Veränderung kommen nicht zu kurz und schaffen ein glaubwürdiges, aber trotz allem optimistisches Buch für Leserinnen und Leser jeden Alters. Empfehlenswert...und die Reiselust ist geweckt ;)

Bewertung vom 10.02.2023
Für immer, Vivienne
Leroy, Margaret

Für immer, Vivienne


ausgezeichnet

Für mich ist das Buch eines der Lesehighlights des letzten Jahres, obwohl es bereits 2011 erschienen und leider nur noch gebraucht erhältlich ist. Die Liebesgeschichte nimmt nur einen Teil der Handlung ein. Das Buch ist eine berührende, jedoch auch traurige Geschichte. Der Autorin ist es mit Hilfe der Ich-Erzählerperspektive gelungen ein glaubhaftes und persöniches Schicksal der Besatzungszeit zu schildern. Auch die Kanalinsel Guernsey wird sehr anschaulich beschrieben. Empfehlenswert!

Bewertung vom 25.01.2023
Der Anfang von morgen
Liljestrand, Jens

Der Anfang von morgen


gut

»Es gibt keine Enden. Wenn du das denkst, täuschst du dich. Es sind alles Anfänge. Hier ist einer.« Hilary Mantel, Falken
Das literarische Motto wurde passend gewählt, spannt es für mich den Bogen um die Handlung des Romans.

Ich gehe gern unvoreingenommen an Bücher, die ich mir nicht selbst ausgesucht habe und lese im Vorfeld weder Rezensionen noch Klappentext. Durch das präsente Medieninteresse wusste ich jedoch um die Thematik und war auf den "Klimaroman" sehr gespannt.

Im Nachhinein finde ich den Klappentext etwas knapp. Leider wird die aufgeworfene Frage [Wie können wir die Welt bewahren und zusammen weiterleben?] für mein Verständnis nur ansatzweise beantwortet.

Die vier Protagonisten Didrik, Melissa, André und Vilja stehen exemplarisch für die unterschiedlichen Personenkreise der heutigen Gesellschaft und spiegeln Meinungen bzw. werden (unfreiwillig) mit diesen konfrontiert.

Die Geschichte erstreckt sich über den Zeitraum einer Woche im Spätsommer mit sowohl linear als auch parallel verlaufenden Handlungssträngen, welche die unterschiedlichen Protagonisten nacheinander fokussieren und dabei auch in Rückblenden die Vergangenheit der Vier aufgreifen. Die Notlage wird realistisch geschildert. Allerdings frage ich mich, warum die Protagonisten alle in irgendeiner Form Teil des öffentlichen Lebens sind und das ein oder andere Klischee bedienen (z.B. die Affäre der tablettenabhängigen Influencerin oder der Sohn einer Tennislegende). In dystopischer Form beschreibt Jens Liljestrand eine Momentaufnahme: Einzelschicksale während einer Katastrophe, welche doch mit einander verbunden sind.

Unter einem Klimaroman habe ich mir letztendlich etwas anderes vorgestellt. Die klimatischen Darstellungen waren informativ, wirkten auf mich jedoch auch konstruiert bzw. zu gewollt. (Beispielsweise berichtet eine Nebenfigur, Verkäuferin mit Migrationshintergrund, zufällig einer der Hauptprotagonistinnen während einer Einkaufstour von der schwierigen Situation der Fischerei in Nigeria.)
Neben dem Klima spielen auch Verrat, Untreue und Sucht eine Rolle. Das Verhalten bzw. die Geschehnisse sind streckenweise verstörend und schwer nachvollziehbar. Die Zerstörung lässt mich nachdenklich zurück - vor allem mit Blick auf das aktuelle Weltgeschehen. Ich hätte mir in diesem Zusammenhang jedoch mehr Denkanstöße gewünscht. Diese kamen für mein Dafürhalten lediglich bei einer Nebenfigur (Jennie) in Ansätzen zum Vorschein.

Zum Aufbau und Stil des Buches möchte ich folgendes anmerken: der Autor bedient sich einer bildhaften Sprache, verliert sich in detaillierten, teils befremdlichen Aufzählungen. Exemplarisch habe ich diese Beschreibung von Didriks Säugling gewählt: "Eine Schwere auf meinem Arm wie von einem Sack mit warmem, frisch durchgedrehtem Hackfleisch, die Konsistenz wie rohe Wurst, luftig in einen Darm gestopft mit vorsichtigen Händen, um die empfindliche Oberfläche nicht zu zerreißen, nichts ist gespannt oder geschwollen, keine Muskeln, keine Verhärtungen." Die langen Sätze und wenigen Kapitel erfordern die Aufmerksamkeit des Lesers.

Abschließend bleibt die Frage: "Ist dein Leid weniger schlimm, wenn alle anderen um dich herum auch leiden?" Diese sollte jeder Leser für sich selbst beantworten…

Bewertung vom 15.10.2022
Die Familie
Krupitsky, Naomi

Die Familie


gut

"Sie wissen, dass die Familie alles ist."

Da ich mir das Buch nicht selbst ausgesucht habe, frönte es einige Monate in meinem Vorrat. Es hat es einige Anläufe gebraucht, bis ich Zugang zu diesem Buch gefunden habe. Warum? Weil ich mit dem Prolog beim Anlesen nicht warm geworden bin.

Das Cover finde ich passend. Die beiden Mädchen könnten tatsächlich die beiden Hauptprotagonistinnen Antonia und Sofia sein.

Der Leser begleitet im Zeitraum von 1928 bis 1948 mehrere Generationen der Familien Russo und Colicchio, welche zu Beginn des 20. Jahrhundert aus Sizilien nach New York City ausgewandert sind. Die Anzahl der Charaktere ist daher überschaubar. Der Klappentext gibt einen guten Überblick was den Leser auf den folgenden 400 Seiten erwartet.

Da ich bisher wenig Berührungspunkte mit Mafia-Geschichten hatte - von dem ein oder anderen Film abgesehen – war mein Interesse schnell geweckt. Ich mochte vor allem den Perspektivwechsel zu Beginn: das "Familienleben" aus der Sicht der Mädchen zu erzählen. Geschichtliche Ereignisse wie der 2. Weltkrieg werden gestreift und in Form von Zweifeln bzw. dem Erwachsenwerden in einer sich verändernden Welt aufgegriffen. Dazu erhält man Einblicke in das Familienleben innerhalb der „Familie“. Im Verlauf der Geschichte werden unterschiedliche Fragen aufgeworfen: Hat man immer eine Wahl? Welche Konsequenzen trägt man aufgrund Entscheidungen anderer?

Nachdem ich einmal begonnen hatte, habe ich das Buch gern gelesen und war gespannt, wo die Geschichte hingeführt. Hauptpotential sehe ich im Stil: die Erzählung erfolgt in der 3. Person. Das schafft Neutralität, erzeugt gleichzeitig jedoch Distanz und ließ mich mit den Figuren nicht wirklich warm werden. Hinzu kommt die bildhafte, poetische Sprache. ("Grauen kriecht ihr wie eine fette Schnecke den Rachen hinunter.") Dies hat den Lesefluss manchmal ein wenig aufgehalten. Das abrupte Ende ist für meinen Geschmack nicht unpassend, könnte anderen aber nicht abschließend erscheinen.

Bewertung vom 08.09.2022
Denk ich an Kiew
Litteken, Erin

Denk ich an Kiew


sehr gut

"Lebe dein Leben. Sei glücklich"

Das Leben besteht aus Entscheidungen, die Konsequenzen haben und unweigerlich zu weiteren Entscheidungen führen...

Aufgrund der aktuellen Berichterstattung aus der Ukraine bin ich auf die Veröffentlichung von "Denk ich an Kiew" aufmerksam geworden. Spontan habe ich zu dem Buch gegriffen ohne mich näher mit der Inhaltsangabe zu beschäftigen. (Im Nachhinein gibt der Klappentext einen guten Einblick, was den Leser erwartet. Um nicht zu Spoilern, werde ich dem nichts hinzufügen.)

Wer Geschichten auf zwei Zeitebenen mag, ist mit der Verknüpfung der Handlungsstränge aus Vergangenheit und Gegenwart sicher gut bedient. Ich habe inzwischen einige Bücher dieser Art gelesen und konnte den Handlungen leicht folgen. Den einzelnen Kapiteln sind neben den Jahreszahlen auch die Namen der jeweiligen Hauptprotagonistinnen vorangestellt. Ebenfalls ist ist die Gesamtzahl der Charaktere überschaubar.

Die Bewertung gestaltet sich diesmal schwieriger: für gewöhnlich mache ich mir beim Lesen Notizen, bei diesem Buch war dem nicht so. Über den Inhalt möchte ich mir kein Urteil erlauben. Die historischen Geschehnisse sind unvorstellbar, vor allem mit Blick auf die aktuellen Situation.

Ich hätte mir jedoch einen umfangreicheren Einblick in ukrainische Kultur und etwas mehr Lokalkolorit gewünscht. Der Schreibstil ist sehr angenehm und ich hab das Buch gerne gelesen - trotz der beschriebenen Schrecken. Emotional ist der Funke bei mir leider erst gegen Ende des Buches übergesprungen. Der Erstlingsroman war sehr ansprechend und der Inhalt hat mein Interesse durchweg aufrecht erhalten. Laut Nachwort arbeitet Erin Litteken bereits an weiterem Buch.

Fazit: "Nach vorne zu blicken, heißt nicht die Vergangenheit zu vergessen."

Bewertung vom 06.06.2022
The Henna Artist
Joshi, Alka

The Henna Artist


sehr gut

Lange bin ich um den Auftakt der Jaipur-Trilogie herumgeschlichen, bevor ich dann spontan zugegriffen habe...
Der Klappentext gibt einen guten Überblick über die Handlung. Aber das Buch ist noch so viel mehr. Der Leser begleitet die 17-jährige Lakshmi auf ihrem Weg durch das Indien der 50er-Jahre. Der Weg ist steinig, voll Entbehrung aber auch voller überraschender Begegnungen. Die Hauptprotagonistin als Ich-Erzählerin zu nutzen, schafft Nähe und gewährt natürlich eine Vielzahl unbekannter Einblicke. Als Leser ist man von Beginn an im Geschehen dabei. Der Roman startet dabei gemächlich, entwickelt aber mit der Zeit einen Sog: ich wollte unbedingt wissen wie es weitergeht bzw. endet. Die Geschichte ist ungewöhnlich, neu. Nichtsdestotrotz werden auch ein paar Klischees aufgegriffen bzw. häufen sich die Zufälle. Der Verlauf der Geschichte ist gleichermaßen vorhersehbar wie überraschend. Als störend empfand ich vor allem zu Beginn die vielen Fremdwörter. Das Nachschlagen mit Hilfe des Glossars am Ende war seitenweise äußerst müßig. Die Nebenfiguren fügen sich sehr gut in die Handlung ein und bereiten die Fortführung vor.

Wer auf der Suche nach einem ungewöhnlichen Indien-Romas ist, der wird hier fündig! Da mir die Geschichte manchmal etwas zu oberflächlich war, weiß noch nicht, ob ich die Fortsetzungen lesen werde…

Bewertung vom 06.06.2022
Die Hennakünstlerin / Jaipur Bd.1
Joshi, Alka

Die Hennakünstlerin / Jaipur Bd.1


sehr gut

Lange bin ich um den Auftakt der Jaipur-Trilogie herumgeschlichen, bevor ich dann spontan zugegriffen habe...
Der Klappentext gibt einen guten Überblick über die Handlung. Aber das Buch ist noch so viel mehr. Der Leser begleitet die 17-jährige Lakshmi auf ihrem Weg durch das Indien der 50er-Jahre. Der Weg ist steinig, voll Entbehrung aber auch voller überraschender Begegnungen. Die Hauptprotagonistin als Ich-Erzählerin zu nutzen, schafft Nähe und gewährt natürlich eine Vielzahl unbekannter Einblicke. Als Leser ist man von Beginn an im Geschehen dabei. Der Roman startet dabei gemächlich, entwickelt aber mit der Zeit einen Sog: ich wollte unbedingt wissen wie es weitergeht bzw. endet. Die Geschichte ist ungewöhnlich, neu. Nichtsdestotrotz werden auch ein paar Klischees aufgegriffen bzw. häufen sich die Zufälle. Der Verlauf der Geschichte ist gleichermaßen vorhersehbar wie überraschend. Als störend empfand ich vor allem zu Beginn die vielen Fremdwörter. Das Nachschlagen mit Hilfe des Glossars am Ende war seitenweise äußerst müßig. Die Nebenfiguren fügen sich sehr gut in die Handlung ein und bereiten die Fortführung vor.

Wer auf der Suche nach einem ungewöhnlichen Indien-Romas ist, der wird hier fündig! Da mir die Geschichte manchmal etwas zu oberflächlich war, weiß noch nicht, ob ich die Fortsetzungen lesen werde…

Bewertung vom 06.06.2022
Haie in Zeiten von Erlösern
Washburn, Kawai Strong

Haie in Zeiten von Erlösern


gut

Rettung - Aufstieg - Zerstörung - Wiedererweckung

…die Teilüberschriften beschreiben die Metamorphose, welche der Leser, gemeinsam mit der Familie Flores durchlebt.

Der Klappentext gibt einen guten Einblick in die Geschichte. Nach einer Reihe Kurzgeschichten, Familiengründung & Berufstätigkeit als Software-Ingenieur, liegt nun Washburns Debütroman vor. Hauptsächlich in seiner Heimat Hawaii verortet, erzählt das Buch die Geschichte von drei Geschwistern, deren Beziehung nicht ohne Konflikte ist, da die Eltern einen Sohn für auserwählt halten. Als die Geschwister nacheinander aufs Festland gehen, verlieren sie zunehmend den Halt - versuchen aber auch, jedes auf seine Weise, wieder Verbindung mit der Heimat zu finden…

Ich habe das auch im Anschluss an meine 4-wöchige Hawaii-Reise gelesen. Lokale Autoren sind rar gesät, wie ich in den Buchladen vor Ort bemerkt habe. Zugegeben, der zurückliegende Besuch erleichtert die geografische Einordnung und den Umgang mit hawaiianischen Begrifflichkeiten. (Bei Letzterem hilft allerdings auch ein Blick ins Glossar.) Die Beschreibungen des hawaiianischen Lebens auf den Inseln Oahu und Big Island erscheinen mir authentisch. Es geht um Identitätsfindung, Erwachsen werden: das Leben auf der Überholspur. Dabei werden auch einige Klischees bedient. Die hohen Lebenserhaltungskosten sind ein hochaktuelles Thema, ebenso wie die Vorurteile von Randgruppen gegenüber der Gesellschaft. Der Leser ist mittendrin statt nur dabei, was sicher zum Teil der wechselnden Perspektiven der Ich-Erzähler geschuldet ist. Vielfältige Themen werden aufgegriffen, jedoch nicht immer tiefgründig oder abschließend behandelt.

Punktabzug gibt es für die (häufig unnötig) deftige Ausdrucksweise und die spät aufkommende Spannung (ab ca. der Hälfte des Buches). Der Leser braucht einen etwas längeren Atem, um die Geschichte zu erfassen. Wer des Englischen mächtig ist, dem würde ich zudem die Originalversion ans Herz legen. Die Übersetzung war stellenweise doch etwas holprig, was Satzbau und Wortverwendung anbelangt (z.B. „knistrige“ oder „Studentenschaft“ statt Studentenverbindung). Interesse für die hawaiianische Kultur in Gegenwart und Vergangenheit trägt auf jeden Fall zum Verständnis des Buches bei.

Fazit: für mich ein gutes Buch - der Funke ist jedoch nicht übergesprungen.

Bewertung vom 18.04.2022
Das Fundbüro der verlorenen Träume
Paris, Helen Frances

Das Fundbüro der verlorenen Träume


gut

"Es gibt einen Unterschied zwischen fallen und springen"

Nachdem mich der Klappentext der Neuerscheinung neugierig machte, habe ich sofort die Leseprobe heruntergeladen. Ich war allerdings recht überrascht, da ich mir aufgrund der originellen Idee eine gänzlich andere Hauptprotagonistin vorgestellt hatte…

"Das ganze Fundbüro hat etwas aus der Zeit Gefallenes an sich, wie ein Museum, ein Archiv der Erinnerungen, eine Bibliothek des Verlusts. Ich glaube, deswegen habe ich mich hier immer zu Hause gefühlt."

Ich-Erzählerin Dot wirkt zu Beginn sehr korrekt, jedoch etwas weltfremd. Die Aussage „Wir hatten alle mal Träume“ ließ auf Enttäuschung schließen – hat sie mehr vom Leben erwartet?

Trotz der angedeuteten Entwicklung, was Dot und Mr. Appleby finden würden, war ich unschlüssig, ob ich die beiden auf ihrem Weg begleiten wollte. Zumindest diese Frage klärte sich als ich das Buch geschenkt bekam._

Über 368 Seiten enthüllt sich langsam Dot's Vergangenheit. Sie ist schon länger Single und arbeitet seit knapp 10 Jahren im titelgebenden Fundbüro. Nachdem ihre Mutter ins Pflegeheim kommt, droht nicht nur der Verkauf der gemeinsamen Wohnung...

Über weite Strecken wirkt die Geschichte trostlos. Nach etwa einem Drittel ändert sich der Ton: Dot wirkt nahbarer. Ich empfinde sie als glaubhaften Charakter, auch wenn ich ihr Verhalten nicht immer nachvollziehen kann. Der Klappentext beschreibt nicht die Kernthemen des Romans. Daher war der Handlungsverlauf jedoch nicht absehbar.

Die abschweifende, detaillierte Erzählweise empfand ich teilweise als anstrengend, obwohl ich den Schreibstil der Autorin ansonsten als angenehm empfunden habe und die prosaische Sprache die Handlung unterstreicht. Am meisten hat mir über weite Strecken ein wenig Optimismus gefehlt. Allerdings behandelt der Roman auch ernsthafte Themen wie Demenz, Schuld, Schicksalsschläge und Verantwortung.

Neben dem ansprechenden Cover sticht auf jeden Fall der Aufbau hervor: jedem Kapitel ist die Beschreibung eines bestimmten Fundstücks vorangestellt. London ist ein geeigneter Schauplatz für die Geschichte.

Abschließen möchte ich mit einem Zitat, welches die Essenz des Romans beschreibt: "Das Leben hat so viel zu bieten...glückliche Zufälle, Aufregendes, Hoffnung. Doch durch alles zieht sich auch der Verlust. Wollte man diesen einen Faden heraus ziehen, würde sich das ganze Gewebe auflösen. Verlust ist der Preis, den wir für die Liebe zahlen."

Bewertung vom 16.04.2022
Das verschlossene Zimmer
Givney, Rachel

Das verschlossene Zimmer


sehr gut

"Wer auch nur ein einziges Leben rettet, rettet die ganze Welt."

Marie ist 2 Jahre alt als ihre Mutter die Familie verlässt. Als junge Frau begibt sie sich auf die Suche nach der Wahrheit... Was ist vor 15 Jahren geschehen? Warum kennt Marie den Namen ihrer eigenen Mutter nicht?

Krakau, 1939: Dominik Karski ist Facharzt für Chirurgie und Spezialist für die neu aufgekommene Forschung mit Bakterien und Infektionen. Während der Abwesenheit der Mutter hat er ein inniges Verhältnis zu seiner einzigen Tochter Marie aufgebaut. Nichtsdestotrotz erscheint die Beziehung ein wenig distanziert als Marie auf der Suche nach einem Hinweis zum Verbleib ihrer Mutter, in das titelgebende Schlafzimmer ihres Vaters eindringt und ein verstecktes Kästchen entdeckt... Als kurz darauf Dominik Karski die Leitung der Klinik angeboten wird, drängen die Ereignisse der Vergangenheit ans Licht...

"Das verschlossene Zimmer" bietet zur Abwechslung eine andere Sichtweise auf die Zeit des Nationalsozialismus und sticht aus der Vielzahl der Romane mit ähnlicher Thematik heraus. Die Hauptprotagonisten, allen voran der ambivalente Dominik Karski, werden glaubhaft charakterisiert. Die Episode der Rettung eines kleinen Jungen weckt Hoffnung und hat mich emotional berührt. Dank Klappentext und umfangreicher Leseprobe war mein Interesse bereits im Vorfeld geweckt, allerdings entwickelte sich die Geschichte anders als erwartet. Maries' Verhalten war für mich z.B. nicht immer nachvollziehbar. Positiv hingegen habe ich die Einblicke in die jüdischen Sitten & Gebräuche sowie die Informationen aus Chemie und Medizin wahrgenommen. Auch der Zeitgeist wird passend widergespiegelt. Hier und da hätte ich mir noch ein wenig mehr Tiefgang gewünscht.

Fazit: ein guter Familienroman, welcher mehrere Zeitebenen des 20. Jahrhunderts umfasst und mit Spannungselementen aufwarten kann.