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Top-Rezensenten Übersicht

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Edda246
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Hamburg

Bewertungen

Insgesamt 56 Bewertungen
Bewertung vom 06.03.2023
Fünf Winter
Kestrel, James

Fünf Winter


ausgezeichnet

Ein Page-Turner, ein von Anfang an fesselnder Krimi. Atmosphärisch dicht, man ist sofort im Geschehen mitten drin und identifiziert sich mit dem sympathischen Protagonisten Joe McGrady. Dieser, ansässig auf Hawaii, wird von seinem Vorgesetzten zu einem Mordfall gerufen,der für ihn schicksalhaft werden wird. Der Neffe eines Oberbefehlshabers und die Tochter eines Japaners werden brutal verstümmelt und erhängt in einer abgelegenen Scheune aufgefunden. McGradys Ermittlungen führen im weiteren Verlauf nach Hongkong, wo er festgenommen und nach Japan gebracht wird. Erst nach 5 Wintern kann er den Fall abschließen.
Der Roman ist in drei Teile aufgeteilt, wobei der erste Teil am 16. November 1941 beginnt und mit dem Überraschungsangriff der Japaner auf die amerikanische Flotte in Pearl Harbour am 7.Dezember endet. Joe McGrady wird ein Spielball der politischen Ereignisse, in die er als Detective gerät.
Einerseits die Recherche von McGrady, die wahren Zusammenhänge des Geschehens, der brutalen Morde, herauszufinden, auf der anderen Seite die detaillierten Einblicke in die damalige Zeit, genau das ist hervorragend fesselnder Stoff. Kestrel bewältigt dies sehr unterhaltsam auf fast 500 Seiten, es wird auch eine romantische Liebesgeschichte mit hinein gewoben. Es gibt beherzte Helden, Begegnungen, die erst später ihre Bedeutung erfahren. Jede Person hat einen Wiedererkennungswert. Die Entscheidungen und Beweggründe des Protagonisten sind nachvollziehbar.

Eine hoch spannende und glaubhafte Heldenreise erzählt vor dem geschichtlichen Hintergrund des auch in Asien ausbrechenden 2. Weltkriegs und dessen Ende im Sept 1945. Die Aufklärung der Morde sowie die Darstellung des Zeitabschnitts, zwischen Angriff der Japaner, Eintritt der Amerikaner in den 2. Weltkrieg und dessen Ende durch den Abwurf von Atombomben auf Japan – ein ganz großer Wurf von James Kestrel, der diesen Zeitabschnitt durch Gespräche mit seinem Großvater und Großonkel und anderen Zeitzeugen in dieser Generation lebendig werden ließ.

Bewertung vom 23.02.2023
Wovon wir leben
Birnbacher, Birgit

Wovon wir leben


ausgezeichnet

Julia wird aufgrund eines Fehlers als Krankenschwester aus der städtischen Klinik entlassen, schweratmig und arbeitslos kehrt sie in das Dorf Ihrer Eltern zurück. Der Vater, pflegebedürtig, die Mutter abwesend, der Bruder in einer betreuten Einrichtung. Der ganze Dorfmief kommt ihr entgegen, bekommt ein I-Tüpfelchen mit einer schreienden Ziege, die vorerst nicht zu bändigen ist. Dann taucht Oskar auf. Er, ein Städter mit einem vorangegangenen Herzinfarkt, ist zur Erholung in den Ort gekommen. Julia und Carl nähern sich an. Oskar ist nicht die Lösung von Julias Problemen, dennoch, die trübe Grundstimmung, die wir mit der Protagonistin teilen, erlebt einen frohen Aufschwung. So wird Julia inspiriert, sich mit dem sie Umgebenden neu auseinanderzusetzen und wahrzunehmen.

Birgit Birnbacher schaut genau hin auf den dargestellten Kleinstadtmief und genau das genaue Hinschauen, bewirkt im Leser eine unaufgeregte entspannte und neugierige Resonanz. Sie zieht dadurch an, die Geschichte, so deprimierend sie zuerst anmutet, weiter zu verfolgen.
Gedanken, die anregen: Er: „ an das glauben, was man vor sich hat. An etwas glauben, das es vielleicht nie gibt...Von diesen Dingen leben wir doch“ .
Sie: „Der Städter hat sich an meinen Ort gebunden und macht es mir damit unmöglich,
sich an ihn zu binden“.

Der Name der Protagonistin Julia Noch beschreibt schon, was Birnbacher ausdrückt. Noch ist alles offen, wandelbar. Julia erscheint hierbei mehr passiv und auch hilfsbedürftig, doch in all ihrer Zögerlichkeit gibt sie sich dem hin und entwirft ihr Schicksal. Wie man etwas trägt, wie man etwas erträgt. So war ich nicht enttäuscht, dass der Schluss zwar überraschend aber stimmig ist.

Der Roman zeigt in der Ehrlichkeit der Hauptdarstellerin, wie das Leben ist, wie es sich wandelt, wie es niemals fertig wird und man es nicht messen kann. Die großartige Erkenntnis ist das genaue Hinsehen, das Verarbeiten und wiederum Fließen lassen, das heißt Entscheidungen werden durch den Wandel und den folgenden Herausforderungen getroffen.
Die Schönheit der Formulierung, die Sprache, ist tief zufriedenstellend. Für mich ein Frauenbuch mit großer künstlerischer, schriftstellerischer Leistung, die sich erhebt über den dargestellten Alltag, berührend und nachhallend. Sehr empfehlenswert!

Bewertung vom 18.01.2023
Frankie
Köhlmeier, Michael

Frankie


ausgezeichnet

Frankie ist ein 14- jähriger Junge im Übergang zum Erwachsensein. Wir erfahren seine Sicht auf sein bisheriges Leben mit seiner alleinerziehenden Mutter, seiner Schule, seinem später auftauchenden Vater, erfahren über die Selbständigkeit seiner Gedanken, geprägt am behütet Erlebten. Die Mutter schneidert an der Oper und seine Wahrnehmung ist eine sensible Ästhetische, gepaart mit erkenntnisreichen Gedanken, die sich ein Jugendlicher über das Leben macht, jedoch in der Art und Weise, die den Leser in Erinnerung bringt, wie weltklug ein Mensch in diesem Alter wahrnehmen, analysieren und philosophieren kann. Und genau das berührt die ganze Geschichte hindurch, mit kleinen Längen, bis zum ungewöhnlichen Ende. Der nach jahrzehntelanger Haft entlassene Großvater bringt einen neuen unheimlichen Impuls in Frankies überschaubares Dasein, wird als Bedrohung und als Reiz von ihm empfunden - und er geht dem nach. Er fühlt den Sog und entscheidet, mit dem Großvater in einem gestohlenen Auto wegzufahren. So gerät er in einen Ablauf von unbekannten und für sein Leben grenzüberschreitenden Situationen – ein Abenteuer, das ihn auf sich zurückwirft und ihn zu ungewöhnlichem Handeln veranlasst.

Frank erfährt, dass die Erwachsenen, wie Mutter, später auftauchender Vater, eigene Leben mit neuen Partner haben, sogar der irgendwie faszinierende Großvater. Der rote Faden bewegt sich auf dem vorwärts, was unausgesprochen ist, der Neugier. Von außen, nur die Handlung betrachtend, könnte man sagen, der Großvater hat einen schlechten Einfluss auf den Jungen, doch für diesen ist er vorerst eine Inspiration zum Erwachsenwerden.
Spannend fand ich, wie detailliert Frankie seine Welt, Mutter, Vater und Großvater betrachtet und auf seine Weise erkennt und entlarvt und das ist der Moment, die Triebfeder, seine eigene Reise anzutreten – aus Frankie wird Frank.
Ein schönes Buch zum Schmunzeln, Staunen und Nachdenken mit einer Geschichte, die so wahrscheinlich niemals stattfinden wird, doch eine ureigene „Heldenreise“ sich vorstellt.
Hervorragend erzählt! Z.B. Zitat: „Ich habe mich vor dem Bett gefürchtet, das gebe ich zu, ich habe gefürchtet, es schaut mich an und sagt: Komm du, komm du ich mach dich fertig heute Nacht!
Dies ist mein erstes Buch, das ich von Michael Köhlmeier gelesen habe. Er ist vielfach mit deutschen Literaturpreisen ausgezeichnet . Er inspiriert durch eine ganz eigene, besondere Sprache.

Bewertung vom 05.12.2022
Wintersterben
Krüger, Martin

Wintersterben


ausgezeichnet

Ein Mord in den Walliser Alpen beordert Valeria Ravelli, Leutnant von Interpol an den kleinen, abgeschiedenen Ort Steinberg. Ein ehemaliger BKA Ermittler ist in einer Höhle tot aufgefunden worden, fast schon mumifiziert. Ihr Kollege Colin Bain forscht parallel auf der Spur der Vergangenheit des Toten.
Valeria, sich vorerst als Touristin ausgebend, begibt sich allein in diesen kleinen, eigenartigen Bergort. Wem kann Sie vertrauen?
Eindringlich vermag Martin Krüger Atmosphären zu entwerfen, spielt mit den düster ängstlichen Vorstellungen des Lesers, die Gänsehaut und Schauergefühle hinterlassen.
Zitat: … tanzten die Geister, neben ihr zuckende Schatten... Ein Spagat zwischen Merkwürdigem und Realität, das immer noch Glaubwürdigkeit erzielt. Ein merkwürdiges Anwesen mit einem Comte und einem Butler entführen in Mittelalter, die Steinhöhlen in weitere Vergangenheit. Ein sehr schön gemachter Mix, bestechend an Gegebenheiten, Geschehnissen und Örtlichkeiten.
Geschickt führt er die Protagonistin in unbekanntes unheimliches Terrain. Spannend von der ersten bis zur letzten Seite. Mir hat dieser zweite Band um Valeria Ravelli weitaus mehr Lesevergnügen bereitet, als der erste Band Waldeskälte, den ich streckenweise zu langatmig empfunden hatte. Obwohl die furiose Auflösung des Mordfalles, es kommen noch andere hinzu, nicht wirklich realistisch anmutet, bremst dies jedoch nicht den ausgezeichneten, unterhaltsamen deutschen Kriminalroman.

Bewertung vom 31.10.2022
Herzschuss / Kreuthner und Wallner Bd.10
Föhr, Andreas

Herzschuss / Kreuthner und Wallner Bd.10


ausgezeichnet

Der Ehemann von Kreuthners Jugendliebe Philomena wurde ermordet.
Kriminalhauptkommissar Wallner ermittelt. Ist der Polizeihauptmeister Leo Kreuthner darin verwickelt?

Andreas Föhr hat mit seinem 10. Band „Wallner und Kreuthner“ wieder einen vergnüglichen Wurf gelandet.
Inzwischen sind mir, als Fan von Andreas Föhr, die beiden Kriminalbeamten so ans Herz gewachsen, dass ich mich bedingungsls in das neue Abenteuer werfe. Und ich wurde nicht enttäuscht. Wieder hat es Föhr geschafft durch Spannung, Humor und Menschenliebe einen Kriminalroman zu entwickeln, der an Unglaublichen seinesgleichen sucht. Witzige Zufälle verkettet Andreas Föhr grandios. Auch gibt es wieder Initiativzünder von Leo Kreuthner und seinen Mangfallmühlen - Kumpeln, was weit über bürgerliches Vorstellvermögen hinausragt. So wird der Polizist auch verdächtigt und scheint in weitere unaufgeklärte Fälle verwickelt zu sein, zumindest scheinen die Indizien auf ihn hinzuweisen. Mit Rückblenden nicht nur in Kreuthners jugendliche Sturm und Drang-Zeit und auch die anderer Beteiligten Jahrzehnte vor dem Geschehen, entwickelt sich nach und nach eine Geschichte, die bis in die heutigen Kreise der Politik reicht. Kommissar Wallners analytische Fähigkeiten sind gefragt. Ab und zu, ihm zufällig und unbewusst mit wertvollen Tipps zur Seite stehend, sein 90 jähriger Großvater Manfred. Auch dieser ist mit seiner, trotz des hohen Alters originellen Lebensart, ein Pendant zu Wallners Ernsthaftigkeit. Zu diesen Protagonisten gesellt sich noch die neue Leiterin des Dezernats Carla Tiedemann, die nicht nur sympathisch daherkommt, sondern auch aneckt durch eigenwillige Aktionen. In diesem Krimi findet man eine ganze Palette menschlichen Handelns wie z.B. Gier, Abhängigkeit, Gekränktheit aber auch Menschenwärme und Zuneigung.
Die bayerische Mundart, in vertrauten Gesprächen auftauchend, macht den Krimi, in einem Bayerischen Ort namens Miesbach, in der Nähe des Tegernsees,,heimelig und liebenswert.
Ein gelungener Regionalkrimi, der schmunzelnd entspannt und nachhallt.

Bewertung vom 19.10.2022
The Dark
Haughton, Emma

The Dark


ausgezeichnet

Mit Kate, der neuen Ärztin auf einer kleineren Antarktis - Forschungsstation, begeben wir uns auf die Suche nach dem Geheimnis des gestorbenen Arztes Jean-Luc.
Die Mitspielenden sind übersehbar, Koch, Forschungs- und handwerklich benötigte Arbeiter, sowie die Stationsleiterin Sandrine werden vorgestellt. Kates Vergangenheit und ihre Beweggründe zu dieser Aufgabe entpuppen sich nach und nach.
Die Zuneigungen und Abneigungen zu den einzelnen Verdächtigen, denn nur jemand aus der Station konnte , falls es denn einer war, den Mord an Jean-Luc verübt haben.
Kann Kate ihren Vermutungen und den gefundenen Indizien trauen, ist ihre Verwirrung ein Auswurf ihrer Phantasie, oder wird sie recht behalten. Wem kann sie noch trauen? Die Verhältnisse zu den Stationsmitgliedern ändern sich und auch der Leser zweifelt mit Kate. Der Roman ist aus Sicht von Kate geschrieben, so ist man hautnah am Geschehen. Kate, auch nur „ein Mensch“, muss sich zudem beweisen mit dem was ihr an medizinischer Ausrüstung zur Verfügung steht. Erschwerend kommt hinzu, ihre Angst vor der Dunkelheit. In der Antarktis ist es bis zu 6 Monaten dunkel. So sind die Mitspielenden abgeschnitten von der Helligkeit und abgeschnitten von entfernter Zivilisation aufgrund der eisigen Kälte. Ein atemberaubendes Szenarium, das Emma Haughton, Journalistin, als ersten Spannungsroman, gewählt hat. Die unterschwellige Bedrohung, die dichte Atmosphäre einer Forschungstation in eisiger Kälte – de Britin hat ihre Aufgabe mit Bravour geleistet. Ich habe mich absolut bestens unterhalten gefühlt durch die gute Recherche, die stimmungsvolle Erzählung, der Sympathie zur Protagonistin, und der durchgängigen Spannung des Romans – ein Pageturner!

Bewertung vom 15.09.2022
Bullauge
Ani, Friedrich

Bullauge


sehr gut

Bullauge – ein Psychogramm der Abgehängten

Das Auge des Polizisten Kay Oleander wird auf einer aus dem Ruder gelaufenen Demonstration von einer geworfenen Flasche verletzt. Seitdem ist er versehrt und als Streifenpolizist untauglich bezeichnet. Dieser Roman zeigt seine Gedanken hierzu und sein Umgehen daraufhin mit der Welt. Durch Kays Gedankengänge und Sinnierungen bekommt man schnell Eindruck von seiner Psyche. Er, der durch diesen unglücklichen Zufall aus dem normalen Alltag geworfen ist, beginnt nachzuforschen, wer an seinem Unglück Schuld sein könnte. So stößt er auf eine Demonstrantin, die auf den Überwachungskameras eine Flasche in der Hand hält und dadurch verdächtig erscheint - , Via Glaser. Diese ältere Frau, so entpuppt es sich, ist vor Jahren selbst in einen Unfall, diesmal mit einem heranrasenden Polizeiwagen ,verwickelt worden und hat, so sagt sie, kein Recht bekommen. Seitdem geht sie am Stock. Die beiden Versehrten geben sich Halt und beginnen, einen Fall aufzuklären, der in der rechten Szene geplant ist.
Die Geschichte entblättert sich durch Kay Oleanders Gedankengänge nach und nach. Sinn ist es zum Leben zurück zu kehren, Kay versucht es und seine Zweifel führen ihn weiter und weiter zum Wesentlichen. Wer ist nach diesem aus der Lebenssituation gefallenen Protagonisten noch Freund, wer nicht? Was bedeuten die Zufallsbegebenheiten und Begegnungen? Wie ändern sich die Wahrnehmungen durch diese Kontakte? Friedrich Ani entwirft genau in diesen leisen Tönen die Spannung. Die Darsteller sind übersichtlich.
Friedrich Ani besticht durch Metaphern, Gleichnisse. (Das Bullenauge – das Auge des Bullen – oder wie ist es gemeint?)

War ich tief berührt von „Letzter Ehre“ blieb ich hier distanzierter. Mag es an der dunklen Befindlichkeit des Protagonisten liegen? Zu ihm kam keine wirkliche Sympathie auf.
Lange Selbstbetrachtungen von Kay ermüden; Zweifel, innere Dialoge und Widerstände der Außenwelt. Der Anfang zieht sich eher mühselig voran. So wie Kay selbst mit seiner Situation klar kommen muss, ist es für den Leser ähnlich eine Herausforderung, dem zu folgen. Ist dies ein bewusstes stilistisches Mittel? Nach der Gewöhnung an die Sprache entwickelt sich die Spannung zögerlich, bleibt aber für mich dann auf einem Level. Der Schluss ist stimmig und auch überraschend und erleichtert durch die Aufklärung – den Protagonisten und den Leser.

Dennoch ein Roman mit Sog, das Durchhalten wird belohnt durch die Eindringlichkeit und das Nachhallen in einem selbst. Was ist Gerechtigkeit, wie gehen wir selbst mit Schicksalsschlägen um? Wem soll man vertrauen, wo liegt die Wahrheit, wo findet man Heimat, wie den Frieden mit sich? Der Roman regt an zum Nachdenken über die Gesellschaft, Gerechtigkeit und Zufälle, gibt Anregungen nah am politischen Zeitgeschehen.

Friedrich Ani überrascht in jedem seiner Romane, von denen wir in der Art der Ausführung leise und eindringlich berührt werden – ein Meister seines Fachs.

Bewertung vom 21.07.2022
Sturmrot / Eira Sjödin Bd.1
Alsterdal, Tove

Sturmrot / Eira Sjödin Bd.1


ausgezeichnet

Ein Mann wird erstochen tot in seinem Badezimmer aufgefunden. Sein Sohn Olof wird verdächtigt, da dieser schon einmal als Heranwachsender straffällig wurde.
Die Polizistin Eira Sjödin ermittelt hier, in der schwedischen Provinz, dort, wo sie selbst ihre Wurzeln hat. Mit ihrem Wissen der örtlichen Gegebenheiten und dort ansässigen Gepflogenheiten ist sie hierfür bestens geeignet. Sie wird einen lange zurückliegenden Mord aufklären, der Verbindung zu diesem jetzigen hat. Das Gerede und die Vorurteile der Menschen verursachten Schlimmes, und durch eine Aussage wird ein lange zurückliegender Fall neu aufgerollt. Eira ist konfrontiert mit ihrer eigenen Vergangenheit und auch mit der zurückliegenden schwedischen Gesetzgebung. Tove Alsterdal wurde inspiriert von realen historischen Fällen, was dem Kriminalroman noch einmal eine zusätzliche Dichte verleiht. Der „rote Faden“ ist die genaue objektive Betrachtungsweise Eiras, ganz im Gegensatz zu den von Vorurteilen infizierten Darsteller der kleinstädtischen Idylle . Diese Vorurteile gilt es wie ein fehlerhaftes Strickmuster, zu entwirren, den entstandenen Lücken einen Sinn geben
Pures Krimivergnügen, hervorragendes Rätselraten, lebendige Protagonisten im dicht gewebtem Gefüge. Eira ist eine taffe Ermittlerin, die ihre eigenen Schlüsse zieht. Es gibt ein überraschendes Ende, den Personen und Umständen gezollt, fast wie aus dem richtigen Leben, daher so berührend. Bei allem mit der Liebe zu den Mitspielern, großer Menschlichkeit hat Tove Alsterdal einen Kriminalroman erschaffen, der mitreißt und zum Nachdenken anregt und nachhallt. Der Roman ist mit dem schwedischen Krimipreis und mit dem skandinavischen Krimipreis geehrt.
Dies ist Teil eins einer angekündigten Trilogie. Der Titel „Sturmrot erschließt sich dadurch besser durch die nachfolgende Titelauswahl: Erdschwarz und Nebelblau.

Bewertung vom 09.06.2022
Fischers Frau
Kalisa, Karin

Fischers Frau


ausgezeichnet

Mia Lund, Faserarchäologin, bekommt einen alten baltischen Teppich zugeschickt, um ihn auf dessen Echtheit zu überprüfen. Während des Betrachtens und Analysierens des Webstils dieses einzigartigen Teppichs wird sie mehr und mehr angezogen von dessen Farben- und Gestaltungskraft. Sie folgt ihm dorthin, von wo er abgeschickt und in ihrem Museum gelandet ist, nach Zagreb. Gemeinsam mit einem Teppichkenner, Milan, enträtseln sie die Herkunft. Sie entdecken Verknüpfungen und Hinweise und gewebte Geschichte, die bis nach Schweden führt. Damals blieb der Fischfang aus an der Ostsee, die Fischer mussten eine andere Verdienstmöglichkeit suchen. “Knüpft euch eure Welt in diese Rahmen (Webrahmen)“, sagte zu der Zeit der Teppichmeister, der den Fischern das Knüpfen beibringt. Und so wurde gewebt, Teppiche mit Symbolen, mit Geschichten. Mia entdeckt einen Namen, eingewebt im Teppich: Nina Silkestrad, die Knüpferin. Deren beeindruckendes Leben wird entdeckt. Und währenddessen entdeckt auch die sonst zurückhaltende Mia Sund sich neu. „Als gelernte Bandagistin ist sie eine Heilpraktikerin im wörtlichen Sinne, fixiert auf Gebrochenes“. So lässt sie sich selbst auf einen Prozess ein, der sie behutsam auf einen neuen Weg leitet, eine Heilung in Gang setzt. Mias Geschichte entwirrt sich beim Lesen – nach und nach, durch Gedanken, Gespräche und Rückblenden. So wie der alte Fischerteppich sich bei naher Betrachtung wie entfernterer verändert, neues wird entdeckt, so verändert sich Mia, so verändert sich ihre eigene Perspektive, sie wird zur Suchenden und Findenden und Lebendigen. Sie verliebt sich „ ...wie sie selbst jetzt nicht mehr dieselbe bleiben kann. All diese Fäden in ihrer Hand. Die gibt sie nicht wieder her“...
Mia schreibt in Zagreb abschließend zur Analyse des Teppichs einen Liebesromans über Nina Silkestrad und Carl statt eines Forschungsberichts. Beide Lebensfäden werden verknüpft, Mias und Ninas. Sehr passend und ansprechend das Cover des Buches mit den nebeneinander- und überlappenden Köpfen. Sehr schön auch das Glossar zur Erklärung der Knüpfereibegriffe.

Durch aufgeworfene Fragen, die sich erst später im Roman erschließen, sowie Rückblenden aus Mias sowie aus Ninas Leben wird Spannung erzielt. Man wird regelrecht hineingezogen in diesen äußerst farbenfrohen Roman. Wunderbar recherchiert mit einem beeindruckenden Schreibstil, intelligent aufgebaut und große wort- und phantasiereiche Geschichte wird erzählt, immer im Rahmen der tatsächlich historisch belegten Anhaltspunkte. Karin Kalisa - Eine Ausnahmeerzählerin!

Bewertung vom 29.03.2022
Die andere Schwester / Karlstad-Krimi Bd.2
Mohlin, Peter; Nyström, Peter

Die andere Schwester / Karlstad-Krimi Bd.2


sehr gut

Der Thriller „die andere Schwester“ knüpft an den ersten Teil der Reihe um den Ermittler John Adderley „Der andere Sohn“ an. Allerdings, unabhängig vom ersten Band, erschließt sich der Roman auch so von selbst. Ein Mord ist im schwedischen Karlstad geschehen und John, der mit einer neuen Identität als Ermittler tätig ist, wird der Fall zugewiesen.
Die erfolgreiche Stella, die mit ihrer Schwester Alicia eine Dating App gegründet hat, wird ermordet aufgefunden. John soll sich mit der Aufklärung befassen, ist doch wider Erwartens durch eigene vergangene Verstrickungen abgelenkt und in der Ermittlung behindert. Er ist gezwungen, um zu überleben, Entscheidungen zu treffen, die unkonventionell sind. Mit Bravour bricht Johns Vergangenheit in den Fall ein.
Die Hauptakteure, Alicia sowie John, überschreiten Grenzen und versuchen, jeder auf eigene Weise, damit klarzukommen. Auch das Leben der Schwester Stella entpuppt sich im Nachhinein als weit weniger strahlend als in ihrer Darstellung und hat Wurzeln gelegt, die weit in die Vergangenheit zurückreichen und noch in der Gegenwart bestimmend sind.
Doch in der Gegenwart geht es ums Überleben. Das Autorenduo Peter Mohlin & Peter Nyström haben konsequent einen Spannungsfaden entwickelt, der den Leser durchgängig fesselt. Die Hauptcharaktere, die alle von der Norm abweichende Persönlichkeiten mitbringen, werden verständlich dargestellt und deren Handlungsweisen erscheinen folgerichtig. Es geht um das Überleben, um Verrat, um Täuschung, um Extremsituationen und Entscheidungen. Der Spagat zwischen Selbstjustiz und Gesetz gelingt, denn Mona, eine Sonderermittlerin aus Stockholm erweist sich als „Fels in der Brandung“ und trifft eine kluge Entscheidung.
Ein ungewöhnlicher Thrlller, der hochgradige Spannung erzeugt und auch zu eigenen Gewissensfragen anregt. Inwieweit die Protagonisten sympathisch empfunden werden, ist jedem ja selbst überlassen.